Weihnachtsgeschenk
Heut lag ein schönen Weihnachtsgeschenk in meinem Briefkasten. Ein Brief, in dem Herr XXX von der Bußgeldstelle mir schrieb:
"ich nehme den obigen Bußgeldbescheid zurück. Das Verfahren wird eingestellt."
Es scheint also doch zu fruchten, wenn man freundlich die Sachlage darlegt. Und es hat mir gezeigt, dass man ab und zu seinen sturen Kopf durchsetzen sollte. Ich hätte mir noch lange Vorwürfe gemacht, wenn ich eine Strafe für ein rechtmäßiges Verhalten gezahlt hätte. Für alle, die es vielleicht mal brauchen, hier mein Einspruch auf den Bußgeldbescheid (ich merke eben, ich hab Einspruch und Widerspruch durcheinandergewürfelt, es hat aber augenscheinlich nicht geschadet...).
Weiterhin schöne Weihnachten,
Martin
Einspruch, Aktenzeichen xxxxxxxxx
Sehr geehrter Herr XXX,
Bezüglich des Bußgeldbescheids vom 05.12.2007, eingegangen am 10.12.2007 lege ich hiermit Widerspruch ein.
Es ist richtig, dass gemäß §2 Abs.4 der StVO Fahrräder Radwege benutzen müssen. Da der Gesetzgeber bei dieser allgemeinen Aussage aber von „normalen“ Fahrrädern ausgeht, hat er in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO zu Absatz 4 Satz 2 unter „II Radwegebenutzungspflicht“ folgendes geregelt:
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Die vorgegebenen Maße für die lichte Breite beziehen sich auf ein einspuriges Fahrrad. Andere Fahrräder (vgl. Definition des Übereinkommens über den Straßenverkehr vom 8. November 1968, BGBI. II 1977 S. 811) wie mehrspurige Lastenfahrräder, Fahrräder mit Anhänger werden davon nicht erfaßt. Die Führer anderer Fahrräder sollen in der Regel dann, wenn die Benutzung des Radweges nach den Umständen des Einzelfalles unzumutbar ist, nicht beanstandet werden, wenn sie den Radweg nicht benutzen;
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Die Umstände, warum es für mich unzumutbar ist, die meisten Radwege zu benutzen, habe ich Ihnen bei der Anhörung bereits mitgeteilt, ich werde sie aber hier nochmals etwas ausführlicher darlegen. Bei all dem bedenken Sie bitte den Sinn und Zweck, den der Gesetzgeber im Bau von Radwegen sieht. In der VwV-StVO schreibt er zu Absatz 4 Satz 2 unter „I Allgemeines“ unter 1.:
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Sie trennt dann den Fahrzeugverkehr und dient damit dessen
Entmischung sowie dem Schutz des Radverkehrs vor den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs.
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Es wird also angestrebt, verschieden schnelle Verkehrsteilnehmer räumlich zu trennen, um Gefahren zu vermeiden. Sicherheit für mich und die anderen Verkehrsteilnehmer ist auch mein Hauptanliegen, so dass ich denke, dass wir das gleiche Ziel verfolgen.
Zum Fahrzeug:
Ich fahre ein Velomobil des Typs Quest der holländischen Firma velomobiel.nl . Dieses Velomobil wurde gebaut, um wetterunabhängig ganzjährig auch längere Strecken schnell ohne Auto zurücklegen zu können. Es handelt sich dabei um ein vollverkleidetes Liegedreirad. Gekauft habe ich das Velomobil hauptsächlich für den Weg zur Arbeit. Meine Radstrecke zur Arbeit ist 45km lang. Für diese Strecke benötige ich ca. 1h 15min, jetzt zur Zeit mit Winterreifen ca. 1h 30min statt wie mit dem Auto ca. 40min. Ich lege etwa die Hälfte der Arbeitstage die Strecke mit dem Velomobil zurück. Aus den Fahrzeiten können Sie ersehen, dass ich dabei Durchschnittsgeschwindigkeiten von 30 – 36km/h erreiche. In der Ebene fahre ich ca. 40 – 45km/h, bergab erreiche ich täglich Geschwindigkeiten von bis zu 65km/h.
--------- Hier kam ein Bildchen meines Quests zur Veranschaulichung -----------
Das Fahrzeug ist knapp 3m lang und 80cm breit und besitzt einen Wendekreis von 11m. Enge Kurven, schmale Durchfahrten, stark seitlich geneigte Fahrbahnen und eine schlechte Fahrbahnoberfläche machen Probleme. Zwar ist das Fahrzeug gefedert, jedoch ist ein „aus dem Sattel gehen“ wie bei normalen Fahrrädern nicht möglich.
Als ich auf meiner Radtour in die Niederlande in Geseke angehalten wurde, hatte ich an diesem Tag bereits 180km gefahren und noch ca. 80km vor mir. Aufgrund der langen Strecke, ca. 20kg Reisegepäck und leicht ansteigender Straße war ich dort kurzzeitig lediglich mit ca. 30km/h unterwegs.
Zu Radwegen:
Viele deutsche Radwege weisen Eigenschaften auf, die sie für mein Velomobil unbenutzbar machen:
-Drängelgitter versperren meinem Velomobil mit seinen 80cm Breite den Weg. Ein Weiterkommen ist unmöglich. Schon mehrmals musste ich aussteigen, das Velomobil manuell wenden, ein langes Stück zurückfahren und auf die Straße ausweichen.
-Viele Radwege weisen extrem scharfe Kurven auf, die man mit einem einspurigen Fahrrad schneiden kann, die aber mit einem Velomobil mit 11m Wendekreis unfahrbar sind.
-Radwege werden meist bei der Reinigung vernachlässigt, so dass dort oft ein Schmierfilm aus Blättern, Schmutz und Feuchtigkeit anzutreffen ist. Im Winter werden Radwege in den allerwenigsten Fällen gestreut und man muss immer mit Eisplatten rechnen.
-Die Oberfläche von Radwegen ist in sehr wechselhaftem Zustand. Oftmals gibt es Schlaglöcher oder Aufwerfungen durch Baumwurzeln. In einem Liegerad oder Velomobil kann man dem nicht durch „aus dem Sattel gehen“ entgegenwirken. Teilweise ändert sich der Belag und ein geteerter Radweg wird plötzlich zu einer Lehmpiste.
-Die seitliche Neigung von Radwegen wird oft an die umgebenden Bedingungen angepasst. Ein einspuriges Rad wird dadurch nicht weiter behindert und fährt einfach weiter. Ein Dreirad steht aber immer senkrecht auf der Fahrbahn und läuft somit Gefahr umzukippen.
-Oftmals existiert keine Ausschilderung an Radwegen, ein Ortsunkundiger verfährt sich schnell.
-Radwege sind sehr oft sehr eng, so dass beim Überholen von Fußgängern oder Radfahrern bzw. bei entgegenkommendem Verkehr Gefahren entstehen. Fußgänger und Radfahrer erschrecken meiner Erfahrung nach oft, wenn sie von meinem ungewöhnlichen Gefährt überholt werden, selbst wenn ich nur langsam vorbeifahre.
-Sehr oft führen Radwege direkt an Ausgängen und Ausfahrten von Grundstücken vorbei. Es ist dabei an der Tagesordnung, dass Kinder plötzlich auf den Radweg springen oder Autos ohne zu schauen den Radweg überqueren, um auf die Straße einzubiegen.
All diese Gründe zusammengenommen sorgen dafür, dass die meisten Radwege für mich unzumutbar sind. Sie gefährden meine Sicherheit und die der Menschen in meiner Nähe. Insbesondere ist es für mich auch gerade in mir unbekannten Gebieten nicht zumutbar, jeden Radweg austesten zu müssen, ob er für mich fahrbar ist oder nicht. Nachdem ich nach dem Kauf meines Velomobils immer wieder Radwege versucht habe zu fahren, nutze ich sie heute nur noch in besonderen Situationen. Entweder, wenn es steil bergauf geht und ich sehr langsam bin, oder wenn der Radweg direkt an die Straße angrenzt und ich mich beim Auftauchen eines Hindernisses oder einer potentiellen Gefahrenstelle wieder in die Straße einordnen kann. Seitdem ich Radwege nach Möglichkeit meide, bin ich deutlich sicherer unterwegs. Ausnahmslos alle gefährlichen Situationen, die ich erlebt habe, geschahen auf Radwegen, keine einzige aber beim Befahren der Straße.
Übrigens hat laut einer Studie (Bundesminister für Verkehr (Hg.): Forschung Stadtverkehr, Zusammenfassende Auswertung von Forschungsergebnissen zum Radverkehr in der Stadt, Heft A7, 1991.) die Anzahl der Radunfälle deutlich zugenommen, nachdem Radwege eingerichtet wurden. Die Ergebnisse sind auch nachzulesen unter: http://www.adfc-weyhe.de/radwege/unfallzahlen.php Somit ist auch die ursprüngliche Annahme, Radwege würden der Sicherheit der Radfahrer dienen nicht mehr haltbar.
Diesem Brief füge ich eine Rechtsinfo zur Radwegebenutzungspflicht des ADFC bei, bei dem unter anderem auf die Regelung für mehrspurige Fahrräder eingegangen wird.
Mit freundlichen Grüßen,