Spinner oder Propheten?

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Ein Traum: Es möge dereinst wenigstens so viele Karosserieräder geben, daß jeder Velomobilist täglich einem anderen begegnet. (Jürgen Eick, Leitra-Fahrer seit neun Jahren und Professor für Wärmetechnik in Wiesbaden).

Aber wenn dieses Verkehrsmittel so toll ist, wie seine Nutzer unisono versichern: Warum gibt es dann nicht viel mehr Velomobile? Die Verzweiflung, die diese Frage auslöst, wirkt fast komisch. Die Veloenthusiasten wissen, daß sie die Lösung fast aller Verkehrsprobleme kennen - und niemand sich dafür interessiert. Die Fertigung in Kleinserien sei zu teuer, sagt Eick, Marketing und Service ließen zu wünschen übrig.

Noch fehle den Velomobilen der "wow-appeal"; erfolgreich werde das Karosserierad erst, "wenn Achtzehnjährige es auf der Straße sehen und sagen: Das muß ich haben."

Liebe Leute!
Die oben aufgeführten Zitate aus einem Zeit-Artikel (siehe Pressespiegel in der Wiki) beschäftigen mich schon sehr.
Wie kommen wir aus der Ecke der verträumten Bastler heraus, die sich darin sonnen, anders zu sein als alle anderen, die Auto fahren, sich ihre eigenen Verkehrsregeln machen (siehe Radwege-Benutzungspflicht usw.), und gelernt haben, sich damit abzufinden, belächelt oder ausgelacht zu werden -
Mir wurde von einem Bekannten schon einmal ein Auto angeboten, der so viel Mitleid hatte, dass ich Fahrrad fahren muss. Er konnte das garnicht verstehen, dass ich das Angebot von Herzen abgelehnt habe.

Geschmack macht einsam - vielleicht gilt das auch für Velomobilisten...

Nachsatz:
an alle mitlesenden Millionäre:
In jedem Autohaus mindestens ein Velomobil zum Probefahren - das wär doch was!
 
AW: Spinner oder Propheten?

Wir werden wohl in der Spinner-Ecke bleiben, solange die Menschen

- sich weiterhin intensiv mit ihren Autos identifizieren;
- die körperliche Bequemlichkeit (deren Folgen dann wieder prestigeträchtig im Fitness-Studio abgearbeitet werden) vor ein real positiveres Körperempfinden stellen und körperliche Aktivität im Alltag als vermeidenswürdig gilt, m.E. ein Bewusstseinserbe vergangener Jahrhunderte;
- sich noch nicht auf breiter Basis intensiv mit der Klimaproblematik und den Kollateralschäden beschäftigt haben und die daraus folgenden Ergebnisse nicht auf die Ebene der Gewissensfragen angekommen sind;
- der Verbund Bahn / HPV als allgemeingültiges Verkehrsmodell angesehen wird, samt allen Vorkehrungen seitens der Bahn. Leider wurde dem durch das große Nebenbahnsterben in den 70-er Jahren der Boden weitgehend entzogen, eine Entwicklung, die weiter anhält.
- die Freuden der Regionalisierung entdeckt haben, also die langsame, einlässliche Wiederentdeckung der nahen Umgebung anstelle des Ferntourimus (wobei das Parradoxon des motorisierten Fernverkehrs oft darin besteht, dass die Schönheit der unmittelbaren Umgebung dem Erreichen der Fernziele geopfert wird);
und
- sich dem Konformismus anheimgeben und ein Fahrrad / HPV - auch wenn es realiter mehr wert als ein Auto ist - unreflektiert als Symbol des sozialen Abstiegs angesehen wird.

Der größte Feind unserer Umwelt ist nicht die Luftverschmutzung etc..., sie resultiert aus der inneren Faulheit unserer Mitmenschen. Solange wir nicht erkennen, dass Freiheit aus - oftmals schmerzhafter - innerer Aktivität resultiert, wird sich nicht viel ändern. Diese Aktivität kann aber nur jeder Einzelne in sich entfalten und muss aus Freiheit erfolgen. Die zentrale Frage ist für mich daher, wie dieses geschlossene System durchbrochen werden kann.

Grüße, Martin
 
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AW: Spinner oder Propheten?

In jedem Autohaus mindestens ein Velomobil zum Probefahren - das wär doch was!
Es wäre eine gute Idee der Hersteller, wenn sie echte Velomobile von ihrer Designabteilung entwickeln ließen - Fahrräder von BMW und Porsche gibt es ja schließlich auch und die sind gar nicht mal schlecht, leider aber sehr teuer. Wenn auch nur ein Autohersteller damit anfinge, ein wirklich praxistaugliches VM zu bauen und zu verkaufen, dann würden andere sicher rasch nachziehen. Ein VM à la Alleweder, aber mit einem richtigen Deckel, den man offen mitnehmen kann, dem Einstieg eines Versatile oder einer Leitra und dem Gewicht und der Aerodynamik eines Rennquests... *träum*

Was wir im Moment haben, sind professionalisierte Bastellösungen, aber keine wirklich von großen Herstellern mit entsprechend vielen Mitarbeitern entwickelten VMs.
Ein großer Hersteller hat z.B. einen Windkanal, eine Designabteilung, ein Entwicklerteam. Es werden Tonmodelle hergestellt und viele Teile passend gefertigt. Heutzutage ist ein VM eine Hülle mit Fahrradteilen. Und überall stehen Schrauben raus und viele Innenflächen sind enweder rau(h) (Glasfaser) oder scharfkantig und voller Nietenköpfe (AW).
Natürlich kostet eine solche Entwicklung ein irres Geld, aber die verkauften Stückzahlen holen das ja wieder rein. Und selbst wenn nicht: Mit einem VM im Programm kann sich ein Automobilhersteller als ökologisch korrekt darstellen. Dass dies anfänglich* ein Feigenblatt ist, kann uns wurst sein: wir kommen endlich an professionelle VMs ran.

*Wenn es keinen Sprit mehr gibt, bleibt den Autoherstellern eh nichts anderes mehr übrig.
 
AW: Spinner oder Propheten?

Solange wir nicht erkennen, dass Freiheit aus - oftmals schmerzhafter - innerer Aktivität resultiert, wird sich nicht viel ändern. Diese Aktivität kann aber nur jeder Einzelne in sich entfalten und muss aus Freiheit erfolgen.

Hallo Martin,

da hast Du sehr wahre Worte geschrieben. Ich denke derzeit ist es das Beste mit gutem Beispiel voran zu gehen (bzw. zu fahren). Wichtig ist auch ein offener Umgang mit dem Thema, damit die nicht VM-Fahrer merken, dass es ja eigentlich "ganz normale" Leute sind, die sich da so komisch fortbewegen.

Derzeit besteht wohl wirklich noch die Hemmschwelle, oder Angst, in einen Kreis aus "Spinnern" abgeschoben zu werden, wenn man vom Auto Abstand nimmt. Aber je mehr wir werden, desto normaler wird es für die Bevölkerung.

Ich denke es wird anfangs immer nur ganz langsam vorangehen. Aber wenn in ein paar Jahren eine kritische Masse an Velomobilen erreicht sein wird, dann geht es schnell. Also hilft derzeit nur:

Gedult,
Freundlichkeit,
Offenheit.

Auch Autos waren anfangs nur etwas für Spezialisten und Spinner!

Grüße
Thomas
 
AW: Spinner oder Propheten?

*Wenn es keinen Sprit mehr gibt, bleibt den Autoherstellern eh nichts anderes mehr übrig.

Bleibt die Frage, ob es dann wirklich die Autohersteller sind, die VMs anbieten "müssen". Ich denke eher es werden ganz andere, bisher noch eher unbekannte Firmen sein.

Aber ein Traum wäre so ein professionell entwickeltes VM zum Großserienpreis schon... :D

Grüße
Thomas
 
AW: Spinner oder Propheten?

Das Dumme daran, wir würden etwas alt aussehen, mit unseren mittelalterlichen und teuren Velomobilen, wenn ein Designer-Velomobil tatsächlich einmal in Serie gehen würde....

Eusebius
 
AW: Spinner oder Propheten?

Ja und? Dafür könnten wir in dem stolzen Bewusstsein fahren, dass wir Pioniere eines zukunftsweisenden Verkehrsmodells waren. Ich stelle mir schon die Zeitschrift vor: "HPV Classic, die Zeitschrift für Liebhaber klassischer Velomobile" Aufmacher: "Sensation. Leitra von 1986 restauriert." oder "Wiederentdeckt: Der originale Alleweder-Prototyp." :D
P.S.: Eusebius, guck mal in Deine Mehlbox!

Grüße, Martin
 
AW: Spinner oder Propheten?

Das Dumme daran, wir würden etwas alt aussehen, mit unseren mittelalterlichen und teuren Velomobilen, wenn ein Designer-Velomobil tatsächlich einmal in Serie gehen würde....
Eusebius

Damit könnte ich gut leben,
es ist schließlich etwas besonderes, ein Pionier zu sein. :cool:
Schließlich haben wir dann durch unser Beispiel und Vorbild mit dazu beigetragen, dass es überhaupt zu Designer-VMs gekommen ist. Und das bezahlte Geld ist mir ein gutes Umweltgewissen allemal wert!

Grüße
Thomas
 
AW: Spinner oder Propheten?

Liebe Leute,
Ihr überseht offenbar etwas. Ein Velomobil scheint mir ein Luxusspielzeug für elitäre Etablierte, für "Besserverdienende" zu sein, auch wenn es das Auto ersetzt und täglich für Arbeitswege genutzt wird. Leute, die sich Haus und Garten leisten können, oder das Geld haben, sich einen extra Abstellraum zu mieten.
Wer im xten Stock im (Sozialwohnungs) Hochhaus wohnt, kann sich kein VM leisten, weil er schon gar keine Abstellmöglichkeit hätte. Das Haus hat vielleicht einen Diebesgutbereitstellungskeller, genannt "Fahrradkeller" (meist nur über verwinkelte Treppen/Gänge erreichbar), aber das ist es dann auch. Und draußen auf dem Parkplatz oder der Straße lassen? Wie schnell wäre es gestohlen oder mutwillig zerstört? Das Auto bietet da eher die Garantie, dass das in das Fahrzeug investierte Geld nicht schon bald als Verlust abgeschrieben werden muss.
Also ich bleib lieber bei meinem Fahrrad und investiere in eine Jahreskarte für den Verkehrsverbund.

Grüßle

EHW
 
AW: Spinner oder Propheten?

Liebe Leute,
Ihr überseht offenbar etwas. [...] Und draußen auf dem Parkplatz oder der Straße lassen? Wie schnell wäre es gestohlen oder mutwillig zerstört? Das Auto bietet da eher die Garantie, dass das in das Fahrzeug investierte Geld nicht schon bald als Verlust abgeschrieben werden muss.

Da ist natürlich was wahres dran. Allerdings stellt sich die Frage, warum ein Auto sicher draußen stehen kann und ein VM nicht? Das muss dann wohl etwas mit der inneren Einstellung der Menschen zu tun haben. Selbst unter "Vandalen" ist anscheinend ein Auto als Wertgehenstand akzeptiert, ein VM ist dagegen (noch) etwas exotisches und damit "zerstörenswertes". Und ich denke auch diese Einstellung kann sich bei genügend Verbreitung der VM-Idee ändern.

Grüße
Thomas
 
AW: Spinner oder Propheten?

Liebe Leute,
Ihr überseht offenbar etwas. Ein Velomobil scheint mir ein Luxusspielzeug für elitäre Etablierte, für "Besserverdienende" zu sein, auch wenn es das Auto ersetzt und täglich für Arbeitswege genutzt wird. Leute, die sich Haus und Garten leisten können, oder das Geld haben, sich einen extra Abstellraum zu mieten.
Na,Na,Na! das ist jetzt aber etwas weit weg der Wirklichkeit und wiederspricht sich selbst. Würden wir hier eine Diskussion über SUV`s führen, wäre ich Deiner Meinung. Aber alle über einen elitären Kamm zu scheren die VM fahren, zeugt von nicht allzu großem Wissen über die Materie und die Szene.
Gruß
Oliver
 
AW: Spinner oder Propheten?

Eigentlich ein Problem der Infrastruktur: Auch vor den Sozialwohnungsblöcken gibt es meiner Wahrnehmung Parkplätze für die Bewohner, hingegen keine sicheren Fahrradabstellplätze. Hier wieder das Problem, dass Fahrräder von den Planenden als zweitrangiges Verkehrsmittel betrachtet werden. Wenn mit der CO2-Reduktion ernst gemacht werden soll, muss auch die Schaffung dieser Infrastrukturen Teil der Maßnahmen dazu sein. Hier tut ein ganz feinmaschig vernetztes Denken not.

Ansonsten muss ich EHW zustimmen: Der Fahrradkeller meines Studentenwohnheimes in Freiburg war genau, wie er es beschrieben hat. :rolleyes:

Grüße, Martin
 
AW: Spinner oder Propheten?

Liebe Leute,
Ihr überseht offenbar etwas. Ein Velomobil scheint mir ein Luxusspielzeug für elitäre Etablierte, für "Besserverdienende" zu sein, auch wenn es das Auto ersetzt und täglich für Arbeitswege genutzt wird. Leute, die sich Haus und Garten leisten können, oder das Geld haben, sich einen extra Abstellraum zu mieten.
Wer im xten Stock im (Sozialwohnungs) Hochhaus wohnt, kann sich kein VM leisten, weil er schon gar keine Abstellmöglichkeit hätte. Das Haus hat vielleicht einen Diebesgutbereitstellungskeller, genannt "Fahrradkeller" (meist nur über verwinkelte Treppen/Gänge erreichbar), aber das ist es dann auch. Und draußen auf dem Parkplatz oder der Straße lassen? ...........
EHW

Genausowenig, wie es den typischen Autonutzer gibt, gibt es den typischen Velomobilnutzer. Aber sicherlich wäre es für viele 'Mobilisten' möglich, die durch den Autoverzicht eingesparten Kosten in einen Abstellraum oder einen velomobiltechnisch günstiger gelegenen Wohnort zu investieren.

Grüße

bernd i.
 
AW: Spinner oder Propheten?

Da ist natürlich was wahres dran. Allerdings stellt sich die Frage, warum ein Auto sicher draußen stehen kann und ein VM nicht? Das muss dann wohl etwas mit der inneren Einstellung der Menschen zu tun haben. Selbst unter "Vandalen" ist anscheinend ein Auto als Wertgehenstand akzeptiert, ein VM ist dagegen (noch) etwas exotisches und damit "zerstörenswertes". Und ich denke auch diese Einstellung kann sich bei genügend Verbreitung der VM-Idee ändern.

Grüße
Thomas

Nö, das hat damit zu tun, dass das Auto aus Stahl ist, und abschließbare Türen hat. Außerdem sind die Teile relativ stabil gebaut. Trete einfach mal heftig gegen ein Autorad. Außer dass Dein Fuß schmerzt, passiert Garnichts. Trete genauso heftig gegen ein Velomobilrad. Die Folgen brauch ich wohl nicht zu erklären. Desgleichen gilt für die Karosserie.
Soll heißen, man kann mit weniger Aufwand mehr zerstören.
Außerdem bietet sich so ein Teil leichter zum "Ausleihen" und Herumgegurke an, da erheblich leichter zu öffnen.
Solange also nicht für jede Wohnung eine geschützte "Garage" bereitsteht, wird der VM-Absatz niedrig bleiben.
Grüßle

EHW
 
AW: Spinner oder Propheten?

Ach ja, immer diese umfangreichen gesellschaftspolitischen Themen.

Ich glaube nicht, das (momentan) ein Markt für eine "VolksVM" vorhanden ist.
Wie @EHW schon schrieb, werden VMs und andere "Hightech Velos" eher als ein Spielzeug technikverliebter großer Jungs oder auch als luxus Freizeitsportgeräte betrachtet, aber nicht als Alltagsgefährte, die in der Lage wären, unter den gegebenen Konkurrenzbedingungen den MIV in der breiten Masse zu ersetzen (was natürlich nicht ausschließt, das Velomobilisten eben gerade das tun, nämlich ihren MIV damit ersetzen).
Und gerade dort, wo VMs den größten Vorteil haben könnten, nämlich als Alltags-Nahverkehrsmittel in Großstädten und Ballungszentren, entbrennen auch unter den "spinnerten Propheten" heiße Diskussionen.

Um das Velo mit all seinen Facetten als Nahverkehrsmittel zu fördern, bräuchte es wohl einen recht massives politisches Engagement und gezielte Umgestalltung gesellschaftlicher Werte (öffentliche Meinungsbildung/-beeinflussung).
Zeit ist Geld und privater Raum Prestige. Um so schneller ich mich fortbewegen *kann*, um so "erfolgreicher" kann ich sein und je mehr privaten Raum ich um mich herum beanspruchen kann, um so mächtiger kann ich mich fühlen. Will ich meine Freude über ein Ereignis zum Ausdruck bringen, gehe ich nicht etwa auf die Straße und feiere mit meinen Nachbarn, nein, ich setze mich in mein Auto und fahre hupend durch die Straßen. Das nennt sich dann Autokorso und ist eine gesellschaftlich anerkannte Hochform des Freudentaumels. Aber ich schweife ab.

Velos sind, jedes für sich, recht spezielle Verkehrsmittel. Die jeweiligen optimalen Einsatzgebiete sind rel. eingeschränkt. Auch eine VM ist nicht für alle Velofahrten das optimale Velo. Das bedeutet, ersetze ich den MIV durch Velos, benötige ich mehrere unterschiedliche Velos, um einen ähnlichen Komfort zu erreichen, wie mit dem MIV. Daraus folgt, Kosten bei Anschaffung und Unterhalt und der benötigte Stellplatz steigt schnell an, insbesondere bei Familien (man vergleiche einmal den Platzbedarf von drei bis vier VMs mit einem Klein- oder Mittelklassewagen für 3 bis 4 Personen - selbst mit Zweitwagen (Mamataxi) wird das schon eng). Der Mittel- und Fernverkehr läßt sich fast gar nicht mit dem Velo bewältigen (zumindest nicht in alltagsgerechten allgemein akzeptierten Zeiten, beispielsweise 100km Arbeitsweg = 3-4 Stunden). VM und Bahn sind keine massenverkehrstauglichen Kombinationen, dafür wäre der Platzbedarf von VM/Fahrgast zu hoch und die logistischen Probleme beim Ein-/Aussteigen auch recht massiv. Kommen zu den Velokosten auch noch Kosten für die regelmäßige Nutzung des ÖPV, gewinnt bei vielen der MIV recht deutlich bei der persönlichen Kosten/Nutzen Rechnung.

So, das war jetzt kein sehr ausführlicher und auch kein vollständiger Abriß zum Thema VM/Velo vs. MIV aber aus meiner Sicht die wichtigsten Punkte (die mir spontan einfielen).

Meine persönliche Antwort auf die Frage im Titel (auch wenn (noch) keine VM vorhanden ist):
Spinner? Ja, ein wenig. Prophet? Nein, ich will niemanden bekehren. Wenn überhaupt, dann geht es eher um überzeugen aber in erster Linie geht es um persönliche Interessen (Lebensgefühl/-qualität).

Grüße,
André - Autofrei bis auf seltene, gelegentliche Nutzung von Taxi/Mietwagen.
 
AW: Spinner oder Propheten?

Hallo,

Der größte Feind unserer Umwelt ist nicht die Luftverschmutzung etc..., sie resultiert aus der inneren Faulheit unserer Mitmenschen. Solange wir nicht erkennen, dass Freiheit aus - oftmals schmerzhafter - innerer Aktivität resultiert, wird sich nicht viel ändern. Diese Aktivität kann aber nur jeder Einzelne in sich entfalten und muss aus Freiheit erfolgen. Die zentrale Frage ist für mich daher, wie dieses geschlossene System durchbrochen werden kann.

das ist leider wahr, wenn ich mir ansehe, wie Mitstudenten 40min einen Parkplatz suchen um 15min Fußweg einzusparen. Das Semesterticket für den Stadtbereich müssen hier in Chemnitz übrigens alle Studenten kaufen.

Es wäre eine gute Idee der Hersteller, wenn sie echte Velomobile von ihrer Designabteilung entwickeln ließen - Fahrräder von BMW und Porsche gibt es ja schließlich auch und die sind gar nicht mal schlecht, leider aber sehr teuer. Wenn auch nur ein Autohersteller damit anfinge, ein wirklich praxistaugliches VM zu bauen und zu verkaufen, dann würden andere sicher rasch nachziehen. Ein VM à la Alleweder, aber mit einem richtigen Deckel, den man offen mitnehmen kann, dem Einstieg eines Versatile oder einer Leitra und dem Gewicht und der Aerodynamik eines Rennquests... *träum*

Glaubst du ernsthaft, dass Autohersteller sowas hinbekommen??? Da müssten die Leute dort ihre eingefahrenen Denkstrukturen ja verlassen. Da die Autofritzen einen großen Beitrag zur Finanzierung der Fakultät für mein Maschinenbau Studium leisten, "darf" ich mir auch immer ihre tollsten Forschungsthemen ansehen, echte Innovation ist da eher nicht dabei.
Wenn man dann noch als Zulieferer n-ten Grades gearbeitet hat (Praktikum), sind alle Illusionen weg, die können ja noch nicht mal innerhalb von 3 Versionen eine Zeichnung mit dem richtigen Werkstoff und Rohrdurchmesser zu beschriften.

Ihr überseht offenbar etwas. Ein Velomobil scheint mir ein Luxusspielzeug für elitäre Etablierte, für "Besserverdienende" zu sein, auch wenn es das Auto ersetzt und täglich für Arbeitswege genutzt wird. Leute, die sich Haus und Garten leisten können, oder das Geld haben, sich einen extra Abstellraum zu mieten.

Wobei die Ersparniss an Sprit, Versicherung, Steuer etc. einen Abstellraum finanzieren sollte.

Velos sind, jedes für sich, recht spezielle Verkehrsmittel. Die jeweiligen optimalen Einsatzgebiete sind rel. eingeschränkt. Auch eine VM ist nicht für alle Velofahrten das optimale Velo. Das bedeutet, ersetze ich den MIV durch Velos, benötige ich mehrere unterschiedliche Velos, um einen ähnlichen Komfort zu erreichen, wie mit dem MIV. Daraus folgt, Kosten bei Anschaffung und Unterhalt und der benötigte Stellplatz steigt schnell an, insbesondere bei Familien (man vergleiche einmal den Platzbedarf von drei bis vier VMs mit einem Klein- oder Mittelklassewagen für 3 bis 4 Personen - selbst mit Zweitwagen (Mamataxi) wird das schon eng). Der Mittel- und Fernverkehr läßt sich fast gar nicht mit dem Velo bewältigen (zumindest nicht in alltagsgerechten allgemein akzeptierten Zeiten, beispielsweise 100km Arbeitsweg = 3-4 Stunden). VM und Bahn sind keine massenverkehrstauglichen Kombinationen, dafür wäre der Platzbedarf von VM/Fahrgast zu hoch und die logistischen Probleme beim Ein-/Aussteigen auch recht massiv. Kommen zu den Velokosten auch noch Kosten für die regelmäßige Nutzung des ÖPV, gewinnt bei vielen der MIV recht deutlich bei der persönlichen Kosten/Nutzen Rechnung.

Wobei der Sinn der vielen Transport- und Pendlerfahrten ernsthaft zu hinterfragen ist (nicht für den einzelnen aber allgemein). Bei normalen Rädern passen 3-4 sicher auf den Parkraum eines Autos. Mit 2 Autos kann ich zwei Personen zu zwei Zielen fahren (gemeinsame Ziele sind ja eher selten). Mit 4 Fahrrädern kann ich vier Personen zu vier Zielen fahren. Für Lang- und Mittelstrecke empfiehlt sich eh die Bahn, weil man da während der Fahrt arbeiten, oder entspannen kann. Wirklich Problematisch ist nur die Langstrecke zu Dörfern, weil dort die Anbindung an den ÖPV sehr schlecht ist. Auto ist meiner Meinung nach nur für Lasttransporte sinnvoll.

Wo ich dir recht geben muss ist die Spezialisierung beim Rad, aber man kann ja auch die einzelnen Räder für mehrere Pesonen nutzen (Wenn die Größe der Fahrer nicht zu stark schwankt). Als Beispiel für eine Familie 4 Alltagstrikes oder Liegeräder (je nach Schneewahrscheinlichkeit), ein Lastenrad mit E-Motor, ein Anhänger evtl. noch Verkleidungen für die Trikes/Liegeräder. Damit dürften alle Mobiltätsprobleme im Nahbereich gelöst sein. Wenn man die Trikes( 0,9mx1,8m) dann eng nebeneinader stellt brauchen sie 3,6m x1,8m also ein Parklücke in die zweite passen Anhänger und Lastenrad dann allemal.
Alles andere wie RRs, MTBs, Rennliegeräder... sind Hobbygeräte, die sowieso zusätzlichen Platz beanspruchen.

Gruß

Christoph
 
AW: Spinner oder Propheten?

Meine noch sehr jungen Begegnungen mit Betrachtern unserer Leitra zeigen mir ein aufgeschlossenes Bild: Die meisten finden die Idee sehr interessant und überzeugen. Der Preis schreckt sie logischer Weise etwas ab, was ich gut verstehe.
Die sich anbahnende Energiekrise macht Velomobile sicher attraktiver als auch schon, sodass sie sich vielleicht bald etwas stärker ausbreiten.
Mir gefiele es nicht, wenn Automobilbauer plötzlich Velomobile bauen würden. Das sähe ja dann so aus, als wären sie diejenigen, die jetzt ein Konzept gegen das Auto gefunden hätten. Mir gefiele es, wenn bestehende Velomobilbauer irgenwann ihre Produktion weiter professionalisieren könnten...

Beste Grüsse
Eusebius
 
AW: Spinner oder Propheten?

Und gerade dort, wo VMs den größten Vorteil haben könnten, nämlich als Alltags-Nahverkehrsmittel in Großstädten und Ballungszentren, entbrennen auch unter den "spinnerten Propheten" heiße Diskussionen.

Genau davor würde mir grauen. Im Verkehrskollaps mitzuschwimmen und nicht wie die Aufrechtradler einfach am Stau vorbeifahren zu können. Ständig Ampeln, an denen man halten muss und danach erst wieder den Dampfer in Schwung bringen zu müssen, überall die freundlichen Stadtbewohner, die nur mit den Fingern schauen können, wenn sie nicht gleich mit Fußtritten die Stabilität eines Gegenstands testen.

Für mich liegt der größte Vorteil eines (schnellen) Velomobils in der Überbrückung längerer Distanzen und ich bin sehr glücklich, eine nahezu ideale Auslaufstrecke für mein Quest zu haben. 45km in die Arbeit und im Gegensatz zu meinen Kollegen bin ich hellwach, wenn ich anfange zu arbeiten. Und bei der Heimfahrt wirkt es als wunderbares Mittel, um wieder runterzukommen, die Gedanken wieder zu ordnen und nochmal Frischluft zu schnappen. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ich danach wunderbar schlafe. Wobei 20km Arbeitsweg auch reichen würden... ;)

Das Velomobil hat meine mit dem Rad erreichbare Reichweite deutlich erhöht. Wo ich früher ohne Nachzudenken mit dem Auto hingefahren wäre, überlege ich mir heute, ob es nicht auch mit dem Velomobil geht. Und auch längere Radreisen sind sehr bequem und mit recht hohen Tagesleistungen zu machen. Und das ohne schmerzenden Hintern und eingeschlafene Hände.

Und zu den Kosten: Sicher ist es erstmal eine heftige Investition, soviel Geld in ein Fahrrad zu stecken. Aber wenn ich bei mir rechne, dass ich beispielsweise an der Hälfte der Arbeitstage mit dem Velomobil zur Arbeit fahre, dann sind das etwa 10.000km pro Jahr, die mein Auto nicht zurücklegt. Rechne ich das Auto (niedrig) mit 20Ct/km und das VM (hoch) mit 10Ct/km Kosten, so ergibt sich eine Ersparnis von 1000€/Jahr durch das VM-Fahren. Das heißt, ein altes billiges Alleweder könnte sich schon nach einem Jahr Fahren vollständig abbezahlt haben, bei nem gebraucht gekauften Quest ;) oder nem Versatile dauert es halt etwas länger.

Wenn mich Leute mit großen Augen bestaunen, versuche ich immer so zu antworten, als ob es das normalste auf der Welt wäre. Meiner Meinung nach regt das wesentlich mehr zum Nachdenken an, als wenn man ihnen weltverbesserische Vorträge hält.

Viele Grüße,
Martin
 
AW: Spinner oder Propheten?

Hallo Alle,

bin leider erst relativ spät auf diesen Thread gestossen. Deshalb "antworte" ich mal eben auf ein paar Beiträge gleichzeitig:

Zum Thema "Elitäres VM":

Autos kosten mehr als Velomobile.

Gesellschaftliche Fehlentwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Lebensqualität der darin Wohnenden sollten schon aus sozialen Beweggründen heraus beseitig werden wollen, nicht nur deshalb, damit da dann auch draussen sicher VMs geparkt stehen können.

Gründsätzlich ist aber ein VM schon eine "vergrösserte Spezialversion" des Grundkonzeptes Fahrrad, das für die meisten Sozialwohnungswohnenden, zumindest in den urbanen Gebieten, in der Form Kompaktfaltrad eine zweckmässigere Lösung darstellen dürfte als ein VM oder gar ein Auto.

Uns allen wäre auch sicherlich dann schon sehr geholten, wenn alle, die das könnten, das nötige Kleingeld durch den Verkauf ihrer Dose beschafften davon dann auch ein VM kauften. Das liesse sich dann auch sicher in der eben freigewordenen Garage unterstellen.


Zum Thema "Lösung von Transportproblemen durch eine Auswahl von Fahrrädern in Kombination mit anderen Transportmitteln":

Das Auto ist das Versprechen der Industrie als Antwort auf das Bedürfnis sich bequem und schnell von A nach B zu bewegen. Diese Antwort ist - wie so oft bei industriellen Lösungen - zu gross, zu teuer, ressourcenverschwendent und - in letzter Konsequenz - inhuman ("Je grösser ein Lüge,...").
Das Fahrrad ist all dies nicht, erfordert aber vom Benutzer die Aneignung einiger - in meinen Augen durchaus erstrebenswerte - Eigenschaften. Da es dann nicht mehr nur eine Antwort auf die allermeisten Transportfragen, sondern derer viel mehr gibt, erfordert der Verzicht auf's Auto Flexibilität, Kreativität, ein gewisses Planungsvermögen, Fitness und eine gewisse Bereitschaft, persönlich Risiken auf sich zu nehmen.
Dies sind Eigenschaften, die bei einem Autobesitzer nur sehr schwach gefordert werden, die sogenannte Bequemlichkeit.
Schnell sind die Kisten in Wirklichkeit übrigens ganz und gar nicht, der Kürze wegen hier der übliche Verweis zu Ivan Illich's Energy and Equity.
Da rauszukommen ist für die Betroffenen sehr schwierig. Autos haben eine dem Heroin nicht unähliche Wirkung.

In meiner Familie haben wir zusammen rund 10 Fahrräder (2 Erwachsene, ein 4 1/2- und ein 2 1/2-jähriger), die uns einen einfachen, aktiven und erfüllten Alltag ermöglichen.
Eins von den 10 Rädern ist ein VM, weil ich auch bei schlechtem Wetter lieber 25 km zur Arbeit radle, als 1 km zu radeln, 15 km im Bus zu sitzen, 4 km in der S-Bahn zu fahren und danach noch 5 km zu radeln. Ginge zwar auch, anders ist allerdings schöner.

Ein Auto benutze ich übrigens ab und zu. Ein befreundeter Händler leiht mir seinen Transporter, wenn ich mal wieder 40-50 Bromptons ausliefern muss.


Zum Thema "VM und Industrie":

Dass die Autoindustrie anfängt, VMs zu bauen, kommt entweder (zu) spät oder gar nicht.
Die Autoindustrie lobbiiert seit ungefähr 100 Jahren äusserst erfolgreich gegen das Fahrrad und wird sich geradeso beherrschen können, einer weiteren Bedrohung ihres Umsatzes zum Durchbruch zu verhelfen. Die müssten dann schon - quasi auf dem Totenbett - noch die 180-Grad-Wende hinlegen. Vorher wird das nix.

Auch ist Industrie schon konzeptbedingt das Gegenteil von Fortschritt. Die meisten Industrien leben von Kontinuität und scheinbaren Neuerungen, meistens sogar nur in der Form.

Da ist es schon wahrscheinlicher, das eins der 2 folgenden Szenarios Realität würde:

- Ein sehr reicher Mensch entdeckt das VM als Vehikel seiner Ambitionen und ermöglicht die Serienproduktion. Wäre verdammtnochmal auch Zeit, wo sinnvolle Betätigungsfelder für Wohltätigkeit langsam knapp, die Superreichen immer zahlreicher werden und der CO2-Gehalt der Atmosphäre scheinbar unaufhaltsam ansteigt.

- Eine branchenfremde Industrie sucht Diversifikationsmöglichkeiten und stösst auf das VM. Das i-mobile wird geboren. Nokia sieht die Zeichen der Zeit und bläst zum Gegenangriff. :D

Verkaufen liesse sich das übrigens mMn ohne weiteres, auch zu heutigen Preisen. Mit etwas guter Werbung und etwas ausgereifteren Produkten könnte man das sicher auch an die breite Masse absetzen, gerade auch unter dem Aspekt des wachsenden Umwelt- und Körperbewusstseins.

Wünschen würde ich mir allerdings, dass stattdessen jeder jetzt in sein stilles Kämmerlein geht und den dringen angesagten Verhaltenswandel beschliesst, den Puter anschmeisst und schonmal ein VM bestellt.

Der Rest kommt dann von ganz allein.

Ach so, Prophet oder Spinner? Sicher von beidem ein bisschen. :D

Tschüss

Thorsten
 
AW: Spinner oder Propheten?

Wünschen würde ich mir allerdings, dass stattdessen jeder jetzt in sein stilles Kämmerlein geht und den dringen angesagten Verhaltenswandel beschliesst, den Puter anschmeisst und schonmal ein VM bestellt.

Noch eins? Puhhh, das wären dann vier... Hmmm, muss ich nochmal ne Nacht drüber schlafen. ;)

Grüße,
Martin
 
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