Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


liegerad:berichte:fahrberichte_a-z:hase_pino

Hase Pino

(Lutz)

Hallo Forum,

ich habe seit einigen Monaten ein Hase Pino in meiner Ausstellung/meinem Laden und habe es jetzt mehrfach benutzt.

Hier sind meine Erfahrungen:

Das Pino macht einen hochwertigen Eindruck. Es ist sauber verarbeitet und aufgebaut. Alles wirkt professionell und durchdacht. Als Extraausstattung wurde das Tandem mit zusätzlichem Kindertretlager geliefert, abgesehen davon ist es ohne weitere Sonderausstattung gekommen, sozusagen „von der Stange“. Die Pulverbeschichtung wirkt irgendwie „zähflüssig“. An den Stellen, wo das Kindertretlager auf den Rahmen gepresst wird, hinterlässt es Eindruckstellen, die einige Zeit nach der Demontage zu verschwimmen beginnen. Leider verschwinden diese nicht ganz, so dass ich bei der nächsten Montage ein Stück alten Schlauchs untergelegt habe. Hiermit geht es besser.

Die kurze Bauweise ermöglicht uns, das Tandem mit eingeschobenem Ausleger quer in unserem VW Bulli (langer Radstand) zu verstauen, was mir deutlich besser gefällt, als eine Heckträgerbefestigung, die laut Hase aber auch vertretbar sei.

Der Umbau von Kinder- zu Erwachsenentretlager kostet mich ca. 8 Minuten.

Der Gepäckträger wirkt stabil. Es ist ein bisschen fummelig, Ortliebtaschen mit QL-1System zu befestigen. QL-2 hingegen ist ganz einfach.

Anfangs befürchtete ich, dass die Grip-Shift MRX Pro Drehgriffschalter, die relativ billig wirken, wenig aushalten würden. Bis jetzt hat sich mein Verdacht aber nicht bestätigt. Sollte ich mir ein eigenes Pino einmal anschaffen, würde ich aber bestimmt Lenkerendschalthebel wählen, die mir persönlich mehr zusagen.

Meine ersten Fahreindrücke habe ich zusammen mit meinem Vater gesammelt. Dazu muss man wissen, dass dieser 2 Meter gross ist und locker 140 kg auf die Waage bringt. Er wollte unbedingt vorn als Stoker Platz nehmen. Ich selbst bin auch nicht gerade klein und leicht, kann aber mit ihm bei weitem nicht mithalten… Das Handling mit unserer Belastung war aber erstaunlich einfach. Gerade bei etwas höheren Geschwindigkeiten lag das Pino ruhig und einfach zu steuern auf der Strasse.

Später fuhr ich dann sowohl zusammen mit unserem 6jährigen Sohn, als auch mit meiner Frau (die beide mit den Massen meines Vaters nichts zu tun haben). Im Vergleich zu anderen Tandems ist das Pino für mich als Captain deutlich einfacher zu handhaben, fast wie ein Solo-Upright. Meine Frau und ich haben das Rad bergab auf knapp 70 km/h beschleunigt, und es war eine Wonne, wie ruhig und übersichtlich es sich dabei steuern liess. Auch in langsamer Fahrt bereitete es keinerlei Probleme, lediglich die indirekte Lenkung benötigt eine Eingewöhnungsfase von vielleicht zwei Minuten.

Besonders hervorheben möchte ich die Bremsen, Magura Julie für Tandems, deren enorme Bremskraft mich wirklich beeindruckt. Ich ertappe mich gelegentlich dabei, dass ich die (nach vorne weisenden) Bremshebel nur mit den kleinen Fingern bediene. -Wow!

Alle Stoker, die ich bisher mitnahm, behaupteten einstimmig, dass der Spannsitz sehr bequem sei, keiner war sonderlich verschwitzt am Rücken; alle hatten aber auch ein leichtes Ziehen am oberen Teil des Pos nach längerer Strecke, was sich aber in allen Fällen durch verstellen des Sitzwinkels (per Schnellspanner) für längere Zeit beheben liess, danach trat es wieder auf. Ich führe das aber auf die ungewohnte, liegende Position zurück, denn keiner von ihnen hat bisher ausgedehnte Liegeraderfahrung und dieses Ziehen kenne ich auch noch aus meinen Lieger-Anfangstagen.

Die vom Hersteller angepriesene Kommunikationsmöglichkeit ist super. Gerade bei den Fahrten mit unserem Sohn stellte sich diese als sehr angenehm heraus: Ich hatte ihn die ganze Zeit im Blick und die Unterhaltung lief einfach, ohne sich umdrehen oder anbrüllen zu müssen.

Apropos Kinder (-tretlager): Leider habe ich bisher keinen Hersteller für Fahrradschuhe in Grösse 31 gefunden. Clickies wären aber für unser vorn liegendes Kind angebracht, da er schon sehr kräftig ist und vor allem auch gern richtig mittreten will, allerdings müsste er dafür seine Füsse ein Stück senkrechter halten, was ihm aber wegen mangelnder Befestigung schwer fällt.

Loben will ich den Freilauf, der es dem Stoker ermöglicht, unabhängig vom Captain zu treten oder es eben auch nicht zu tun. Mein Sohn war jedenfalls dankbar, gelegentlich eine Pause machen zu können.

Vorsicht ist geboten, wenn man das Pino alleine (auf der hinteren Position) beradelt, denn dann ist das Vorderrad ungewohnt wenig belastet, was in Kurven mit Schotter zu spontanen Auffanglenkbewegungen führen kann.

Probleme bereitet mir leider die Sitzposition als Captain. Nach längerer Uprightabstinenz machte ich mich ja schon auf einschlafende Genitalien, Rückenschmerzen und taube Finger bereit, der superweiche Lookin Gel-Sattel übertraf meine Befürchtungen aber bei weitem! Da schlief sogar das ganze Gesäss samt der oberen Teile der Oberschenkel nach einer Viertelstunde. Also montierte ich einen RR-Sattel, womit die Einschlafproblematik vermindert wurde. Allerdings bekomme ich immer noch Schmerzen im Lendenwirbelbereich, was ich auf den extrem flachen Sattelrohrwinkel (von etwa 67 - 68°) zurückführe. Hase wählte diesen, um sowohl das Rad möglichst kompakt bauen zu können, als auch, um es in nur einer Rahmengrösse anbieten zu müssen. Durch den flachen Winkel haben nämlich kleine, wie auch grosse Captains meist möglich Platz. Um die Rückenschmerzen zu umgehen, habe ich eine nicht gekröpte Sattelstütze eingebaut und einen Fizik Arione Sattel montiert, der besonders lang ist und deswegen einen besonders langen Rahmen hat und sich dadurch überdurchschnittlich weit nach vorn schieben lässt. Leider kann ich auch mit diesen Hilfsmitteln meine vom RR abgeleitete Sitzposition (Lot-von-Unterkante-Kniescheibe-durch-Pedalachse-Position) noch nicht einnehmen. Ich sitze weiterhin zu weit hinten. Letzte Möglichkeit, die Schmerzen zu umgehen war, den Lenker höher und weiter nach hinten einzustellen, wodurch ich jetzt in einer fast Hollandrad-artigen Stellung (Sitzung ) sitze. -Geschwindigkeitsrekorde, aber auch Rückenschmerzen, ade!

Übrigens weiss ich durch Erfahrungen mit anderen RR-Fahrern, dass sich einige mit Absicht ziemlich weit nach hinten setzen, um dadurch weiter nach vorn treten zu können. Ich vermute, dass diese Leute auch keine Probleme mit der Geometrie des Pinos haben würden.

Insgesamt gesehen macht das Pino Spass! Es ist ein einfach zu bedienendes und gut zu handhabendes Tandem, stabil, laufruhig, ohne behäbig zu wirken, hochwertig verarbeitet. Ich empfehle aber, aufgrund meiner beschriebenen Sitzprobleme, eine möglichst lange Testfahrt zu machen, denn 3190,- Euro (ohne Kindertretlager) ist ein stolzer Preis. Verglichen mit den Preisen anderer (Aufrecht-)Tandems wirkt er zuerst erschreckend hoch, doch andere Hersteller, lassen sich Schutzbleche, Beleuchtung, Scheibenbremsen und Gepäckträger als Zusatzausrüstung bezahlen, die beim Pino inbegriffen sind.

Das grösste Plus ist meiner Ansicht nach die Kindertauglichkeit. Unser Sohn hält ohne Quengeln bis zu drei Stunden Fahrt aus. (Und dabei fährt er in seiner Fantasie Rennen gegen Unsichtbare, was in Aufforderungen, mal ein bisschen stärker reinzutreten endet. Keuch!)

Hilsen fra Norge

Lutz

liegerad/berichte/fahrberichte_a-z/hase_pino.txt · Zuletzt geändert: 2013/10/27 14:01 von 127.0.0.1