Kopfkino: Reiseführer zu Fuß mit Fähnchen in den Farben seiner Reisegruppe.
Wart's nur ab, mittlerweile werden ja bereits Kinder in Gruppen ganz gerne mit Westen in Neonfarben ausgestattet. Bis zum Fähnchen dauert es dann nicht mehr allzu lange. Es ist ja aber ein umstrittenes Thema und in der Realität werden niedrige Fahrräder bzw. Fahrradanhänger gerne mit Fähnchen markiert. Insofern ist es dem Autor des Artikels nicht anzukreiden, daß er auf die Zusatzkosten dafür hinweist; bei einem so teuren Rad sollten meines Erachtens nach die Komponenten zur Verkehrssicherheit im Preis enthalten sein, zumindest in einfacher Ausführung. Andererseits werden bei Rennradtests auch nicht die fehlenden Reflektoren bemängelt und kommentiert. Es ist eben eine Frage der Erwartungshaltung und ich kann dem Autor des Artikels wenige Vorwürfe machen.
Mit ging es umgekehrt: Meine Liegen haben Spiegel, das sehr selten selbst benutzte Aufrechtfaltrad hatte keinen. Ich fühlte mich dermaßen unwohl, dass ich froh war, noch einen in der Kiste zu haben und ihn nicht erst kaufen zu müssen.
Ich werde mir für das Up auch demnächst einen Spiegel besorgen und es ist mir mittlerweile auch zu hoch, ich fühle mich in dieser hohen Position zumindest die erste halbe Stunde lang sehr unangenehm. Auch die empfindliche Reaktion auf Verzögerung durch Bremsen mißfällt mir zunehmend. Und das ist kein supertolles Rennrad, sondern ein wenig aufregendes Standard-Trekkingrad.
Die Leute vergessen gerne, wie viel Zeit sie für das Erlernen andere Fahrzeuge u.ä. benötigt haben und wieviele Bodenberührungen sie hatten. Wer hat Laufrad ohne Stürze gelernt und konnte danach sicher Aufrechtfahrrad fahren? Wer hatte als Rollschuhanfänger nicht reichlich Bodenkontakt und hat sich auf Schlittschuhen langgemacht, obwohl er die Rollschuhe beherrschte? Ich habe sogar mein erstes Trike umgeworfen, obwohl ich vorher zehntausende Kilometer auf dem Kurzlieger gefahren bin.
Beim Liegerad ist das aber auch von persönlichen Aspekten abhängig. Ich habe mein Trike erst einmal umgeworfen, das war aber zu geringer Verzögerung mit blockierenden Rädern und einhergehendem Verlust der Steuerung geschuldet und passierte nach einigen tausend Kilometern. Beim Einspurer stellte ich auf meiner sehr kurzen Runde auf der Spezi fest, daß es sich, vom Anfahren mal abgesehen, exakt so fährt wie ein normales Fahrrad: Ungewöhnung--im Gegensatz zum Trike--nicht notwendig. Mit dem Hurricane bin ich auf der Probefahrt bei der Verkäuferin natürlich ein paarmal beim langsamen Anfahren umgefallen, wie sich das eben gehört
, nach wenigen Minuten der Eingewöhnung konnte ich aber sicher eine kleine Proberunde drehen (und mich direkt verfahren
); später bin ich dann nur noch an Stellen mit engen Hindernissen und dementsprechend geringer Geschwindigkeit umgefallen.
Ich bin überrascht, daß ich so gut damit zurechtkomme, ich hatte mich nie als besonders balancebegabt eingeschätzt. Üblich scheint das hingegen nicht gerade zu sein, ein Freund ist ambitionierter Rennradfahrer und es ist ihm nicht gelungen, sich auf dem Hurricane zu halten; selbst mit Anschieben und leicht abschüssigem Weg. Insofern kann ich aus persönlichem Erlebnis die Vorstellung, beim Fahren mit einem Liegerad das Fahrradfahren nochmal lernen zu müssen, nicht teilen, kann aber nachvollziehen, daß es einigen Leuten so gehen mag. In dem Artikel sieht man leider auch, daß der Autor Dinge mit, sagen wir mal "intuitivem" technischen Verständnis erklärt, er bringt den schmalen Tillerlenker mit schlechter Kontrolle über das Rad in Verbindung. Das ist bei näherer Betrachtung natürlich Quatsch, der schmale Tiller sitzt an einem irre langen Hebel und wird auch anders bewegt als ein Farradlenker; außerdem wird auch beim Liegerad gelenkt wie beim normalen Rad: Hauptsächlich durch Verlagerung des Schwerpunkts.
Die Exkursion zum Übersehenwerden, weil man den Leuten nicht in die Augen schauen kann, ist irgendwie bizarr. Ich vermute, da geht es um irgendeinen anderen Aspekt und der Autor konnte sich nur nicht richtig ausdrücken. Daß man auf dem Liegerad natürlich erstmal einen Meter Rad vor sich herschiebt, bevor man um die Ecke sehen kann, ist natürlich ein Problem. Allerdings kann man das im Straßenverkehr kaum dem Rad ankreiden, da in der StVO ausdrücklich geregelt sein sollte, daß u.a. durch Parkverbote die Sichtlinien an Kreuzungen entsprechend frei bleiben, damit die Ecke schon früh genug beginnt und man nicht erst mit dem halben Rad in den Kreuzungsverkehr einfahren muß, um etwas zu sehen.
Mich freut der Artikel dennoch, weil es nunmal ein Artikel ist, der einfach Erfahrungen berichtet. Ich habe das Gefühl, daß dem Autor das Rad zu kurz bereitgestellt wurde und er einfach recht unsicher war, das wäre ich im hektischen Stadtverkehr wahrscheinlich zunächst auch. Es wundert mich daher auch nicht, daß der Autor nicht getestet hat, wie schnell er denn mit dem Rad so fahren kann. Hätte er das getan, wäre der Artikel sicherlich anders ausgefallen, davon bin ich überzeugt.