24 h Rekordversuch auf dem Lausitzring 2022

Es gibt aber noch mehr Verbände:
WUCA
IHPVA
WHPVA
Und das sind nur die, die ich kenne,.. , gibt bestimmt noch mehr, wo ist denn eigentlich Nicis alter Record gelistet? Bin ich blind? WHPVA ist Petra von Fintel, UMCA 24hour road Maria Parker? Bin ich blind?
 
Nicis Rekortdbericht, der Text wurde von Nici zur Veröffentlichung freigegeben.

Zitat von Nici. Mein langer Bericht:

Bericht:
Bei unserem Weltrekord 2018 hatten wir von Opel plus Team eine beeindruckende Veranstaltung ermöglicht bekommen. So perfekt wird es nie mehr, dachte ich. Leider waren dann ja bekanntermaßen Wetter und meine Gesundheit suboptimal, es gab einen Rekord, aber weit unter unseren Möglichkeiten. Also klipp und klar, ich muss nochmal. Keine Ahnung, ob ich wieder fit genug werde, ob es eine Bahn gibt, und testen kann man 24 Stunden einfach nicht. Dazu Stress im Dienst, viel Arbeit mit der neuen 9er Klasse, tolle, aber Zeitintensive Kundenarbeit etc.
Ich merke das erst jetzt, wir hatten seitdem ständig latenten Druck, das muss noch, und das muss klappen.

Nachdem vielfache Anfragen nach Rennbahnen fehlgeschlagen waren, konnten wir Mitte März den Kontakt zum Lausitzring herstellen. Es gab sofort super unkompliziert grünes Licht für einen Rekordversuch, allerdings dann ewig keine Rückmeldung für den Termin.

Das Dekra Team hat sich ins Zeug gelegt, mir einen Termin zu ermöglichen, an dem wir für einen Tag zahlen, die Strecke aber einige Stunden länger nutzen können, denn für einen 24 Stundenrekord braucht man die Bahn mindestens 36 Stunden

Der endgültige Termin stand erst Anfang Juni fest, das war für die umfangreichen Auflagen bei IHPVA und WUCA für Rekordanerkennung und Guinnessbuch, Team zusammenstellen, Sponsoren finden, Öffentlichkeit informieren, Presse ins Boot holen eigentlich zu spät. Zum Glück haben sich genau die richtigen Leute gefunden, mir exakt die Sachen abzunehmen, die ich garantiert nicht auf die Reihe bekommen hätte. Mitte Juni lag ich dann mit Fieber und Schüttelfrost im Bett, nichts zu machen, kein Training möglich. Ich konnte gar nichts. Ich bin fast verrückt geworden, die wichtigste Trainingszeit, ich hatte die Form vom Herbst gehalten, und jetzt geht fünf Wochen vor dem großen Tag alles den Bach runter. VO2 max von 68 auf 63 runter, erst Ende Juni der erste Versuch, wieder zu fahren. Ich wollte da eigentlich absagen, aber da hatte die Dekra bereits für mich einem Bestandskunden abgesagt, jetzt gab es kein Zurück. Also ganz vorsichtiges Training, Organisation unübersehbar vieler Kleinigkeiten, der Stress steigt. Das Team der absolute Wahnsinn, alles läuft wie ein Uhrwerk ineinander. Obwohl ich nur lange langsame Einheiten absolvieren konnte, glaube ich an eine Sensation. Geplant ist, wie bei Opel mit 95-96 Watt anzufangen, das waren zwischen 54 und 55 km/h, ein komfortables Polster, wenn tatsächlich 12 Stunden durchfahren möglich ist ohne Panne. Bei so einem Schnitt wären Endorphine obligatorisch, und ein paar Pausen in der Nacht, wenn die Leistung runter geht, außerdem die Kälte bremst, kein Problem.

Am Montag vor dem großen Tag steigt Daniel mit ein, drei intensive Tage M-Vorbereitung. Kein normaler Mensch käme auf die tausend Kleinigkeiten, die man optimieren kann und muss, wenn es um Rekorde geht. Neues Licht vorne, tagelang Reifen testen bei verschiedenen Temperaturen, der Sitz muss raus, weil nicht nur ich die Tests fahre, sondern auch normal große Leute. Perfekte Spur, testen, wie das Hinterrad wirklich spielfrei läuft, Rücklicht finden, was reinpasst und 24 Stunden an bleibt etc. etc. Ich muss Essensboxen testen, wo kommt man dran, was will ich essen, was kann ich essen. Dieses Mal: Kein Nutellabrot. Es gibt Nudeln, Müsli mit Studentenfutter und Joghurt (in der Nacht wollte ich da einen kleinen Löffel Nutella rein haben, weil mein Magen die Nudeln abgelehnt hat, und ich sichergehen wollte, dass mir dann wenigstens das Müsli schmeckt)

Geplant ist, Donnerstag Nacht schon im Hotel zu schlafen, und die Nacht vor dem Rekord im Bus. Ich wollte im Hotel entspannen und Abends das Team briefen. Leider war das M erst am späten Nachmittag soweit fertig, dass man losfahren konnte, wir waren also erst nach Mitternacht vor Ort. Ich war viel zu früh wach, statt relaxen gab es letzten Feinschliff am M, und dann hatte ich Kopfschmerzen, war den halben Nachmittag, und ab dem frühen Abend im Bus zum Schlafen. Nachts tat alles weh, ich konnte mir kein bisschen vorstellen

, heute einen Rekord zu fahren.

Hilft alles nix, morgens um acht Daniel wecken, auf gehts! Der größte Tag in unserem Leben. Ich bin viel weniger aufgeregt, als bei Opel, weil ich weiß, was mein Körper unter Druck kann. Die Presse hatte sich ja komplett uninteressiert gezeigt, also war ich auch nicht so unter Beobachtung wie 2018. Wie immer hat es ewig gedauert, bis alles fertig war für den Start. Das Team stand vor der Herausforderung, einen Observer weniger zu haben (Krobi musste wegen akuter Thrombose abreisen), zusätzlich hieß es, man muss für die Anerkennung bei der WUCA die GANZE Zeit mit dem Auto hinter mir her fahren. What the fuck. Wie soll das gehen? Zum Glück war ich schon wie in Watte. Ich wusste, das Team bekommt das Unmögliche hin.

Ich hatte ja alle Regengötter beschworen, dass der angekündigte Regen uns aus lässt, und mir außerdem moderat warme Temperaturen gewünscht, vor allem für die Nacht, damit ich nicht zu langsam werde nur wegen Kälte. Sonne war keine, gar nicht verkehrt, aber Wind. Da hatte ich nicht dran gedacht. Los ging es, einsteigen, anfahren, aber irgendwie fährt das Ding nur 51. Auf der Seite mit Gegenwind 47. Zurück am Start halte ich also wieder an. So wird das nix. Wenn ich so langsam bin, schaffe ich ja nicht mal meinen eigenen Rekord. Aber es ist alles in Ordnung sm Fahrzeug. Der Wind ist einfach so stark, dass er mich auf 47 runterbremst, und ich den Mitwind auf der Gegengeraden nur
dafür nutzen kann, das Fahrzeug auf 51 zu beschleunigen, mehr nicht

Eigentlich hab ich jetzt keine Lust mehr. WIESO soll ich mich jetzt an den Rand meiner Möglichkeiten bringen, wenn wieder nur irgendein mittelmäßiges Ergebnis herauskommen kann. Mit Pech kein Rekord. Und wenn man wartet, bis der Wind weg ist, wirds vielleicht schneller, aber das kann bis Abend dauern und dann müsste ich den kompletten Tag nach der durchwachten Nacht noch schaffen, das wäre nicht nur für mich eine Zumutung, sondern auch für das Team. Daniel sagt, weiterfahren. Also nehme ich zähneknirschend Fahrt auf. Keine Endorphine, die ich fest eingeplant hatte, eher so ein, "na ja, dann muss ich eben schon wieder so einen Quatsch machen"- Gefühl. Wenn keiner weiß, dass ich hier gerade tatsächlich 96, zeitweise 97 Watt fahre, sieht es aus, als wäre ich einfach viel schwächer als bei Opel. Oder die Leute sagen, das M ist langsamer, was nicht stimmt. Ich war mir ganz sicher gewesen, dass dieses Mal Fahrzeug und Fahrerin funktionieren. Bringt bloß nichts, wenn die Bedingungen bremsen. All die Gedanken beherrschen meinen Kopf auf den ersten Metern, aber nachdem ich das Vorhaben jetzt durchziehen soll, versuche ich, irgendwie positiv zu denken. Oder einfach den Kopf ausstellen und mich aufs Fahren konzentrieren. Es macht nicht so viel Spaß, wie erhofft, aber es funktioniert.

Die ersten Stunden sind ereignislos. Mein Team schreibt motivierende Sprüche auf die Anzeigetafel, ich absolviere mit meinen 96 Watt und immer im Gleichtakt Runde um Runde, versuche, das Fahrzeug trotz Windböen geradeaus zu fahren und hoffe, der angesagte Regen wird nicht schlimm. Als die ersten Regentropfen kommen, richte ich mich auf die nächste Katastrophe ein, aber es bleibt bei wenigen Tropfen, und irgendwann ist der Himmel wolkenlos. Puh. Das ist mal echt gut!! Mein M fährt und fährt, keine Panne, kein Regen, mein eigener Motor läuft ebenfalls, so schlimm ist es doch gar nicht. Meine Laune steigt. Geplant ist, 12 Stunden durchfahren und dann eine Pause. Das scheint zu klappen. Meine Füße tun zwar weh, aber so, dass ich es ignorieren kann. Das Sitzen wird unangenehmer, aber auch das geht. In der Nacht wird die Leistung etwas runter gehen, aber wenn ich die 12 Stunden ohne Panne schaffe, ist ein Rekord drin

Gegen Stunde 10 wird es mühsam. Vielleicht war es ein Fehler, zwischenzeitlich 97 Watt zu fahren, statt der geplanten 95. Aber langsamer werden könnte tatsächlich den 12 Stundenrekord gefährden, also zwinge ich mich. Nach 12 Stunden will ich rausfahren, aber das Team ist nicht fertig. Dadurch, dass wir mich mit dem Auto verfolgen müssen, sind viele Helfer mit erheblich mehr Aufgaben beschäftigt, als es geplant war. Meine Pause dauert ewig, weil die Wege zu weit sind, und wir noch nicht aufeinander eingespielt. Dafür bin ich beim Weiterfahren wieder fit. Drei Stunden, dann Anhalten plane ich. Aber nach gut zwei Stunden ein Knall am M, Reifenplatzer? Ich muss nur etwas Lenken, dann fährt das M wieder einwandfrei geradeaus. So ein Glück, mein Visier war beschlagen, ich hatte gerade nicht frei gewischt, und so nichts kommen sehen. Was auch immer das war, ein Ausweichmanöver hätte schlimm enden können. Ich rufe an, will wissen, ob das Auto etwas gesehen hat, und ob ich reinkommen soll. Nächste Runde lese ich auf der Anzeigetafel "Tier Überlebt". Das ist lieb, dass sie mir gleich dazuschreiben, dass ich niemanden umgebracht habe. Ich bin zwar mental immer noch erstaunlich gut drauf um die Zeit, wäre aber bei sowas noch viel sensitiver als eh schon an normalen Tagen. Ich fahre weiter ohne Check am Fahrzeug, jetzt fängt bloß am Dach etwas an zu klopfen. Erst leise, dann hört es wieder auf. Irgendwann wieder, jetzt viel lauter. Ich denke mir, Klebeband hat sich gelöst, ich fahre weiter.

Als drei Stunden voll sind, fahre ich raus, um nochmal Füße und Hinterteil zu entspannen. Wir sind wieder viel zu langsam mit Allem, Daniel sagt, ich darf jetzt nicht so schnell wieder Pause machen, das kostet zu viel Zeit. Blöd, genau jetzt kommt der schwierigste Teil der Nacht. Ich fahre etwas langsamer, um Kraft zu sparen für einen längeren Turn, und, weil nur noch 9 Grad sind. Leider geht schon nach einer Stunde meine Leistung runter. Ich könnte mit Gewalt dagegen ankämpfen, aber es sind noch fast acht Stunden, wenn wegen des bockigen Muskel im Hintern jetzt der Magen zu macht, kann es sein, dass alles den Bach runtergeht

Also halte ich nur moderat dagegen, der Wattschnitt geht runter, aber wenigstens fahre ich noch. Eigentlich wollte ich bis 1000 km durchhalten, aber als ich nur noch 40 km/h fahre, sehe ich ein, das wird nix. Ich sage in der Box Bescheid, dass ich einen Ministopp mache. Diesmal ist fast alles da, aber leider wieder nur fast. Egal, es ist schon ganz früh hell geworden, nur noch vier Stunden, ich gebe wieder Gas, um meinen 1000 km Rekord noch zu kriegen. Klappt, sehr knapp, aber es haut hin, und die Box schreibt es mir zum Glück auch auf die Anzeigetafel. Als zwei Stunden vor Schluss wieder die Leistung in die Knie geht, mache ich noch einen Powerstopp, nicht Aussteigen, nur kurz den Hintern entspannen. Leider entscheide ich mich gegen das Öffnen der Lüftung, um schneller zu sein. Es wird dann wenige Minuten später so heiß, dass ich kaum Luft kriege. Hinterher erfahre ich, Daniel hätte das auch während der Fahrt machen können, jetzt denke ich nur, alles, nur nicht anhalten, quäle mich Kilometer um Kilometer, nicht mehr schnell, immer so gerade so, dass der Kreislauf nicht abraucht. Eigentlich sollte genau dieser Zeitpunkt Spaß machen, erst fällt mein Rekord von Opel, dann die Weltbestleistung. Aber ich denke bloß, hoffentlich sind es nicht mehr so viele Runden. Ich kann stolz sein, weil ich nicht schlafen musste. Und die letzten 90 Minuten ohne Lüftung überstanden habe. Aber irgendwie muss man doch schaffen, egal, welche Bedingungen herrschen, Endorphine her zu zaubern. Ich hab es nicht geschafft, nur ganz kurz, während die Rekorde fielen, und in ein paar einzelnen Momenten. Aber insgesamt war meine mentale Verfassung die beste aller meiner Rekordversuche. So oft dachte ich, oh, wieder 15 Minuten rum und ich hatte gar nichts gedacht.

Im Ziel kann ich kaum Laufen, aber insgesamt ist meine Verfassung gut. Der Puls ist ja die ganze Zeit nicht so hoch. Nach meinem Bad in der Tonne und ein paar Fotos gehen wir Essen, dann Schlafen, Abends wieder essen, und morgens wache ich auf, als wäre nix. Außer, dass ich nicht geradeaus laufen kann. Alles andere passt. Mein Kopf macht tabula rasa, was man Verbessern kann. Nicht viel. Aber bei besseren Bedingungen...Daniel will nix hören. Bedingungen passen nie. Ich wollte ja auch nicht nochmal. Mal sehen. Mit DEM Team würde ich es wieder tun. Und ich hatte WIRKLICH vorher gedacht, NIE mehr. Jetzt erstmal runterkommen, 12 Stundenrekord verbessern, und mal sehen. Ohne Team, und vor allem ohne Daniel geht es nicht. Also Riesendank an alle!!!

Danke auch an das Forum mit tollen Ideen zum Anfeuern. Ich habe so geschafft, ohne Schlafen durch die Nacht zu kommen
 
Ich glaube, der Asphalt auf dem Lausitzring ist ja relativ grob. Welche Reifen hat Nici denn bei ihrer famosen Rekordfahrt drauf gehabt?
 
So, es ist offiziell (bzgl. WUCA, und damit auch Guinessbuch!!): Wir haben eine neue dreifache Weltrekordlerin! Herzlichen Glückwunsch an Nici, grandiose Leistung!
1000km (irreführende URL ist schon moniert) https://ultracycling.com/archive/re...km-outdoor-track-velomobile-record-2022-07-24
12 Stunden: https://ultracycling.com/archive/re...ur-outdoor-track-velomobile-record-2022-07-24
24 Stunden: https://ultracycling.com/archive/re...ur-outdoor-track-velomobile-record-2022-07-24
Detaillierter Report: https://ultracycling.com/archive/nicola-walde-24-hour-outdoor-track-attempt-july-23-24-2022

threema-20220811-204952913.jpgthreema-20220811-204903254.jpgthreema-20220811-204849233.jpg
 

Anhänge

  • WUCA Record Certificate - Nicola Wlade 2022-07-23.pdf
    166,8 KB · Aufrufe: 46
Gerade gelesen: der Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde kommt auf jeden Fall, kann lt. WUCA aber bis zu mehrere Monate in Anspruch nehmen. Rekordverdächtige Rekord-Organisation ;-)
 
Laut Strava 131 W.
Das lässt sich aber schlecht vergleichen.
Auf dem Rundkurs muss man recht konstant die Leistung halten und dadurch ist kaum Zeit mal zu verschnaufen. Dafür gibt es dann aber keine wirklichen Steigungen.
Bei der Nord Süd Rekordfahrt ist halt alles dabei. Von Steigungen mit hohen Spitzenwerten und Abfahrten bei dem man auch mal rollen lassen kann.

Beide Leistungen sind bemerkenswert aber lassen sich nicht miteinander vergleichen.

Gruß
Daniel
 
Dankeschön für die Antwort, Daniel! Und es geht um komplett unterschiedliche Systemgewichte. Kann man auch nicht vergleichen. Man müsste schauen, was Nici für einen Schnitt gefahren ist, diesen auf der dortigen Runde selbst versuchen und dann schauen, wie viel Watt man dafür benötigt. Und sich dann die Frage stellen, ob man das 24 Stunden Durchhalten kann. Es ist super beeindruckend, was Nici da hingelegt hat!
 
Solange Rekorde draußen gefahren werden, ist das Wetter, wie es ist, Terminoptimierung ist Teil der Leistung. Theoretisieren ist erstmal „hätte hätte Fahrradkette“. „Hic Rhodos, Hic salta„ für die Altgriechen hier,

Es kann ja mal Eine(r) 24 h auf einem genormten Trainer abspulen…..
 
... und die kalte Nacht mit nur 8 Grad, was sie beides unter ihren Möglichkeiten gelassen hat.
Eine Rekord, ist ein Rekord, ist ein Rekord ... hätte, hätte ist völlig uninteressant (bei Erfolg und bei Misserfolg) ...
Bisher habe ich keinen Rekord gesehen, bei dem alles unter besten Laborbedingungen lief.
Mit den Unbilden zurecht zu kommen ist die Tugend von Rekordfahrern!
 
Zurück
Oben Unten