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Erfahrungsbericht Leitra

(Autor: Olaf Jurk / Aug. 2006 / Quelle: Velomobil-Forum)

Velomobil-Fahrbericht 10.000 km

Zuerst einen Fahrrad-Lebenslauf:

Inzwischen bin ich 47 Jahre ; in jungen Jahren war ich viel mit dem Fahrrad unterwegs, das änderte sich, als ich Familie wurde und auch viel Baumaterial zu fahren war.

Als das Benzin 1,20 euro (fast 2 Mark 40) kostete, habe ich mich aufgemacht, nicht nur sparsam und wenig zu fahren, sondern auch möglichst weitgehend die Auto-Kilometer durch Muskelkraft-Kilometer zu ersetzen.

Als Familie (4 Kinder) haben wir ca. 12 Fahrräder in Benutzung, je nach Einsatzzweck und Strecke, und 3 Anhänger (Leggero Schwertransport 23 Zoll bis 300 kg und 6-Achs-Tieflader (4x20Zoll) für Fahrzeuge und Sperrgüter)

Mein erster Fahrradtyp = HerrenrahmenXL Stricker, 47-622 seit 1975 inzwischen der 3.Rahmen, gesamt ca 10.000 + 35.000 km in den letzten 15 Jahren nur Kurzbetrieb und schwere Anhängerfahrten (Brennholz,Bauschutt,Grünschnitt, Wasser) inzwischen teilverkleidet und umgerüstet von 2x2x3 F&S auf Rohloff 500/14

Zweitens: VELERIC ca 1983, war der erste Versuch, das Auto überflüssig zu machen, 5.500 Testkilometer, davon 500 mit Vollverkleidung.

Drittens: Uralt-Rennrad (Stahl) von der Verschrottung, plus 3.500 km. Dies war der erste Versuch 2004, die 7:00 Stechuhr auch bei widrigen Umständen täglich pünktlich zu erreichen. Teilverkleidet mit Windschutzscheibe und Seitenfolie.

Viertens: Leitra Baujahr 2002 (gebraucht), Indienststellung Januar 2005, jährlich 6.000 (+) km, Technik: Rohloff, Tretlagermast nicht verstellbar, Haube mittel, weiss-rot nachgerüstet: Heckleitwerk (Zusatz-Beleuchtung und Blinker), verstellbarer Tretlagermast im Bau (und noch Einiges) Bild in der Zeitschrift Velovision ISSUE 19 19Sep2005 Seite 51

Fünftens: Leitra unverkleidet (Baujahr 2006) (Reservefahrwerk)

nachfolgend Leitra-Fahr-Erfahrungen zu verschiedenen Themen anlässlich des 10.000sten Kilometers:

Vorrede: Wer nur bei mildem Frühlingswetter Rad fährt, sollte weiterhin sein Sonntagsfahrrad benutzen Die LEITRA ist für die anderen Wetterlagen gebaut.

Leitra bei Wind: Surfen auf der Strasse

Je mehr Wind, umso besser, selbst bei schrägem Gegenwind (und gerade dann!) ergibt sich eine Vorschubkraft. Die Leitra ist gutmütig bei Seitenwind und Böen; bei kräftigen Böen und flottem Tempo ist fahrerisches Können und Ausbalancieren erforderlich. Wer einen steifen Hintern und zwei linke Hände hat, stellt die Maschine auf den Kopf. Talentierte Unfallfahrer schaffen das auch bei mässigem Tempo ohne Wind. (Wie in den Zeitungen zu lesen ist, kommt das regelmässig bei Autos vor und gilt auch für Velomobile)

Leitra und Zuladung ("Antonov")

Mit Gepäck im Bauch hat die Leitra eine solide Strassenlage; trotzdem gehe ich nicht jeden Tag einkaufen. Mit etwas Geschick kann man 36 Liter Saft, oder 25 Kilo Mehl oder 30 Kilo Kartoffeln oder Äpfel unterbringen. Meine Frau ist entsetzt, wieviel ich auslade.

Leitra und Sicherheit: leicht gepanzert und stark belichtet.

Als normaler Zweiradler hatte ich regelmässsig Probleme: man wird abgedrängt, ausgebremst, Vorfahrt genommen, geblendet, überrannt, gestreift, mit Fahrtwind aus der Spur gebracht, bedrängt, bedroht (schon durchs Auto-SUV- Design), mit Dreck versaut u.s.w.

Nicht so mit der Leitra. (Voraussetzung: gute Beleuchtung und ordentliche Hupe). Die Leitra ist (relativ gesehen) recht hoch (ca. 1,30m) und breit. Sie ist (mit Vollverkleidung) im Verkehr gut zu sehen und wird als Fahrzeug akzeptiert (Seitenabstand von 1 m beim Überholen wird meistens eingehalten). Gefahrensituationen wie mit dem 2Rad tauchen selten auf. Vermutlich auch deshalb, weil sie nicht auf dem weissen Randstreifen balanciert.

Die Leitra hat einen tragenden Rahmen aus Stahlrohr, der als Gitter auch den Fahrer in Extremsituationen schützt. Ich persönlich bevorzuge diese Bauart, Stahl ist zäh und überrascht nicht mit plötzlichem Aufkündigen der Funktion.

Die Glaubwürdigkeit bei Nachtfahrten hängt an der Beleuchtung. Handelsübliche LED-Fahrradbeleuchtung reicht im pfälzischen Verkehrsdschungel nicht aus fürs Überleben bei Nacht. Eine Zusatzbeleuchtung zur Angabe der Fahrzeugbreite ist unumgänglich (Lichtbild Weinbergtraktor). Der Frontscheinwerfer sollte vor dem Fahrzeug die Strasse aufhellen (auch bei feuchter Strasse), die Strassenbaken sollten bei 25 m Entfernung schwach reflektieren.

Winterfreuden: Es ist kalt in Deutschland, wenn es kalt wird

Jeder polstere sich so aus, wie er es mag. Zur Wärmedämmung habe ich Nov. bis März im Fahrerbereich einen Wollstoff eingehängt und den Spoiler flexibel tiefer gemacht. In der Leitra ist es zwar kalt, aber ich musste bisher nicht frieren (das ist mir nur regelmässig im Auto passiert). Es gibt keine Scheiben abzukratzen, weil sie in der Garage parkt. Solange die Maschine in mässiger Bewegung bleibt, setzt sich unterwegs auch kein Eis an die Scheiben. Bei Schnee/ Schneematsch ist die Leitra gutmütig, im Extremfall lässt man ihr den Willen, sie findet die richtige Spur meist besser als der Fahrer. Fahrten auf Glatteis sind sicherer als mit 2 Rad oder Auto, Erfahrung und Vorsicht muss man aber selber mitbringen.

Sommerfreuden: Afrika in Deutschland

Sonnenschein hat auch seine Schattenseiten. Ich persönlich mag helles Wetter, aber alles hat seine Grenzen. In der Leitra fahre ich im Schatten, das Gesicht ist auch geschützt.

Man fragt mich regelmässig, ob es in der Leitra nicht zu heiss sei.

Antwort: Im Auto schwitze ich so sehr, dass ich nach den 16 Kilometern nass bin: *Das Lenkrad ist bei Fahrtantritt glühend (70 + Grad) oder heiss (bei Schattenpappe) = 50 (+)Grad. *Das Fahrzeug ist durch und durch geheizt und hat viel Speicherwärme. *Auch offene Fenster und Gebläse helfen nicht.

Anders mit der Leitra. Die Aussenhülle hat wenig Speicherleistung für Wärme. Der Innenraum ist also nicht wesentlich wärmer wie draussen (kann bei unseren Sommertemperaturen 45 Grad betragen), und mit Öffnung der Frischluftklappen habe ich die gewünschte Luftmenge für eine „kühle“ Heimfahrt. Meistens brauche ich nur einen Teil der Maximalleistung.

Der Hügel

Ich fahre lieber abwärts wie aufwärts; das ist aber wohl Geschmackssache. Die Leitra ist schwerer als so manches Rennrad (logo). Das lässt sich hügelaufwärts leicht feststellen, jedoch ist nicht Hügel gleich Hügel und nicht Fahrer gleich Fahrer. Manchen Hügel nimmt die Leitra mit doppeltem Tempo wie einen anderen Hügel gleicher Steigung. Bei passendem Gegenwind verwandelt sich der Hügel in eine „Gefällestrecke“. Leider sind die Windmacher bei uns in der Pfalz sparsamer als früher. Auf dem Rennrad war ich im Herbst 2004 regelmässig fix und fertig vom Wind, heutzutage gibt es nur an besonderen Tagen mal Windstärke 2-3.

Fahrwerk und Federung

Die Federung besteht aus Reifen, Karbon-Blattfedern (8), Karbonsitz und Kissen. Hart sitzt, wer 32er Bereifung fährt und aufs Kissen verzichtet. Oder anders: Im VW Passat sitzt sich's komfortabler, aber richtiges Flugzeug-Feeling hat man nur im Cockpit einer Leitra. Auch gibt’s für Leitra-Fahrer beim Anblick einer Tankstelle keine Schockzustände. Das Leitra-Fahrwerk ist aus der Praxis entwickelt und damit stärker, als der moderne Ingenieur erlauben würde. Ich habe inzwischen gesehen, dass die Maschine den Fahrer auch in Extremsituationen nicht alleine lässt.

Umwelteinflüsse (schwarz-rot-gold)

Ich mag nicht als StandartRadler unterwegs sein, wenn im Winter der Frost die Gesichtshaut abreissst, im Sommer der Sonnenschein die Haut schwarz-rot-gold ausdörrt, und zwischendurch die Wasserfahnen der „Anderen“ Gesicht und Brille schwarz lackieren. Am wohlsten ist mir im Cockpit meiner Leitra.

Die „Fenster“: Durchblick bei trübem Wetter

Mit dem Auto habe ich schon manche Sichtprobleme gehabt, von der dicken Vereisung („Eisregen“) über das tägliche Kratzen (wenn nicht aussen, dann Innen oder Innen und Aussen…) das Dreck wegwischen (Hattu Scheibenwaschanlage), oder Beschlagen während der Fahrt (besonders pikant: wenn's gleich festfriert oder Aquariumfeucht dran bleibt) Es gibt allerdings die Möglichkeit, mit dem Gebläse warme trockene Luft an die Scheibe zu blasen; das funktioniert allerdings erst dann am Besten, wenn man am Zielort angelangt ist.

Was verlangt man von einer Leitra, die Frischluft an die Scheibe bläst?? Ich habe mit dem Auto jedenfalls schon manche Sichtprobleme erlebt, die mir mit der Leitra erspart bleiben. Technisch gesehen, ist die Problematik bei der Leitra gut gelöst, man kann damit gut leben. Frage: Die Leitra hat kleine Scheiben, sieht man da genug? Antwort: Besser als im Auto. Der Blick über die Schulter gibt mehr Sichtfeld als im Auto, ebenso der Rückspiegel.

Parken

meine Einkaufslisten lesen sich ähnlich wie der Flugbericht einer Hummel. Vorteil der Leitra ist, dass man meist bis zum Eingangsbereich der Geschäfte (Fahrradständer) vordringen und dort parken / laden kann.

Wartung und Einstellungen

Nichts ist so lästig, wie etwas zu reparieren, das man noch nie gesehen hat. Das Motto „learning by doing“ braucht Zeit und Geduld. Glücklich ist derjenige, der seine Leitra in Ganlöse selbst montiert hat. Er kann bei diesem Thema Pluspunkte verbuchen. Schon das simple Aufpumpen eines Hochdruckreifens mit Sclaverand-Ventil kann den interessierten Laien in ungeahnte Probleme versetzen.

Leitra und Anhänger

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die Leitra nicht anzuspannen. Inzwischen waren beide Maschinen schon mit dem Leggero unterwegs (Transportfahrten), die Leitra 01 sogar mehrfach auswärts. Hauptgrund ist die Wetterlage (Wind, starke Sonneneinstrahlung oder eisiges Wetter)

Leitra und Tempo: „Geschwindigkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“

Es ist im Leben die Frage, was Zeit sparen bedeutet (siehe MOMO). In betriebswirtschaftlicher Sicht spart man nichts, wenn man „schnell“ mit dem Auto unterwegs ist. Die restliche Lebenszeit verbringt man mit Geld ranschaffen für AutoAnschaffung, Betriebskosten u.s.w. Alle 8 Jahre ist das Auto hin (wegen Überalterung = 16 Jahre) und wegen der technischen Rückständigkeit (man bekommt grundsätzlich nur rückständige Technik in Neuwagen angeboten / das revolutionär Neue darf nicht produziert werden)

Mit der Leitra kommt man um so schneller an, je gemütlicher man fährt. Allerdings kann ich es meist nicht lassen, die dickbereiften SuperMofas abzuhängen. Mit den Rennradlern gibt es meist einen fairen Zweikampf: Aerodynamik gegen Leitgewicht. Je schlechter die Wetterdaten, umso vorteilhafter für die Kabine.

Leitra und Motor (Konzession an Kilometerleistung und Fahrer)

Da die Leitra unser Auto ersetzen soll (tut sich schon auf über 6.000 km pro Jahr) ist eine Motorunterstützung geplant (geregelte Motorhilfe bis 24km/h und Bremsgenerator). Mit Motor ist's auch mehr ladylike für meine Frau.

Erste Tests laufen bereits, Einbau August/September 06, Erfahrungbericht nach ca 5.000 km. Einbau der Rohloff als Zwischengetriebe, Zahnrad wird angeschraubt, bauliche Änderungen am Mast der Leitra (Sonderform asymetrisch ab Werk)

Leitra versus Veleric

Beim Veleric habe ich ausführliche Fahrübungen benötigt, bis ich millimetergenau die gewünschten Übungen fahren konnte (start, anhalten, zickzack, ausweichen, abbiegen u.s.w.), das Fahren mit Vollverkleidung im normalen Verkehr ist auch mit viel Übung immer ein Risiko fürs Material.

Nach 1.000 km Leitra begann ich mich, darin zuhause zu fühlen. Das schliesst ein, dass man auch nachts im Traum die Fahrsituation beherrscht.

Das Veleric hat vorn 16 Zoll Bereifung, hinten 20 Zoll, beides ungefedert. Dies ist für den rauhen Strassenkampf nicht genug. Rahmen und Verkleidung leiden unter den Anforderungen kaputter vorderpfälzischer „Verkehrswege“. (das schrottet selbst PKW Sachs-Gasdruckdämpfer innerhalb 12 Monaten).

Das Veleric ist von der Bauart nicht für Nachtfahrten geeignet. Im Veleric ist durch die schräg liegende Makrolon-Scheibe nicht genügend klare Sicht gegeben, um Löcher, umherliegende Gegenstände oder Sand rechtzeitig sehen und ausweichen zu können.

Der Rahmen des Veleric ist durch seine kompakte (und schwere) Bauart ohne zusätzliche Verstrebungen nicht stabil genug, um auf Dauer durchzuhalten.

Mit der Leitra habe ich erfahren, dass man unterwegs durchkommt, auch bei technischen Störungen, bei Gewitter, bei Sturm oder Schneechaos; wenn man mehr laden muss, als geplant, die Strasse spiegelglatt ist (bitte mit Seitenwind), die Maschine unterwegs bei Nebel und Minus-graden vereist, oder Milchsuppenwetter herrscht.

Besonders hilfreich ist ein modulares Beleuchtungssystem, bei dem es noch kein Problem ist, wenn ein Draht bricht und die Frontlampen ausfallen, oder die die Batterie 3 Kilometer früher als geplant leer wird (6 bis 8 Std Licht). Dazu gehört auch ein Reservesystem mit eigenen Batterien, was im Notfall auch als Nebelleuchten zugeschaltet werden kann.

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