Wie man weiss, gibt es ja zwei typische Liegerad Unfälle. die Arschbombe und das berühmte “Leg Suck”, das auch MB, BMX und Freestyle Biker wohl gerne erleben.
Ich hatte ja bereits im Frühling einen Selbstversuch mit einer sehr sauber ausgeführten Arschbombe gestartet (Thread “sitzproblem”, http://www.liegeradforum.de/forum/showthread.php?27258-Sitzproblem...).
Das brachte mir damals ausser einem Haematom von Grösse und Farbe eines Parma Schinkens auch reilich Zeit zum Nachdenken ein. Während ich da also in meine Gedanken versunken zu Haus auf und ab ging (eigentlich denke ich sonst lieber im Sitzen..) wuchs in mir der Wunsch dieses erste, noch eher zufällig Erlebte durch gezielte weiter Versuche zu vertiefen
Ernsthafte Forschungen würden jedoch gründlichere Vorbereitungen erfordern. Es gelang mir meinen Sohn Max als Begleitperson zu gewinnen. Es war auch klar dass wir mehr Zeit brauchen würden als nur ein Wochenende. Wir beschlossen also unseren diesjährigen Sommerurlaub ganz der Forschung zu widmen, und, da Terrain und Infrastruktur ja auch wichtig sind, entschieden wir uns in Deutschland (wir leben in Ungarn) den Elbe Radweg flussabwärts zu fahren.
Anfang Juni konnte ich mich bereits wieder auf die Liege setzen ohne stöhnend zusammenzuzucken. Wir begannen also mit dem Training. Ich fuhr täglich 20-40 km. An einem Wochenende testeten wir auch unser Zelt und Camping Ausrüstung, und es ging alles recht gut.
Mitte Juli war es dann so weit. Wir luden die Räder in den Mondeo und fuhren nach Bad Schandau.
Das Auto blieb dort (wir wollten später mit der Bahn aus dem norden dann zurück zum Auto)
In der ersten Woche ging’s dann Elbe abwärts, wir hatten trotz des schlechten Wetters viel Spass. Max ist eher gross und schlank und fährt ein hohes Tourenrad.. Daneben sah ich mit meiner Liege, Gepäck und Bauch eher aus wie sein Sancho Panza.
Wir machten mit gelegentlichen Abstechern so etwa 80 km pro Tag. Selbst an einen verregneten “Ruhetag” in Dessau hatte ich trotzdem am Abend über 40 km auf dem Zähler. Insgesamt hatte ich zu diesem Zeitpunkt etwa 800 km seit Anschaffung der Liege, und war nun wirklich bereit für etwas anspruchsvollere Übungen. Ich war mir sicher dass in einer zweiten Woche auch 100 oder auch 120 bequem km drin gewesen wären, für einen fetten untrainierten alten Sack wie mich war das schon Klasse. Interessant war auch, dass ich mit meinen Sohn auf dem Tourenrad locker mithielt, also die Liege als Reiserad bewährte sich bestens. Jederzeit wieder.
Fast hatten wir vergessen wozu wir eigentlich gekommen waren, aber am Ende der Woche siegte dann doch das Verantwortungsgefühl und wir gingen das eigentliche Experiment an.
Bei starkem Sturm, Regen und Temperaturen gerade über 10 Grad verliessen wir Dessau in Richtung Magdeburg, auf dem ERW am rechten Ufer.. Gegen Abend, kurz vor Plötzky fanden wir dann endlich optimale Konditionen.
Der Radweg besteht dort aus den üblich zwei Spuren mit Betonplatten, dazwischen und seitlich davon Gras.
Nach einigem Suchen fand ich seitlich der Platten ein geignetes Schlagloch und setze das Hinterrad voll ein. Geschwindigkeit ca 15 km.
im Gegensatz zu meiner Arschbombe bei der es ja wichtig ist Hände und Füsse hochzuhalten wenn das Rad drunter wegflutscht um dann sauber Ass-First aufzusetzen, erfordert die Leg-Suck Übung dass man zunächst einen Fuss auf dem Boden bringt, bevor man dann geschickt gedreht darüber fällt .
Für einen kurzen Moment befürchtete ich dass das Experiment gescheitert war, und mein Fuss vielleicht unbeschadet doch noch nach vorn wegschleifen würde, aber glücklicherweise fand mein Fuss einen geigneten Grasbüschel hinter dem er sich fest verkeilen konnte, während der Rest von mir und meinem Bike noch ein Wenig unterwegs war. Dann allerdings kamen auch wir zum Stehen, und sanken elegant mir unseren 135 kg tot- und lebend-Gewicht auf und über den sicher platzierten linken Fuss. Da gab’s ein kurzes Knirschen und Knacken und ich fand mich in bequemer Bauchlage im Grass.
Diese Position hielt ich noch eine ganze Weile, kaute nachdenklich auch ein Wenig Grass, während Max mich aus der liebevollen Umarmung meiner Liege befreite. Es war auch sehr praktisch die Campingausrüstung dabei zu haben so dass Max mir eine Iso-Matte drunterschieben konnte und beide Schlafsäcke drüber, da es dann doch eine kleine kalte Stunde dauerte bis uns der Rettungswagen schliesslich gefunden hatte. Dann wurde noch ein Weilchen über Feldwege geholpert, bis ich schliesslich im Krankenaus Zerbst landete. Röntgen, Vollnarkose und vier Stunden OP, da war ich allerdings dann schon nicht mehr dabei.
Insgesamt kann man sagen dass die Aktion ein voller Erfolg war. Wir mir der Chirurg sagte, wäre da wirklich nicht mehr drin gewesen, ich hätte alles gebrochen was man da so am Sprunggelenk machen kann, und das ich sehr geordneter Form, streng nach Textbuch, jeder Bruch hat seinen eigenen Namen. Alles passte auch schön wieder zusammen und gab Anlass für umfangreiches Schrauben und Basteln. Nach drei Tagen noch mal operiert und alles schön nachgezogen, und auch in den nächsten Monaten wird öfter mal geöffnet und optimiert. Es gibt immer was zu tun.
Im Nachhinein muss ich gestehen dass ich in meiner Begeisterung bei der Vorbereitung die Logistik der Rückreise nicht wirklich geplant hatte. Als ich nach 11 Tagen zum Ende meines Urlaubs mit Gipsfuss und Krücken aus dem Krankenhaus entlassen wurde, die Räder auf dem Campinplatz in der Nähe der Unfallstelle, das Auto in Bad Schandau und unser Haus 900 km weit weg in Ungarn, da war guter Rat buchstäblich teuer.... Zum Glück war Max dageblieben und hat sich rührend um mich gekümmert, und uns trotz seinem noch ganz unerprobten, frischen Führeschein sicher heimgefahren.
Jetzt sitz ich hier zu Haus, mit dem Fuss in der Luft, und mach Pläne für nächstes Jahr. Sieht so aus als ob ich dazu einige Monate zeit hätte. Der Arzt meint ich sollte erst mal nicht auf die Liege...
Ich habe ihr (der Liege) eh schon gesagt dass sie sich auf eine kleinere OP vorbereiten sollte. Federung, Hinterteil und all der Kleinkram bleiben ihr erhalten, aber vorn wird ihr bald ein drittes Rad wachsen. Das Erste wass ich anfasse wenn ich mal die Krücken weglasen kann ist die Flex... Weine nicht meine kleine Liege, es dauert nicht lang und tut auch gar nicht weh.
PS:
- Mit einem Tourenrad hätte es mich da vielleicht auch auch hingehauen, und dann vornüber ins Grass.
- Mit clipless Pedalen wäre der Fuss vielleicht oben geblieben, und dann wär ich einfach relativ sanft seitlich auf’s Gepäck gehauen. Allerdings hab ich - falscher Reflex, vielleicht auch als folge meiner erfahrung mit der Arschbombe - den Fuss absichtlich runtergenommen, und das wär mit clipless vielleicht auch so ausgegangen. Ich glaube man sollte den Fuss nur runternehmen zum Abfangen, wenn der Boden wirklich glatt und im besten Fall gut zum Rutschen ist, so wie Schotter auf Asphalt. Sowie der Fuss sich irgendwo feststemmen kann und sich das Rad noch bewegt ist alles zu spät.
- da das Biken einfach Klasse war, ich aber jetzt wirklich etwas schiss hab mir dem geschredderten gelenk, werde ich wohl auf ein Trike umsteigen. Allerdings ist beim Trike der Bodenkontakt wohl wirklich verheerend, da der Fuss dann unter die Querstrebe gezogen wird... eieieieieiei.... dann also nur und immer mit sehr strammen clipless oder Gurten.
PPS:
Einer der Gründe nach D-Land zu fahren war dass ich Max Land und Leute zeigen wollte.
In der Beziehung bekam er mehr als erwartet und sah das beste was das Land zu bieten hat: die Menschen. Vom Rettungwagenfahrer über den Unfallarzt, bis hin zum gesamten Personal im Krankenhaus, einfach alle waren unendlich nett, lieb, bemüht, professionell und einfach ganz ganz ganz grosse Klasse. Werd ich nie vergessen. Ich weiss schon gar nicht mehr warum vor all den Jahren eigentlich aus D-Land wegwollte... Vielen vielen Dank.
Ich hatte ja bereits im Frühling einen Selbstversuch mit einer sehr sauber ausgeführten Arschbombe gestartet (Thread “sitzproblem”, http://www.liegeradforum.de/forum/showthread.php?27258-Sitzproblem...).
Das brachte mir damals ausser einem Haematom von Grösse und Farbe eines Parma Schinkens auch reilich Zeit zum Nachdenken ein. Während ich da also in meine Gedanken versunken zu Haus auf und ab ging (eigentlich denke ich sonst lieber im Sitzen..) wuchs in mir der Wunsch dieses erste, noch eher zufällig Erlebte durch gezielte weiter Versuche zu vertiefen
Ernsthafte Forschungen würden jedoch gründlichere Vorbereitungen erfordern. Es gelang mir meinen Sohn Max als Begleitperson zu gewinnen. Es war auch klar dass wir mehr Zeit brauchen würden als nur ein Wochenende. Wir beschlossen also unseren diesjährigen Sommerurlaub ganz der Forschung zu widmen, und, da Terrain und Infrastruktur ja auch wichtig sind, entschieden wir uns in Deutschland (wir leben in Ungarn) den Elbe Radweg flussabwärts zu fahren.
Anfang Juni konnte ich mich bereits wieder auf die Liege setzen ohne stöhnend zusammenzuzucken. Wir begannen also mit dem Training. Ich fuhr täglich 20-40 km. An einem Wochenende testeten wir auch unser Zelt und Camping Ausrüstung, und es ging alles recht gut.
Mitte Juli war es dann so weit. Wir luden die Räder in den Mondeo und fuhren nach Bad Schandau.
Das Auto blieb dort (wir wollten später mit der Bahn aus dem norden dann zurück zum Auto)
In der ersten Woche ging’s dann Elbe abwärts, wir hatten trotz des schlechten Wetters viel Spass. Max ist eher gross und schlank und fährt ein hohes Tourenrad.. Daneben sah ich mit meiner Liege, Gepäck und Bauch eher aus wie sein Sancho Panza.
Wir machten mit gelegentlichen Abstechern so etwa 80 km pro Tag. Selbst an einen verregneten “Ruhetag” in Dessau hatte ich trotzdem am Abend über 40 km auf dem Zähler. Insgesamt hatte ich zu diesem Zeitpunkt etwa 800 km seit Anschaffung der Liege, und war nun wirklich bereit für etwas anspruchsvollere Übungen. Ich war mir sicher dass in einer zweiten Woche auch 100 oder auch 120 bequem km drin gewesen wären, für einen fetten untrainierten alten Sack wie mich war das schon Klasse. Interessant war auch, dass ich mit meinen Sohn auf dem Tourenrad locker mithielt, also die Liege als Reiserad bewährte sich bestens. Jederzeit wieder.
Fast hatten wir vergessen wozu wir eigentlich gekommen waren, aber am Ende der Woche siegte dann doch das Verantwortungsgefühl und wir gingen das eigentliche Experiment an.
Bei starkem Sturm, Regen und Temperaturen gerade über 10 Grad verliessen wir Dessau in Richtung Magdeburg, auf dem ERW am rechten Ufer.. Gegen Abend, kurz vor Plötzky fanden wir dann endlich optimale Konditionen.
Der Radweg besteht dort aus den üblich zwei Spuren mit Betonplatten, dazwischen und seitlich davon Gras.
Nach einigem Suchen fand ich seitlich der Platten ein geignetes Schlagloch und setze das Hinterrad voll ein. Geschwindigkeit ca 15 km.
im Gegensatz zu meiner Arschbombe bei der es ja wichtig ist Hände und Füsse hochzuhalten wenn das Rad drunter wegflutscht um dann sauber Ass-First aufzusetzen, erfordert die Leg-Suck Übung dass man zunächst einen Fuss auf dem Boden bringt, bevor man dann geschickt gedreht darüber fällt .
Für einen kurzen Moment befürchtete ich dass das Experiment gescheitert war, und mein Fuss vielleicht unbeschadet doch noch nach vorn wegschleifen würde, aber glücklicherweise fand mein Fuss einen geigneten Grasbüschel hinter dem er sich fest verkeilen konnte, während der Rest von mir und meinem Bike noch ein Wenig unterwegs war. Dann allerdings kamen auch wir zum Stehen, und sanken elegant mir unseren 135 kg tot- und lebend-Gewicht auf und über den sicher platzierten linken Fuss. Da gab’s ein kurzes Knirschen und Knacken und ich fand mich in bequemer Bauchlage im Grass.
Diese Position hielt ich noch eine ganze Weile, kaute nachdenklich auch ein Wenig Grass, während Max mich aus der liebevollen Umarmung meiner Liege befreite. Es war auch sehr praktisch die Campingausrüstung dabei zu haben so dass Max mir eine Iso-Matte drunterschieben konnte und beide Schlafsäcke drüber, da es dann doch eine kleine kalte Stunde dauerte bis uns der Rettungswagen schliesslich gefunden hatte. Dann wurde noch ein Weilchen über Feldwege geholpert, bis ich schliesslich im Krankenaus Zerbst landete. Röntgen, Vollnarkose und vier Stunden OP, da war ich allerdings dann schon nicht mehr dabei.
Insgesamt kann man sagen dass die Aktion ein voller Erfolg war. Wir mir der Chirurg sagte, wäre da wirklich nicht mehr drin gewesen, ich hätte alles gebrochen was man da so am Sprunggelenk machen kann, und das ich sehr geordneter Form, streng nach Textbuch, jeder Bruch hat seinen eigenen Namen. Alles passte auch schön wieder zusammen und gab Anlass für umfangreiches Schrauben und Basteln. Nach drei Tagen noch mal operiert und alles schön nachgezogen, und auch in den nächsten Monaten wird öfter mal geöffnet und optimiert. Es gibt immer was zu tun.
Im Nachhinein muss ich gestehen dass ich in meiner Begeisterung bei der Vorbereitung die Logistik der Rückreise nicht wirklich geplant hatte. Als ich nach 11 Tagen zum Ende meines Urlaubs mit Gipsfuss und Krücken aus dem Krankenhaus entlassen wurde, die Räder auf dem Campinplatz in der Nähe der Unfallstelle, das Auto in Bad Schandau und unser Haus 900 km weit weg in Ungarn, da war guter Rat buchstäblich teuer.... Zum Glück war Max dageblieben und hat sich rührend um mich gekümmert, und uns trotz seinem noch ganz unerprobten, frischen Führeschein sicher heimgefahren.
Jetzt sitz ich hier zu Haus, mit dem Fuss in der Luft, und mach Pläne für nächstes Jahr. Sieht so aus als ob ich dazu einige Monate zeit hätte. Der Arzt meint ich sollte erst mal nicht auf die Liege...
Ich habe ihr (der Liege) eh schon gesagt dass sie sich auf eine kleinere OP vorbereiten sollte. Federung, Hinterteil und all der Kleinkram bleiben ihr erhalten, aber vorn wird ihr bald ein drittes Rad wachsen. Das Erste wass ich anfasse wenn ich mal die Krücken weglasen kann ist die Flex... Weine nicht meine kleine Liege, es dauert nicht lang und tut auch gar nicht weh.
PS:
- Mit einem Tourenrad hätte es mich da vielleicht auch auch hingehauen, und dann vornüber ins Grass.
- Mit clipless Pedalen wäre der Fuss vielleicht oben geblieben, und dann wär ich einfach relativ sanft seitlich auf’s Gepäck gehauen. Allerdings hab ich - falscher Reflex, vielleicht auch als folge meiner erfahrung mit der Arschbombe - den Fuss absichtlich runtergenommen, und das wär mit clipless vielleicht auch so ausgegangen. Ich glaube man sollte den Fuss nur runternehmen zum Abfangen, wenn der Boden wirklich glatt und im besten Fall gut zum Rutschen ist, so wie Schotter auf Asphalt. Sowie der Fuss sich irgendwo feststemmen kann und sich das Rad noch bewegt ist alles zu spät.
- da das Biken einfach Klasse war, ich aber jetzt wirklich etwas schiss hab mir dem geschredderten gelenk, werde ich wohl auf ein Trike umsteigen. Allerdings ist beim Trike der Bodenkontakt wohl wirklich verheerend, da der Fuss dann unter die Querstrebe gezogen wird... eieieieieiei.... dann also nur und immer mit sehr strammen clipless oder Gurten.
PPS:
Einer der Gründe nach D-Land zu fahren war dass ich Max Land und Leute zeigen wollte.
In der Beziehung bekam er mehr als erwartet und sah das beste was das Land zu bieten hat: die Menschen. Vom Rettungwagenfahrer über den Unfallarzt, bis hin zum gesamten Personal im Krankenhaus, einfach alle waren unendlich nett, lieb, bemüht, professionell und einfach ganz ganz ganz grosse Klasse. Werd ich nie vergessen. Ich weiss schon gar nicht mehr warum vor all den Jahren eigentlich aus D-Land wegwollte... Vielen vielen Dank.
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