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Rückblick nach nun ziemlich einem Jahr. Und Ansporn für alle Neueinsteiger, einfach am Ball zu bleiben und sich auf das Experiment Liegerad einzulassen.
Wir schreiben das Jahr 2019. Hartmut richtet dankenswerter Weise wieder die komplette Brevet Serie in Warberg aus. Nachdem es in 2018 schon recht gut lief habe ich dieses Jahr gleich für alle Brevets gemeldet. Und dann ...
... Ende April, 300 km, viel Regen. Absolutes Gift für meine sensible Sitzzone. Ergebnis - die letzten 75 km nur unter Schmerzen durchgestanden. Im Ziel dann der gutgemeinte Rat von Hartmut, nicht noch weiter in Satteltests zu investieren, sondern ein Liegerad anschaffen. Nach vielen Vorurteilen und verzweifelten Rückzugsgefechten, in der Art von "die sind teuer" und "kann ich mir nicht leisten" am nächsten Morgen ein neugieriger Blick bei den Kleinanzeigen in der Bucht. Keine Ahnung, was es werden soll, Preislimit 400,-€ (finanzielle Nachwehen der Scheidung halt). Kurz vor der polnischen Grenze gab es dann tatsächlich was schönes tiefes in Edelstahl für unter 300,-€. Eine kurze sms bestätigte nach 10 Minuten, das Rad ist noch da und kann jederzeit besichtigt werden. Bahnverbindung gesucht, Telefonat mit dem Verkäufer, er holt mich sogar am Bahnhof ab und würde mich wieder hinbringen.
Ergebnis. Ich habe nur nach gefallen mein erstes Liegerad gekauft, denn Probefahrt ging nicht einen Meter. Heute weiss ich, ich habe meinem Bauchgefühl zurecht vertraut.
Aber der Reihe nach.
- Erster Tag:
im Park in der Nähe überhaupt das Anfahren lernen. Dauer inklusive geradeaus fahren = 1 Vormittag
Nachmittag dann immer im Kreis durch den Park und vorsichtig die 1000 m nach Hause
Mir tat Alles weh.
- die ersten 2 Monate:
Ich bin noch viel mit Kumpels Rennrad gefahren. Daher zunächst nur so 3 Übungseinheiten zu ca. 30 km / Einheit auf kaum befahrenen und flachen Strecken in der Woche.
Geschwindigkeit war katastrophal und ich hatte immer das Gefühl das Rad schaukelt sich auf. Das wurde erst durch den Tausch der viel zu weichen Federgabel gegen eine Starrgabel etwas besser. Schneller als 25 km/h habe ich mich aber nicht getraut. Die Muskeln waren immer müde und am schmerzen. Gepäckträger habe ich schon in der 2. Woche an das Rad improvisiert.
- Juli
Wegen Ferienfreizeit auf Arbeit und eigenem Radurlaub bin ich in diesem Monat eigentlich nicht gefahren. Als ich nach 3 Wochen Abstinenz wieder den Zephyr bändigen will fällt mir auf Anhieb auf, dass ich viel besser Gleichgewicht halten kann. Das Erlernte brauchte also seine Zeit, sich zu setzen. Jetzt traue ich mich auf breiten, gut ausgebauten Wegen und Straßen auch schonmal bis 35 km/h mitzutreten. Auch schmerzen die Muskeln nach den Ausfahrten nicht mehr ganz so arg und der Tritt wird runder.
- August / September 2019
Immer noch viel auf dem Rennrad mit den Kumpels unterwegs. Der Zephyr wird jetzt aber als Pendelrad zur Arbeit eingesetzt. Einfache Strecke ca. 30 km, aufgrund von Schichtdienst nur etwa alle 1,5 Tage zu fahren. Da ich auf der Straße (obwohl verkehrsarm) noch Angst habe direkt vor einem Auto zu stürzen, weiche ich auf Feldwege aus (eher Feldautobahn) und ziehe breite Reifen auf (aus Angst an der Kante des Fahrstreifens abzurutschen). Die breiten Reifen haben auch den angenehmen Nebeneffekt, meine Fahrt deutlich zu stabilisieren und meine Schlenker zu dämpfen. Keine Ahnung, ob das an der höheren Masse der Reifen oder der größeren Aufstandsfläche liegt. Langsam werde ich sicherer und den Hügel runter traue ich mich auch mal mit 40 km/h. Tiller deutlich schmaler gestellt (betender Hamster). Da ich den originalen nicht absägen wollte habe ich einen Klapptiller gekauft.
- Oktober bis Weihnachten 2019
Ich fahre mittlerweile mit 28mm Slicks auf der Straße. Leichte Schlenker und Unsicherheiten sind noch immer da. Bei Geschwindigkeiten über 35 km/h werde ich nervös (beim mittreten) und pegel mich lieber etwas darunter ein. Kurven gehen mittlerweile deutlich besser, ich muss aber in scharfen Kehren noch immer sehr bewusst fahren. Bergab rollen lassen geht schonmal bis ca. 45 km/h, nur nicht drüber nachdenken und Blick in die Ferne gerichtet.
- bis Ende Februar 2020
bin ich viel mit dem Zug gefahren, da sich meine Erkältung einfach nicht lösen wollte und mich ausserdem ein Sturz auf die Schulter lahmgelegt hatte. Keine Fortschritte feststellbar. Ende Februar musste ich 2 Wochen komplett aussetzen.
- März bis Mai 2020
Trotz Corona war die Hoffnung auf die Brevet Saison noch nicht gestorben. Also rauf aufs Rad und trainieren, zwischenzeitlich eine 145mm Kurbel noch rein. Die 2 Wochen Pause waren gut. Schlagartig war Gleichgewicht kein Problem mehr (nach beinahe 2 verschlissenen Antrieben sollte ja auch mal was passieren). Kurven gehen ohne Nachzudenken. Vmax wird nicht mehr durch die Angst begrenzt, bergab stand jetzt schon ein paar Mal eine 6 vorne. Die Muskulatur hat sich scheinbar super angepasst. Vorher war ich mit Strecken bis 60 km zufrieden und habe dieses in den Muskeln gemerkt, jetzt reagiere ich auf die Frage von Radkumpels "wollen wir noch was dranhängen" mit: "Gerne auch bis Du aus dem Sattel kippst". Mittlerweile habe ich den Zephyr abgespeckt, d.h. Gepäckträger und Schutzbleche sind ab.
- seit Mai 2020
Ich wollte es einfach wissen und habe mir einen zweiten Laufradsatz fertig gemacht für schlechte Wege (50mm Conti RaceKing hinten, 47mm CX Comp vorne). Fährt sich auch einfach geil auf Strecken abseits befestigter Wege, nur der Sitz muss steiler (aktuell mit einem 40er Kantholz im Rücken unterfüttert) und weiter nach hinten (zu viel Last auf dem Vorderrad und 4 cm sind mit Umbau möglich). Ende Mai hat ein Performer Lowracer seinen Weg in meinen Keller gefunden, womit ich meinen Rennrad Ersatz habe (nur die Adaptation muss ich noch durchstehen), das heisst der Zephyr wird jetzt in beiden Konfigurationen als schnelles Reiserad oder robuster "Monstercross Lieger" genutzt.
Zum Rad:
- Zephyr Lage Racer in Edelstahl
- Federung war bereits auf Federbein geändert
- Tiller gelenkt = auf schlechten Wegen sehr wendig trotz der Länge
- Sitz vermutlich Flevo
- Gepäckträger = Eigenbau aus Alu Profilen mit Lowrider-Bügeln
- Licht über Felgenläufer Dynamo fest angebracht
Der Steuermann:
- Endvierziger mit krankheitsbedingten (chronisch) Gelenkproblemen und Sitzbeschwerden
- Sturzschisser nach Sturz mit Wirbelbruch in 2012
- absoluter Gleichgewichtslegastheniker
Wir schreiben das Jahr 2019. Hartmut richtet dankenswerter Weise wieder die komplette Brevet Serie in Warberg aus. Nachdem es in 2018 schon recht gut lief habe ich dieses Jahr gleich für alle Brevets gemeldet. Und dann ...
... Ende April, 300 km, viel Regen. Absolutes Gift für meine sensible Sitzzone. Ergebnis - die letzten 75 km nur unter Schmerzen durchgestanden. Im Ziel dann der gutgemeinte Rat von Hartmut, nicht noch weiter in Satteltests zu investieren, sondern ein Liegerad anschaffen. Nach vielen Vorurteilen und verzweifelten Rückzugsgefechten, in der Art von "die sind teuer" und "kann ich mir nicht leisten" am nächsten Morgen ein neugieriger Blick bei den Kleinanzeigen in der Bucht. Keine Ahnung, was es werden soll, Preislimit 400,-€ (finanzielle Nachwehen der Scheidung halt). Kurz vor der polnischen Grenze gab es dann tatsächlich was schönes tiefes in Edelstahl für unter 300,-€. Eine kurze sms bestätigte nach 10 Minuten, das Rad ist noch da und kann jederzeit besichtigt werden. Bahnverbindung gesucht, Telefonat mit dem Verkäufer, er holt mich sogar am Bahnhof ab und würde mich wieder hinbringen.
Ergebnis. Ich habe nur nach gefallen mein erstes Liegerad gekauft, denn Probefahrt ging nicht einen Meter. Heute weiss ich, ich habe meinem Bauchgefühl zurecht vertraut.
Aber der Reihe nach.
- Erster Tag:
im Park in der Nähe überhaupt das Anfahren lernen. Dauer inklusive geradeaus fahren = 1 Vormittag
Nachmittag dann immer im Kreis durch den Park und vorsichtig die 1000 m nach Hause
Mir tat Alles weh.
- die ersten 2 Monate:
Ich bin noch viel mit Kumpels Rennrad gefahren. Daher zunächst nur so 3 Übungseinheiten zu ca. 30 km / Einheit auf kaum befahrenen und flachen Strecken in der Woche.
Geschwindigkeit war katastrophal und ich hatte immer das Gefühl das Rad schaukelt sich auf. Das wurde erst durch den Tausch der viel zu weichen Federgabel gegen eine Starrgabel etwas besser. Schneller als 25 km/h habe ich mich aber nicht getraut. Die Muskeln waren immer müde und am schmerzen. Gepäckträger habe ich schon in der 2. Woche an das Rad improvisiert.
- Juli
Wegen Ferienfreizeit auf Arbeit und eigenem Radurlaub bin ich in diesem Monat eigentlich nicht gefahren. Als ich nach 3 Wochen Abstinenz wieder den Zephyr bändigen will fällt mir auf Anhieb auf, dass ich viel besser Gleichgewicht halten kann. Das Erlernte brauchte also seine Zeit, sich zu setzen. Jetzt traue ich mich auf breiten, gut ausgebauten Wegen und Straßen auch schonmal bis 35 km/h mitzutreten. Auch schmerzen die Muskeln nach den Ausfahrten nicht mehr ganz so arg und der Tritt wird runder.
- August / September 2019
Immer noch viel auf dem Rennrad mit den Kumpels unterwegs. Der Zephyr wird jetzt aber als Pendelrad zur Arbeit eingesetzt. Einfache Strecke ca. 30 km, aufgrund von Schichtdienst nur etwa alle 1,5 Tage zu fahren. Da ich auf der Straße (obwohl verkehrsarm) noch Angst habe direkt vor einem Auto zu stürzen, weiche ich auf Feldwege aus (eher Feldautobahn) und ziehe breite Reifen auf (aus Angst an der Kante des Fahrstreifens abzurutschen). Die breiten Reifen haben auch den angenehmen Nebeneffekt, meine Fahrt deutlich zu stabilisieren und meine Schlenker zu dämpfen. Keine Ahnung, ob das an der höheren Masse der Reifen oder der größeren Aufstandsfläche liegt. Langsam werde ich sicherer und den Hügel runter traue ich mich auch mal mit 40 km/h. Tiller deutlich schmaler gestellt (betender Hamster). Da ich den originalen nicht absägen wollte habe ich einen Klapptiller gekauft.
- Oktober bis Weihnachten 2019
Ich fahre mittlerweile mit 28mm Slicks auf der Straße. Leichte Schlenker und Unsicherheiten sind noch immer da. Bei Geschwindigkeiten über 35 km/h werde ich nervös (beim mittreten) und pegel mich lieber etwas darunter ein. Kurven gehen mittlerweile deutlich besser, ich muss aber in scharfen Kehren noch immer sehr bewusst fahren. Bergab rollen lassen geht schonmal bis ca. 45 km/h, nur nicht drüber nachdenken und Blick in die Ferne gerichtet.
- bis Ende Februar 2020
bin ich viel mit dem Zug gefahren, da sich meine Erkältung einfach nicht lösen wollte und mich ausserdem ein Sturz auf die Schulter lahmgelegt hatte. Keine Fortschritte feststellbar. Ende Februar musste ich 2 Wochen komplett aussetzen.
- März bis Mai 2020
Trotz Corona war die Hoffnung auf die Brevet Saison noch nicht gestorben. Also rauf aufs Rad und trainieren, zwischenzeitlich eine 145mm Kurbel noch rein. Die 2 Wochen Pause waren gut. Schlagartig war Gleichgewicht kein Problem mehr (nach beinahe 2 verschlissenen Antrieben sollte ja auch mal was passieren). Kurven gehen ohne Nachzudenken. Vmax wird nicht mehr durch die Angst begrenzt, bergab stand jetzt schon ein paar Mal eine 6 vorne. Die Muskulatur hat sich scheinbar super angepasst. Vorher war ich mit Strecken bis 60 km zufrieden und habe dieses in den Muskeln gemerkt, jetzt reagiere ich auf die Frage von Radkumpels "wollen wir noch was dranhängen" mit: "Gerne auch bis Du aus dem Sattel kippst". Mittlerweile habe ich den Zephyr abgespeckt, d.h. Gepäckträger und Schutzbleche sind ab.
- seit Mai 2020
Ich wollte es einfach wissen und habe mir einen zweiten Laufradsatz fertig gemacht für schlechte Wege (50mm Conti RaceKing hinten, 47mm CX Comp vorne). Fährt sich auch einfach geil auf Strecken abseits befestigter Wege, nur der Sitz muss steiler (aktuell mit einem 40er Kantholz im Rücken unterfüttert) und weiter nach hinten (zu viel Last auf dem Vorderrad und 4 cm sind mit Umbau möglich). Ende Mai hat ein Performer Lowracer seinen Weg in meinen Keller gefunden, womit ich meinen Rennrad Ersatz habe (nur die Adaptation muss ich noch durchstehen), das heisst der Zephyr wird jetzt in beiden Konfigurationen als schnelles Reiserad oder robuster "Monstercross Lieger" genutzt.
Zum Rad:
- Zephyr Lage Racer in Edelstahl
- Federung war bereits auf Federbein geändert
- Tiller gelenkt = auf schlechten Wegen sehr wendig trotz der Länge
- Sitz vermutlich Flevo
- Gepäckträger = Eigenbau aus Alu Profilen mit Lowrider-Bügeln
- Licht über Felgenläufer Dynamo fest angebracht
Der Steuermann:
- Endvierziger mit krankheitsbedingten (chronisch) Gelenkproblemen und Sitzbeschwerden
- Sturzschisser nach Sturz mit Wirbelbruch in 2012
- absoluter Gleichgewichtslegastheniker
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