Vom Kampfradler zum Defensivfahrer

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Ich gebe zu, als ich jünger war, hab ich mich mit dem Rad furchtlos auf grossen Schnellstrassen in grossen Städten durch dichten Autoverkehr geschlängelt, bin aus Prinzip über alle roten Ampeln gefahren, hab mir aggressiv "meine" Vorfahrt genommen (und hab dadurch zwei Hinterräder verloren die vom Auto erwischt wurden - zum Glück waren es nur die Laufräder und nicht meine Beine). Ich war auf Landstrassen unterwegs und hab die ständig überholenden Autos irgendwie ausgeblendet. Unsicher hab ich mich eigentlich nie gefühlt, eher unsterblich. Den Gedanken an negative Konsequenzen hatte ich irgendwie gar nicht, und ich hab auch die Autos nie als Gegner oder Gefahr empfunden, sondern sie eher ignoriert.

Durch die erwähnten Unfälle, und einem Mal wo mich die aufgehende Tür eines parkenden Autos gestreift hat, ist bei mir trotzdem ein Bewusstsein dafür gewachsen, was alles passieren kann, und ich habe gemerkt, dass ich in den letzten Jahren deutlich ruhiger und defensiver beim Radfahren geworden bin. Fahren auf Strassen mit viel Autoverkehr und ohne Platz am Rand, was mich früher nicht gestört hatte, ist mir plötzlich sehr unangenehm geworden, und ich finde mich grad dabei, von Rennrad- auf Gravel-Reifen umzusteigen, damit ich mehr Möglichkeiten habe, auf kleinen und vielleicht unbefestigten Wegen zu fahren, um der grossen Strasse auszuweichen.

Als ich anfing, in Foren wie diesem die Berichte darüber zu lesen, wie schlecht die Stimmung zwischen Fahrrad- und Autofahrern ist, war ich anfangs erstaunt und erschrocken darüber, weil mir das bislang persönlich nicht in dem Ausmaß aufgefallen war (in mehr als vier Jahrzehnten, in denen das Fahrrad mein wichtigstes und tägliches Fortbewegungsmittel war). Auch die vielen Regeln zur Radwegbenutzungspflicht kannte ich gar nicht, und hab auch Radwege eher ignoriert. Inzwischen weiss ich (durch die Lektüre der Beiträge hier), wann ich eigentlich auf dem Radweg fahren müsste und denke dann mehr darüber nach, dass die Autofahrer mich jetzt zu Recht dafür anmachen könnten, wenn ich mal auf der Strasse fahre, und seitdem passiert das auch öfters. Früher, als ich über sowas gar nicht nachgedacht hab, war das für mich entspannter. Irgendwie wünsche ich mir diese Leichtigkeit zurück.

Durch den Tod vom Fahrradblogger Natenom, der hier kürzlich besprochen wurde, hab ich mir mal seine Webseite angeschaut, und fand viele Beiträge dazu, wie gefährlich genau die Landstrasse ist, auf der es ihn letztlich ja auch erwischt hat. Und da merke ich, früher wär ich auch genau auf dieser Strasse weiter mit dem Rad gefahren, um mir meinen Platz als Radfahrer zu nehmen, und heute würde ich lieber den schlecht befestigten Waldweg neben der Strasse nehmen (sofern es so einen gibt). Mein Leben, meine Gesundheit, und meine Gelassenheit sind mir da inzwischen wichtiger als mein Recht, auf der Strasse zu fahren.

Was will ich damit nun eigentlich sagen?
Zu Einen: Wenn ich ständig daran denke, dass ich mich grad im "Fahrradmordor" bewege, macht mich das frustriert und wütend, und ich werde mir gerade die Situationen merken, welche diese negative Grundeinstellung bestätigen, unabhängig von der tatsächlichen Gefahr, die ja real durchaus gegeben ist. Damit wird das Radfahren noch stressiger als es eh schon ist.
Ausserdem: Radfahren macht mir einfach mehr Spaß und ist entspannter, wenn ich solche Stresssituationen reduziere indem ich mir andere Strecken aussuche, selbst wenn die schlechter und länger sind. Früher hab ich das nicht gemacht, aber inzwischen mache ich es immer öfter.

Was sind Eure Erfahrungen damit?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich fahre lieber stressarm und sicherer. Rekorde breche ich sowieso keine. Dass das Risiko mitfährt, wusste ich schon vor unserem Unfall. Bei dem hat ein Autofahrer das Tandem von der Straße verräumt, leider, ohne uns absteigen zu lassen. Uns ist aber wenig dabei passiert, abgesehen vom Tandem natürlich. Das war ein halbes Jahr im Krankenstand, bis ich alle Ersatzteile beisammen hatte.

Ich radle immer weniger gerne in Ländern oder Gegenden, wo regelmäßig rücksichtslos gefahren wird. Da suche ich mir lieber eine weniger spannende Gegend aus, und kann sie besser genießen. Mit bissigen Hunden ist es das selbe.

Ein Problem beim defensivem Fahren sehe ich, wenn ich mit meiner Frau fahre. Sie fährt extrem defensiv, das führt dazu, dass sie mehr geschnitten wird als ich. In der Summe riskiert sie wahrscheinlich eher mehr als ich, der schon einmal zeigt, wer den Vorrang hat, so lange sich der Bremsweg ausgeht. Einen Mittelweg zwischen den Extremen, defensiv versus offensiv zu finden, ist nicht immer leicht. Es handelt sich ja um spontane Entscheidungen.

lg!
georg
 
Gute Gadenken @Karl42 !
Mir geht es ganz ähnlich. Ich gehe mittlerweile auch jeglichem Stress aus dem Weg. Benutze mit dem UP die Radwege um stressige Situationen zu vermeiden, suche kleine Straßen etc. Jegliche Aufregung wegen anderen Verkehrsteilnehmer*innen ist mir zuwieder. Mit dem VM fahre ich genauso defensiv, aber hier keine Experimente mit Radwegen und Co. Und mit dem VM gibt es auch nur selten wirklich Stress. Eigentlich fast nie. Aber ich wohne auch in Norddeutschland, wir sind hier viel geringer besiedelt. Ein Traum für VM :love:!
 
Ein Problem beim defensivem Fahren sehe ich, wenn ich mit meiner Frau fahre. Sie fährt extrem defensiv, das führt dazu, dass sie mehr geschnitten wird als ich. In der Summe riskiert sie wahrscheinlich eher mehr als ich, der schon einmal zeigt, wer den Vorrang hat, so lange sich der Bremsweg ausgeht. Einen Mittelweg zwischen den Extremen, defensiv versus offensiv zu finden, ist nicht immer leicht. Es handelt sich ja um spontane Entscheidungen.
Souveränes Fahren ist sicher besser als ängstliches.
Ich tendiere auch immer noch dazu, auf meinem Vorrang zu bestehen (bzw. meist davon auszugehen, dass andere diesen beachten). Es gibt in meiner Nähe einen Kreisverkehr, im dem ich schon mehrfach Autos zum Bremsen gezwungen hab, die grad in den Kreisverkehr reinfahren wollten und mir damit die Vorfahrt genommen hätten. Sie hatten mich davor meist offenbar ausgeblendet und waren dann sehr erstaunt, dass ich ja auch da bin. Einige Fahrer hatten sich sogar lautstark entschuldigt.

Trotzdem will ich nicht auf meinem Grabstein stehen haben "Er hatte Vorfahrt".
 
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Ich wähle meine Strecken bewusst aus. Am Wochenende meide ich Straßen mit Ausflugsverkehr, bei tiefstehender Sonne fahre ich so, dass ich nicht "aus der Sonne" komme, von der Zeit her wähle ich die Zeit zwischen dem Berufsverkehr am Morgen und am Abend. Oft nehme ich inzwischen auch wieder das MTB und fahre auf Feld- und Waldwegen.

Mehr kann ich nicht tun und trotzdem weiß ich, dass jede Fahrt meine letzte sein kann. Und da muss nicht einmal jemand beteiligt sein ... :cool:

fluxx.

P. S.: Die gefährlichsten Situationen hatte ich bisher ausschließlich, wenn ich mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs war. :X3:
 
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Eigenes entspanntes Fahren hilft auf jeden Fall, um die Aggressionen anderer Verkehrsteilnehmer zu minimieren, aber es hilft auch, um mit den Aggressionen anderer klarzukommen. Als ich meine längeren Strecken mit dem Rad begonnen habe (Ende der Schulzeit), bin ich mit dem Rad die 50 km zu Familienfeiern per Rad gefahren und dann meist am Samstagabend gegen 10 zurück. Die Strecke war zum Großteil die B96. Ich wurde bei Abfahrt abends von der Verwandtschaft immer gewarnt, dass um die Zeit die ganzen Diskogänger unterwegs seien. Das war mir bewusst, habe ich aber nie als kritisch empfunden. Später bin ich dort mal wieder am Tag entlanggefahren und habe es inzwischen als nicht mehr so unauffällig empfunden. Sind die Autos größer und mehr geworden, fahre ich als Berufstätiger mehr in den Spitzenzeiten, habe ich inzwischen mehr Gefahrenbewusstsein? Ich weiß es nicht.
Edit meint gerade noch, dass ich generell (außer Radwege...) aber schon immer regeltreu unterwegs war, das hat sich nicht geändert, aber auch innerhalb der Regeln gibt es ja unterschiedliche Wege, wie man Rechte durchsetzen und andere wütend machen kann...

Wenn ich kann, fahre ich auch ruhigere Strecken, aber die führen nun mal nicht immer so direkt dorthin, wo ich hin möchte. Während ich früher Radwege beinahe kategorisch ausgeschlossen habe, nehme ich sie heute, wenn ich abschätzen kann, was mich erwartet und das nicht zu übel ist. Ganz vielleicht gibt es heute auch wenigstens ein paar etwas bessere Radwege als früher.
Wenn ich nur für die Bewegung und nicht um irgendwo hinzukommen fahre, nehme ich mir schon seit ein paar Jahren manchmal als Alternative zum Liegerad das Geländeeinrad und fahre damit in die Dresdner Heide. Lustigerweise ist dort selbst auf schmalen Wegen keiner genervt, eher kriegt man noch Bewunderung. Als jemand, der fährt, gebe ich dort Fußgängern Vorrang. Genervt/gefährdet werde ich dort nur von (illegal) freilaufenden Hunden, deren Herrchen/Frauchen unaufmerksam irgendwo in weiter Entfernung hinterherlatschen...

Gruß,
Martin
 
Ich orientiere mich immer noch an die in de.rec.fahrrad ehedem gesammelten 10 Gebote des sicheren Radfahrens, in der Regel unter Beachtung der StVO und ihrer Möglichkeiten.
Für Autofahrer bin ich daher wohl zeitweise (gelegentlich bevorzuge ich auch mal ruhige Rad- und Wirtschaftswege) ein Kampfradler, aber bisher ist mir nichts wirklich relevantes passiert ...
 
Ich versuche immer so zu fahren das es für alle beteiligten am sichersten und für mich am entspanntesten ist , dazu gehört auch das ich manche Radwege mit dem VM nutze die viele hier im Traum nicht nutzen würden.

Trotzdem :
Eine hundert prozentige Sicherheit gibts nicht , egal wie Stvo konform und defensiv man auch fährt .

Ich rechne mit allem und vorallem rechne ich damit das man mich vielleicht nicht gesehen hat oder der jenige nicht geguckt hat .

Frei von Fehlern sind wir alle nicht :

Eine sehr gefährliche Situation hatte ich erst gestern als ich ( allerdings als Fußgänger) fast einen Up Fahrer zu Fall gebracht habe weil ich verträumt durch die Gegend guckte und auf den Radweg gelatscht bin , nur ein Ausweichmanöver des Up Fahrers verhinderte schlimmeres und ich war auch plötzlich wieder hellwach und extrem erschrocken.

Ja ich wollte zur Ampel guckte nicht , war nicht ganz bei der Sache …

Fehler sind menschlich und gerade in der Stadt sollte man innerlich eher sehr defensiv unterwegs sein aber nach außen offensiv .

Dann gibts aber auch gefährliche Situationen die man nicht verhindern kann :
Wenn der Vordermann plötzlich den Rückwärtsgang rein haut im SUV weil er einen anderen Autofahrer aus der Einfahrt rauslassen möchte .

Nur lautes rufen und aufgeregt winkende und gestikulierende Passanten verhinderten wohl das er mich nach hinten schiebt .

In der Jugend bis zum 20. Lebensjahr spielte ich aber auch wilde Sau im Straßenverkehr, ein zum Glück relativ harmlos ausgegangener Sturz mit kurzem Krankenhausaufenthalt hat mich zum nachdenken und umdenken gebracht .

Damals fuhr ich ausschließlich UP , kann mich noch erinnern als wäre es gestern gewesen … es muss der 17.9.2006 gewesen sein , ich war 20 fast 21 und gab immer vollgas … hauptsache hoher Schnitt alles andere egal , jede Alltagsfahrt war ein Rennen zudem war ich generell ziemlich jähzornig und aggressiv drauf ..

Ich muss auch dazu sagen aufgrund meiner psychischen Erkrankungen war ich sehr reifeverzögert ….vom Kopf her war ich eher um die 15 rum ..

Nun stand an dem Tag eine Frau mittleren Alters an der Haltestelle halb auf dem Radweg mit ihrer ziemlich großen Handtasche über der Schulter/über den Arm geschwungen…
Dadurch fühlte ich mich provoziert und wollte die Frau ,, erziehen ” und wollte in Zentimeter-Abstand an ihr vorbei brettern und gab vollgas …
Es ging leicht bergab und ich hatte wohl um die 30 Kmh drauf und blieb mit dem Lenker an ihrer Handtasche hängen , ging über den Lenker und pöbelte und fluchte laut am Boden liegend und gab natürlich der Dame die Schuld so wie ich damals halt leider drauf war .

Ende vom Lied :
Passanten riefen den RTW ich kam in die Klinik und hatte zum Glück nur Prellungen und Schürfwunden … eine Narbe davon habe ich noch heute .

Danach setzte ein schlagartiges Umdenken in meinem Kopf ein …
Es dauerte sicher mindestens 4 bis 6 Wochen bis ich wieder angstfrei fahren konnte und ich war danach eher zu defensiv unterwegs und war generell ängstlich auf dem Rad … noch eine sehr lange Zeit danach .

Diesen Warnschuss des Schicksals habe ich gebraucht , der hat mich zu einem vernünftigen Radfahrer und Verkehrsteilnehmer gemacht .

Heute mit fast 38,5 Jahren muss ich keinem mehr was beweisen und fahre Stvo konform und sehr vorrausschauend . Man hat nur 1 Leben und nur eine Gesundheit.

Schnell fahre ich nur da wo es gefahrlos möglich ist . Da freue ich mich dann wenn ich bei Strava den Rennradfahrern die KOM‘s klauen kann .

Ich sage immer :
Je sicherer desto besser … je älter ich werde desto vorsichtiger werde ich generell in allem was ich tue .

Ich kann z.B. keine Land/Bundesstraßen mit Leitplanken ab , da kriege ich panik und stelle mir vor was wohl wäre wenn ich gerade da liegen bleibe .
Generell fühle ich mich auf gut ausgebauten Radwegen am wohlsten nur die sind hier relativ selten und wenn nur wenige Km lang .

Anbei mal ein Video wo ich mir schon vom zugucken fast vor Angst in die Hose mache :

Ich weiß nicht ob aus mir hätte ich damals nicht den Warnschuss vor den Bug bekommen so schnell ein vernünftiger Fahrer geworden wäre .

Kann mich noch aus Szenen aus der Jugend erinnern wo ich um die 16 herum war wo am Lindenteller der Polizist der da oft Kontrollen machte mal hinter mir her gerannt ist um mich zu stoppen weil ich auf dem Gehweg fuhr , wenn ich da heute so drüber nachdenke schüttel ich nur mit dem Kopf wie dumm und unreif ich damals gewesen bin . Bin natürlich abgehauen und hab mich darüber diebisch gefreut. Heute fände ich es besser er hätte mich erwischt und ein ernstes Wort mit mir gesprochen.

Hätte ich in dem Alter ein VM gefahren hätte ich mich vermutlich tot gefahren weil ich vom Kopf her garnicht die Reife gehabt hätte um damit sozialkonform und verantwortungsbewusst am Straßenverkehr teilzunehmen. Früher oder später wäre da was richtig schlimmes passiert.

Ich denke es gibt nicht umsonst das alte Sprichwort,, Aus Schaden wird man klug ”.
 
beim Eröffnungstext, da musst ich zuerst denken, oh da wird einer erwachsen, Altersweisheit : )
Mir geht es inzwischen auch so und zwei Dinge muss ich in unserer Gegend positiv anmerken:
gut angelegte, großzügig bemessene Radwege finde ich inzwischen super und nutze die fürs Liegeradeln.
Zum Glück gibt es viele davon bei uns... als Gegenbeispiel hab ich michgestern im Elsaß kurz vor der Grenze wieder
in Biesheim ver-"Biestert", kein Wunder bei dem Ortsnamen, dann musste ich 2 Kilometer auf einer Hauptverkehrsstraße
fahren mit wirklich viel Verkehr, manche überholten mit vorbildlichem Abstand, aber 40-Tonner, die mit 50cm Abstand vorbeidonnern...
ich war heilfroh, als ich auf den Fahrradweg biegen konnte.
Zweitens: insbesondere letztes Jahr habe ich viele Waldwege mit dem LR erkundet (gut, dass ich mehrere Modelle hab) und war so beglückt von der Abwesenheit jeglicher motorgetriebener Fahrzeuge, herrlich, sowas geht bei unserm nahen Schwarzwald auch ganz gut, kann mich also
glücklich schätzen in der für Radfahrer besten Gegend zu leben : )
 
Anbei mal ein Video wo ich mir schon vom zugucken fast vor Angst in die Hose mache :
das ist ja auch ein ziemlich bescheuerter Fahrstil.
Schreib ich, obwohl ich auch jetzt noch durchaus selbst in die Kategorie Kampfradler falle. Aber rote Ampeln bei fließendem Querverkehr systematisch zu ignorieren und sich gnadenlos zwischen den Reihen von Autos durchzuquetschen - so, dass deren Fahrer im Zweifelsfall keine Chance haben, den Radfahrer rechtzeitig zu bemerken...
 
Ich denke, hier wird "gefühlte" und "reelle" Sicherheit verwechselt.
Gefährliche Situationen entstehen für Einspurer insbesondere dann, wenn man defensiv fährt und sich als die graue Maus im Straßenverkehr verhält, die die Autofahrer gerne sehen. Dann ist man Freiwild, bzw. nicht existent - und im schlimmsten Fall eben ein soft target.
Das musste ich damals lernen, als ich mit dem Rennrad angefangen habe. Umso aggressiver man fährt, umso mehr wird man als ernstzunehmender Gegner und nicht als Opfer angesehen.
Dasselbe gilt mit den motorisierten Einspurern. Cruised man entspannt vor sich hin wird man geschnitten, abgedrängt, bekommt die Vorfahrt genommen etc. Kommt man mit überhöhter Geschwindigkeit und erkennbar aggressivem Habitus an, wird tw. überraschend schnell Platz gemacht und ernst genommen.
Klingt doof? Ist aber eine Erfahrung.
Ich wurde nie mit einem Einspurer so ernst genommen im Straßenverkehr wie mit meiner Rennmaschine.
Grelle, schmale LED Scheinwerfer helfen ebenfalls.
 
Gefährliche Situationen entstehen für Einspurer insbesondere dann, wenn man defensiv fährt
Nö, ganz sicher nicht. Dazu verweise ich auf die 10 Gebote des sicheren Radfahrens, die weiter oben schon von de.rec.fahrrad kamen: Nach außen hin darf es sicherlich offensiv aussehen, aber innerlich ist man natürlich defensiv unterwegs.
Kommt man mit überhöhter Geschwindigkeit
dann fährt man offensichtlich mit überhöhter und damit unangepasster Geschwindigkeit.
Zumindest nicht sonderlich clever. Ich glaube ja, ich weiß, was Du sagen willst, aber wenn sich jeder so im Straßenverkehr verhält, dann ist niemand geholfen. Da finde ich die Beschreibung aus Gebot Nummer 8 schon deutlich besser.

Gruß,
Martin
 
@Ralsch : Rat mal warum Autos immer größer werden und immer aggressiver aussehen? Weil man kein Opfer sein will. Gefühlte Sicherheit.
Wenn man da als Radfahrer, der eh schon ein etwa 100x leichteres Fahrzeug bewegt, dann auch noch schön devot in der Gosse fährt, ist man halt Freiwild...
 

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Ich denke, hier wird "gefühlte" und "reelle" Sicherheit verwechselt.
Und ich vermute, dass Du das Video nicht angeschaut hast.
Der junge Herr da auf dem Bild hätte im (knappen) Fall der Fälle keine Chance gehabt. Und das schreibe ich gerade weil ich selbst scho "wie ein Henker" durch den Frankfurter Stadtverkehr gedüst bin. Und auch gerade gestern mit dem VM eher aggressiv unterwegs war. Aber so hirnlos dann doch nicht.
 
Ich gebe zu, als ich jünger war, hab ich mich mit dem Rad furchtlos auf grossen Schnellstrassen in grossen Städten durch dichten Autoverkehr geschlängelt, bin aus Prinzip über alle roten Ampeln gefahren, hab mir aggressiv "meine" Vorfahrt genommen (und hab dadurch zwei Hinterräder verloren die vom Auto erwischt wurden - zum Glück waren es nur die Laufräder und nicht meine Beine). Ich war auf Landstrassen unterwegs und hab die ständig überholenden Autos irgendwie ausgeblendet. Unsicher hab ich mich eigentlich nie gefühlt, eher unsterblich. Den Gedanken an negative Konsequenzen hatte ich irgendwie gar nicht, und ich hab auch die Autos nie als Gegner oder Gefahr empfunden, sondern sie eher ignoriert.

Durch die erwähnten Unfälle, und einem Mal wo mich die aufgehende Tür eines parkenden Autos gestreift hat, ist bei mir trotzdem ein Bewusstsein dafür gewachsen, was alles passieren kann, und ich habe gemerkt, dass ich in den letzten Jahren deutlich ruhiger und defensiver beim Radfahren geworden bin. Fahren auf Strassen mit viel Autoverkehr und ohne Platz am Rand, was mich früher nicht gestört hatte, ist mir plötzlich sehr unangenehm geworden, und ich finde mich grad dabei, von Rennrad- auf Gravel-Reifen umzusteigen, damit ich mehr Möglichkeiten habe, auf kleinen und vielleicht unbefestigten Wegen zu fahren, um der grossen Strasse auszuweichen.

Als ich anfing, in Foren wie diesem die Berichte darüber zu lesen, wie schlecht die Stimmung zwischen Fahrrad- und Autofahrern ist, war ich anfangs erstaunt und erschrocken darüber, weil mir das bislang persönlich nicht in dem Ausmaß aufgefallen war (in mehr als vier Jahrzehnten, in denen das Fahrrad mein wichtigstes und tägliches Fortbewegungsmittel war). Auch die vielen Regeln zur Radwegbenutzungspflicht kannte ich gar nicht, und hab auch Radwege eher ignoriert. Inzwischen weiss ich (durch die Lektüre der Beiträge hier), wann ich eigentlich auf dem Radweg fahren müsste und denke dann mehr darüber nach, dass die Autofahrer mich jetzt zu Recht dafür anmachen könnten, wenn ich mal auf der Strasse fahre, und seitdem passiert das auch öfters. Früher, als ich über sowas gar nicht nachgedacht hab, war das für mich entspannter. Irgendwie wünsche ich mir diese Leichtigkeit zurück.

Durch den Tod vom Fahrradblogger Natenom, der hier kürzlich besprochen wurde, hab ich mir mal seine Webseite angeschaut, und fand viele Beiträge dazu, wie gefährlich genau die Landstrasse ist, auf der es ihn letztlich ja auch erwischt hat. Und da merke ich, früher wär ich auch genau auf dieser Strasse weiter mit dem Rad gefahren, um mir meinen Platz als Radfahrer zu nehmen, und heute würde ich lieber den schlecht befestigten Waldweg neben der Strasse nehmen (sofern es so einen gibt). Mein Leben, meine Gesundheit, und meine Gelassenheit sind mir da inzwischen wichtiger als mein Recht, auf der Strasse zu fahren.

Was will ich damit nun eigentlich sagen?
Zu Einen: Wenn ich ständig daran denke, dass ich mich grad im "Fahrradmordor" bewege, macht mich das frustriert und wütend, und ich werde mir gerade die Situationen merken, welche diese negative Grundeinstellung bestätigen, unabhängig von der tatsächlichen Gefahr, die ja real durchaus gegeben ist. Damit wird das Radfahren noch stressiger als es eh schon ist.
Ausserdem: Radfahren macht mir einfach mehr Spaß und ist entspannter, wenn ich solche Stresssituationen reduziere indem ich mir andere Strecken aussuche, selbst wenn die schlechter und länger sind. Früher hab ich das nicht gemacht, aber inzwischen mache ich es immer öfter.

Was sind Eure Erfahrungen damit?
Natenom hat mich auch ziemlich mitgenommen, obwohl ich von vielen anderen Fällen wusste und die Zahlen oft lese.

Ich bin zu "defensivem" Fahren zwiegespalten. Ich fahre vorsichtig, ja, aber offensiv. Platz einfordernd, VOrfahrt einfordernd. Zum einen, weil mir mehr Platz auch mehr "Fluchtweg" garantiert, wenn es knapp wird. Zum anderen, weil ich meinen Teil tun will, dass sich die Fantasie-STVO nicht noch mehr zu Ungunsten der Radfahrenden verschiebt. Dauerndes zurückstecken verfestigt vermeintliche Gewohnheitsrechte des Kraftverkehrs bis hin dazu, das es KRaftfahrer gibt, die überrascht sind, wenn man gegenüber ihrem Rechtsabbiege-Versuch auf seinen Vorrang besteht. Nach dem MOtto "sonst warten hier doch auch alle, wenn ich komme".

Was ich positiv sagen muss: Im Velomobil und außerorts hatte ich bislang keine so unsicheren Momente. ja, mal Schneematsch durch nen knappen überholer. Aber durch klare Kommunikation )links fahren, wenn kein PLatz zum überholen, betont nach Rechts ziehen, wenn Platz da ist) habe ich mich mit vielen KRaftfahrern einigen können.

Mit dem Tourenrad, va. innerstädtisch und auch bei Fahrradgruppen sieht das schon anders aus. Als oft geübtester Fahrer von Ausflugs-Gruppen habe ich mich öfter recht agressiv mit KRaftfahrern angelegt. Weil ich die Gruppe vor mir vor ihnen schützen wollte. Überholen auf kurvenreicher Straße bei Gegenverkehr verhindern usw.
Ich weiß nicht, ob das das Patentrezept ist. Aber wenn es eine einzige OMa, ein einziges Schulkind gibt, dass durch meinen Fahrstil geschützt wurde, weil ein Autofahrer eben doch noch mal sich erinnert hat, dass es Vorfahrtsregeln gibt, dann war es das wert.
 
Und ich vermute, dass Du das Video nicht angeschaut hast.

Ich kenne diese Art Videos schon lange, und war auch selbst ähnlich unterwegs. Bei so langsamen Bewegungen der Autos aufgrund Stausituationen nix Besonderes. Man ist vorbei, bevor einer zuckt. Vergleichbar mit dem Motorrad beim „Filtern“ durch den Stau, auch das ist nur problematisch, wenn sich Alpha-Kevin gemüßigt sieht, vorsätzlich die Lücke zuzufahren. Das Ganze mache ich allerdings nur, solange die Autos höchstens rollen (ca. 20km/h) und mit vertretbarem Geschwindigkeitsunterschied.
Ich bin damals mit dem Rennrad allerdings nicht zwischen Fussgängern so asozial gefahren, da diese schneller die Richtung wechseln können und keinen Käfig um sich rum haben, und nicht über rote Ampeln.
 
in NY wird es wahrscheinlich als eher normal angesehn, weil sich alle Verkehrsteilnehmer so verhalten und es daher gewohnt sind, die Millionen Touristen werden es als Abenteuer verbuchen... Als ich in NY war, war ich froh alles zu Fuß zu machen, das fühlte sich total ok an und dann ist noch zu bemerken, dass in keiner anderen Großstadt der USA soviel gelaufen und die U-Bahn benutzt wird...
 
Durch die erwähnten Unfälle, und einem Mal wo mich die aufgehende Tür eines parkenden Autos gestreift hat, ist bei mir trotzdem ein Bewusstsein dafür gewachsen, was alles passieren kann, und ich habe gemerkt, dass ich in den letzten Jahren deutlich ruhiger und defensiver beim Radfahren geworden bin. Fahren auf Strassen mit viel Autoverkehr und ohne Platz am Rand, was mich früher nicht gestört hatte, ist mir plötzlich sehr unangenehm geworden, und ich finde mich grad dabei, von Rennrad- auf Gravel-Reifen umzusteigen, damit ich mehr Möglichkeiten habe, auf kleinen und vielleicht unbefestigten Wegen zu fahren, um der grossen Strasse auszuweichen.
Ich vermute mal, dass das auch mit den Jahren kommt, man wird reifer, man überdenkt vieles im Voraus und man versucht Gefahren so gut es geht aus dem Weg zu gehen. In jungen Jahren, steckt man einen Unfall leichter weg wie vlt mit 40 oder 50+. Auch ich war früher mit dem Up sehr oft auf Landstrassen unterwegs, aber meine auch, dass allgemein früher die Toleranz ausserorts größer war gegenüber Radfahrenden als heute.
Trotzdem hatte ich bisher in den fast 50 Jahren, in denen ich schon als Kleinkind Fahrrad fahre, das Glück, noch nie in einen Unfall beteiligt gewesen zu sein. Mit Defensivfahren, kann man viel Erreichen, für die restlichen Prozent Risiko, braucht man einfach Glück unbeschadet durchzukommen.
 
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