Lettland, nix für nervenschwache Liegeradler

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Moin,
seit ein paar Stunden bin ich von meiner Reise ins Baltikum zurück. Mein Urlaub ist zwar noch nicht zuende, aber ich hab die Reise vorzeitig abgebrochen, weil es einfach keinen Spaß gemacht hat, in der stinkenden Blechlawine Lettlands zu radeln.

Ich bin von Klaipeda in Litauen immer der Küste entlang den Europaradweg bis Riga in Lettland gefahren. Von da aus wollte ich im Inland wieder zurück nach Klaipedea zur Fähre, aber wegen der Verkehrsverhältnisse hab ich mir das dann nicht mehr antun wollen und bin mit dem Bus nach Ventspils zur nächsten Fähre gefahrn.

Was war so schlimm?
Bis auf die ersten ca. 30 km hinter Klaipeda, war die ganze Strecke stark befahren, auch und vor allem von LKWs. Damit hätte ich mich evtl. noch abfinden können, aber leider waren die Fahrer so dermaßen rücksichtslos, dass ich mehrmals täglich regelrecht nicht nur von der Straße in den Seitenraum, sondern auch in den Straßengraben gedrängt wurde.
Anfangs hab ich versucht statt des Radwegs Nebenstrecken über Schotterwege zu nehmen. Die Schotterwege sind als Fahrbahn für die Liege mit 20" Rädern schon nicht lustig, aber auch dort herrschte reger Verkehr und wenn die Autos einen mit 80 km/h auf der Schotterpiste überholen, wird man nicht nur vom Straßenstaub völlig eingenebelt, sondern die Schottersteine fliegen einem um die Ohren und haben bei mir auch diverse kleine Verletzungen an Haut und Lack verursacht.

Ich war regelmäßig am frühen Nachmittag mit den Nerven so durch, dass ich nie mehr als 80km/Tag geschafft hab und ich mir dann schnell nen Zeltplatz gesucht hab.

Es mag in Lettland bestimmt einiges Schöne geben, aber das mit dem Fahrrad zu erkunden schien mir unmöglich.
Wenn man während des radelns immer in den Rückspiegel gucken muss, sieht man eigentlich auch nicht viel von der Gegend.

Ich hab im vorhinein viele Reiseberichte aus der Gegend gelesen, aber so extrem wie ich es erlebt hab, wurde das nie geschildert. Vielleicht hat der Verkehr so sehr zugenommen, oder andere Leuts sind weniger empfindlich????

Für mich war das einfach nur ein Scheißurlaub, von dem ich mich jetzt erstmal erholen muss :-(

Einen Up-Fahrer hab ich am Kap Kolka getroffen, dem wurde hinten links die Radtasche vom LKW abgefahren und zerfetzt. Und das an der angeblich am wenigsten befahrenen Asphaltstraße in Lettland.

Mit einer anderen Up-Fahrerin, die ich in Riga getroffen hab, bin ich noch in SMS kontakt. Sie hat (nach einer Horrorfahrt nordöstlich Riga, mit mehrmaligen Stürzen auf Schotterpisten) inzwischen Estland erreicht und dort sollen die Autofahrer wesentlich rücksichtsvoller sein als in Litauen und Lettland.

Was gut war??
Das Wetter! Sonnig, warm, nicht schwül.
Es gibt fast überall Vollfettkefir zu kaufen.
Das Brot war lecker.

Gruß
Geli
 
Tut mir echt leid! Und danke für die Warnung. Ich überlegen mit dem Womo in die gegend zu fahren und werde deinen Reisebericht in Erinnerung behalten. Rücksichtslose LKW sind auch im SUV oder im WoMo nervig bis Gefährlich.
 
Danke für den Bericht. Meine Frau und ich hatten nach einigen positiven Reiseberichten auch schon einmal daran gedacht dort zu radeln. Schade.
Klassische weitgehend Autofreie Radwanderwege gibt es dort wohl nicht oder ?

Gruß
Andreas
 
Klassische weitgehend Autofreie Radwanderwege gibt es dort wohl nicht oder ?
Nördlich von Klaipeda gibt es einen, der geht ca. 30km zum großen Teil durch den Wald, auf einer Seite sieht man dann oft die Ostsee durchschimmern und man kann gut mal eben ans Ufer. Diese kurze Strecke hat wirklich Spaß gemacht, obwohl sie sehr touristisch und stark frequentiert ist. So sehr, dass sogar ein paar Dixiclos im Wald aufgebaut waren. War mein erster Tag und ich ahnte noch nichts Böses.
Auf der kurischen Nehrung fährt man wohl auch unbehelligt von Autos. Das wollte ich eigentlich am Schluss meiner Tour machen, aber dazu ist denn ja nicht mehr gekommen.
Zum Teil gibts in den Städten Radwege, die aber immer so gestaltet sind, dass selbst wenn sie neben einer Hauptstraße verlaufen, bei Querung der Nebenstraßen, die Radfahrer keine Vorfahrt haben.
Rücksichtslose LKW sind auch im SUV oder im WoMo nervig bis Gefährlich.
Ein paar dt. Touris, die ich auf Campingplätzen getroffen hab und motorisiert unterwegs waren, haben sich auch darüber beklagt. Sogar ein paar Motoradfahrer waren verwundert wie sie von rasenden PKWs überholt wurden.

Aber hier noch was Gutes: Es gab kaum Glasscherben oder Müll auf den Straßen und ich hatte keine Panne.

Gruß
Geli
 
Hier noch ein paar Bilder von den Zielen die, wenn einmal erreicht wirklich was hatten.
Im_Wald_Vor_Palanga_01.jpg
Im_Wald_Vor_Palanga_02.jpg
Komische Sachen im Wald, kurz hinter Klaipeda am schönen Radweg.
Erster_Campingplatz_Lettland.jpg
Dieser CampingPlatz war nur über eine 12km lange Schotterpiste zu erreichen.
Am nächsten Tag hat mich der Vater der Betreiberin in seinem Pickup wieder zur Haupstraße gebracht. Vielen Dank!
TarzanCamping_Liepaja.jpg
Campingplatz in Liepaja, auf dem Gelände des "Tarzankletterparks"
Vor_Jurkalne.jpg
Immer wieder an der Ostsee nächtigen. Hier bei Jurkalne
Mikeltornis.jpg
Der Leuchtturm "Mikeltornis"
Hinter_Kap_Kolka_Uferabbruch.jpg
Uferabbruch hinter Kap Kolka.

und hier die letzten Bilder. Ventspils bei der Abreise vom Schiff aus.
Ventspils_vom_Schiff_01.jpg
Ventspils_vom_Schiff_02.jpg
Ventspils_vom_Schiff_03.jpg
 
Wir sind bei GBSR 2014 von Tallinn her gekommen und haben alle drei Staaten durchquert. Ohne Probleme mit Verkehr. Kann mich nicht an irgendwelche Beschwerden der Fahrer erinnern.

Klaipeda und die Nehrung haben wir ausgelassen, da wir keine russischen Komplikationen gebrauchen konnten. Statt dessen sind wir von Jurmala in Grobrichtung Süden durch Lettland ganz Litauen runter bis an das Ufer der Memel gefahren. War eine schöne Tagestour, so um die 275 km, wenn ich mich nicht irre. Verkehr war gering und höflich, Qualität der Straßen akzeptabel abgesehen von den ersten 30 km südlich Jurmala.
 
Hallo Geli,

wir sind im Juli 2008 zu zweit mit Ups (da hatte ich über Liegeräder noch nicht mal nachgedacht) von Tallin nach Riga geradelt, also von Norden her. Dabei war unsere geplante Reiseroute ungefähr diese:

Tallin -> Paldiski -> Pedase -> Tuksi -> Haapsalu -> Pärnu -> Kabli -> Dreilini -> Birini -> Sigulda -> Ligatne -> Cesis -> Riga -> Jurmala -> Riga-Airport

Auch damals schon galt, dass weder Estland noch Lettland gute Fahrrad-Länder sind. Das bedeutet nicht, dass die Einwohner dort unfreundlich sind oder ähnlich, aber es bedeutet, dass Radfahren dort (insbesondere auf Landstraßen, also Tourenfahrten) nicht so normal ist wie z.B. bei uns in D-Land und die Leute nicht gewohnt sind, Radfahrer auf den Landstraßen mit Sicherheitsabstand zu überholen etc. Und es bedeutet, dass die Straßen halt ebenfalls nicht für's Radfahren gemacht sind (weder Radwege noch breite Standspuren etc, die man nutzen könnte).

Wir hatten auf dem Stück von Pärnu nach Riga (da geht es an der Küste entlang und es ist die Hauptverbindungsstraße zwischen Tallin und Riga) auch nach einer Tagesetappe (nämlich bei Kabli) aufgegeben. Auch dort war insbesondere der hochfrequente Schwerlastverkehr sehr nervig. Das wollten wir uns nicht noch zwei Tage lang antun. Wir haben dann mit Mietwagen und Abstechern ins Binnenland dafür gesorgt, dass wir trotzdem entspannte Urlaubstage an schönen Orten verbringen können.

Das ist natürlich schon 8 Jahre her und es könnte sich natürlich auch etwas in Richtung "Radwege" und "weg vom Auto" getan haben. Sieht aber ja nicht so aus. Scheint mir auch nicht sooo überraschend. Wir waren in der Umgebung von Riga sehr erstaunt über die Anzahl von dicken Autos; so einen hohen Anteil SUVs wie dort hatte ich bis dahin noch nie gesehen (ich habe einen Großteil meines Lebens in Hamburg verbracht und kenne auch Sydney, New York, ...). Ich habe das damals so interpretiert, dass dort nach den Jahren im Ostblock sehr viel Nachholbedarf herrschte und Autos dort noch viel mehr Status-Symbol sind als bei uns.

In Estland haben wir tatsächlich auch sehr schöne Fahrrad-Erfahrungen gemacht, aber halt nur dort, wo man weit weg war von Hauptverbindungsachsen durch das Land.

LG, arasca
 
Hallo Geli,

danke für den Bericht und mein Mitgefühl für die Negativen Gefühle. Ich kann das nchvollziehen aus meinen Auto-Rundfahrten durchs Baltikum und Polen. Man hat dort einfach sehr viel Verkehr auf zu wenig Infrastruktur und Radfahrer sind die Underdogs. Das war in Westeuropa vor 40/50 Jahren auch so.
Trotzdem an alle, die dort fahren wollen: nehmt ein Gefährt für schlechte Wege und Ausrüstung für Unabhängigkeit mit, z.B. Mountainbike und Zelt, dann kann man sich flexibel bewegen, auch z.B. auf Wald- und Wanderwegen. Die Leute sind freundlich, die Landschaft schön und das Ganze sehenswert.

Gruss Achim
 
Hallo Geli,
schade für Deinen missratenden Urlaub, wenn Du mal vorher etwas geschrieben hättest, dann hätte ich Dir das schon vorher gesagt...! Schade...
Aber Hut ab, für dass, das Du alleine dort rumgondelst und dann noch Camping als Frau machst in diesen Ländern...!
Soll nicht abwertend oder sonst etwas sein, sondern soll Deinen Mut bezeugen.

Gruss Mecky
 
Hallo Geli,

da scheint sich ja seit 2008 einiges geändert zu haben. An viel Verkehr im Baltikum kann ich mich nicht erinnern. Außer in Ostpolen, dort war damals jedes dritte Auto ein Fahrschulwagen. Da hab ich wahrscheinlich gerade noch so die richtige Zeit für eine Raise erwischt. Und mit Quest und Kojaks drauf bin ich eher nicht die kleinen geschotterten Wege gefahren, sondern hab mir wo möglich aspahltierte Straßen ausgesucht.

Viele Grüße,
Martin
 
wenn Du mal vorher etwas geschrieben hättest, dann hätte ich Dir das schon vorher gesagt...!
Doch,ich hatte vorher hier nach Erfahrungen gefragt.
Falsches Equipment. 20" und Stotterweg geht schon wenn sonst alles stimmt ;-)
Das einzige was da geholfen hätte, wäre ein Ganzkörperschutzanzug gegen rumfliegende Steine gewesen.

Ich bin anscheinend noch ein bisschen traumatisiert (schreckhafte Blicke in den Rückspiegel, bei Geräuschen von hinten, viel zu weites rechtsranfahren, wenn LKW s hinter mir sind u.s.w.) aber ansonsten ist diese Reise so im Nachhinein eine Erfahrung, die man auch mal gemacht haben kann, ohne das gleich die Welt untergeht. Und man hat ja echt viel zu erzählen;)

Gruß
Geli
 
Ich bin anscheinend noch ein bisschen traumatisiert

Ja ich habe erst recht spät deine wirklich sehr kurze und übel beladene Liege gesehen - damit war diese Übung sicher kein Spaß. Und mir ist wieder klar geworden, warum ich mich so unglaublich wohl auf meinem Antik-Hobel fühle. Klar - vor allem weil ich so gut wie nie auf der Straße fahren muss - aber auch weil die Geometrie besser zu schwerem Gepäck und groben losen Schotter passt ;-)
 
@christosser , der mangelnde Spaß resultierte nicht so sehr aus dem Schotterweg ansich, sondern, daraus, dass diese Schotterpisten von zahlreichen Autos mit 60-8okm/h befahren wurden, die mich dann zum einem im Staub einnebelten und zum anderen mit Schottersteinen bombardierten.
Das hätte mit keinem Rad Spaß gemacht und auch nicht ganz ohne Rad, zu Fuß.

Was mich übrigens auch gewundert hat: An allen Ecken und Enden gab es Fahrradverleihstationen, auch an Orten die nur über solche Schotterpisten zu erreichen waren. Masochistensportvergnügen für Lebensüberdrüssige?:eek:

Übrigens, Rennradfahrer hab ich auch 2x gesehen. Einmal ein Jugendlicher, wo Papi/Trainer mit PKW und Warnblinklicht hinterherfuhr und 1x eine ganze Gruppe, wo vorneweg der warnblinkende PKW und hintendrein dann ein warnblinkender Transporter fuhren.

Gruß
Geli
 
Wir sind bei GBSR 2014 von Tallinn her gekommen und haben alle drei Staaten durchquert. Ohne Probleme mit Verkehr.
Hallo @Jupp, hast Du den Track noch irgendwo? Wenn ich den auf der gbsr2014.eu den Download anklicke,bekomme ich zwar einen Haufen Text, aber mein Smartphone kann ihn nicht lesen :(
Was Geli hier schreibt, will ich lieber umfahren...
Ich will dieses Jahr übers Baltikum ans Nordkapp, https://www.velomobilforum.de/forum/index.php?threads/nordkapptour-2018.50647/

Gruß Krischan
 
Sind .gpx Dateien, das Standardformat für Navigationsgeräte — wenn du die nicht lesen kannst hast du die falschen Geräte
 
bekomme ich zwar einen Haufen Text, aber mein Smartphone kann ihn nicht lesen
Genau dieser Text ist der Track. Du brauchst wohl eine Anwendung, die verlinkte Dateien herunterladen statt nur anzeigen kann. Alternativ kopierst Du Dir genau diesen angezeigten Text in einen Texteditor auf Deinem Telefon und speicherst den Text als gpx-Datei.

Gruß,
Martin
 
Sind .gpx Dateien, das Standardformat für Navigationsgeräte — wenn du die nicht lesen kannst hast du die falschen Geräte
Das mach ich auch schon eine ganze Weile recht erfolgreich...
Ich hab gerade bei Gpsies.com einen Track als gpx runtergeladen, der geht sofort im gpx-reader auf.
Ich versuchs mal am Rechner... Falls das nicht klappt, finde ich bestimmt
eine [weitere] Anwendung, die verlinkte Dateien herunterladen statt nur anzeigen kann.
Danke für die Erklärung, @Racertje.
Gruß Krischan
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo @Langhals
Schade, dass Dein Urlaub nicht zur Erholung gedient hat. Nimm es mit den Worten von Nietzsche: "Was mich nicht umbringt, macht mich härter."
Verräts Du mir, wo Du die blauen Kettenschutzrohre gefunden hast?
Danke, Carsten
 
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