Wieviel Watt verlust im Antrieb?

Was aber noch Leistung frisst, ist ein "zappeln" der Kette durch die polygonalen Kettenblätter und vorallem kleineren Ritzel.
Untersuchungen zu Kettenleitrohren gibt es, soweit ich weis, nicht. Die Verluste können, bei kurzen und exakt geführten Rohren, sehr sehr klein sein, aber auch "riesengroß", wenn die Kette unter Druck dran schleift. Hier ist weniger mehr.
Ein Datenpunkt:
Ich hatte mit der Messnabe den größten Leistungsfresser im alten GT ausgemacht: In hoher Trittfrequenz mit größter Leistung gab es eine Resonanzschwingung der Kette im Rohr. Das führte bei Sprintanzug trotz höherer Eingangsleistung zu etwa 80 Watt weniger hinten an der Nabe.
Wenn man beim Sprint die Kette brummen hört im Schutzrohr, sollte man von zusätzlichen Verlusten >10W bis 100W ausgehen.

Nun der Rahmenflex:
In diesem "verschwindet" nicht direkt Energie, genauso wenig wie in einer wippenden Federung, welche durch den Kettenzug "gespeist" wird. Das sind allsamt Federn mit meist sehr geringer Dämpfung. Der Wirkungsgradverlust ist direkt biomechanisch. Warum? Weil unsere Muskeln nicht wie Federn agieren. Ein reines halten einer Last benötigt Energie und man kann keine Energie zurückgewinnen/umwandeln wie z.B. bei einer Feder.
Die Verluste hierdurch kann man recht genau wie folgt berechnen:
Der Rahmenflex wird aber beim Kurbelmessgerät als Leistung gemessen (Kraft*Drehwinkel), in der Messnabe nicht.

Gruß,

Tim
 
@TimB: das die Kurbel es sieht, die Nabe aber nicht, würde ich nicht direkt behaupten. Hier wird ja Energie in eine Feder gesteckt, dessen Spannung dauerhaft vom Muskel gehalten/abgebaut/aufgebaut werden muss. Wenn man sich das jetzt mal ganz extrem vorstellt und man mit einer Gummikette fahren würde, müsste der Muskel deutlich mehr Leistung aufbringen, da er ja die Feder gespannt halten muss, ohne das dies dem Vortrieb dient. Das halten ist ja schon das Problem und frisst Leistung im Muskel (einfach mal ne 1l Milchpackung mit dem ausgestreckten Arm halten... Da sie sich nicht bewegt ist die Leistung die man da vollbringt eigentlich 0. Eigentlich). Oder hab ich da nen Denkfehler?
 
ich glaub dein Beispiel zeigt es recht anschaulich,
dass man die Energie die man zum Verformen des Rahmens reinsteckt, nicht 1:1 wieder zurück kriegt, als Vortrieb wenn der RAhmen sich wieder "zurückbiegt"
 
Der Rahmenflex wird aber beim Kurbelmessgerät als Leistung gemessen
Da muß ich @Jack-Lee zustimmen. Die Verluste sind "biomechanischer" Natur. Einen "Flex-Verlust" konnte ich jedenfalls bei meinem Meßversuchen mit der Power2Max im DF nicht messen. Dazu bin ich mit dem DF eine 5% Steigung mehrmals mit gleicher Geschwindigkeit jeweils auf großem (61) und kleinem Kettenblatt (34) bei gleicher Gesamtübersetzung hochgefahren. Die gemessenen Leistungen lagen eng zusammen, auf dem kleinen Kettenblatt war das Trittgefühl aber merklich "teigig".
 
Jack-Lee hat es super erklärt. Problem ist auch, dass man Standard-Fahrradkomponenten in das VM einbaut. Ja die hohen Kettengeschwindigkeiten führen aufgrund der riesigen Kettenblättern in Kombination mit kleinen Kurbellängen zu einem hohen Kettenverschleiss, sondern sind zudem noch sehr verlustreich. Dafür sind Standardkomponenten auch nicht ausgelegt. Für die Kette gibt es spezielles Fluid. Allein an Kettenspanner mit kleinen Gleitlager-Röllchen (10Z) hat man mal mehr als 15W Verlust gemessen. Hier kann man grosse 17Z Keramik-Kugellagerröllchen mit gerundeten Zacken nehmen.
 
@Jack-Lee Sehr schön zusammengefasst!
Umlenkrollen "klauen" einen zwischen 3-5%, vergleichsweise unabhängig der Bauform (ob aus Kunststoff oder Alu, mit Ritzeln oder ohne. Wurde beim VM Seminar am Bodensee vor einigen Jahren mal schön erläutert und mit Messwerten untermauert). Die einzig wirklich relevante Stellschraube ist hier die Größe der Rolle.

Untersuchungen zu Kettenleitrohren gibt es, soweit ich weis, nicht. Die Verluste können, bei kurzen und exakt geführten Rohren, sehr sehr klein sein, aber auch "riesengroß", wenn die Kette unter Druck dran schleift. Hier ist weniger mehr.
Was mir im Vergleich meines Milans zum VTX dazu aufgefallen ist (das ist jetzt ein "Äpfel zu Avocado"-Vergleich aber seis drum):

In beiden steckt im Tretlager eine Patterson Metropolis mit internem Freilauf. Im "Overdrive" sind in der Patterson sogar zwei Freiläufe im Eingriff.
Im Milan sind zwei Umlenkrollen (vorn 19z Ginkgo, hinten 13z Alligt) und spielfrei in passende GFK/Alurohre gesteckte 18x1mm Teflonrohre im Zugtrumm. Der Leertrum ist ein ungesleevtes 18x1mm Teflonrohr.

Im VTX ist eine 19z Ginkgo-Kettenrolle und Ginkgo PE-Kettenrohre (15x1,5mm). Die VTX-Kettenrohre sind gerade und an mehreren Punkten an den Rahmen "genagelt", damit sie nicht durchhängen. In beiden Fahrzeugen fühlt sich die Kette während der Fahrt sehr leichtgängig an, aber im Milan ist der Kettenantrieb durch die hintere Rolle viel lauter.

Wenn ich nun aus ca 100er Kadenz aufhöre zu treten, rutscht die Kette im Milan mit knatternden Freiläufen der Patterson noch 10-20 Kettenglieder nach. Beim VTX nicht. An den hinteren Freiläufen liegt es nicht, die sind beide sehr leichtgängig.

Zuerst dachte ich, ok das mögen die Dichtungen in der Patterson des VTX sein (die Dichtungen der Patterson im Milan hatte ich schon vor zwei Jahren entfernt). Also vorletzte Woche die Dichtungen der VTX-Patterson ausgebaut, bei der Montage drauf geachtet das sie schön leicht läuft und seit dem versuche ich immer mal wieder aus hoher Kadenz das Pedallieren zu stoppen und auf ein "Knattern" des Patterson-Freilauf zu achten. Nichts. Sobald ich aufhöre zu treten, steht die Kette im VTX (wie auch beim andern Trike) sofort.

Kann es sein, das die etwas grösseren Teflonrohre soo viel ausmachen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein sehr guter Beitrag, wo wir überall Wattsekunden liegen lassen.

Nur damit bin ich nicht einverstanden - oder habe es nicht kapiert:
Was aber noch Leistung frisst, ist ein "zappeln" der Kette durch die polygonalen Kettenblätter und vorallem kleineren Ritzel. Man merkt das richtig als "rauen Lauf", z.B. auf dem 11er Ritzel. Hierbei werden viele Kettenglieder gleichzeitig in hoher Frequenz zueinander bewegt, wenn auch nur mit kleinem Winkel.
Durch den Polygoneffekt wird (da Geschwindigkeit wegen träger Masse praktisch konstant) die Kette laufend beschleunigt und verzögert und nicht die Kettenglieder zueinander bewegt.
Das führt zu Verlusten im Rahmen und vorallem in den Muskeln auf Grund der Biologie wie du erläutert hast.
 
Erst einmal weg vor lauter Theoretisiererei (Faust lässt grüßen!), hin zu der Praxis (zu #1):

MilanGT-Antriebsstrangmessung.png

In der zweiten Tabelle habe ich auf die Kurbelleistung sortiert und diese als Abzisse für das Diagramm 2 verwendet.
Dabei zeigt sich dass die wahrscheinliche theoretische Differenz-Leistungskurve zwischen der blauen Ursprungsgeraden und dem gestrichelten blauen Linie ist.
Interessant (und logisch) dabei ist dass der prozentuale Wirkungsgradverlust mit der Leistung abnimmt ...

Für genaurere Untersuchungen @Best-Maffi , @Delta Hotel : auf der Rolle für jeweils möglichst 1 .. 2 Min. testen;
dabei:
- möglichst viele Versuche die dann gemittelt werden (Testen, Testen, nicht nur bei oder von Corona ;) ),
- Leistung bei konstanter Drehzahl von ca. 25 .. 600 W in Intervallen von ca. 50 W,
- Drehzahlen von 30 .. 120 U/min in Intervallen von ca. 15 U/min,
- VM, z.B. Milan GT/SL, DF etc. tauschen (nicht die Radgrößen und die Kurbellängen vergessen neu einzugeben!)

Damit hoffe ich dass ihr den Fehler weiter minimiert und dass ihr die Veränderungen in dem Antriebsstrang vom Milan GT o.ä. rauslesen könnt!

Lars
 
@Evo-TS : Hier muss ich dir widersprechen!
Rohloff hatte mal auf ihrer Seite, als sie selbst noch Ketten herstellten, eine schöne Messung veröffentlicht. Undzwar welchen Einfluss der Kettenzug auf die Lebensdauer hatte. Ergebnis war, dass das SPITZENdrehmoment (nicht das durchschnittliche) Hauptvariable war, die die Lebensdauer definiert. Hohe Kettengeschwindigkeiten mit niedrigem Kettenzug ist somit vorteilhaft für die Lebensdauer (Kette, Ritzel, Kettenblatt, Umlenkrollen), aber nachteilig für den Wirkungsgrad.

@labella-baron : Da hast du recht, den Effekt der "dauerhaften Beschleunigung" habe ich sogar unterschlagen. Dieser führt aber vorallem zum "zappeln" der Kette, wodurch auch Leistung flöten geht. Der direkte Effekt der "dauerhaften Beschleunigung" dürfte aber ähnlich dem Rahmenflex sein.
 
@Jack-Lee: Hat Rohloff dazu auch Ihren Rohloff-Kettenspanner, welcher nur 10 Zähnen hat, genommen? O.K., die zulässige Kettengeschwindigkeit in einem Kettenantrieb richtet sich nach der kleinsten Zähnezahl. Bei 10 Zähnen sollte diese zwar deutlich kleiner als 1m/s sein (da dann sowieso auch starke Kettenschwingungen auftreten), das erreicht man aber nur mit Monster-Kettenblättern. Übrigens sind bei 18 Zähnen fast 10x so hohe Kettengeschwindigkeiten zulässig.
 
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