Velomobil-Infrastruktur

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Hallo liebe Velomobil-Nutzer und -Experten,

wie sähe Eurer Erfahrung nach die perfekte Velomobil-Infrastruktur aus? Welche planerischen Parameter müsste man beachten?

Schwerpunkt der Frage ist das Alltags- und Berufspendeln in Siedlungsräumen, die nicht von leistungsfähigen ÖPNV Achsen bedient werden.

Hintergrund meiner Frage ist ein unspezifisches berufliches Interesse: Ich arbeite als Stadtplaner bei einer Kommune, fahre innerstädtisch Lastenrad, nehme den Fokus der Raddebatte auf den Problemraum Innenstadt wahr und bin zunehmend vom Velomobil als "Überlandlösung" fasziniert.

Herzlichen Dank in die Runde!

Nils
 
Landstraßen, ordentliche Landstraßen sind die perfekte Überlandinfrastruktur.
Wenn schon Radwege entlang der Straßen (man muss ja auch an die Schulkinder denken, falls die heutzutage noch mit dem Rad in die nächste Stadt fahren ... dürfen), dann bitte solche, die auch mit 45 km/h KKR befahren werden können, Zweirichtungsverkehr und ohne diese abrupten 90 Grad Schwenks und anderen Schnickschnack, der dem Zweck von A nach B zu gelangen zuwiderläuft.
 
Die ideale Velomobilstrecke ist flach, babypopoglatter Straßenbelag, keine engen Kurven und keine Ampeln.

Die Realität sieht anders aus:
Radwege parallel zum Straßenverlauf gehen in Senken tiefer runter und über Höhen höher rauf, sind zu schmal, verlaufen im Zick-Zack und verlieren an jeder Einmündung die Vorfahrt, obwohl sie, da sie parallel zur Fahrbahn verlaufen, eigentlich vorfahrtsberechtigt sein sollten.
Fährt man auf der Fahrbahn, dann ist der Verlauf hinsichtlich Kurven und Steigungen wesentlich besser, aber dafür ist der Belag meistens ein fürchterliches Flickwerk aus Ausbesserungen von Bauarbeiten und Winterschäden, Gullis und Kanaldeckeln, und in manchen Straßen Straßenbahnschienen.

Auf Radwegen hat man es meistens ruhiger, kann aber nicht so schnell fahren, weil man Rücksicht auf die langsameren Radfahrer und Fußgänger nehmen muss. Auf Straßen kann man meistens gut im Verkehr mitschwimmen, wird jedoch immer wieder vor Ampeln von Autos davor und dahinter verdeckt, und hat den schon oben erwähnten schlechteren Straßenbelag.

Idealer sind explizite Fahrradstraßen, die bei uns hier z.B. parallel zur Hauptverkehrsachse verlaufen, hier hat man mehr Platz mit den anderen Verkehrsteilnehmern.

Für Überlandstrecken bevorzuge ich verkehhrsarme Landstraßen, Bundesstraßen sind mir meistens zu "schnell" und anstrengend, Überlandradwege sollten breit genug sein, und nicht die oben erwähnten unnötigen Höhenmeter erzeugen. Bei parallelem Verlauf sollten Radwege nicht unterhalb der Fahrbahn verlaufen, und wenn ja, sollte ein Blendschutz dazwischen.
 
Die perfekte Wege–Infrastruktur haben wir schon lange, nur ist oft der bauliche Zustand mangelhaft, mancherorts wurden Radfahr–Verbote angeordnet und überhaupt sind dort viel zu viele Stinkekisten darauf unterwegs (oder stehen sinnlos im Weg rum). Nur sichere und wettergeschützte Abstellmöglichkeiten fehlen vielerorts.
 
... in den Niederlanden ist es nicht überall besser aber Radwege außerhalb der Ortschaften, das können sie. Vor einmündenden Straßen schwenkt der doppelseitige und ausreichend breite Radweg in großem Bogen mind. eine Autolänge weg von der Fahrbahn. Das hat den Vorteil, das PKWs nach dem "hektischen" Abbiegevorgang gefahrlos anhalten können um den Radfahrer gewähren zu lassen. Bei uns läge er dann mit etwas Pech unter dem Auto. Beim Einbiegen in die Straße steht der PKW somit auch nicht auf dem Radweg. Das wäre zumindest ein Anfang.

Ansonsten wären Begleitstreifen wie an der B55 z. B. super (besser als nichts).

Innerorts wird man wohl kaum um die Sperrung einzelner Straßen herum kommen.
Beispeil: Straße A und B sind für PKWs, daneben die üblichen Gehwege. Kein Radverkehr.

Straße C ausschließlich für Radverkehr (vielleicht noch Lieferwagen sonst fehlt die Akzeptanz).

Straße D und E wieder nur PKW usw. A B C von Nord nach Süd gleiches für Ost - West - Verbindungen.
Auch wenn das ein Ideal darstellen würde, machbar ist das mit den Gegebenheiten heute schon. Stadtplanung muss nur gewillt sein.
 
Kurz gesagt: das Velomobil bzw. dessen Fahrer mag keine Unterbrechung, also wenn es geht keine Ampeln, rechts vor links Kreuzungen, unübersichtliche Verkehrsführung, 90 Grad Kurven auf engen Radwegen,... Da kann das VM seine Vorteile in Bezug auf die Geschwindigkeit nicht so gut ausspielen. Genau wie im engen Stadtverkehr mit Staus auf der Straße und hunderten wackeligen oder wilden Zweiradlern ;)

ich find übrigens klasse, dass du dich hier schlau machst.(y)
 
Ach noch was: du wirst 1000 Meinungen zu Radwegen, Straßen, VM in der Stadt und außerhalb,.... bekommen - ist ne bunte Truppe hier. Also nicht wundern ;)
 
In Mannheim gab es den ersten Fahrradweg der Welt

Die erste Probefahrt absolvierte Drais am 12. Juni 1817 von Mannheim zu einer sieben Kilometer entfernten Pferdewechselstation und wieder zurück. Nur von Muskelkraft vorwärtsbewegt, erreichte das „Veloziped“ eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 Stundenkilometern und schlug damit die Postkutsche um Längen.

Ob das nun Radweg Fahrradweg oder sonstwie heißt ... Die Autobahn hat der auch nicht erfunden, wird aber immer behauptet ... lasst uns beim Thema bleiben wenn hier schon jemand nach unseren Wünschen fragt. ;)
 
If you want to see how not to make a cycle route I recommend EuroVelo 1 between St Jean de Luz and the Spanish border. It is also very useful if you have done some repairs or mounted new fender. etc. If the screws are not tight you will quickly find out which ones!

The alternative to infrastructure is respect. If everyone respected the road code there would be fewer problems...
 
Landstraßen, ordentliche Landstraßen sind die perfekte Überlandinfrastruktur.
Yepp! Auf der Landstraße ist es zudem viel sicherer und man kommt mit dem VM vor allem deutlich schneller voran.

...und ohne diese abrupten 90 Grad Schwenks und anderen Schnickschnack, der dem Zweck von A nach B zu gelangen zuwiderläuft.
Diese dämlichen engräumigen 90° Radwegsverschwenkungen auf die man regelmässig vor Nebenstraßen trifft, sind der Grund das ich mit dem VM so gut wie nie begleitende Radwege von Landstraßen benutze.

Aus nem anderen Faden (Hervorhebungen von mir):
Bei uns sind viele Radwege von durchwachsenden Baumwurzeln durchzogen, haben Risse oder es sind Kieswege. Wenn ein Radweg neben einer Bundes- oder Landstraße her läuft, dann gibt es auch oft Situationen, wo man erst ein Stück in den angrenzenden Wald geführt wird (Weg immer noch befestigt), dann geht es etwas abwärts, die Auto-Fahrbahn läuft also wie auf einem Bahndamm leicht erhöht weiter, dann gibt es eine scharfe Linkskehre mit anschließender Bergaufpassage, man muss dann die Fahrbahn überqueren und der Radweg führt "same procedure" links neben der Fahrbahn weiter. Evtl. wiederholt sich das dann nach 5km wieder. Drängelgitter sind dort zum Glück eher selten.

Wer in meiner Ecke lebt: Mal von Geestland/Langen aus nach Bederkesa fahren.
Schlaglöchern, etc, kann man mit dem VM auf der Straße locker ausweichen. Wurzelaufrisse ziehen sich gern komplett quer über den begleitenden Radweg und werden selbst bei strahlendem Sonnenschein gern vom Baumschatten verdeckt.

Ach ja, und die Drängelgitter. VM-Fahrers liebster Freund. :mad:
Gern so eng gesetzt, das es schon für eine Mutter mit Kinderwagen zum Akt wird dort durchzukommen. Mütter von Zwillingen kommen nicht durch. (ich Trottel hab die Akkuflex die vor ein paar Wochen bei Lidl für kleines Geld angeboten wurde nicht mitgenommen)
 
Zuletzt bearbeitet:
Yepp! Auf der Landstraße ist es zudem viel sicherer und man kommt mit dem VM vor allem deutlich schneller voran.
Diese dämlichen engräumigen 90° Radwegsverschwenkungen auf die man regelmässig vor Nebenstraßen trifft, sind der Grund das ich mit dem VM so gut wie nie begleitende Radwege von Landstraßen benutze.
Sobald ich auf Radwege ausweiche, beginnen die Probleme. Auf der Straße wirst du i.d.R. gesehen und als Verkehrsteilnehmer akzeptiert, auf dem Radfahrweg bestenfalls kurz angesehen, meist geschnitten oder zur Bremsung genötigt.
Ein Velomobil ist zudem niedrig mit hoher Geschwindigkeit unterwegs. Ein abbiegender PKW wird das VM, wenn überhaupt, meistens zu spät wahrnehmen. Also für Linksabbieger die ja endlich die Lücke im Gegenverkehr nutzen möchten. Wer denkt da noch an den anschließenden Radweg.

Auf der Landstraße fahren ist schnell und sicher. Ganz ohne Risiko ist nichts im Leben. PKWs fahren ja auch zwischen LKWs ohne gleich in Panik zu geraten. Schlaglöcher und schlecht eingepasste Gullis sind ein großes Ärgernis - auch für PKWs.
 
ideale Velomobilstrecke: vernünftiger RAdweg...

nirgends sonst, kann ich 100km ohne einen einzigen Stop durchfahren, mit Durchschnittsgeschwindigkeit 38km/h, Reisegeschwindigkeit bis um 44-47km/h

Landstraße ist nur gut zu fahren, wenn sie wo am A der Welt ist und sehr wenig Verkehr...
mit nur moderatem Verkehr gehts schon los dass man immer wieder ausgebremst wird

der RAdweg oben den ich skiziert habe, ist bei mir von südlicher Donauinselzipfel nach Tulln und wieder zurück - 100km

Eigenschaften des Radweges: breit genug, dass man auch 2 nebeneinanderfahrende RAdfahrer noch mit dem VM mit Sicherheitsabstand überholen kann,
breit genug um z.b. mit einem Roadshark Trike auf dem Radweg in einem Zug umdrehen zu können,
breit genug um z.b. mit dem LIegerad 2 RAdfahrer zu überholen wärend ein weiterer entgegen kommt...
 
Wenn Du Lastenrad fährst, stell Dir einfach ein mehrspuriges Lastenrad vor, welches 50 km/h schnell wird, aber mit der Masse Deines Lastis dahin beschleunigt werden muss (also nicht wie bei einem Pedelec). Dann bist Du auf der richtigen Spur.

Die Infrastruktur für Überland ist in D fast perfekt: Landstraßen. Es reicht, darauf hinzuweisen, dass Überholer bitte 1,5 m Abstand halten und alle Verkehrsteilnehmer das Sichtfahrgebot einhalten. Wenn dann noch Deckschicht mit max 5 mm Größtkorn, nicht abgestreut und nicht geflickt drauf ist, dann ist die Velomobilwelt paradisisch. In Kreisverkehren keine Hügel in die Mitte, bitte - Sichtbeziehung!

Bei Radwegen: Nicht linksseitig, auf keinen Fall tiefer wg Blendung. Auf 50-60 km/h bemessen, also Kurvenradien großzügig, Gradiente ohne irgendwelche nicht einsehbare Kuppen und natürlich so wenig Höhenmeter wie möglich, also bitte Massenausgleich in welligem Gelände: Einschnitt, Damm, Einschnitt.... nicht wie so oft mit Minimaltragschicht aufs Gelände asphaltiert. Äh also eigentlich einfach wie eine Kreisstraße anlegen.... Unaufmerksame Velomobilisten freuen sich auch über ein tragfähiges Bankett. Winterdienst!!!!
 
@Nils fahr mal die Vennbahn entlang. Die entspricht zu 95% meiner Idealvorstellung.
Man schafft es durchaus in 3 Stunden von Luxemburg nach Aachen im VM zu fahren, aber nicht am Wochenende im Sommer ;)
 
Meine Empfindung nach der OBT-Tour in NL:
Die können Radwege! Gut beschildert, durchdacht und vor allem zu Ende gedacht - also fängt nicht plötzlich benutzungspflichtig und breit an und endet 2 km weiter in der Pampa.

Meine Empfindung nach dem Rückfall in die Deutsche Infrastruktur:
Bei uns sind Radwege oft Abschiebestreifen. Irgendwie halbherzig angelegt, damit die armen, gefährdeten Radfahrer weg von den Autos kommen - oder besser um sie abzuschieben, dass sie den heiligen Autoverkehr nicht stören und in oben schon geschilderte, unzumutbare Situationen zu drängen.

@Nils : es ist super, dass Du Dich informierst. Leihe Dir doch bei Gelegenheit mal ein Velomobil für ein Wochenende (oder länger) und "erfahre" es selbst. Macht süchtig!
 
Leihe Dir doch bei Gelegenheit mal ein Velomobil für ein Wochenende (oder länger) und "erfahre" es selbst.
Danke, das wird dann sicher Schritt zwei. Es stehen auch im Bekanntenkreis demnächst einige Mobilitätsentscheidungen an, bei denen das Thema Velomobil auch aufkam.
 
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