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Lightning Phantom 2008

Heinz L. Mann, August 2008

Ja, wofür nutze ich denn meine Räder? Meist im Alltag. Ich bin fast ausschließlich Alltagsradler, der seine Räder hauptsächlich auf dem 13-km-Arbeitsweg durch Regen, Schnee und über pfützenübersäte Feldwege quält, sie teilweise zum Einkaufen nutzt. Selten fege ich ziemlich sinnbefreit wie blöd vom Arbeitsplatz nach Hause, unternehme aber gerne kleine Halbtagesausflüge (50-100 km), wo ich nicht nur an asphaltierte Wege gebunden sein will. Schutzbleche und Dynamo-Licht sind Pflicht.

Nach vollgefedertem Quantum (Vorgänger Toxy), frontgefedertem Flux-S-RX, Alleweder (die Blechbüchse) und heckgefedertem Zox20low hatte ich ein neues Lightning Phantom günstig bei Ebay ersteigert, nach dem Motto: Wenn es dir nicht gefällt, kannst du es annähernd verlustfrei weiterverkaufen. Alle früheren Räder hatte ich zur Probe gefahren.

Das Quantum war mir nach 13.000 km zu schwer, zu hoch und zu nervös (1996 bis 2000). So kam das Flux (2000-2004), das ich gerne und 25.000 km gefahren bin, auch mit Heckkoffer und Streamer, aber letztendlich wurde es mir auch zu schwer und zu sperrig, das AW-Velomobil lohnt auf meinen Wegen nicht (2003, nur 100km), das Zox (2004-2008) war klein, aber auch nicht leicht (17 kg), und der Frontantrieb hat mich mehr und mehr genervt. So kamen damit nur 5.500 km zusammen.

Und das Phantom?

Erstmal die Nachteile: der Sitz ist relativ hoch, und im Stand komme ich mit meinen Stummelbeinen (80er Schritt) schlecht/knapp auf den Boden. (Nachtrag: jetzt nach 1000 km ist das schon wieder völlig problemlos aufgrund der Übung). Ab 180 cm Körpergröße wäre das sowieso egal. Bei tiefen Schlaglöchern hilft der komfortable Sitz natürlich auch nicht, sondern nur eine Vollfederung. Das war’s aber schon. Der Sitz knarzte, aber das lag an der Minimal-Bewegung in der unteren Rahmen-Befestigung (Fett half).

Vorteile: Bei keinem Rad bekam ich bisher meine Kraft so ideal aufs Pedal. Trotz der Sitzhöhe (fast wie Quantum) ist es nicht nervös, da der Radstand länger ist. Die von Lightning beworbene ausgewogene Gewichtsverteilung kann ich nur bestätigen, das Rad wiegt jetzt mit Schutzblech hinten, Ständer, SON, Lampen und Gepäckträger unter 16 kg (ohne das alles: 13 kg). Nur das Frontschutzblech fehlt noch. Insbesondere bergauf komme ich unglaublich gut hoch, wie bisher mit keiner Liege, es ist kaum ein Unterschied zu meinem Sattelrad (17 kg) zu spüren. Unfassbar: eine 500 m langer Hügel, wo ich immer mal versuche oben mit 20 km/h anzukommen (und es selten mit Sattelrad, Flux oder Zox geschafft habe), habe ich mit sensationellen 27km/h erklimmt, ein Tempo, das ich letztmalig vor 15 Jahren mit dem Rennrad erreichte (und in die Gegenrichtung bin ich den 2. Hügel mit 35km/h hochgekommmen, das hatte ich noch nie geschafft)

Das aufrechte Sitzen mag den Nachteil erhöhten Luftwiderstands zur Folge haben, aber meine Reisegeschwindigkeit auf ebener, windloser Strecke fällt mit 28-29 km/h sogar etwas höher aus als auf dem Zox20 (vermutlich wegen besserer Ergonomie).

Außerdem kann ich Feldwege hervorragend befahren, Rüttelblick wegen schlechter Wegstrecke hatte ich nicht, und das Vorderrad bleibt einfach besser auf dem Boden, ohne Antriebsverlust, wie mit dem Fronttriebler zuvor. Der Kontakt Frontrad-Ferse ist einfach zu vermeiden, und es sind, im Vergleich zu all meinen Vorrädern, sehr enge Radien zu fahren, links wie rechts (was ich mit dem Zox immer vermisst habe). In der Stadt bleibt die Übersicht und Agilität wie auf meinem Sattelrad fast völlig erhalten. Diese Kontrollierbarkeit merke ich gerade beim Anfahren oder bei unebener Strecke: ich starte viel flotter und einfacher und bin daher schneller auf Tempo als mit den vorherigen Liegerädern.

Und dann der Komfort des Phantom: ungefedert, 7-bar-32-mm-Bereifung, aber auf diesem Gewebesitz, mit den Ausmaßen von Opas Sessel, finde ich es fast so komfortabel wie das vollgefederte Quantum (Ausnahme sind hohe Kanten oder Schlaglöcher).

Sicherlich ist das Phantom keine Sänfte, aber wie die liegenden Mitfahrer der Rad 08 in Braunschweig bestätigen können, bin ich wohl der Einzige gewesen, der grobe Schotterabschnitte nicht gemieden hat, auch wegen der guten Kontrollierbarkeit des Rades. Einige Dinge sind es mMn, die diese Kontrollierbarkeit erzeugen: das aufrechte Sitzen und die Breite des Sitzes mit viel Kontakt zum Rücken. Im Vergleich zum Zox-GFK- bzw. dem Flux-Holzsitz spüre ich deutlich besser, wie das Rad reagiert. Das Quantum (Toxy-Vorgänger) hatte zwar auch einen Gewebesitz, aber wie an den meisten deutschen Modellen ist der nicht anatomisch geformt. Gerade die fehlende „Schultervorbiegung“ und die Lordose-Abstützung hat mir dort immer gefehlt, ist am Phantom aber vorhanden.

Aus meiner Sicht ist der Gewebesitz eine sehr gute Wahl gegenüber breiteren Reifen oder einer Federung, und ein Pfund, mit dem das Phantom wuchern kann. Breitere Reifen will ich daher gar nicht, da das Phantom abgeht wie Schmitz' Katze. Da nehme ich doch ggf. gerne die Nachteile des Einsinkens auf weichen, schlechten Wegen in Kauf bzw. bei miesem Wetter einfach das Sattelrad (Nachtrag: vielleicht montiere ich doch mal wieder was Streamer-ähnliches).

Nachtrag: Inzwischen bin ich mit Kollegen (Sattelradler) mal wieder ein kleine Querbeet-Tour gefahren, wo es z. T. grausame Sandabschnitte auf Waldwegen o.ä. gab. Abgesehen von wenigen Metern, auf denen ich aufgrund fehlenden Raums kaum mehr anfahren konnte, bin ich auch überall dort durchgefahren, wo die anderen durchgefahren sind, und das mit 32er-Bereifung. Sicherlich spielen meine 40.000 km Liegerad mit geübter Balance eine Rolle, und ich weiß, dass es mit meinem Sattelrad einfacher gewesen wäre, aber es war wenig mehr Mühe, als vorher vermutet, und als mit den Vorgänger-Rädern. Aus meiner Sicht ist das Phantom alltagstauglich.

Bisher hatten es mir nur zwei andere Räder derartig angetan: Einmal das Nöll SL-5 und einmal das SpeedBike (Vorgänger RazzFazz). Mit anderen Worten: Ich bin begeistert - und das nach über 12 Jahren Liegeraderfahrung.

Zum Schluss der Preis: Alles zusammen für 850 EUR bei Ebay ersteigert.

Beschreibung d. Komponenten in Juni 09 ergänzt. Shimano Kettenblätter/Ritzel/Lenkerendschalter Deore-9-fach. Bremsgriffe billig, aber an Lenker adaptiert (an Biegung geknickt), Bremsen No-Name billig/ausreichend, Lenker gut, Lenkerschaft billig, aber vielfach schnellverstellbar. Umlenkrollen hart und relativ laut.

Normalpreis (aus Erinnerung) 1.600 USD. IMO unter 1.000 EUR jeden Cent wert.

Heinz

liegerad/berichte/fahrberichte_a-z/lightning_phantom.txt · Zuletzt geändert: 2013/10/27 14:01 von 127.0.0.1