Trommelbremse nach V-Brake-Prinzip

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Hallo zusammen!

Die Trommelbremsen von Sturmey&Archer sind ja ziemlich alternativlos, aber es gibt einigen Verbesserungsbedarf, der zum Teil schon umgesetzt wurde:
  • @Joggl und @Lutz/Co haben sich der Bremstrommeln angenommen, die Kühlung verbessert und das Gewicht reduziert.
  • Die Federbeine von @McElburg bzw. @DanielDüsentrieb machen die massive Grundplatte überflüssig und vereinfachen die Befestigung.
  • @Gear7Lover hat sich mit da Tilla der Bremszug-Einstellung und mit da Clamp der Bremszug-Klemmung gewidmet.
Jetzt habe ich mir mal die Bremse selbst angeschaut. Da scheint mir vor allem der drehende Bremsnocken problematisch zu sein:
  • Die lineare Bewegung des Bremszugs wird über den Hebel in eine Drehbewegung umgesetzt, und über Bremsnocken und Gleitschuhe wieder in eine lineare Bewegung, die die Bremsbeläge auseinander drückt.
  • Vor allem die Seitwärtsbewegung des Bremsnockens auf dem Gleitschuh scheint mir viel Reibung zu erzeugen, zumindest wenn Verschmutzung hinzukommt.
  • Reibung sorgt dafür, dass die Bremse schwer einstellbar ist: entweder schleift sie, oder es gibt zu viel Leerweg.
  • Wenn man den Bremszug kontrolliert, stellt man oft fest, dass dieser trotz vieler Biegungen ziemlich reibungsarm ist; die Reibung muss also in der Bremse auftreten.
Also habe ich eine neue Bremse konstruiert:
  • Diese funktioniert nach dem Prinzip der V-Brake; d.h. es gibt keine Drehbewegung mehr, sondern zwei überkreuzende Bremshebel werden vom Bremszug zusammengezogen und drücken dabei die Bremsbeläge auseinander.
  • Das eliminiert nicht nur Dreh- und Gleitbewegungen, sondern auch die Notwendigkeit für Gleitschuhe.
  • Da es keine zunehmende Seitwärtsbewegung des Bremsnockens mehr gibt, entfällt auch die Notwendigkeit, bei Belagverschleiß die Gleitschuhe mit Shims zu unterfüttern. Jetzt ist die Rückstellkraft immer gleich gut, man muss nur noch den Bremszug nachstellen.
  • Da der Bremszug direkt zwischen den Hebeln befestigt ist, braucht man keinen Gegenhalter mehr, sondern hat mehr Freiheit, die Bremse so zu drehen, dass sie zur Richtung des Bremszugs passt. So kann dieser kürzer sein und weniger Biegungen haben.
  • Die Klemmung des Bremszugs am Hebel kann gleich richtig gemacht werden, so dass der Bremszug beim Klemmen nicht zerstört wird, sondern mehrfach verwendet werden kann. Und die Klemmung ist kein zusätzliches Bauteil, sondern integriert.
  • Nachteil ist der erhöhte Platzbedarf; aber der Platz sollte neben dem Rad sowieso vorhanden sein.
Konstruktionsprinzip:
  • Die Bestandteile der Bremse sind aus 3 mm dickem Edelstahlblech gelasert.
  • Die sonstigen Schrauben, Gewindehülsen etc. richten sich danach, was es bereits fertig zu kaufen gibt und möglichst wenig angepasst werden muss.
  • Die Hebellänge ergibt eine 7-fache Übersetzung; das ist ungefähr gleich dem Verhältnis zwischen den Längen von Bremshebel und Bremsnocken der Original-Bremse.
  • Die größte Herausforderung war, alles in der kleinen 70-mm-Bremse unterzubringen.
  • Gewichtsmäßig ist überhaupt nichts optimiert; erst einmal sollte es einfach funktionieren.
  • Trotzdem komme ich auf ca. 160 g (mit Bremsbelägen), im Vergleich zu ca. 245 g bei der Original-Bremse.
Hier sind die Bauteile:
20220205_125042.jpg
Zusammengebaut:
20220205_125819.jpg20220205_125915.jpg
Am Federbein:
20220205_130302.jpg20220205_130323.jpg
Mit gedrückten Bremshebeln:
20220205_130345.jpg

Dies war mein erstes CAD-Projekt; sämtliche Dateien findet man hier zum Download, inklusive DXF-Dateien, mit denen ich die Laser-Teile bestellt habe.

Sobald ich die Bremse am Velomobil montiert habe, werde aus der Praxis berichten können.
 
Interessante Arbeit! Und wenn ich das richtig sehe, muss für 90mm Bremsen nur das mittlere Blech geändert werden, was über die Achse kommt.
Auf dem ersten Bild fehlt aber noch die Abstützung an den Stoßdämpfer, oder?
 
Und wenn ich das richtig sehe, muss für 90mm Bremsen nur das mittlere Blech geändert werden, was über die Achse kommt.
Genau.
Auf dem ersten Bild fehlt aber noch die Abstützung an den Stoßdämpfer, oder?
Nein, das ist eigentlich auf allen drei Bildern mit Federbein drauf – nur noch nicht richtig angeschraubt, die Schraube am Federbein steht noch ziemlich weit raus. Diese Drehmomentstütze wird einfach mit an die Gewindehülse, die als Gelenk für die Bremsbeläge dient, angeschraubt.
 
Sehr interessant. Dass heisst, man könnte die Bremse auch von unten ziehend betätigen? Bist Du schon gefahren? Wie läaast sich das ganze dosieren und vor allem, wie ist die Rückstellkraft?
 
Genug Platz zum Lenkung einschlagen ist noch vorhanden?
Nehme ich an. Das Limit ist ja normalerweise beim Reifen, nicht bei den Speichen. (Die Bremshebel reichen nur bis ungefähr 1/3 des Radius des Rades. Auf dem Foto kommt es nicht so raus, aber die Bremshebel reichen weniger weit nach außen als die Lenkplatte.)

Und wenn es nicht geht, dann kann man eben die Bremse nicht ganz so quer stellen wie auf den Fotos, sondern aufrechter, so dass die Bremshebel näher am Federbein sind. Man muss nur die Länge der Drehmomentstütze anpassen.
Dass heisst, man könnte die Bremse auch von unten ziehend betätigen?
Ja; wenn man sie so montiert, wie auf den Fotos gezeigt, käme der Bremszug von unten; die Außenhülle endet an der umgebogenen Lasche des Bremshebels, und der Innenzug geht durch die Lasche und wird am anderen Bremshebel festgeschraubt.
Bist Du schon gefahren?
Nein.
Wie läaast sich das ganze dosieren und vor allem, wie ist die Rückstellkraft?
Dosieren: Ich nehme an, wie die Original-Bremse, da das Hebelverhältnis gleich sein sollte. Vielleicht etwas härter, weil das seitliche Gleiten des Bremsnockens wegfällt.

Rückstellkraft: Sollte höher sein; es kommt die selbe Feder zum Einsatz, aber es gibt weniger Widerstand, der das Rückstellen bremst.
 
Wenn ich das Prinzip überrissen hab fehlt die zentrierende Wirkung des Bremsnockens. Die Beläge können ohne dass der Zug gezogen wäre gemeinsam seitwärts wandern bis ein Belag an die Trommel kommt. Oder hab ich Rückstellanschläge übersehen?

Ausserdem können/werden sich die Beläge ungleich abnützen, oder?
 
Eigentlich kannst das trocken simulieren wenn Du eine Trommelnabe draufmachst und die Schere seitwärts bewegst ohne sie zusammenzuziehen bis es schleift.
 
Ließe sich ein Rückstellanschlag nicht am Drehpunkt der Feder umsetzten? Wäre dann nicht supersteif, weil ja die Federarme dann die ungewollte Bewegung abfangen, aber die Massen und Beschleunigungen scheinen mir überschaubar.
Die V-Brake macht ja ihr Lageeinstellung auch mehr oder weniger nur über die Federn...

Aber ich greife vor...erstmal probieren. Prima Idee @Christoph Moder .
Irgendwann ist Schmutz und Korrosion evtl ein Thema?
 
Die V-Brake macht ja ihr Lageeinstellung auch mehr oder weniger nur über die Federn...
Die hat aber auch nicht die Eigenschaft das sich die eine Bremsbacke Richtung Trommel ziehen will sobald der Kontakt da ist. Die Gefahr ist groß das sich die eine Backe zuverlässig löst und die andere an der Trommel bleibt. Deswegen ist die von @Gear7Lover angesprochene zentrierende Wirkung notwendig. Ich bin gespannt auf die ersten Erfahrungen mit dem Prinzip.

Gruß
Daniel
 
Wenn ich das Prinzip überrissen hab fehlt die zentrierende Wirkung des Bremsnockens. Die Beläge können ohne dass der Zug gezogen wäre gemeinsam seitwärts wandern bis ein Belag an die Trommel kommt. Oder hab ich Rückstellanschläge übersehen?
Ja, du hast Recht. Das ist bisher nicht vorgesehen, und ich war mir auch nicht bewusst, dass das ein Problem sein könnte.

Aber so ganz kann ich mir das nicht vorstellen. Denkbar wäre ja nur, dass der auflaufende Bremsbelag durch eine Erschütterung Kontakt zur Trommel bekommt – aber wird er dann gleich so fest an die Trommel gezogen, dass er sich nicht mehr von alleine löst? Ich dachte, dafür braucht es eine nennenswerte Andruckkraft. Das Blockieren bei verschlissenen Bremsbelägen passiert nach meiner Erfahrung nicht beim leichten Bremsen, sondern nur, wenn man die Bremse voll gezogen hat.

=> Man könnte dieses Problem beheben, indem man an den Hebelgelenken einen kleinen Nocken macht, der verhindert, dass sich die Hebel um 360° drehen lassen, sondern dass bei Parallelstellung ein Anschlag ist.
Ausserdem können/werden sich die Beläge ungleich abnützen, oder?
Ja. Aber ist das ein Problem? Ich erwarte, dass der auflaufende Bremsbelag sich stärker abnutzt, weil beide gleich stark angedrückt werden. Ich sehe es als Feature, dass die Beläge immer gleich stark angedrückt werden, egal wie unterschiedlich verschlissen sie sind. Dann kann man sie tauschen, und es passt immer noch.
 
Denkbar wäre ja nur, dass der auflaufende Bremsbelag durch eine Erschütterung Kontakt zur Trommel bekommt
Ich vermute auch das die Rückstellung durch die Feder ausreichend ist. Ich würde aber vielleicht einen Versuchsaufbau machen bei dem du das Rad antreibst und dann die Bremse prüfst.
Wenn es dann doch Probleme gibt musst du das nicht erleben. Ich glaube nicht das es toll wäre wenn sich bei hoher Geschwindigkeit eine Bremsbacke in die Trommel „graben“ will. Wenn das dann nur auf einer Seite passiert ist der Abflug heftig. Daher vorher prüfen und vielleicht gibt es mit der Mechanik kein Problem.

Gruß
Daniel
 
aber wird er dann gleich so fest an die Trommel gezogen, dass er sich nicht mehr von alleine löst?
Nä selbst der worst case neue 90er Beläge nach Regenfahrt sind zwar übellaunig giftig weil viel zu viel Selbstverstärkung, aber die Rückholfeder mag sie wieder lösen, wenn es denn eine Zentrierung gibt an der sich das Konstrukt abstützen kann.

Ausprobieren geht über Studieren. :)
 
Man kann glaub ich schon eine schwimmende Spreizung der Beläge machen, siehe hydraulische Simplex Trommelbremse (hinten an älteren Autos) wenn die Rückstellung Anschläge hat. Dann löst sich halt zuerst der ablaufende Belag bis er auf Anschlag eingefahren ist und dann zieht die Rückholfeder den auflaufenden Belag ebenfalls noch zurück. (Ausgehend von einer "schwimmenden" Rückholfeder, die nur die Beläge zusammenzieht aber sonst nirgends befestigt ist, wie bei Sturmey Archer.)
 
Vielleicht möchtest Du später die Hebelei umdrehen und um die Achse herumführen. Dann steht sie erstens nicht so heraus und zweitens kann man dann eine Zentrierfeder anbringen, falls nötig. Aber probier erst mal.
 
Diese könnte man an der mittleren Aufnahme relativ einfach integrieren.
Die Anschläge müssen aber nachstellbar sein. Wenn der Zug nachgestellt wird müssen die Anschläge mitwandern sonst werden sie unwirksam. Ich meinte V-Brake Zentrierung ginge ebenfalls über nachstellbare Anschläge, aber ich hatte schon lange keine mehr in den Fingern.
 
Geniale Idee!
Spräche etwas dagegen, das ganze 90 Grad zu drehen, dass die Hebel senkrecht stehen?
Nach unten vermutlich nicht genügend Platz für die Geometrie. Aber nach oben sollte ja gehen.

Beim Alpha-Federbein sind die Drehpunkte ja oben und unten direkt mit am Federbein...
 
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