München, Pfaffenwinkel-Brevet 300 km
Am 22. April bin ich das
Pfaffenwinkel-Brevet gefahren. Da der Wetterbericht ausgerechnet für Samstag Kälte und Regen vorhergesagt hatte, habe ich mich für die Weichei-Version entschieden und bin mit dem Velomobil gefahren – kann man machen, wenn man nicht mit der Bahn anreisen muss.
Viel zu früh, schon um 7:00, bin ich am Start, und damit einer der ersten, und gehe erst einmal in eine Bäckerei, um mir ein Frühstück zu kaufen. Nach und nach treffen die anderen Radler ein, ich bleibe aber der einzige Spezialrad-Fahrer. Sie haben alle warme Jacken und Warnwesten an – ich ziehe dagegen meinen dünnen Pulli aus, als sich die Abfahrtszeit nähert. Obwohl laut Webseite ein Helm gefordert wird, beanstandet niemand, dass ich im VM keinen trage. Gegenüber leert die Müllabfuhr gerade die Tonnen; ein Müllmann wundert sich über mein Fahrzeug; er hat so etwas noch nie gesehen und kann sich nicht vorstellen, wie man damit fahren kann – und erst recht nicht, dass ich jetzt 300 km fahren will, und mit mir knapp 60 andere Radfahrer.
Um 8 Uhr geht es los; gestartet wird in mehreren Gruppen, und es geht auf leeren Straßen nach Süden. Vorbei am Heizkraftwerk habe ich den Trupp bald überholt, und schwenke dann auf die Trasse der ehemaligen Isartalbahn ein. In Großhesselohe kann ich einer Baustelle, die den Radweg blockiert, gerade noch ausweichen, und muss nur einmal rangieren. Wenig später haben wir die Wohngebiete von Pullach verlassen, ich habe die Spitzengruppe überholt, und bin alleine auf dem Weg Richtung Olympiastraße, und weiter über Leutstetten und Hanfeld nach Söcking. Es geht viel über kleine Sträßchen, mit aber teilweise sehr schlechtem Asphalt. Langsam verschwindet der Hochnebel, die Sonne kommt heraus, und es geht über die Dörfer zwischen Starnberger See und Ammersee. Die Gegend kenne ich halbwegs; bin aber bisher praktisch nur in Gegenrichtung gefahren. Da es eine Endmoränenlandschaft ist, ist das auch angenehmer; so habe ich nämlich flache Anstiege und steile Abfahrten. Und entsprechend schöne Aussichten; die Sicht ist zwar nicht klar, aber die Alpen im Hintergrund sind schneeweiß, da es gerade vor ein paar Tagen geschneit hatte. Hinter Diemendorf brauche ich zum ersten Mal bergauf das kleine Kettenblatt, und fahre bergab, was die engen kurvigen Straßen so hergeben (was nicht viel ist). Von Weilheim geht es gleich wieder aufwärts und dann rüber nach Polling, wo im Supermarkt die erste Kontrolle ist. Ich fahre aber gleich weiter.
Bald bin ich wieder auf einer winzigen Straße und erklimme eine erste Gebirgsfalte, die sich aus der Molasse erhebt. Steil rauf, aber bald bin ich oben; auf der anderen Seite wieder steil runter, unten eine enge Kurve, ein Haus mit Lüftlmalerei, und gleich wieder bergauf. Vor mir sehe ich schon den Hohenpeißenberg; dort muss ich rauf, allerdings erst einmal wieder steil runter in den Ort Peißenberg, an dessen westlichen Ende der Aufstieg beginnt. Ich erinnere mich, dass die Radroute einige recht steile Abschnitte hat, und rechne damit, schieben zu müssen – ich komme aber überall hoch. Wobei es weiter oben einen längeren Abschnitt gibt, wo ich einen Moment Pause machen muss. Hier oben liegen noch größere Flecken Schnee. Dann bin ich aber bald am Gipfel, wo das Restaurant die Kontrollstelle ist. Ich hole mir einen Stempel und bestelle mir ein Spezi, während dessen treffen die ersten Rennradler ein. Weil ich noch beim VM was nachschaue, sind sie als erste wieder unterwegs; und da es steil und kurvig bergab geht, und ich mich dann auch noch verfahre, hole ich sie nicht gleich wieder ein. Auf winzigen Wegen geht es entlang der Bahn nach Peiting, dann hinunter über den Lech, und am Anstieg nach Schongau bin ich wieder an den Rennradlern dran. Aber nur kurz; Kettenabwurf auf Pflaster, dann verpasse ich eine unscheinbare Abzweigung hinunter durch ein Tor, dann ist unten noch eine Baustelle, dann ist viel Verkehr beim Linksabbiegen, und dann geht es langsam durch ein Wohngebiet. Ich bin froh, als ich endlich draußen und auf dem Weg nach Süden bin, wo ich die Rennradler wieder einhole. Leider war es das schon wieder mit der Sonne; inzwischen hat es sich bewölkt, und es weht ein kalter Westwind. An der Kontrolle in Lechbruck treffe ich die Rennradler wieder; sie fluchen über den Wind, aber das sollte ab jetzt besser werden.
Es geht wieder über den Lech, und dann ab Prem ostwärts bergauf. Während im Münchner Umland auf den kleinen Straßen immer wieder SUVs unterwegs waren (Samstag morgens!), ist dieser Weg für Kraftfahrzeuge gesperrt – dafür kommt mir ein riesiger Holztransporter entgegen, der die ganze Straßenbreite braucht, ich weiche in den Schnee aus. Auf einer der Steigungen holen mich die Rennradler wieder ein, aber bei der Wieskirche kann ich sie endlich hinter mir lassen. Ab da geht es erst einmal wieder meist bergab, in Wildsteig kommt noch einmal eine kurze Rampe, und bald darauf führt die Echelsbacher Brücke über die Ammerschlucht. Direkt dahinter geht es links von der Bundesstraße runter nach Schönberg, und weiter, wieder über schmale, kurvige Wege, vorbei an einsamen Bauernhöfen, durch das bergige Niemandsland nach Schöffau, und dann nach einer kurzen Steigung rasant mit gut 80 km/h hinunter nach Uffing, und dann weiter nördlich des Riegsees nach Aidling. Mein Wasservorrat ist schon seit zig Kilometern leer, und ich fülle meine Flasche am Friedhof auf; währenddessen ziehen die drei Rennradfahrer wieder vorbei. Aber bald habe ich sie wieder eingeholt, und schieße bergab nach Habach an ihnen vorbei. Dann wird es eh einfach: Via Sindelsdorf und Kleinweil geht es flach nach Kochel, hier kann ich es endlich mal rollen lassen. Leider steigt mein Tacho aus.
In Kochel ist die nächste Kontrolle, und ich brauche endlich was zum Essen, nach 200 km, und vor dem Kesselberg. Ich bestelle mir Strammer Max und Spezi, und warte, dass die Rennradler auftauchen – tun sie aber nicht. Es ist 16 Uhr, schnell noch den Tacho-Magneten festgeklemmt, und bald bin ich auf der Kesselbergstraße. Gemütlich hochkurbeln; sie ist zwar nicht steil, aber lang. Nach 27 Minuten bin ich oben, und es fallen die ersten Regentropfen. Dann die Kontrollfrage an der Herzogstandbahn, vorbei am Walchensee mit den Holzhäusern vom Wickie-Film, über den Hügel an der Katzenkopf-Halbinsel (der praktisch genauso hoch wie der Kesselberg ist), und um 17 Uhr bin ich am Anfang der Mautstraße in die Jachenau. Hier geht es erst einmal mehrere Kilometer flach um den See, ein paar Autos jagen mich (sie können auf der engen und kurvigen Straße nicht überholen), und bald bin ich in der Jachenau, wo die Straße ein ganz leichtes Gefälle hat, und es geht sicher 15 km mit über 50 km/h dahin. Inzwischen regnet es stärker, aber das macht nichts.
Gegen 18 Uhr bin ich bei Bad Tölz; es ging wieder bergauf nach Wackersberg, und von dort aus weiter nach Norden zur Straße nach Königsdorf. Dort gibt es wieder einige heftige Steigungen zu überwinden, und dann, im zweiten Teil, einige scharfe Kurven, an denen man es nicht laufen lassen kann. Endlich bin ich in Königsdorf; dann nur noch flach dahin Richtung Beuerberg, und dann weitgehend harmlos nach Gelting und Wolfratshausen, wo im McDonald’s wieder eine Kontrolle ist. Ich bin jetzt ziemlich fertig; das Stück rund um Tölz war doch heftiger als erwartet. Es ist kurz vor sieben; ich bestelle eine Portion Pommes und eine große Cola und möchte einen Stempel haben. Die Mitarbeiterin muss erst einmal ihre Chefin fragen; diese sagt: „Ach, Sie gehören zu den Radfahrern. Uns wurde gesagt, die kämen erst so ab Mitternacht.“ Nach einer zweiten Cola mache ich mich wieder auf den Weg; es ist saukalt und es schüttet, ich steige zitternd in das VM, und arbeite mich durch Wolfratshausen. Endlich draußen. In der Pupplinger Au zeigt sich, dass das Wetter auch Vorteile hat: die enge, kurvige Straße mit dem superglatten Asphalt ist normalerweise von Ausflüglern bevölkert; jetzt ist niemand unterwegs, und ich kann mit 50 km/h durchkacheln (viel mehr gäbe die Straße gar nicht her). Dann, bei der Isarbrücke, kommt der letzte längere Aufstieg auf das Hochufer bei Beigarten, und dann auf einer üblichen Fahrradrennstrecke via Großdingharting, Ödenpullach, Deisenhofen und durch den Perlacher Forst. So frei ist die Strecke auch selten, ich rase mit 50 km/h durch den Regen, und bin gegen 20 Uhr an der Stadtgrenze. Runter zum Tierpark, dann Isar-Radweg (den ich auch noch nie so leer gesehen habe), Wittelsbacher Brücke – und etwa 12 Stunden und 20 Minuten nach dem Start habe ich die gut 300 km geschafft. Jetzt nur noch die Kontrollkarte einwerfen (dazu haben die Veranstalter ein Fahrrad mit Briefkasten am Gepäckträger geparkt), und in der Abenddämmerung nach Hause.
Fazit: Ging erstaunlich gut mit dem VM. Ich war an allen Kontrollen der erste, habe die Rennrad-Spitzengruppe teils auf kurzen Steigungen bergauf eingeholt (auch wenn jemand noch so am Lenker reißt, auf dem Liegerad kann man eben deutlich mehr Kraft auf die Pedale bringen). Man konnte es zwar nicht immer rollen lassen, aber mit gut 3000 Höhenmetern auf 300 km war das Brevet deutlich humaner als der 200er in Freiburg (welcher angeblich 2700 Höhenmeter hatte). Das Wetter war zwar besser als die ersten Vorhersagen, aber trotzdem war bei dem kalten Gegenwind und dem Regen ein VM recht angenehm.