Ich will nicht nach Paris. Die Entscheidung hatte ich schon zu der Zeit, als ich meine Brevets noch mit dem Rennrad bestritt, getroffen.
Weil ich nämlich ohne Lenkerauflieger mit dem RR keine langen Strecken fahren kann und bei PBP diese Auflieger verboten sind. Und dann musste ich erschreckt feststellen, dass beim Ostfalen-600er Lenkerauflieger verboten wurden.
Hätte sich in diesem Moment
@Radwunschmeister gemeldet und danach gefragt, ob wir uns ein Zimmer in der Pension teilen könnten, hätte ich ihm dieses überlassen und wäre stattdessen zum BTG nach Ahnsbeck gefahren.
Er hat sich aber erst zwei Tage später gemeldet, bis dahin war die Neugier auf die neue Strecke schon wieder groß genug, um nicht mehr daran zu denken, diesen Brevet nicht zu fahren.
Die Pension in Warberg war auch schön belegt
. Ich,
@Radwunschmeister und ein weiterer Randonneur teilten uns ein Zimmer, und, weil die anderen Zimmer auch belegt waren, war
@Fafnir im Gartenhäuschen untergebracht. Nach dem gewohnt reichlichen Frühstück ging es zu
@Guzzi, Startunterlagen abholen.
Gestartet wurde in drei Gruppen mit je 5 Minuten Abstand.
Bis zur A2 ging es auf den Pfaden des 200er Brevets, danach folgte der Track allerdings neuen Wegen. Irgendwo in der Pampa fing dann meine Umlenkrolle an, fürchterlich zu quietschen. Ein kurzer Check ergab aber, dass keine groben Unregelmäßigkeiten zu erkennen waren und die Rolle auch noch frei drehte. Also weiter, für den schlimmsten Fall hatte ich ja auch noch Ersatz dabei. Etwa 10km weiter wurde die Rolle dann auch wieder ruhig und, bis auf ein ganz kurzes Wiederaufkeimen der Geräusche, blieb sie es auch.
Von kurz nach Zichtau bis zu Kontrolle in Arendsee fuhr ich dann mit einem Bachetta-Fahrer aus Alaska zusammen, der vor PBP noch zurück musste, um dann vor PBP wieder nach Europa zu jetten. Bei einem solchen Programm muss ihm ein freiwilliger Verzicht fast schon wie Dekadenz vorkommen.
Nach der K1 wurden die Strassen dramatisch schlechter, beim ersten Knüppeldamm noch in Arendsee fiel mir doch glatt der Garmin aus der Halterung, ich konnte ihn aber noch so gerade abfangen.
Aber gut, schlechte Strassen war ich ja noch aus dem letzten Jahr von BOB gewohnt, und viele der Pflasterstücke ließen sich auch auf den Gehwegen umfahren
. Und diese kurzen schlechten Stücke waren mir auch wesentlich lieber, als die zwischenzeitlich angedachte Umleitung auf Bundesstraßen über Wittenberge, um die wegen Niedrigwassers eingestellte Fährverbindung bei Lenzen zu umgehen.
Stattdessen wurde die Fähre bei Schnackenburg genutzt, und hier bin ich dann auch, wie ich gestehen muss, vom Track ein Wenig abgewichen.
Statt der B195 bin ich nämlich lieber ein Stück den Elberadweg entlang im NSG der Elbniederungen geradelt. Da das auch nicht kürzer war als die ursprünglich angedachte Strecke, hielt sich mein schlechtes Gewissen auch in engen Grenzen
. Ich würde sogar vorschlagen, bei einem evtl. nächsten Mal diesen Streckenteil von vorne herein einzuplanen.
Vielleicht nicht besonders gut für VM geeignet (geht aber auch), aber die können dann ja Bundesstraße fahren
.
Von Lenzen zur K2 in Neustadt-Gleve lief es ohne besondere Vorkommnisse. Als ich eintraf, fuhr die erste größere Rennrad-Gruppe wieder ab, während
@Ramgad Schlauch wechseln musste .
Allmählich drohte es immer deutlicher mit den angekündigten Niederschlägen, vorerst blieb es aber noch trocken.
Meine selbstgebastelte Sitzschale machte durch gelegentliches Knacken auf sich aufmerksam, aber auch hier war nichts zu entdecken. War ein schönes Fahren auf Nebenstraßen, es wurde aber immer hügeliger. Ab Höhe Wismar ging es dann auf die B105. Ging zwar flott voran, der Verkehr war aber richtig nervig. Aber nach endlosen Kilometern Bundesstraße ging es dann wieder auf Nebenstraßen zur K3 in Kühlungsborn. Kurz vor der Kontrolle setzte dann der Regen ein, der, als ich mir den Stempel holte, zum peitschenden Regen wurde.
Die Einschätzung des Tankwarts war, dass der wohl nur eine halbe Stunde dauern würde, also noch Kaffee, Bockwurst und Toilette
. Aber das schlechte Wetter blieb, daher Regenjacke und -handschuhe an und los.
Die Regenklamotten habe ich nach ein paar km allerdings wieder ausgezogen, war einfach zu warm dafür. Wetter war zu der Zeit wirklich 4-, es war aber wohl wirklich das Beste, aus dieser Schlechtwetterzone wieder heraus zu fahren.
Irgendwann wurde der Regen dann auch weniger und es wurde dunkel. Zeit, die Warnweste anzulegen.
@Sturmvogel zog vorbei und fragte, ob Alles ok sei. Na klar, nur Müllmannsweste anziehen und pinkeln
.
Und dann ging es durch die Dunkelheit. Ruhe, kein Verkehr mehr, einfach nur fahren und meditieren. Dazu der Duft der Fliederblüten in der wieder aufsteigenden Feuchtigkeit. Ich mag einfach dieses intensive Erleben während der Nachtstunden – kein Gedanke daran, das mit Schlaf zu verschwenden
.
Dann die Kontrolle in Parchim. Nachtschalter.
@Sturmvogel unterhielt noch ein paar jugendliche Erwachsene, die an einer Spirituosenflasche nagten, Johannes (fährt jede Brevetdistanz mindestens 2x) saß noch vor dem Schalter und bereitete seine Weiterfahrt vor.
Ich holte mir Stempel, Kaffee und Bockwurst
.
@Sturmvogel und Johannes fuhren ab und ich bekam die Fragestunde mit den drei Jungs. Erstaunlich ernsthafte Fragen (wenn man berücksichtigt, das die Jungs dabei waren, sich zu besaufen), wenngleich manche Fragen und Antworten ein wenig stereotyp wurden - „...und wenn du eine Platten hast?“„Dann nehm ich meine Werkzeugtasche und wechsel den Schlauch.“„...und wenn dir die Kette reißt?“„Dann nehm ich meine Werkzeugtasche und bau ein Kettenschloß ein.“„...und wenn...“„Dann nehm ich meine Werkzeugtasche...“
Nach Kaffee und Bockwurst bin ich dann wieder los, den Jungs hat es anscheinend gefallen, die wollten noch auf die anderen Beknackten warten, die da noch kommen sollten. Glaube nicht, das die das so lange durchgehalten haben
.
Wieder in die ruhige Nacht. Einfach schön. Es ging auf Bad Wilsnack zu, wieder auf diesen Korridor, den ich durch HH-B besonders gut kenne. Bis Havelberg war es dann für mich auch wieder bekanntes Gebiet, das fühlt sich dann immer irgendwie vertraut an. Durch die aufkommenden Bodennebel wurde es etwas kühler, aber nicht wirklich kalt.
Havelberg war denn auch bald erreicht, genau die Tanke, die wir auch beim Elbeflut-600er des ACSH angefahren sind, da kamen wieder diese gemischten Gefühle hoch. Aber bei der Ausfahrt aus Havelberg wurde es allmählich wieder hell. Ende der Meditationszeit, Vorbereitung auf die Hektik des Tages.
Die B107, auf der es jetzt weiter ging, war einfach nur endlos lang. Zum Glück zu dieser Zeit praktisch kein Verkehr. Trotzdem versuche ich bei einem einfach nur super aussehenden Stück Radweg, diesen auch zu benutzen – getreu dem Motto „Ein guter Radweg braucht keine Benutzungspflicht“. Logisch, das dieser wirklich super zu fahrende Radweg dann irgendwann plötzlich von der Straße wegschwenkte und dann gesperrt war
.
OK, dann eben doch Bundesstraße. Kurz vor Tangermünde dann nochmal volle Konzentration, um den richtigen Radweg über die Elbebrück zu erwischen
. Auf der Brücke hielt ich an und verglich das Bild, das sich mir bot, mit dem des Elbeflut-600ers.
Ja doch, bei Niedrigwasser kann man bestimmt so manches Grundstück gut verkaufen. Sollen sich doch Andere darum kümmern, was passiert, wenn das Wasser wieder mit großer Macht kommt. - Der Gedanke an die Frau, die den Elberadweg bei Dresden wegbaggerte, war geradezu zwangsläufig da.
Tangermünde und Tangerhütte lagen dann bald hinter mir.
Ich musste noch einmal ins Gebüsch, stellte bei der Weiterfahrt dann fest, dass die Sitzschale etwas locker war. Ein paar von mir etwas liederlich verlegte Rovings waren gebrochen, es würde aber für den Brevet noch reichen. Die Reparaturliste wurde immer länger
, aber immerhin war jetzt klar, woher die Knackgeräusche gekommen waren.
Zwei Kilometer weiter gab es dann den einzigen Plattfuß. Während der Reparatur hielt eine Autofahrerin neben mir und erkundigte sich nach meinem Befinden. Hatte das Ganze wohl für einen Sturz gehalten, aber ich konnte sie beruhigen
.
Die Kaliberge bei Wolmirstedt waren schon von Weitem zu sehen. An der Kontrolle traf ich dann nochmal Johannes und
@ChristianHH, der in der Nacht ein Wenig geschlafen hatte.
Mit einer Tüte Haribo ging es auf das letzte Teilstück nach Warberg. Der Wind drückte mittlerweile doch spürbar ins Gesicht
und es war ziemlich wellig. Am Abzweig zur B244 musste ich dann noch die Batterien im Garmin wechseln, aber dann war es geschafft und ich zurück in Warberg.
Ich hielt mich noch ein Wenig bei
@Guzzi auf, dann ging es ab zum Bahnhof in Frellstedt und mit der Bahn wieder nach Hause, wo erst einmal ausschlafen angesagt war.
Um aber noch einmal auf das Aufliegerverbot zurück zu kommen:
Ich halte Verbote, auch bei Sicherheitsbedenken, für falsch. Wenn ein Brevet-Veranstalter gesehen hätte, wie ich in meiner Übungsphase den Baron aufs Feld gesetzt habe oder wie ich auf gerader Strecke das Ks auf die Seite gelegt habe, müsste er geradezu zwangsläufig auch Liegeräder und Velomobile verbieten. Was ja leider bei anderen Veranstaltungen oft genug geschieht.
Es würde mich jedenfalls freuen, wenn die Ostfalen Brevet-Serie nächstes Jahr wieder stattfindet. Ohne Verbote
.