Vorderrad-Gabel für MBB-Nutzung aufweiten

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Dies Thema wurde an verschiedenen Stellen schon angesprochen, einen Faden dazu konnte ich jedoch nicht finden. Meine vor einiger Zeit gestellte Frage:

"Kann man eine 24-Zoll-Stahlgabel für die Nutzung am MBB kaltverformend von 100 auf 135 mm aufweiten?"

Eine hilfreiche Antwort dazu gab's nicht, aber die Aufforderung: "Einfach mal machen". Das dabe ich dann auch, mit gutem Erfolg.
Eine Idee, wie das zu bewrkstelligen sein könnte und einige Vorbereitungen war allerdings nötig. I habe mir eine Biegevorrichtung mit Hilfe von M10-Gewindestangen, einigen Muttern, U-Scheiben und Widerlager-Klötzen erstellt. Die Vorrichtung ist in den folgenden Bildern zu sehen. Nicht zu sehen ist, dass ich die Kontaktflächen der Widerlager-Klötze an die Neigung der schräg stehenden Gabelschäfte angepasst habe. Tut man das nicht, werden beim Biegevorgang die Geswindestangen verbogen. Die Bohrungen in den Widerlagerklötzen habe ich mit 12 mm Durchmesser vorgenommen. Dass sie gut Luft zu den Gewindestangen haben, ist wichtig!
Beim Biegevorgang sollte zum sicheren Arbeiten der Gabelschaft waagerecht in einen Schraubstock eingespannt werden.
Die zur Gabelachse drückenden Widerlager in der Nähe des Gabelkopfes verhindern, dass die Schweißnähte der Gabel beim Biegen stark belastet werden. Die nach außen drückenden Widerlager in der Nähe der Ausfallenden drücken die Gabelscheiden auseinander. Die Gewindestange in den Ausfallenden kommt erst nach Durchführung der Weitung zum Grobrichten der Ausfallenden zum Einsatz. Die Feinausrichtung nehme ich dann mit einer einseitig eingespannten Gewindestange oder Ähnlichem mit Hilfe einer Rohrzange vor.

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Die in der Abbildung zu sehenden Zwingen verhindern, dass die Widerlager auf den zu ihnen schräg stehenden Schäften in Längsrichtung zum Gabelschaft abrutschen. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass die Gewindestangen der Widerlager beim Biegevorgang rechtwinklig zum Gabelschaft stehen. Eine Schrägstellung würde zur Folge haben, dass die Gabel unsymmetrisch geweitet wird.
Danach das Fein-Richten der Ausfallenden:
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Da Stahl ein recht elastischer Werkstoff ist, muss die Gabel zum Zweck einer bleibenden Verformung deutlich über die gewünschte Einspannbreite hinaus aufgebogen werden. In meinem hier gezeigten Beispiel hatte die Gabel ursprünglich 100 mm, ich habe dann auf 150 mm aufgebogen und nach Abnahme der Widerlager eine Aufweitung auf 137 mm gemessen.
In den Abbildungen sind an mehreren Stellen Muttern-Paare zu sehen. Diese Muttern sind gekontert und ermöglichen, die Gewindestangen gegen Verdrehen (mit einem Schraubenschlüssel) festzuhalten. Die Gewindestangen sollten gefettet sein.
Nach den Vorbereitungen ging der Biegevorgang dann recht einfach vonstatten. Ich sehe deshalb kein Problem darin, auch eine 20-Zoll-Gabel um 35 mm aufzuweiten. Die Gabelschäfte stehen dann aber schon gewaltig schräg.
Wer eine Gabel aufweiten will, aber keine Lust oder Möglichkeit hat, sich die dafür erforderlichen Einrichtungen selbst zu bauen oder sich die Arbeit nicht zutraut, kann mir gerne eine Gabel mit Rückschein und einer Aufwandsentschädigung im Wert eines frisch gezapften Bieres zuschicken. Dann mache ich das, allerdings kann ich nicht für eine absolut symmetrische Aufbiegung garantieren und auch nicht dafür, dass die Arbeit auf Grund von Materialschäder der Gabel misslingt. Der Lack meiner gebrauchten Gabel wurde durch den Biegevorgang nicht beeinträchtigt. Falls ich so etwas für Euch tun soll. schickt einfach eine PM.

Schönen Gruß! Heiner
 
Also, Heiner @HeiSchu , diese Überraschungnist Dir gelungen!
Ich dachte beim Thread-Titel:"Nicht schon wieder ein Faden, den es schon 100mal gibt", und dann taucht hier ein astreiner Wiki-Eintrag auf!
Danke dafür, gut geschrieben, gut bebildert, sehr empfehlenswert.
Irgendwer hat eine gute Forums-Wiki-Anleitung geschrieben, willst Du Deine Anleitung zum Gabel-Aufbiegen ins Wiki stellen? Soll ich das versuchen? Kann das jemand aus dem Ärmel schütteln und mit links machen?
Fröhliche Grüße, Krischan
 
Weil nicht jeder Tischlerzwingen in der Fahrradwerkstatt hat:
Die obere und die untere Spannvorrichtung lässt sich auch mit anderem Material gut auf konstanten Abstand halten (bzw. das Abrutschen der oberen zu verhindern).
 
willst Du Deine Anleitung zum Gabel-Aufbiegen ins Wiki stellen?
Herzlichen Dank für die Blumen!
Meine Anleitung kann gerne auch ins Wiki; ich selbst weiß aber nicht, wie das geht und habe z. Z. zu viel Anderes im Kopf, mich darum zu kümmern.

Weil nicht jeder Tischlerzwingen in der Fahrradwerkstatt hat
Wieso? Bei mir ist das anders: Meine kleine Werkstatt liegt neben dem Haus da, wo andere ihre Blechdose drinsstehen haben. Die Werkstatt aber, ist, weil ich gelernter Tischler bin, eigentlich eine kleine Tischler-Werkstatt. Im Lauf der Jahre hat sich die Nutzung deutlich geändert und sie ist immer mehr zu einer Fahrradwerkstatt geworden. Doch die Tischlerwerkzeuge sind natürlich alle noch da und werden gelegentlich auch angewandt. Und ein Tischler kann nie zu viele Zwingen haben!

Und noch ein Nachtrag zur Anleitung:
Beim Auseinanderedrücken der Gabelscheiden habe ich schrittweise auch den Druck an der Gabelkopf-Spannvorrichtung erhöht. Auch Hartholz lässt sich zusammendrücken, und so würde die Belastung der Schweißnähte ohne Nachregulierun erhöht. Beim Lösen der Spannvorrichtung dann abwechselnd beide Spannvorrichtungen schrittweise lösen. Die Kräfte, die man mit solchen Gewindestangen erzeugen kann, sind schon sehr beträchtlich!
 
Zuletzt bearbeitet:
zum Glück kann man den Tischler nicht dazu zwingen zu viele Zwingen zu haben... : )
Dieses Sprachspiel musste ich nicht mal erzwingen...
Das Gewindestangenprinzip mit hoher Kräfteerzeugung kann ja auch am Kfz Wagenheber beobachtet werden...
 
Ich habe das Gabelverbiegen nun fortgesetzt, Diesmal mit einer 26"-Gabel mit Scheibenbremsadapter. Das ist dann schon etwas schwieriger, denn nach dem Biegen soll die Scheibenbremszange weiterhin korrekt ausgerichtet sein. Darum müssen die Gabelscheiden S-förmig gebogen werden, von oben gesehen erst nach außen und dann über der Scheibenbremsaufnahme wieder nach innen. Das bedeutet, dass die Rohre noch mal stärker gebogen werden, als wenn man erst kurz vor den Ausfallenden wieder nach innen biegt. Es hat funktioniert, wenn auch die Gabel mit "Stirnrunzeln" reagiert hat: Auf der Innenseite der Biegungen sind deutlich sichtbare, wellenartige Stauchungen zu erkennen, allerdings nicht so ausgeprägt, dass ich das per Foto rüberbringen könnte. Außerdem liegen diese Verformungen in Bereichen, die im Fahrbetrieb nicht zu den stark beanspuchten gehören, so dass ich keine Bedenken habe, die Gabel einzusetzen. Undd es heißt doch, Kaltverformung erhöht die Festigkeit.
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An der rechten Gabelscheide ist zur Verbereitung des Anschweißens ein Schaltauge angeschraubt.
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An der rechten Gabelscheide ist zur Verbereitung des Anschweißens ein Schaltauge angeschraubt.
probier vorher mal ob Laufrad mit Ritzel in die Gabel passen.
Ich habe das Laufrad im Ex-Hinterbau geklemmt und Gabel aussen drüber gesteckt. So erledigt sich auch das Problem mit dem Schaltauge.

Nutzung der Bremssockel ist bei dem Verfahren nicht mehr möglich?!
 
Heute nachmittag hat mir @rikschaprofi das Schaltauge angeschweißt. Durch die Hitze beim Schweißen ist das eingelötete Ausfallende etwa 2 mm tiefer in die Gabelscheide gerutscht. Das konnte ich einfach ausgleichen, indem ich das Ausfallende auf der gegenüberlisegenden Seite nachgefeilt habe.
Danach die Probe: Das Laufrad und die Bremsscheibe laufen nun mittig durch die Gabel bzw. Bremszange. Alles super! Die Canti-Sockel sind mit dem Auseinanderbiegen um wenige Millimeter mit nach außen gewandert. Ich vermute. dass man diese Veränderung durch das Einstellen der V-Breaks kompensieren kann, das habe ich aber nicht geprüft. Die Sockel haben nun einen Abstand von 90 mm zueinander. Ich kann also beide Bremsenarten an der Gabel verwenden.
 
Boah, ich habe meine BMX Gabel wirklich einfach von Hand aufgebogen. Das hat schon Kraft gekostet, war aber erstaunlich einfach und symmetrisch.
 
Ich habe beim Umbau von @HFKLR s 20"-MBB vom schmalen Sachs 3-Gang-Laufrad (Einbaubreite 115mm) auf SRAM S7 (130mm) nur eine einzige Gewindestange M10 verwendet, in den Ausfallenden der Gabel. Hatte dabei genau den oben beschriebenen Effekt, daß ich die Gabel (wegen der Elastizität des Stahls) wesentlich weiter aufweiten mußte, um schlußendlich die benötigten 130mm zu erreichen. Aber es ging letztendlich problemlos und auch ziemlich symmetrisch. Allerdings hatte @HFKLR schon für den MBB-Umbau eine Querstange über die Cantisockel geschraubt, sodaß die Schweißnähte der Gabel beim Aufbiegen nicht stark belastet wurden.
Siehe hier, hier, hier und hier.
 
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