ARA MS - 600 km - Vom Ostfriesland-Express zur Teuto-Bremse - Teil 2
Emden! - Das erste "echte" Ziel der Fahrt. Der Abschnitt nach Norden ist nach 235 km vollendet. Es ist Abend geworden (naja, zwanzig nach sechs halt); und wir haben erstmal Hunger und Durst. Mario muss entsetzt ein "Cola ist ausverkauft" zur Kenntnis nehmen. Und auch ansonsten können wir drei hungrigen Radfahrer die drei Damen vom Fischgrill problemlos in heftige Verwirrung stürzen. Egal. Es gibt noch andere Getränke und Kibbeling. - Ernährung bei Langstreckenfahrten ist ja immer ein Thema und da LEL bevorsteht muss ich da auch ein wenig experimentieren. Auch für mich gibt es also eine "frittierter Kram"-Mahlzeit und mangels Alternativen auch 2 x 0,5 l kohlensäurehaltige süße Getränke. Der Magen hat das gut verkraftet.
Gut gestärkt und ausgeruht rollten wir wenige 100 m zur tatsächlichen Kontrolle, füllen an der Tankstelle noch den ein oder anderen Vorrat auf und nehmen den Schlag "Quer durch Ostfriesland" in Angriff. Mit Kurs Nordost geht es erst über Aurich bis Wittmund. Kurz vor Jever erreichen wir den nördlichsten Punkt der Tour. Kurz vor 23:00 sind wir dann in Wilhelmshaven. Halbzeit! (ok, die Kontrolle lag schon bei km 312
) - Aber die längere Hälfte der Prüfungsfahrt beginnt zahlenmäßig erst jetzt. In meinem Kopf beginnt die zweite Hälfte eines 600ers allerdings erst bei km 400. Bis jetzt lief alles flott und locker und gut gelaunt. Mal schauen, was noch kommt. Auf nach Oldenburg! - Der Abschnitt ist mir als "entspanntes Rollen durch die Nacht bei zunehmender Müdigkeit" in Erinnerung. Wir hatten uns schon vorher überlegt, dass wir im Oldenburger 24 h McD eine längere Ess- und Döse-Schlaf-Pause einlegen würden. Und nie war sie willkommener als nach knapp 370 km um kurz vor 2 Uhr am sehr jungen Sonntagmorgen. Erst benahmen wir uns noch wie "normale Gäste"; aber irgendwann kam es der Belegschaft wohl seltsam vor. Jedenfalls erkundigte man sich besorgt, ob man uns ein Taxi bestellen solle oder um eine gewisse Zeit wecken solle. Wir bekräftigten unsere körperliche wie geistige Gesundheit und versicherten, dass bei uns alles voll normal sei
. Unsere Kontroll-Tanke lag wieder nur ein paar Meter weiter und um kurz nach 4 holten wir uns dort unsere Stempel.
Weiter! Weiter! Bald wird es schon hell!
Die Brücke über die Hunte war ein wenig abenteuerlich und für Velomobile sicher überhaupt nicht geeignet.
Ich liebe die Fahrten durch Dämmerung und Zwielicht; wenn die Landschaft noch in Nebel getaucht ist. Ich liebe auch die interessant zu fühlenden Temperaturwechsel durch unterschiedliche Bebauungs- und Vegetationszonen.
Die Fahrt bis Delmenhorst, das als Kontrolle 5 im Streckenplan vermerkt ist, war ok. Die Morgenstimmung wurde nur zeitweise von interessanter Wegewahl (huch? Hier soll ein Weg sein? Da ist doch nur Gebüsch? Ach ne, dort ist ein kleiner Schotterweg an einem Bach entlang durch eine winklige Unterführung) gestört. Die nächsten zwei kreativen Stellen im Track umfuhren wir großzügig
. - Langsamer sind wir geworden. 2 h für 40 km. Puhh, man merkt halt doch, dass die Fahrt schon etwas länger dauert. - Aber hey! Wir trafen an der Frühstückstanke mal wieder "unsere" Rennradtruppe für einen kleinen Schnack. Und hatten nun nur noch 200 km. Pah! Piece of cake, oder?
He he. Ich seh Euch in Gedanken schon fies grinsen. Jetzt, jetzt beginnt doch die zweite Hälfte. Genau. So kam es.
60 km bis Diepholz. Leicht welliges Gelände. Es fällt schwer zu unterscheiden, ob man trotz oder wegen des Geländes so langsam ist. Die Erholung der Dösepause ist verblichen. Abwechselnd werden wir von Müdigkeitswellen geschüttelt. Und ehrlich: so prall toll war die Landschaft zwischen Delmenhorst (leider kamen wir gar nicht bei "Getränke Hoffmann" vorbei) und Diepholz dann auch nicht.
Gefühlt zumindest. ("In echt" und bei wachem Verstand ist es da gar nicht übel. Ich war in dem Großraum nun schon einige Male mit dem Rad.) Wir quälten uns von Ort zu Ort, ... und hinter Goldenstedt rief Mario dann den absoluten Pausennotstand aus. Ok. Ok. Aber bis wir einen geeigneten Ort (sorry, keine Bilder; ... zu müde.) fanden, dauerte es noch. Wiesen am Wegesrand waren noch viel zu nass; ... aber dann fand sich eine Stahlbaufirma, hinter deren Grundstück wir uns auf einem gepflastern Stück ausruhen konnten. Ein gutes Stündchen später setzten wir unsere rollende Tortour dann fahrt. Immerhin waren die Abstände zwischen den Müdigkeitswellen nun wieder etwas größer. Erstaunlicherweise kamen wir dann doch irgendwann in Diepholz an; die Brevetkarte vermerkt 10:30 Uhr, km 470.
Nur noch eine große Sonntagsrunde. Das passt schon. Trotz Müdigkeit, oder? Naja. Naja. - Nur gut, dass unsere Lok mit zwei Beinen nach der Pause wieder sehr zuverlässig ihren Dienst versah. Die Fahrt von Diepholz nach Dissen wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Die ersten km verliefen noch recht flach; wir ließen den Dümmer rechts liegen und Um die Spannung hoch zu halten, hörte ich (die beiden anderen waren ein Stück voraus) plötzlich ein "peng! Zsssssssschhhh" und suchte verzweifelt am Hinterrad nach dem Platten. (Auf den war ich gedanklich eingeschossen, weil er zwischenzeitlich schonmal nachgepumpt werden musste.) Irgendwann ging mir auf, dass auch was Vorderrad sein könnte. Und richtig.
- Rad auf die Seite, Werkzeug raus, Rad raus. Und meine zickige Reifen-/Felgenkombination erwies sich sogar ausnahmsweise mal als freundlich. Der Conti ging beim ersten Versuch mit dem Reifenheber runter. Die Decke hatte einen unhübschen Schnitt der auch einen Mantelflicken ratsam erscheinen ließ. Ok, ich nehm dann mal einen normalen Schlauchflicken und tape zusätzlich. Kaum war ich damit fertig trudelte mein Team bei mir ein und Mario bot mir seinen Ersatzreifen an. Super. Ich verfrachtete den geflickten Conti ins Gepäck und der schon eingefahrene Ultremo schlüpfte sogar werkzeugfrei auf die sonst gern zickige Felge. (Ich muss wohl doch mal 'nen Schwalbe One testen.)
Dann ging es Bohmte zu. Da begann es mit den Hügeln, die sich wie die Alpen vor mir auftürmten. Und das unterscheidet mich von meinen treuen Flügelleuten. Die *fliegen* die Steigungen rauf, ... und warten dann gelegentlich nett auf mich. Ich kurbele langsamer als langsam die Ungetüme hinauf und bin froh, wenn ich mal wieder eine Kuppe erklommen habe. Wir fahren zum Teil denselben Weg wie schon beim 300er vom Dümmer zurück. Aber nur zum Teil. Ben hat es sicher gut gemeint. Landschaftlich war die Streckenführung durch Meller Berge und Teuto super! (Und schöner als beim 300er) Aber mit 500 km in den Beinen muss ich selbst mit 34/36 an einigen Anstiegen ordentlich drücken. Autsch sagen die Oberschenkel. Aber es geht. Ich muss immerhin nicht absteigen und schieben. An zwei, drei Stellen war es allerdings nicht mehr weit davon entfernt. Ich muss diesen Abschnitt mal gut erholt mit frischen Beinen fahren, um ein realistisches Bild zu erhalten.
Langweilig war dieser Abschnitt jedenfalls nicht. Fahrerisch anspruchsvoll. Tolle Teuto-Landschaft. Für Müdigkeitsgefühle war keine Zeit. Das war am Nachmittag tatsächlich (zumindest bei mir) kein Problem mehr.
Dennoch war ich froh, als ich die letzte sehr schöne Abfahrt gen Dissen rasen konnte.
Dissen. Pause. Stempeln bei km 545. Sehr verdientes, extrem schnell im Magen verdampfendes ISO-Getränk.
Tja. Was muss, das muss. 60 km noch.
Da fällt mir nicht mehr viel zu ein. Die Routen sind einigermaßen bekannt. Thomas fährt eh öfter in diese Himmelsrichtung; ich war auch schon ein paar Mal dort unterwegs. Fahrerisch ist es eher wieder einfach; dafür wird es mental nun herausfordernd. Ich fand die letzten 40 km oder gar die letzten 10 km bei meinem 600er-Debüt 2015 heftiger, aber auch jetzt zogen sich einige km wie Kaugummi. Und schon auf Münsteraner Stadtgebiet baute Ben noch lustige Kehren und Umwege ein; genau dann, wenn man doch einfach nur noch zum Ziel will. Naja, auch das wurde hübsch fertig gefahren und 18:21 Uhr war der Drops gelutscht.
Schöne Strecke (echt jetzt, von wenigen Ausnahme abgesehen), tolles Team, super Lokomotive, schönes Radwochenende! Gerne wieder.
Nachbetrachtung:
Man hörte einige Male, dass es eigentlich schöner wäre, tatsächlich bis ans Meer zu fahren. Das finde ich auch. Eines der "Siele" mit in den Track zu bauen würde gewiss funktionieren (z.B. im Tausch gegen das Innenstadtgekurve in Wilhelmshaven und den Abschlussschlenker in Münster).
Die Beine (und der Rest des Körpers) haben sich gut geschlagen; negative Nachwirkungen sind bisher nicht zu verzeichnen. Ok, die Kniebänder muckten ein klein wenig. Bei voller Belastung brennen die Oberschenkel ein wenig. Aber sonst. Alles schick.