Misophonie - gibt es hier andere Betroffene?

Jack-Lee

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Servus,
sitze in einem vollen Warteraum beim Arzt, mehrere Kinder, halbes dutzend Erwachsener. Da der Raum zum Arzt nicht einsehbar ist und aufgerufen wird, kann ich mir keine Kopfhörer aufsetzen... Irgendein Genie kam auf die Idee hier Töpfe zum spielen hin zu stellen, jemand anderes tippert die ganze Zeit mit dem Fuß, der nächste röchelt deutlich. Für die meisten sicher nervig, für mich aber gerade kaum zu ertragen. So eine henmungslose Wut spüre ich nur selten und muss mich (z. B. mit dem Post hier) irgendwie ablenken um nicht irgendwas zu zerstören oder schlicht zu gehen... Früher hab ich dem ganzen wenig Beachtung geschenkt, auch wenn ich komisch angeschaut wurde, das ich bei Essgeräuschen am Tisch (ganz besonders schlimm wenn ich müde bin), ich super genervt/aggressiv wurde oder teilweise einfach wortlos gegangen bin. Auch hat das klacken von Uhren regelmäßig dazu geführt, daß ich die Batterien raus gekommen habe (und meine Eltern unverständlich diese am Folgetag wieder einsetzen.. Bis ich die Uhr hab verschwinden lassen), ich manchmal unverhältnismäßig schroff meine Kollegen anfahren, wenn mit den Fingern auf den Tisch getrommelt wird oder ich den Raum verlasse bei Kindergeschrei (einer der vielen Gründe, niemals Kinder zu bekommen..).

Über Probleme zu reden hilft oft, besser damit klar zu kommen... Gibt es hier auch Leute die an Misophonie leiden? Und wie geht ihr damit um?
Ich neige dazu viel und laut zu reden, bzw Gespräche an zu fangen, weil diese gut ablenken. Ansonsten habe ich immer Kopfhörer mit, wenn ich außer Haus gehe und verlasse Orte, wenn ich die Geräuschquelle nicht weg bekomme. Uhren sind alle digital, der Kühlschrank ist extra leise, Lüfter zb vom Bad sind so eingestellt das sie nicht nach laufen. Habt ihr andere Strategien?

PS. Musik hören und machen ist hingegen kein Problem, im Gegenteil. Laut Metalcore auf die Ohren bringt mich meist wieder auf friedlicher Gedanken.
 
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Ich musste den Begriff erstmal Googlen.
Alleine die Vorstellung an so etwas zu leiden, löst maximale Lösungssuche in mir aus. Als Unbetroffener ist man (ich) sofort geneigt unqualifizierte Vorschläge zu formulieren und vermeintliche Gegenmaßnahmen zu sehen.
Mit dem Blick auf die seit Jahren über mir klickende Uhr, kann ich echt nur hoffen, Du findest einen Weg, damit umzugehen.
Mehr kann ich dazu beim besten Willen nicht in den Topf werfen, ohne unqualifiziert zu wirken.
 
Ich hatte das schon bei Klienten, da hieß es Hyper Akusis,ist das die Steigerung von misophonie?
 
Also wenn jemand in der S-Bahn früher 30min lang mit einem Schlüsselbund klimperte oder einen Stapel Münzen klappern ließ, musste ich auch alle zivilisatorischen Dogmen bemühen, demjenigen nicht wenigstens die Hand zu brechen.
Abhilfe: Schnell! (sonst klappt das nicht ::) ) und freundlich! darum bitten, damit aufzuhören. Wenn der Kollege nicht warten kann, seinen frisch gezapften Kaffee zu trinken und mehr schlürft als trinkt z.B.
Wenns nicht aufhört auf Abstand gehen (macht meine Mutter seit 50 Jahren mit meinem Vater...)
Im Wartezimmer auf Toilette gehen und am Empfang Bescheid geben.

Gruß,

Tim
 
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Ich hatte das schon bei Klienten, da hieß es Hyper Akusis,ist das die Steigerung von misophonie?
Nein, Misophonie richtet sich auf bestimmte Geräusche (oft solche, die mit Essensvorgängen verbunden sind, jemand schmatzt etc.) und ist mit starkem emotionalem impact, Hyperakusis ist eine erhöhte Lautstärkenwahrnehmung, unabhängig von emotionalem impact. Allerdings ist eine gute Differentialdiagnostik wesentlich.
 
Hochinteressant. Geht mir seit Jahrzehnten so mit gewissen Geräuschen, nun erfahre ich erstmals, dass das Kind einen Namen hat. Eins meiner Highlights ist, wenn sich jemand kauend von hinten über meine Schulter beugt, um am Computer mitzulesen.
Bei weniger deutlichen Situationen habe ich es geschafft, mich abzulenken. Beispiel: eine blecherne Dorfkirchenglocke, die mich jeden Sonntag geweckt hat. Die hat ziemlich geeiert, hatte also einen leicht variablen Rythmus - weiterschlafen konnte ich, wenn ich versucht habe, mir die rythmischen Abweichungen zu merken und vorherzusagen. Anderes Beispiel: eine nervig laut tropfende Regenrinne. Weiterschlafen konnte ich, wenn ich versucht habe, zu den unregelmäßigen Tropfen Melodien zu erfinden.
Gegen Essgeräusche habe ich tatsächlich noch keine Hilfe gefunden, da hilft mir nur Selbstbeherrschung - gelegentlich hilft sie auch nicht :rolleyes:
 
@Gwynfor :
Das kann man mit Humor oder auch bierernst nehmen...

Patricks Post hat sich nicht nur auf den Arzt, sondern auf die gesamte Situation bezogen.
Da er schon immer ein Leichtgewichtsfreak war, passt's aus meiner Sicht durchaus.

Wenn Du oder jemand anderer das als unfreundlich versteht:
So ist's von meiner Seite nicht gemeint.

Gruß, Harald
 
Ich reagiere nur auf bestimmte Geräusche und das auch sehr abhängig von der aktuellen Stimmung. Unter Stress und übermüdet hab ich auch schon mal einen Wecker durch den Wurf an die Wand "schnellzerlegt". Und ich bin sonst, auch wenns einige nicht so glauben mögen, eine verdammt friedliche Natur, die Gewalt verabscheut (so wie sinnlose Zerstörung/Sachbeschädigung). Aber diese teils kaum kontrollierbare Wut, die da in einem aufsteigt, nur weil jemand beim Essen mit der Gabel quietscht und schmatzt (obwohl ich das ja sogar teils selber mache!) ist... unschön.

Ein Kollege reagiert z.B. so auf das Geräusch, dass entsteht, wenn man einen Apfel isst. Er verlässt dann schlagartig den Raum...

@einrad : Fast schon noch schlimmer als laut nervige Geräusche, sind leise nervige Geräusche. Bei "ASRM" ziehens ich bei mir die Zehnägel hoch. Viele findens toll, bei mir wäre es eine effektive Foltermethode. Daher Kopfhörer mit Musik : Ja ; Nur Gehörschutz : Nein.
 
Damals, als ich noch in FFM gearbeitet hatte, hatte ich einen Kollegen der alle paar Minuten "geschnurgelt" hat - weit hinten die Nase hochgezogen, so dass das Rachensegel flattert. Das hat irgendwann dazu geführt, dass ich gekündigt habe. Naja, nicht nur deswegen, aber es war durchaus anteilig verantwortlich.

Solche Dinge resultieren dann natürlich in einer Spirale - man ist ständig genervt und die Person wird einem irgendwann unsympathisch, wodurch sie einen noch mehr nervt usw. So führte das ursprünglich nur nervige Geräusch irgendwann zu körperlichem Unbehagen und - in Kombination mit einigen anderen Macken - irgendwann zu einer Situation, die so nicht weiter tragbar war. Anders als bei Patrick war hier die akkustische Komponente aber nur ein Auslöser, nicht das eigentliche Problem. Ich kann das aber durchaus nachvollziehen. Damit mich so etwas nervt, muss ich aber wirklich schlecht drauf sein, sozusagen "eine dünne Haut haben". Auch die weiter oben angesprochenen Eßgeräusche kenne ich, aber da setze ich dann selber einen Kopfhörer auf und drehe die Lautstärke hoch.

Ironischerweise erwische ich mich immer wieder selber mal dabei, wie ich - so wie damals der oben angesprochene Exkollege - "schnurgele" und dann innerlich zusammenzucke und hoffe, dass ich niemanden damit gestört habe.
 
Mir haben sie vorgestern den Desktop weggenommen und durch Laptop & Dockinstation ersetzt.
Immer wenn der Lüfter von dem sch..ẞ-Ding anging bekam ich die Kriese. Erst versucht dies mit Musik via YouTube zu übertönen, aber den Lüfter konnte ich dennoch hören. Heute also vom Tisch runter auf Kissen auf Sessel (weiche & kleinere Oberfläche, schluckt den Schall besser) gelegt, sowie einen Pappkarton darüber gestülpt.
Jetzt höre ich wieder meinen Tinitus, mit dem kann ich aber besser leben.

@Jack-Lee Meditation oder ähnliches? Ist bei Deiner hyperaktiven Natur sicher nicht einfach anzuwenden, könnte allerdings ein Ansatz sein.
 
Ich hab gelernt mit einen ausgeprägten Tinnitus umzugehen, ich denke man kann auch lernen das wahrnehmen eines tickenden Weckers zu unterdrücken.
 
ASRM musste ich auch erst im Web nachschlagen.

Ich habe offenbar keine Misophonie oder allenfalls eine so schwache, wie sie vermutlich fast jeder haben wird. Eine tickende Uhr kann ich normalerweise völlig ausblenden. Jemanden, der beim Essen eklig schmatzt, fällt es mir aber auch schwer zu ertragen.

Mir verursachen Geräusche allgemein Stress, Ermüdung und Gereiztheit. Ich will dann da weg. Das ist vielleicht nicht grundsätzlich ungewöhnlich, aber ich scheine mit geringeren Pegeln schon Probleme zu haben, als die meisten Menschen um mich herum.
 
Spannend. Ich glaube, das hab ich auch und wusste nicht, dass es da einen Namen für gibt.
Zum Glück nur manche, aber eben leider auch sozial akzeptierte und kaum vermeidbare, wie normale Ess und Trink Geräusche.
Genauso geht es mir bei Gerüchen.
@Cars10 Hast Du mal ANC Kopfhörer probiert? Bei der Arbeit hab ich die mittlerweile permanent auf, auch ohne Musik. Eine der besten Investitionen aller Zeiten. Könnte auch für @Jack-Lee was sein. Es gibt auch welche, die man so einstellen kann, dass sie Sprache durchleiten, aber "Störgeräusche" (Brummen, Rauschen) weg filtern.
Was mir hilft, gerade bei Essensgeräuschen und Gerüchen ist selbst auch Essen. Dann stört es mich nicht. Allgemein hilft "beschäftigt sein". Schlimm wird es, wenn man sich auf der Couch ausruhen will. Hier an der Hauswand ist eine Regenrinne, die nach dem Regen noch Stundenlang nach tropft. Das ist nicht gut.
Bei Gerüchen ist es glaube ich bei noch schlimmer. Denen kann man sich auch schwerer Entziehen. Im Büro (damals) hab ich Leute mit Bananen oder warmem Essen regelmäßig aus dem Büro geschmissen.
 
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Ich versuche mal einen Ansatz, der in seiner Herkunft zunächst nur auf mich und mein Problem zutrifft.
Von Natur aus bin ich ein jähzorniger Mensch -also wir reden hier von echtem Jähzorn in seiner schlimmsten Ausprägung.
Trigger können viele Dinge sein. Es reicht auch aus, wenn etwas nicht so klappt, wie ich es mir vorstelle, oder Menschen, die eine andere Meinung zu etwas haben, und das auch noch frecher Weise vortragen.
Warum habe ich aber (als Beispiel) mein M5 noch nicht zerlegt, oder bin zum Mörder geworden?
Tatsächlich hatte diese Ausprägung bis etwa zu meinem 23. bis 24. Lebensjahr starke Kontrolle über mich.
Irgendwann habe ich angefangen, mich selber zu konditionieren, indem ich innere Bilder und Szenarien entwickelte, und immer wieder modifizierte, bis sie universal verwendbar wurden. Auf die Details gehe ich hier nicht ein, da sie nur und ausschließlich auf mich abgestimmt sind.
Wenn ich heute merke, daß mein Hormonspiegel nach oben geht, gehe ich in eine Art Autosuggestion und verschiebe für einige Minuten die Wirklichkeit um mich herum. Das wirkt dem Trigger entgegen, ohne daß ich einen Kontrollverlust erleide.
Der Prozess hat Jahre gedauert (heute bin ich über 50) und war nur möglich, weil ich mich bewusst dazu entschieden hatte und vor allem durchhielt. Heute ist er quasi ein Selbstläufer, den mein Körper erlernt hat und führt oft dazu, daß mich andere Menschen fragen, wie ich in kritischen Situationen nur so ruhig und objektiv bleiben kann. Dennoch gibt es seltene Stellen, wo sich die Autosuggestion nur bedingt einsetzen läßt. Allerdings ist die Reaktion auf meiner Seite dann meistens auf eine knallende Türe oder eine etwas lautere Ansprache begrenzt, was viele Menschen ohne Wissen meines Backgrounds, als "normal" einstufen.
Ob das mit der Position des Themenstarters in Übereinstimmung gebracht werden kann, weiß ich nicht.
Es ist mein Rucksack den ich trage. Nehmt euch, was ihr braucht, ist kein Copyright drauf ;-)
 
Meine Strategie wäre:
Step 1: Facharztdiagnostik
Step 2: Gezielt schnell wirkende Entspannungstechniken unter qualifizierter Anleitung einüben
Step 3:bei zu hohem Leidensdruck vmtl. verhaltenstherapeutischer Ansatz.
 
Es gab dazu kürzlich einen Podcast in ZEIT Wissen. Da gibt's mehr Info, auch zu Forschungsarbeiten, Selbsthilfegruppen u.ä.

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