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Erfahrungsbericht Lightning F40

(Autor: Ulrich Klee)

Erfahrungen mit dem zweirädrigem Velomobil Lightning F40 über 10 Jahre und 80.000 km

Herbst 1995. Ich bin froh, dass ich gerade meinen Segelschein bestanden habe. So sind mir die Skizzen mit den Warnhinweisen doch sehr vertraut. Nur ist jetzt statt eines Segelboots ein Velomobil dargestellt. Und daneben warnen Texte wie: ‘‘Vorsicht bei Rechtskurven bei böigem Wind von links vorn !“ Diese Hinweise sind das erste, was mir beim Öffnen der langersehnten Kiste mit der Vollverkleidung in die Hände fällt. Vorausgegangen war die Suche nach einem mit Muskelkraft betriebenen Fahrzeugs, welches auf meinem 24 km langen Weg zur Arbeit etwas weniger Anstrengung erfordert, als ein normales Fahrrad. Die Stationen dieser Suche sind stichwortartig schnell gelistet: Zuerst bin ich mit einem Trekkingrad gefahren, Anschrauben eines Triathlonlenkers, danach Kauf eines Rennrads, Rückenprobleme, alltagstaugliche Reifen und gefederten Sattel montiert, Kauf eines Liegerades Lightning P 38, deutlich komfortabler und sehr angenehm zu fahren, aber dennoch nicht schneller als ein Rennrad. Jetzt werde ich die Verkleidung der Firma Lightning (Blitz) testen. Diese ist schnell montiert. Vorn wird die Frontverkleidung am Tretlager befestigt; das superleichte Alugestell wird am Sitz und am hinteren Rahmen befestigt. Dann wird der Goretex-Stoff übergezogen und mit einem Klettsaum unten an den Alurohren und an der GFK-Nase befestigt.

Das erste Mal ist das Fahren doch sehr ungewohnt. Die Sicht vor mir wird auf den ersten 5 Metern von der Verkleidung verdeckt. Als nächstes übe ich das Anhalten. Pedalen ausklicken und beide Beine links und rechts neben das Vorderrad stellen. Später reicht dann auch ein Fuß.

Geschwindigkeit

Danach wird die Geschwindigkeit getestet. Also raus auf die Straße und dann ordentlich Druck auf die Pedalen. Das ist wirklich erstaunlich. Als ich nicht mehr mittreten kann, zeigt der Tacho Tempo 50 Km/h. Nach ein paar Tagen auf dem Weg zur Arbeit, inzwischen hat mein Fahrradhändler vorn ein 56-iger Kettenblatt montiert, stelle ich fest, dass der Geschwindigkeitszuwachs ziemlich genau bei 10 km/h liegt. Auf der Landstraße, auf der ich früher mit 30 km/h unterwegs war, fahre ich jetzt mit der gleichen Kraft, Tempo 40 km/h. Allerdings gibt es auch Stellen an denen ich deutlich langsamer bin. Im Frankfurter Berufsverkehr ist es nicht mehr so einfach, sich durch den Stau zu schlängeln. Und an der Ampel starten Mountainbiker und Rennradler schneller als ich mit meinem 21 kg schweren Gefährt.

Kälte- und Regenschutz

Winter 1995. Die Tage werden kürzer und die Temperaturen entsprechend niedriger. Wie angenehm ist es, mit einer Verkleidung zu fahren. Die Thermoüberschuhe verschwinden im Keller; sie werden nicht mehr gebraucht. Bei Temperaturen bis 0 Grad fahre ich in einer langen dünnen Legginghose, T-Shirt und mit dünner Jacke. Nur der Kopf außerhalb der Verkleidung ist stärker dem kalten Fahrtwind ausgesetzt. Hier hilft eine Sturmhaube. Außerdem habe ich vor meinem Fahrradhelm ein Motorradvisier angebracht, welches den direkten Fahrtwind abhält. Regen ist kein Problem. Durch die Goretex-Stoffverkleidung bleibt man schön trocken und für Gewitterschauer habe ich mir ein Regencape so kürzen lassen, das es nur Kopf und Schultern bedeckt.

Bremsen

Die gute Aerodynamik führt dazu, das die verkleidete Lightning ausgesprochen gut rollt. Wenn man den Druck aus den Pedalen nimmt – z.B. wegen einer roten Ampel – verringert sich die Geschwindigkeit nur ganz langsam. Das bedeutet, dass die Bremsen deutlich höher belastet sind, als ohne Verkleidung. Vorne ist eine gut funktionierende V-Brake montiert, allerdings verschleißen die Alu-Felgen relativ schnell.

Wind

Vom Wind ist im Normalfall wenig zu spüren. Gegenwind und Rückenwind haben fast keine Auswirkung. Komisch ist es, dass man bei Gegenwind zum Teil genauso schnell ist, wie bei Windstille. Das liegt daran, dass die Verkleidung wie ein Segel wirkt. Schwierig wird es allerdings bei stärkerem Wind. Die Lightning F40 ist ab Windstärke 5 kaum noch zu halten, insbesondere wenn der Wind böig auftritt. Außerdem rechnet kein Autofahrer damit, dass man, um eine Windbö zu parieren, plötzlich ausweicht. Auf freier Strecke sieht es vermutlich auch kurios aus, wenn man bei starkem Seitenwind konstant in Schräglage fährt.

Reaktion von anderen Verkehrsteilnehmern

Wenn man sich ein Velomobil anschafft, muss man sich darüber klar sein, dass man damit sehr auffällt. Staunen, Lachen, „cool“ und „geil“-Rufe, hoch gereckte Daumen und Lächeln sind der Normalfall. Es kommt auch schon mal vor, dass man auf der Landstraße vom Beifahrer eines vorbeifahrenden Autos fotografiert wird, oder ein Fahrer eines vollbesetzten Bus während der Fahrt die Tür öffnet und sich über das ungewöhnliche Fahrzeug informiert. Autofahrer halten plötzlich auf der Landstraße an, um mir im Velomobil die Querung zu ermöglichen, obwohl ich nur aus einem Feldweg komme.

Sicherheit

Die Gefahr mit einem Liegerad über den Lenker auf den Asphalt zu fliegen ist sehr gering. Und beim seitlichen Wegrutschen fällt man nicht sehr tief. Bei der Lightning F40 hat man bei einem Sturz noch Stoff zwischen sich und dem rauen Asphalt. Einmal sind am Mainuferweg zwei spielende Hunde hinter einem Container direkt vor die Lightning gesprungen. Vollbremsung und direkt danach der Frontalaufprall. Drei ziemlich verdatterte Geschöpfe lagen kurz darauf auf dem Weg. Doch die aerodynamisch geformte GFK-Schnauze hat das Schlimmste verhindert. Sie hat die Energie großflächig absorbiert. An vielen Stellen, war sie gesplittert, auch da wo der Aufprall nicht erfolgt war. So verlief dieser Unfall bei hoher Geschwindigkeit für alle Beteiligten sehr glimpflich.

Fazit

Die Lightning F40 ist als zweirädriges Velomobil für windige Regionen nicht geeignet. Bei Schnee würde der kleinste Windhauch zum Sturz führen. Das Fahren berghoch ist anstrengender als mit einem normalen Fahrrad, zumal die Verkleidung dann auch den kühlenden Fahrtwind abhält. Aber es ist ein Fahrzeug, mit dem sich mit weniger Kraft deutlich schneller fahren lässt. Der Witterungsschutz und die zusätzliche Sicherheit - diese Kriterien spielten bei mir beim Kauf noch keine Rolle - sind positiv und haben sich bewährt. Die Federung der Gabel und der Spannsitz sorgen für guten Komfort. Außerdem gefällt mir, dass das Fahren mit der Lightning sehr leise ist. Nur bei schneller Fahrt über Kopfsteinpflaster bollert die GFK-Nase. Insgesamt bin ich mit der Lightning F40 überaus zufrieden und freue mich schon auf die nächsten 80.000 km.

liegerad/berichte/fahrberichte_a-z/lightning_f40.txt · Zuletzt geändert: 2013/10/27 14:01 von 127.0.0.1