LOW-Tech Bespannsitz (Achtung lang und mit vielen Bildern)

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Hallo,

ich habe in den letzten Tagen einen Low-Tech Bespannsitz gebaut,


Bild 1:probemontierter Sitz

weil mein Zephyrsitz sich immer weiter auflöste und ich seit dem Spannsitz von Davoika, keinen Schalensitz mehr will.

Der Sitz ist mittlerweile so gut wie fertig, ich muss morgen nur noch Schrauben kürzen, Stützprofile abschrägen, die Verbindung Sitzfläche-Lehne durch zwei Aluprofile versteifen und die obere Abstützung fixieren.
Bei Sitztest zur Längeneinstellung fand ich ihn heute sehr bequem.

Das "Kunstwerk" wiegt 2,4kg (Uff) hat aber z.B. durch dünnere Bretter oder Bohrungen noch Sparpotenzial und mein alter Sitz wog mit Matte auch 2,5kg. Als Inspiration dienten Sitze wie der Ergomesh Sitz von HP und der der Greenmachine. Also feste Sitzfläche und Netzlehne.
Die Bespannung soll dabei durch Ösen fixiert und Außen- und Innenteil der Sitzlehne gehalten werden.

Der Beitrag ist auch als Anregung für den nicht kommerziellen Nachbau gedacht, wenn man einen günstigen Sitz (Material unter 50€) z.B. für einen Eigenbau benötigt.

folgendes Material (ohne Befestigungsteile!) habe ich benötigt:

1x Vierkantholz 4,5x4,5x240 cm (Sonderpreis 3€ weil krumm)
(1m reicht eigentlich auch, aber es gab halt nur 2,4m Stücken und ich hatte Reserve für misslungene Teile)

1x Vierkantholz 5,2x3,4x30 cm (Reststück)

1x Bastelsperrholz A3 (aus der Kiste)

1x Brett 1,8x10,0x250mm (5,40€)

1x Bespannstoff von Pedalkraft 60x80cm (12€+3€Versand)

8x Schlossschraube M6x50

8x Mutter M6

8x Karosseriescheibe di 6,4mm

6x kräftige Spaxschraube

8x Spax 3x20mm

2x Einschraubgewinde M8

2x Schraube M8x50

2x Karosseriescheibe di 8,5mm

8x Einschlagöse 8mm

Verbaut werden noch:

ein paar Schrauben, etwas Alu-L-Profil... ;)

Als erstes habe ich mir Pappschablonen von den wichtigen Freiformteilen geschnitten (Lehnenseitenteile, Sitzstrebe, Sitzfläche) und damit die Teile angerissen:


Bild 2:angerissene Teile und Schablonen

Für die Seitenteile wird das in 4 Teile geschnittene 10,0x1,8cm Brett verwendet, für die Sitzfläche das Bastelsperrholz und für die Sitzstrebe das 5,2x3,4cm Profil.

Danach das ganze mit der Stichsäge ausgesägt. Bei den Lehnenteilen empfiehlt es sich immer 2 zusammen zu sägen, damit sie hinterher deckungsgleich sind.


Bild 3:zum Sägen aufgespannte Lehnenteile

Als nächstes habe ich von dem 4,5x4,5cm Kantholz 3 30cm lange Stücken abgesägt (hier empfiehlt es sich eine Gehrungssäge zu verwenden, damit die Schnitte gerade werden :rolleyes:. Ich durfte die Teile alle 2x sägen, weil ich es zuerst mit der Stichsäge versucht hatte :eek: ). In das erste habe ich vier Löcher gebohrt. 2 7,5mm Löcher für die kräftigen Spaxschrauben um es mit der anderen Sitzstrebe zu verbinden und 2 13mm Löcher für die Einschraubgewinde.

Nach dem Verschrauben der Streben habe ich die Sitzfläche mit 8 Bohrungen versehen und sie mit den kleinen Spaxschrauben auf die Strebe geschraubt. Dadurch erhält sie ihre Krümmung


Bilder 4-6:fertig montierte Sitzfläche

Danach habe ich die Lehnenteile paarweise gebohrt. Die Innenseiten bekommen dabei 4 6mm Löcher und die Außenseiten 4 7,5mm Löcher, um Überbestimmungen zu vermeiden und den Schlossschrauben halt zu bieten. Dazu kommt noch ein 9mm je ein 9mm Loch für die M8 Schraube.


Bild 7:gebohrte Lehnenteile

Fortsetzung folgt...
 
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...

Dann habe ich die Lehnenteile zur Ausrichtung und zur Probe an die Sitzfläche geschraubt.


Bild 8:Sitzfläche + Lehnenteile

Dann habe ich die anderen zwei 30cm 4,5x4,5cm Stücken als Verbindungselemente eingeschraubt. Wichtig: dabei bleiben NUR DIE INNEREN Seitenlehnenteile montiert. Hier finden die anderen 4 kräftigen Spaxschrauben ihre Verwendung


Bild 9:Eingeschraubte Verstrebungen

Auf denen habe ich dann frei Hand Aussparungen angerissen, damit sie nicht am Rücken drücken.


Bild 10:Angerissene Kontour

Das ganze habe ich dann wieder mit der Stichsäge ausgesägt. Es empfiehlt sich, einen zweiten Klotz zum Spannen zu verwenden, wenn man das ganze in zwei Schnitten sägt. Sonst drückt die Säge das Material weg und der Schnitt wird schief und man hat viel Nacharbeit (ging mir bei der unteren Strebe so).


Bild 11:Aufgespannte Strebe für den zweiten Teil des Schnittes Bild 12:Rohbau Gestell

Danach habe ich für die Abmaße des Spannstoffes eine Zeitung als Modell verwendet


Bild 13:Zeitungsbespannung zum Maß nehmen

Dann bin ich fix an den Rechner um den Stoff bei Pedalkraft zu bestellen. Die Lieferung dauerte nur 20h. An dieser Stelle nochmal ein großes Lob für den schnellen Service.

Die Wartezeit auf den Stoff überbrückte ich mit Schleifen und Lackieren.
Von der Lehne montierte ich danach nur die Streben und die Innenteile erneut.


Bild 14:Fertige Gestellteile

Fortsetzung folgt...
 
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...

Als der Stoff dann da war, habe ich mithilfe des Zeitungsmodells Maß genommen und das ganze mit Klebeband fixiert.


Bild 15:fixierter Stoff mit "helfenden" Händchen :D

Meine Frau erklärte mir dann die Funktionsweise der Nähmaschine und ich nächte die Umschläge fest.


Bild 16:genähter Stoff

Dann gings ans Eingemachte. Das einschlagen der Ösen erwies sich als relativ schwierig, weil das mitgelieferte Stanzwerkzeug für den Stoff zu schwach war. Mit viel Gewalt und Nachhelfen mit anderen Werkzeugen habe ich es dann doch noch geschafft. Wer also wie ich kein Profiwerkzeug hat, geht am besten zum Schuster/Sattler seines Vertrauens.
Die Abstände der Ösen ermittelte ich folgender Maßen. Die erste Öse wurde nach Augenmaß gesetzt und auf die Schloßsschraube (von innen nach außen geschraubt) gehängt. Dann habe ich den Stoff per Hand gespannt und die Gegenüberliegende Schraube mit einer Stecknadel im Stoff markiert. Für die Einstellung der Spannung des Stoffes habe ich dann die Lochmitte unterschiedlich weit von der Stecknadel entfernt gesetzt. Natürlich ging auch bei dieser Aktion wieder was schief (ich mache ja schließlich: "learning by doing"). Die erste Öse setzte ich ca. 2 cm zu nach an der Mitte, so dass der Bezug etwas asymetrisch sitzt, was aber ein rein optisches Problem ist.

Dann hab ich schnell (eh was verrutscht) die Außenteile der Lehne aufgeschraubt und danach die Sitzfläche wieder montiert.


Bild 17:"fertiger" Sitz

Die Montage auf das Rad will ich hier nicht näher beschreiben, da sie für mein Rad sehr speziell und nicht auf andere Räder übertragbar ist.

Erfahrungsberichte folgen in Kürze in diesem Thread.

viele Grüße

Christoph
 
AW: LOW-Tech Bespannsitz (Achtung lang und mit vielen Bildern)

weil mein Zephyrsitz sich immer weiter auflöste und ich seit dem Spannsitz von Davoika, keinen Schalensitz mehr will.

So unterschiedlich sind die Erfahrungen.
Ich will nach meinen erfahrungen mit dem Ostrad-spannsitz einen schalensitz. Erstens ist die bespannung ein leider eher preisintensives verschleißteil (allein für den preis kriegt man einen schalensitz und eine auflage), zweitens verpufft ein teil der tretenergie in der bespannung und drittens brach das (nicht gerade glücklich konstruierte und dimensionierte) stahlrohrgestell meines bespannsitzes des Adagios möglicherweise dadurch, dass ich glas-kohlefaserbänder hinter die bespannung laminierte, welche die belastung auf die rohre und schweißnähte erhöht haben dürften.
Davon kann man halten was man will, wenn das prinzip bespannsitz in allen punkten so toll wäre, hätte ich jedenfalls keinen bedarf an diesen maßnahmen gehabt.

MfG
Andreas I.
 
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Hallo,

So unterschiedlich sind die Erfahrungen.

...

Davon kann man halten was man will, wenn das prinzip bespannsitz in allen punkten so toll wäre, hätte ich jedenfalls keinen bedarf an diesen maßnahmen gehabt.

Der wichtige Unterschied ist, das Ostrad ist gut vollgefedert, mein Rad hat nur eine Federgabel und BigApple Reifen. Da verzichte ich gerne zugunsten von Komfort auf ein paar Watt Leistung.
Das Problem mit den Schweißnähten hatte ich bei Davoikas Sitz auch. Unter anderem deshalb habe ich auch Holz gewählt und nur lösbare Verbindungen verwendet, so kann ich im Falle eines Falles einzelne Komponenten austauschen.

viele Grüße

Christoph
 
AW: LOW-Tech Bespannsitz (Achtung lang und mit vielen Bildern)

Ich will nach meinen erfahrungen mit dem Ostrad-spannsitz einen schalensitz....
...Davon kann man halten was man will, wenn das prinzip bespannsitz in allen punkten so toll wäre, hätte ich jedenfalls keinen bedarf an diesen maßnahmen gehabt....

Hallo Andreas,

Hälst Du das für eine prinzipielle Problemstellung des Spannsitzes im Allgemeinen oder liegt das an der Ausführung der Spannsitze die Du erlebt hast?
Ich bin bisher erst zweimal auf Spannsitzen gefahren und es war jeweils sehr angenehm...besser als mit Sitzschale. Das Versatile und die Greenmachine haben serienmässig die Sitze drauf (eher nicht low-tech)...gibts da auch Verschleissärger? Ich hab jedenfalls noch nichts davon mitbekommen (das muss aber nix heissen). Einzig hat mich gewundert, dass für beide nun auch Sitzauflagen angeboten werden...das passt für mich nicht zusammen.
 
AW: LOW-Tech Bespannsitz (Achtung lang und mit vielen Bildern)

Hallo,

so ich habe jetzt die erste Testfahrt hinter mir. Resultat: Die Sitzfläche wird evtl. noch nen cm kürzer und die Lehne flacher. Ich werde die Woche erstmal fahren und sehen, was ich dann wirklich ändere.

Zum Schluss noch ein paar Bilder von den neuen Verstärkungen und dem montierten Sitz.



viele Grüße

Christoph
 
AW: LOW-Tech Bespannsitz (Achtung lang und mit vielen Bildern)

Hallo,

Einzig hat mich gewundert, dass für beide nun auch Sitzauflagen angeboten werden...das passt für mich nicht zusammen.

Meiner Meinung nach ist das ein konzeptioneller Schwachpunkt der meisten Bespannsitze. Die Bespannung wird wie ein Schlauch über die Rohre der Lehne geschoben. Dadurch werden die Nähte sehr stark belastet und neigen zum Einreißen. Ich habe deswegen die Bespannung zwischen die Bretter geklemmt um die Kräfte schön flächig einzuleiten. Ob das besser ist wird sich zeigen.
Ansonsten wird aber auch das beste Gewebe durch den ständigen Abrieb irgendwann dünn. Beim Schalensitz ist dann halt eine neue Matte fällig und beim Bespannsitz eine neue Bespannung.

viele Grüße

Christoph
 
AW: LOW-Tech Bespannsitz (Achtung lang und mit vielen Bildern)

Hälst Du das für eine prinzipielle Problemstellung des Spannsitzes im Allgemeinen oder liegt das an der Ausführung der Spannsitze die Du erlebt hast?

Sowohl als auch.;)
Prinzipiell sehe ich die bespannung als verschleißteil an. Zwar dauert es lange, bis sie ausleiert, aber wenn sie "fertig hat", wird es mal wieder etwas teurer, wie so oft bei spezialteilen an liegerädern. Und da ich ähm zu den "unteren einkommensschichten" gehöre ...
Die (stahl)rohrgestelle können logischerweise jeweils unterschiedlich ausgeführt sein. Das gestell meines (Ostrad-)sitzes hielt 6,5 jahre (kilometer unbekannt, auf den guten alten real existierenden ostwegen). Ob das nun viel oder wenig ist, darüber könnte man sich streiten ...
Am gesäß wirkt m.E. die elastische bespannung komfortabel. Becken bzw. lendenwirbelsäule sollten m.E. eine unelastische abstützung haben. Es geht auch ohne. Ich bin ja auch lange ohne gefahren, aber nachdem ich mir eine entsprechende abstützung reingebastelt hatte, war es schon irgendwie toll, endlich auch mal druck auf das pedal ausüben zu können und sich nicht nur in die bespannung zu drücken.
Und die theoretisch bessere belüftung, naja, mein rücken wird da trotzdem klatschnass, aber die schwitzerei ist ja sowieso individuell.
Also alles wie immer, vor- und nachteile.:)

MfG
Andreas I.
 
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Hallo,

mann könnte sich auch den KinderPoängSessel für 30€ von Ikea holen und die Stahlkonstruktion des Sitze nutzen....
http://www.pottblog.de/2007/07/23/poaeng-fuer-kinder-oder-danke-ikea/

Ich habe noch einen alten IKEA Poäng mit Stahlrohr für Erwachsene im Einsatz. Wenn der Kinderpoäng ähnlich konstruiert ist, hat er einen entscheidenden Nachteil, die vordere Sitzstrebe ist auf Sitzhöhe geführt und könnte somit an den Beinen unangenehm werden. Für Kinderlieger gibt es im Moment auf dem Baumarkt (Hellweg) schöne "Stapelsessel" aus mit Netz bespannten Stahlrohr. Da muss man wirklich nur noch die Beine wegflexen.

Aus meiner Sicht dürfte die einen Erwachsenen tragen...
Die Verbindung zum Rad muss man natürlich selbst basteln;)

Eben und da geht dann das Geraffel los. Schellenlösungen sind nur bedingt haltbar und sehr aufwendig (Ist zumindest die Erfahrung an meinem Rad). Loch bohren und Schraube durch geht bei so dünnwandigen Rohren auch nicht. Die Bespannung muss man auch noch bauen. Also wird es im Endeffekt nicht weniger Arbeit als gleich alles selber machen.

viele Grüße

Christoph
 
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