Augen auf beim Radverkauf

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Ich habe gerade über ein sehr interessantes Gerichtsurteil des BGH gelesen, das mich doch sehr stark verwundert hat. Bisher war ich der Ansicht, man könne kein Eigentum an gestohlenen Dingen erwerben. Wer also ein geklautes Rad kauft muss es an den eigentlichen Eigentümer herausgeben und kann versuchen sich beim Verkäufer sein Geld wiederzuholen.

Im Falle eines gestohlenen Wohnmobils hat der BGH nun anders geurteilt: Das 52.000€ Wohnmobil wurde einem Autohaus während einer einstündigen unbegleiteten Probefahrt entwendet. Der Probefahrer hatte einen gefälschten Ausweis und eine ebenso gefälschte Meldebescheinigung im Autohaus vorgelegt (und vielleicht auch hinterlegt). Von der Probefahrt kam er nicht wieder zurück und verkaufte das Wohnmobil mit gefälschten Papieren für 46.000€ an eine nichtsahnende Dritte. Als die das Fahrzeug zulassen wollte flog der Schwindel auf und die Autohausbesitzerin forderte die Herausgabe des Wagens von der Käuferin. Das ging über diverse Instanzen, am Ende urteilte der BGH, dass die Käuferin das Auto behalten könne, weil
Die Käuferin habe das Auto in gutem Glauben erworben, hieß es zur Begründung. Die Klägerin hingegen habe das Eigentum an dem Fahrzeug verloren. "Die Überlassung eines Kraftfahrzeuges durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten für eine gewisse Dauer - hier eine Stunde - führt auch nicht zu einer bloßen Besitzlockerung, sondern zu einem Besitzübergang auf den Kaufinteressenten." Das Auto sei der Klägerin somit nicht abhanden gekommen. Die Käuferin sei jetzt die Eigentümerin. Sie dürfe die Herausgabe der Zulassungspapiere verlangen.

Widerspricht allem, was ich bisher als sicher angenommen hatte und wirft wohl zumindest potentiell die Frage nach Probefahren auf, wenn man ein Fahrrad oder Velomobil verkauft. Wenn es nicht gerade ein Tandem ist gibt es ja nun keinen Beifahrersitz. Man sollte also offenbar dann mit einem zweiten Rad nebenher fahren und muss das auch, wenn man nicht unversehends unentschädigt seines Rades verlustig gehen will, selbst wenn es nach einem Diebstahl wieder auftauchen sollte.

Falls jemand sich in näherer Zukunft ein Auto kaufen möchte würde mich interessieren, ob dieses Urteil Auswirkungen auf das Verhalten der Autohändler oder privaten Autoverkäufer hat - würde ja naheliegen. Ich finde es immer noch höchst schräg, auch und insbesondere die Begründung und kann nur hoffen, das das im Artikel verkürzt oder falsch/unvollständig widergegeben wurde. Hier ist der originale Artikel:

 
Der tagesspiegel Titel ist schon falsch. Das Fahrzeug wurde ja überlassen (zwecks Probefahrt verliehen), kann also nicht vom Probe-Fahrer gestohlen werden, "nur" unterschlagen.
 
Der tagesspiegel Titel ist schon falsch. Das Fahrzeug wurde ja überlassen (zwecks Probefahrt verliehen), kann also nicht vom Probe-Fahrer gestohlen werden, "nur" unterschlagen.
War auch mein Gedanke - aber weg ist es ja trotzdem. :oops: Für den Juristen ist es ein einsortierungsmässig ein anderer Tatbestand, den Eigentümer ändert es nichts am Ergebnis. In der Pressemitteilung des BGH steht es richtig und da sind auch die Paragraphen aufgelistet, das ist schon fies.
 
Wenn es nicht gerade ein Tandem ist gibt es ja nun keinen Beifahrersitz.

Genau da könnte der entscheidende Unterschied liegen. Ich finde das Urteil auch komisch, aber es betrifft doch einen Einzelfall. Hier geht es um einen professionellen Autohändler, dem mangelnde Sorgfalt unterstellt wurde. Er hätte mitfahren können oder andere Maßnahmen (GPS tracking?) ergreifen können. Bei einem Fahrrad von Privat wird man das nicht so annehmen können.
Das Autohändler da bei Probefahrten vorsichtiger werden, könnte ich mir aber gut vorstellen.
 
Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor, aber in der Pressemitteilung sind die relevanten paragraphen zitiert - lustiger- bzw. peinlicherweise ohne zu erwähnen, in welchem Gesetz sich diese Paragraphen finden... (um das aufzulösen: Sie sind aus dem BGB) U.a. stehen da diese beiden:

§ 932 Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

§ 935 Kein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen

(1) Der Erwerb des Eigentums auf Grund der §§ 932 bis 934 tritt nicht ein, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen war.


Mir war nun der §935 bekannt und ich hätte vermutet, dass er (wie es auch darin geschrieben steht) den §932 overruled. Ausserdem, dass auch "unterschlagen" unter "abhanden gekommen" läuft. Da der BGH aber anders geurteilt hat scheint er das anders zu sehen. Dass das auf den privaten Radverkäufer nicht auch zutreffen könnte ist zumindest für mich bisher nicht ersichtlich - mal das schriftliche Urteil abwarten. Insgesamt scheint der Casus Knacktus der Besitzübergang zu sein, den - für mich bisher rätselhaft - der BGH hier irgendwie zum Eigentumsübergang umdefiniert. Dabei sind das juristisch zwei sehr verschiedene Dinge (ganz grob und landläufig: Besitz: ich kann physikalisch darüber verfügen, es gehört mir aber nicht unbedingt; Eigentum: mir gehört es, ich habe es aber nicht notwendigerweise im Besitz - z.B. Mietwohnung), die sich eigentlich brauchbar unterscheiden lassen und ich wäre im Leben nicht auf die Idee gekommen, dass ein Unterschlagender Eigentum am unterschlagenen Gut erwerben könnte.
 
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Moin,
ein Unterschlagender Eigentum am unterschlagenen Gut erwerben könnte.
das dürfte auch weiterhin gelten. Aber er kann es anscheinend erfolgreich verkaufen. Das hat einen bösen Nachgeschmack (erst Enteignen, dann verkaufen. Die Idee hatte schonmal jemand...).

Ciao,
Andreas
 
Und wie ist dass dann bei Autovermietern? Ein vermietetes Auto ist wohl nicht verloren gegangen. Wenn der Mieter das dann verkauft, hätte der Vermieter Pech.
 
Im Zulassungsschein und im Fahrzeugbrief (bekommt man den überhaupt?) steht ja die Vermietung als Halter drin.
Dieser Punkt irritiert mich übrigens auch bei dem Geschäft mit dem Wohnmobil. Wieso hat die Käuferin nicht wenigstens mal beim Autohaus angerufen, wenn weder der Brief da ist noch der Halter mit den Verkäufer übereinstimmt.

Edit: Blödsinn, der Typ hat ja nicht nur bei der Probefahrt seine eigenen Papiere gefälscht, sondern später beim Verkauf auch die Fahrzeugpapiere.
 
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Und wie ist dass dann bei Autovermietern? Ein vermietetes Auto ist wohl nicht verloren gegangen. Wenn der Mieter das dann verkauft, hätte der Vermieter Pech.
Genau die Frage stellt sich mir auch beim Lesen der BGH-Pressemitteilung:

...geht mit der (freiwilligen) Überlassung des Fahrzeugs zur Probefahrt der Besitz auf den vermeintlichen Kaufinteressenten über.

Die nicht erfolgte Rückgabe des Fahrzeugs an die Klägerin stellt somit kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB dar, so dass es von einem späteren Käufer gutgläubig erworben werden konnte. Folglich ist die Beklagte, da sie nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts bei dem Erwerb des Kraftfahrzeuges in gutem Glauben war, dessen Eigentümerin geworden und kann von der Klägerin die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere verlangen.

Ich würde das bisher auch so interpretieren, dass ich prinzipiell einen Mietwagen vom Mieter rechtsgültig kaufen könnte ohne das der Vermieter was davon weiss oder das möchte oder billigt. Deswegen bin ich auf das schriftliche Urteil gespannt, weil so sonst alles mögliche von der Mietwohnung bis zum Bibliotheksbuch munter rechtsgültig durch die Gegend verkauft werden könnte ohne Zustimmung des Eigentümers.
 
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