Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Frank T.

Gesperrt
Beiträge
923
So hier mal die Rohfassung meiner Englandreise. Ich werde später noch Bilder einfügen. Der Text ist ziemlich lang, Sieben Seiten in Word mit einfachem Zeilenabstand (nur als Warnung)..

Gruß
Frank

Di, 07.08.10.30h.

Nach letzten Vorbereitungen mache ich mich auf den Weg. Das Wetter sieht nicht besonders viel versprechend aus. Ich habe mich entschieden, über Venlo und Eindhoven zu fahren. Am Niederrhein und in Holland fährt es sich sehr angenehm. Bei der Um- bzw. durchfahrung von Venlo verfahre ich mich das erste Mal (es sollte leider in fast allen Städten so weiter gehen…). Tja, so ein Navi zum unkomplizierten Durchfahren von Städten wäre schon eine feine Sache…Leider ist der Radweg durch eine Riesenbaustelle in der Stadt unterbrochen, aber getreu dem Motto „bis zum nächsten Schild“ fahre ich weiter – die Warnung von Hanns im Ohr, besser umzudrehen, als stoisch weiter zu fahren. Ein Paar nette Holländer bringen mich auf den richtigen Weg, und ich fahre über Sevelen, Mierlo, Geldrop, Eindhoven. In Eindhoven ist allerdings erst einmal Feierabend. Ich hole mir an einer Tankstelle neues Wasser und muss beim Wiedereinsteigen leider feststellen, dass mich nach ca. 8000km der erste Plattfuß am Mango erwischt hat – na ja, der Reifen ist ja auch immerhin schon 80km alt. Ich habe mir eine imponierend große Scherbe in den Reifen gefahren…
Der nächste Radladen ist zum Glück nur 1km entfernt, und dort wird mir bestens geholfen – die Kevlarschicht des Marathon Slick scheint nur angekratzt zu sein, auf der Aussenseite klafft aber ein imposanter Schnitt. Kann man nichts machen, Ersatzreifen habe ich keinen dabei. Der freundliche Radmensch weißt mir dann auch noch den Weg und so kann es fröhlich weiter gehen. Die Radwege in NL sind zwar deutlich besser als die in D, aber in den Städten auch nicht immer so der Hit – an ihrer Benutzung führt allerdings kein Weg vorbei. Die Überlandwege sind allerdings erste Sahne.
Südlich von Eersel suche ich mir einen Campingplatz, es ist 17.00h und ich habe 160km hinter mich gebracht.
Grobe Streckenplanung ist Mist.

Mi,08.08.

Der Tag fängt mit der ausgiebigen Benutzung kurviger Waldwege an. Ich bin schon etwas verstimmt, ahne da aber noch nicht, was mich nach dem Grenzübertritt nach Belgien noch erwarten wird. Belgien ist bekannt für seine beleuchteten Autobahnen, seine Pommesbuden und seine schlechten Straßen. Die Radwege sind allerdings noch schlechter. Kurz nach Grenzübertritt beginnt es dann auch noch zu regnen. Regenjacke an, Schaumdeckel drauf, weiter geht’s. Ich beginne, mir die ersten Ausstiegsszenarien zusammen zu phantasieren: Defekte, leichte Unfälle etc.
Ich bin kein Urlaubsfotografierer, und wegen des Regens, der fehlenden Gewohnheit und der irrigen Annahme, hier auf dem Rückweg noch einmal vorbei zu kommen, halte ich nichts im Bild fest. Es wäre allerdings eine Dokumentation wert gewesen. Da ich mir geschworen habe, Belgien nie mehr mit einem fahrradähnlichen Gefährt zu betreten, müssen das allerdings andere Wahnwitzige übernehmen.
Da mir das Durchqueren von Eindhoven nur mäßig Freude bereitet hat, fahre ich erst einmal nach Süden, um Antwerpen untenrum zu umgehen. Der Regen wird immer schlimmer, die Radwege immer schlechter. Die Ausschilderung auf den kleineren Strassen ist gleich null.
Wegen des Regens findet man aber kaum jemanden, den man fragen könnte, wo es denn nun langgeht. Die 1:100.000er-Karte fängt langsam an, unter der Dauerberegnung und Akkordfaltung zu leiden. Die Radwege erinnern an die alte Reichsautobahn, Platten mit ca. 2cm Höhenunterschied, Löcher, Steine, Scherben, Scherben, Scherben. Meine Laune sinkt stetig. In Mechelen ist mal wieder Ende mit Orientierung. Ein paar freundliche Radfahrer bringen mich wieder auf den Weg. In den halbgroßen Städten gibt es wenigstens ab und zu mal ein paar Menschen, die man befragen kann. Es regnet weiter, ich fahre stoisch weiter.
Die Karte hat sich jetzt endgültig in Wohlgefallen aufgelöst. Ich quetsche mich irgendwie an Antwerpen und Gent vorbei. Wieso ist Belgien nicht so flach wie Holland?
Der Regen lässt nach, ich begebe mich auf die Suche nach einem Campingplatz. 180km und jetzt wird es nett hügelig. Irgendwo in der Nähe von Aalst wird mir geweissagt, dass es völlig unmöglich wäre, an einem Tag nach Calais zu kommen. Toll. Meine Stimmung lässt weiter nach, dafür fängt es mal wieder an zu regnen. In einem Supermarkt kaufe ich schon mal die obligatorischen Nudeln nebst Sauce im Glas.
Die Hügel werden nicht besser, es geht rasant bergab (Sch…, hoffentlich muss ich das nicht alles wieder hoch). Missverständliche Wegweiser, zermantschte Karten, auf denen man die Orte nicht mehr lesen kann. Warum muss dieses Sch….kaff auch im Knick meiner Karte liegen?!? Aah, endlich jemand zum Fragen! Bin total falsch. Mir wird ein Weg erklärt, aber auch gleichzeitig gemutmaßt, dass der für mich kein Vergnügen wäre, er wäre ziemlich steil.
Ist er dann auch. Den angepeilten Campingplatz gibt es leider auch nicht mehr. Also weitere 30km. Irgendwann komme ich in einem Kaff nordwestlich von Gent an, der Regen hat aufgehört, der Campingplatz ist nett und der Betreiber macht mir neuen Mut mit der Aussage, dass es bis Calais 120 km Autobahn wären. Ziel in Sicht. 210km Regen, Horrorradwege und deprimierende Dörfer. Meine Campingplatznachbarn sind freundlich und neugierig, und einer stellt mir sofort seinen Riesenkocher vor die Tür, als er erfährt, das meine Gaskartusche nicht mehr ganz neuwertig is, und ich definitiv keine Lust mehr habe, noch einmal 6km zum nächsten Campingladen zu fahren. . Alle sind sehr erstaunt, dass das ganze Equipment in das Mango passt. Ich haue mir noch die Nudeln rein und gehe ziemlich früh ins Bett.
Belgien ist kein schönes Land, ich will sofort ein Navi. Und Sonne.

Do. 09.08.

Ich bin um 6 Uhr wach. Es ist ziemlich kühl und wolkenverhangen. Ich packe meinen Kram zusammen, so langsam klappt es besser, vor allem die Befestigung des Zeltes im Bug wird langsam ausgefeilter.
Nach dem obligatorischen Liter Tee mache ich mich auf den Weg. Die Wolken reißen langsam auf, die Strassen und Radwege werden besser – da gab es wohl EU-Kohle. Noch 70km bis Frankreich. Der Wind nimmt zu, und hügelig ist es immer noch. Richtung Dünkirchen, ich komme durch eine Menge Orte, in denen die Deutschen 1917 üble Sachen angestellt haben (Ypern, Beginn des Giftgaskrieges), und die mit Monumenten voll gepflastert sind. Ob das mit der deutschen Fahne am Heck so eine gute Idee war?
Die Fahrt verläuft flott, das Wetter wird besser. Grenze in Sicht! Und jetzt immer die N1 lang.
Dünkirchen. Zack, wieder mal verfahren. Ich irre ca. 45min. durch Dünkirchen. Die meisten kapitulieren direkt, wenn ich sie nach dem Weg frage, aber ein Autofahrer gibt mir den richtigen Tipp. Gut, dass meine Französischkenntnisse nicht so übel sind. Die N1 wird, nachdem isch sie wieder gefunden habe, leider zur Autostrasse. Ich stehe an der Ampel und gucke auf meine Karte, ein Renaultfahrer winkt mir, ich biege nach rechts ab. Er fragt mich, wo ich hin wolle, wo ich herkäme und wie schnell ich denn fahren könne. Dann skizziert er mir den Weg durch eine Industriegebiet und schreibt mir auf, wie ich auf Nebenstrassen nach Calais komme. Er wäre selber ambitionierter Radfahrer und fände mein Gefährt äußerst abgefahren. Auf dem Zettel finde ich später die Telefonnummer einer Marie. Hoffentlich fehlt ihm die Nummer nicht irgendwann mal.. Noch 40km bis Calais. Die Sonne kommt raus, ich fahre gelassen weiter, es ist gerade mal 14.00h.
Ich bin um 16.00h in Calais. Der Campingplatz ist mit Blick auf den Fährhafen. Ich baue meine Zelt auf, mich umschwirren haufenweise Kinder, die nicht glauben wollen, dass es sich um ein Fahrrad handelt. Mein Stellplatz wird zum Ausflugsziel für eine Menge der umliegenden Camper. Die von mir „angelernten“ Kinder erklären ihren Landsleuten mit professioneller Miene, dass sich kein Motor im Fahrzeug befände.
Meine Nachbarn sind ein englisches Paar nebst zwei Kindern. Ich werde erst einmal auf einen Tee und dann auf ein Barbecue eingeladen. Es folgt ein lustiger, und langer , leider aber schweinekalter Abend. Ich hätte doch mal besser eine dicke Jacke mitgenommen….
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Fr. 10.08.

Deprimierendes Wetter: Es wird kaum hell. Ich packe ein, verabschiede mich von meinen neuen Bekannten, tausche e-mail –Adressen und mache mich auf den Weg zum Fährhafen.
Die Ausschilderung entpuppt sich als nicht ganz überzeugend, aber ich finde schließlich den richtigen Weg. Großes Hallo bei der Pass- und Ticketkontrolle. Auf der Fähre treffe ich einem Morgan-Club aus Frankfurt, die zum +8-Treffen nach Goodwood unterwegs sind. Ein Paar hat den ganzen Weg ohne Dach zurückgelegt und sind unterwegs fast im Auto ertrunken. Das Wetter in England ist angeblich gut, die Temperaturen über 20C. Ich glaube das erst mall nicht ;-).
Ankunft in Dover um 11.00h. Ich sehe erste Wolkenlöcher! Bei der Ausfahrt aus dem Hafen sehe ich leider auch ein weiteres Problem: Hafenstädte liegen ja nun mal am Meer, und die bekannten Kreidefelsen hatte ich auch etwas niedriger in Erinnerung. Ich befinde mich auf der A2, die eher die Anmutung einer Autobahn hat. Dazu geht sie ungefähr 3km steil nach oben. Toller Anfang…
Nach einigen Meilen beschließe ich, es doch mal auf Nebenstraßen zu versuchen. Ich stelle den Versuch relativ schnell wieder ein: Die Straßen sind zu hügelig, zu unübersichtlich und zu schmal, die Anstiege zwar meistens kurz aber zu steil. Dann lieber „Autobahn“. Mir kommen so langsam Zweifel an der Durchführbarkeit meines Plans..
Nach 80km habe ich für heute genug. Ich schaue mich nach einem Campingplatz um, schlage die Richtung Sheerness ein. In einem Kreisverkehr fehlt ein eindeutiges Schild, auf der linken Seite steht ein VW T4 nebst daneben stehendem Fahrer. Ich frage ihn nach dem Weg, und da ich gerade in Fragelaune bin, auch nach einer anderen Möglichkeit, über die These zu kommen als die von mir ausgewählte Fähre in Gravesend. Wie sich schnell herausstellt, wäre ohne diese Frage meine Reise zu Ende gewesen: die Fähre in ist im April eingestellt wurde. Die Dartford Crossing, ca. 20mls weiter westlich (der „größte Parkplatz Englands“), besteht aus einem zweispurigen Tunnel, durch den man mich auf keinen Fall fahren lassen würde. Einzige Möglichkeit: 50mls nach Westen ausweichen und durch Greenwich fahren, dann wieder 50 mls nach Osten, um aus dem Großraum London zu entkommen. Laut meiner Quellen keinerlei Campingplätze auf der ganzen Strecke.
Für mich ist die Reise damit zu Ende, ich habe keine Lust, mir das anzutun. Mein Gesprächspartner bietet mir nach kurzem Überlegen an, das Mango in seinen T4 zu packen und mich durch die Dartford Crossing zu bringen, er hätte jetzt eh Feierabend – ich kann es kaum glauben. Der T4 hat langen Radstand, das Mango passt perfekt.
Tony, so heißt der gute Mensch, wird seinen kompletten Freitagnachmittag dafür opfern, mich über die Themse und aus dem Goßraum London heraus zu bringen. Der Verkehr ist die absolute Hölle, er kennt sich bestens aus, und durch die Benutzung mysteriöser Schleichwege haben wir „nur“ ca. 4mls Stau vor dem Tunnel und ungefähr 10mls hinter uns.
Mitlerweile lacht die Sonne von einem blauen Himmel, und ich frage mich, wieso ich eigentlich im richtigen Moment am richtigen Ort immer die richtigen Leute anspreche…
Tony wartet die Fahrzeugzählsysteme an den A-Roads, und eigentlich wollte sein Sohn heut Nachmittag mit ihm Fußball spielen, aber dafür wäre es ihm eigentlich zu warm.
Nach ungefähr zwei Stunden meldet sich seine Frau, sie scheint nicht so ganz überzeugt von seinen Erzählungen über“ einen kleinen Trip“ zu sein.
Gegen 16.00h (!) haben wir nach endlosen Irrfahrten und Nachfragen einen Geldautomaten, der EC-Karten nimmt („Hole in the Wall“) und einen Campingplatz gefunden. Eine Tankstellenverkäuferin skizziert den Weg, sieht echt einfach aus. „Bis zum Ende der Straße, dann rechts, bis zum Ende der Straße, dann links, dann wieder rechts“ . Die Beschreibung stimmt, allerdings summiert sich dieser Weg auf 15mls! Der nächste Schock ereilt mich beid er Frag nach dem Preis : 27 Pfund (40!!!€). Auf zum nächsten, der nimmt dann 6Pfund 20.
Wir laden das Mango aus, ich bedanke mich ganz herzlich, Tony wünscht mir gutes Gelingen wehrt mit der Pfadfindermaxime „A good deed every day“ jegliche Angebote nach Kompensation wenigstens der Spritkosten ab. Unfassbar. Tony ist der wirkliche Held meiner Fahrt.
Ich suche mir auf dem riesigen Campingplatz einen Platz und packe meine Sachen aus. Ruck-zuck kommt aus dem Nachbarwagen eine Frau heraus, sieht mich und bietet mir erst einmal einen Tee an. Leider wäre ihr Freund nicht da, er wäre noch in New York, nachdem er das RAAM nachgefahren wäre..
Mal wieder die richtige Wahl getroffen, so langsam fange ich an, an so etwas wie Vorsehung zu glauben..



Sa. 12.08.

Die Nacht war relativ kühl, da ich noch auf „kontinentale“ Zeit gepolt bin, bin ich um 5.30h wach. Kleiner Spaziergang am Strand, aufgrund des guten Wetters beschließe ich, den Tag mit Einkäufen (Straßenkarten etc.) und in-der-Sonne-liegen zu verbringen.
Ich mache mich um 9.00h nach Colchester auf.
Die Strecke ist verdammt hügelig, mir schwant schon, wie es weiter gehen wird.
Colchester ist die älteste beurkundete Stadt in England mit einer rappelvollen alten Fußgängerzone. Ich kaufe einen brauchbaren Straßenatlas und einen Fleece-Pullover und quatsche ziemlich lange mit verschiedenen Leuten, die mich auf dem Weg durch die Fußgängerzone (schiebenderweise) ansprechen.
Zurück nach Mersea, ab zum Strand.
Die Hügel sind nicht von Pappe, allerdings nicht zu steil, wenn man nicht durch Ampeln abgebremst wird, kann man ein flottes Tempo fahren.
Die Eltern meiner Campingplatznachbarin Lucy sind eingetroffen. Der Vater hat eine Metzgerei in Colchester. Wir bauen zusammen seinen neuen Gasgrill auf (Schlauchschelle heißt übrigens „jubilee clip“) und ich werde zum Barbecue eingeladen. Der Abend verläuft feucht-fröhlich, ich bin gegen 0.30h im Bett.
Das Leben ist schön, und es regnet Sternschnuppen (Perseiden?)



So. 13.08.

Ich stehe um 7.30h auf, packe meine Sachen zusammen und mache mich auf den Weg nach Boston, ca. 220km. Den Weg nach Colchester kenne ich ja schon, und von daher bin ich gewarnt: Engländer finden dieses Streckenprofil flach. Das kann ja heiter werden. In Colchester verfahre ich mich erst einmal wieder, dass muss wohl so sein. Es hat keine verdammte größere Stadt gegeben, in der ich nicht herumgeirrt wäre….
Das Wetter ist recht angenehm, und ich warte sehnsüchtig auf die Fens – da sollte esfür mindestens 100km flach wie Holland sein. Der Weg dahin hat es allerdings noch einmal in sich, da aber so gut wie kein Verkehr herrscht, schleicht es sich doch ganz angenehm die Hügel hoch. Ich entsinne mich des Vorhandenseins eines Fotoapparates und fange an, ihn zu benutzen. Nach ca. 40mls. welligem Streckenverlauf bin ich endlich in der Ebene angekommne. Hier sieht es aus wie in Holland, auch die Häuser (der Holländer Vermuyden hat im 17.Jhdt. maßgeblich an der Landgewinnung und Entwässerung mitgewirkt, vielleicht ist der ein oder andere Holländer da hängen geblieben ;-)).
Ähnlich wie in Holland weht ein fröhlicher Gegenwind, na ja, macht nichts, Hauptsache, es regnet nicht.
Als ich mal kurz nachschauen möchte, wie weit es noch ist, und links in einer Hauseinfahrt anhalte, kommt sofort die Bewohnerin des Hauses hervor und fragt mich, ob ich ein Problem hätte, ob ich nicht was zu trinken bräuchte, ob ich nicht duschen wollte etc. und komplimentiert mich in ihr Haus. Sie mixt Getränke und packt mir selbstgemachte Apple-pie ein, während mir ihr Mann ein paar Abkürzungen verrät und skizziert. Nachdem sie ausgiebig mein Gefährt und meine bisherige Fahrleistung gewürdigt haben, fahre ich gestärkt von dannen.
Es wir leider etwa wolkiger und kühler, und dann ereilt mich meine zweite Reifenpanne.
Gegen 16.00h kommt Boston in Sicht, leider auch dunkle Wolken. Es fängt heftig an zu regnen. Einziger Lichtblick sind die mir entgegenkommenden Teilnehmer eines Oldtimertreffens. Von Boston aus dann noch einmal 10mls zum Campingplatz, auf dem ich um 16.30 eintreffe.
Ich entscheide mich für einen Platz, der in der Nähe der sanitären Anlagen liegt. Ich packe meine Klamotten aus, und aus dem gegenüberliegenden Wohnmobil ruft mir eine ca. 50-jährige Frau etwas zu, dass ich beim besten Willen nicht verstehen kann – Yorky-dialect, den hatte ich noch nicht. Ziemlich schwer zu verstehen.
Hmm, offensichtlich bietet sie mir etwas zu Essen an. So langsam komme ich dahinter. Es gibt ein leckeres Curry, und ihr Mann kredenzt mir leckeres dunkles Bier. Ein weiterer Campingplatznutzer lädt mich für den nächsten Morgen zum Frühstück ein, auch nicht schlecht!
Ich mache mir einen lustigen Abend mit Bill und Sue und erfahre nebenbei aus dem Wetterbericht, dass übermorgen Schluss mit lustig sein wird: The rain of a month in a day…

Mo, 14.08.

Auf nach York. Das Wetter ist in Ordnung, der Campingplatzbetreiber hat mir ein paar Schleichwege erklärt, ab geht’s. Leider sind die Fens durchquert, und das öde flache Profil wird wieder etwas spannender und deutlich hügeliger. Die Schleichwege sind grandios, so gut wie niemand außer mir unterwegs. Sollte sich mal ein LKW einfinden, lasse ich ihn an der nächsten Parkbucht passieren.
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Die letzten Kilometer nach Hull wieder auf einer besseren Autobahn, aber daran habe ich mich ja mittlerweile gewöhnt. Nach ca. 75mls. überquere ich die Brücke über den Humber, nicht schlecht! Ich quatsche noch mit eine paar Fußgängern, bevor ich mich nach der Abfahrt von der Brücke erst mal wieder lustig verfahre. Es gibt mal wieder nur eine A-road, und es gibt mal wieder elend lange Anstiege. Angeblich noch 50mls bis York. Irgendwann muss es doch wieder runter gehen! Tut es dann auch, und das nicht zu knapp. Es wird wieder flacher, und ich bin um 14.30h kurz vor York, als ich ein Campingplatzschild sehe. Es ist (mal wieder) eher ein ungefährer Richtungsanzeiger, und nach ca. 5mls. über die Dörfer lande ich an einem Haufen fischteichen mit angeschlossenen Campingplatz. Ich baue mein Zelt auf und fahre in das nächste Kaff, um alles für den morgigen Zwangspausentag einzukaufen und endlich mal in Blyth anzurufen. Betty ist hocherfreut und shr erleichtert, dass ich es immerhin bis York geschafft habe. Es dürften noch ca. 130mls bis Blyth sein, und ich sage ihr tollkühn zu, dass ich am Mittwoch eintreffen werde. Ihr Hinweis, es wäre etwas bergig, kann mich nach dem heutigen Tag nicht mehr schrecken. Schlimmer kann es nicht kommen (dachte ich)!
Der Wettermann hatte recht. Es fängt bereits am späten Nachmittag an zu schütten wie nichts gutes.

Di, 14.08.
Ich schlafe trotz des stürmischen Regengeprassels bis 9.30h – das waren fast 12 Stunden. Der Himmel sieht gar nicht so schlecht aus. Ich ärgere mich ein bisschen über den Wetterbericht, aberdann zieht es sich ruck-zuck zu und um 10 öffnet der Himmel seine Schleusen. Schön, dass ich jetzt nicht unterwegs bin. Ich verlasse das Zelt nur ncoh einmal, um zu den sanitären Anlagen zu rennen. Es schüttet und schüttet. In der Nacht flaut der Regen ab, aber ein starker Wind bleibt. Er trocknet mir immerhin das Zelt. Ich bereite mich mental auf die Schlussetappe vor.

Mi, 15.08.

Ich wache um 6.00h auf. Das Außenzelt ist trocken, alles andere ist klamm. Meine Gaskartusche schafft es gerade noch, den Nudelrest vom Vortag zu erwärmen. Dann eben keinen Tee.
Ich verlasse Elvington um kurz nach 7. Das Wetter sieht nicht besonders verheißungsvoll aus, und es fängt dann auch schnell an zu regnen. Im Regen durchquere ich York, immer auf der Suche nach der A19. Plötzlich nur noch Wegweiser in Städte, in die ich definit nicht will. Also umrunde ich York noch ein zweites Mal. Statt ausgerechneter 40mls bis Thirsk werden es dann beinahe 60. Mir egal. Die A19 ist ein einziger Albtraum, aber man muss wenigstens nicht anhalten Ich verlasse sie einmal kurz, kehre aber nach gut 2 Meilen wieder um. Im Umland haben die Strassen bis zu 16% Steigungen, zwar meistens nur sehr kurz, aber ich glaube nicht, dass ich auf den Nebenstrassen mein Ziel erreichen kann, die A19 geht genau zwischen Yorkshire Dales National Park im Westen und den North York Moors National Park im Osten entlang, und die Steigung ist zwar lang, aber nicht zu steil. Rechts und links blickt man auf 450 – 700m hohe Hügelketten (oder sind das schon Berge?). Ich bin ganz froh, hier in der Mitte relativ glimpflich davon zu kommen.
Die LKW-Fahrer ziehen alle brav 100m hinter mir auf die rechte Spur, keiner beschwert sich. Einige filmen mich und halten an, um noch mal mit erhobenem Daumen an mir vorbei zu fahren. Noch 20mls bis Middlesbrough. Ich fahre mittlerweile ständig über 40km/h. Vor Middlesbrough teilt sich die Straße, ich muss mal eben drei Spuren nach rechts. Von links kommen drei weiter Spuren, die Straße ist jetzt sechsspurig,(in eine Richtung!) ich mittendrin. Glücklicherweise wird sie aber bald wieder „nur“ dreispurig.
Noch 40mls bis zum Tyne-Tunnel – und von Newcastle sind es noch höchstens 20mls bis ans Ziel. Es ist gerade mal 11h. Eigentlich kann nichts mehr schief gehen, und diese Erkenntnis sorgt noch einmal für einen deftigen Adrenalinschub. Die Strasse wir „langwelliger“, man kann den Schwung super über die nächste Steigung mitnehmen. Mein Tempo ist nach wie vor deutlich über 40.
Ich halte an einer Tankstelle, um Wasser zu bunkern und mir ein Mars zu können. Die Bedienung fotografiert mich und wir quatschen ein wenig. Ihrer Aussage nach muss ich vor dem Tunnel links Richtung Newcastle, da ich durch den Tunnel nicht durchgelassen werden würde. Es wären noch 20 mls.
Ich gebe noch mal richtig Gas, die letzten 10 mls. bis zum Tunnel fahre ich knapp 50. So könnte es immer sein ;-).
Ich fahr evor dem Tunnel ab, überquere nach ca. 5mls den Tyne und verfahre mich mal wieder. Praktischerweise findet sich in meinem Straßenatlas ein Innenstadtplan von Newcastle. Ich navigiere langsam durch eine Fußgängerzone und werde an jeder Ampel angequatscht. Nett!.
Ich finde die A189 und die richtige Richtung.. Plötzlich taucht hinter mir ein Corsa mit Warnblinkanlage auf, der mir in gemessenem Abstand folgt. Nach ein paar hundert Metern fahre ich links ran, und steige aus. Der Corsafahrer erklärt mir, dass ich auf einer der gefährlichsten Strassen Newcastles unterwegs sei und er sicherstellen wolle, dass mir nichts passiert. Schon schräg, wenn der wüsste, was ich heute schon alles mitgemacht habe. Die Strasse kommt mir wie eine idyllische Dorfstrasse vor. Ich bedanke mich für seine Fürsorge, und er wünscht mir alles gute für den weiteren Weg.
Nach ein paar Meilen taucht zum ersten Mal ein Schild mit einer Entfernungsangabe nach Blyth auf: 10mls. Endspurt.
Kurz vor Blyth fängt es wieder an zu regnen, stört mich nicht. Um 14.15h stehe ich auf dem Marktplatz, ich kann es kaum glauben. Durch die ganze Rumirrerei sind 220km zusammen gekommen.
Ich rufe Betty im Büro an, sie fällt fast vom Stuhl. Vor 17.30h hatte hier keiner mit mir gerechnet.

Die nächsten Tag waren gefüllt mit offiziellen Terminen mit Empfang beim Oberbürgermeister, Presse, Quartiersbegehung und ein paar touristischen Ausflügen.
Leider stellt sich eine Art Novemberwetter ein, und auch deswegen entschließe ich mich, die Fähre von Newcastle nach Amsterdam zurück zu nehmen.

Die längste Strecke, die ich vorher an einem Tag gefahren bin, waren 250km. Ich habe an in sieben Tagen fast 1500km hinter mich gebracht, und ich habe erst am Tag nach meiner Ankunft etwas müde Beine, der abgedroschene Spruch, dass solche Strecken mental und nicht körperlich „entschieden“ werde, hat wohl doch was wahres an sich. Ich bin Berge hochgefahren, von denen ich nicht angenommen hätte, dass ich sie hoch komme. Ich habe einen Haufen sehr netter Leute kennen gelern, viel über mich erfahren und 5kg abgenommen.

Meine nächste Reise werde ich etwas professioneller vorbereiten, und am besten vorher ein Navi anschaffen. England ist nicht gerade ein Radfahrerland, aber im Norden geht es ganz gut. Es gibt eine Menge Niederländer, die per Rad nach John O´Groats fahren, dem nördlichsten Punkt Schottlands.
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Hallo Frank,

ein super Bericht! Vielen Dank :)

Und natürlich: Respekt!!!!

wolf
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Sehr unterhaltsam, danke!

Gruß
Heiko
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Belgien ist kein schönes Land, ich will sofort ein Navi.
Also mir hat es damals gefallen. Ich hatte allerdings ein Navi dabei. :D
Es hat keine verdammte größere Stadt gegeben, in der ich nicht herumgeirrt wäre….
Frei nach der Bibel: "Sie hüllten sich in seltsame Fahrräder und irrten ziellos umher..." :)
Meine Tour

Vielen Dank für Deinen tollen Bericht! Die Finanzierung meines Alleweders steht. Ich freue mich auch schon auf die ersten Touren damit!
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Hallo Frank,

schöner Bericht! Macht Fernweh!

Aber Belgien ist nicht überall schlecht, bin 2003 den 300er und den 600er-Brevet dort gefahren. OK, beim 300er etwa 200 km in Frankreich und beim 600er etwa 250 km in anderen Ländern (NL und F). Abgesehen von 20 km Betonplattenstrecke an der Grenze zu Frankreich kann ich nicht meckern.

Hier ein kleiner Reisebericht mit Fotos:
http://www.liegerad-fernweh.de/reise/507-Ostende-600km/Reisebericht.html

Gruß
Andreas
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

Hallo Frank,

danke für diesen tollen Reisebericht. Macht schon beim lesen Spaß.
Bin gespannt auf Deine Fotos.

Gruß aus Duisburg, Robert
 
AW: Reisebericht England -viel Text, Teil 1.

@mangofrank
ich stand mit mtb und 50kg anhänger in dover :eek: und hoffte der kreidefelsen ist das einzige hügelchen in england. bin dann ohne anhänger bis Dunnet Head geradelt. aber mit einem velo? ne danke, da würde ich im traum nicht drauf kommen, mir diese strecke anzutun.
also mein mitgefühl haste :D
sg heimo
 
Greetings from UK

Hi Frank,

It's Philip here, you met me Deborah, Cosmo and Poppy in Calais in July. We lost your contact details. So I've found you on the internet via the veloforum. I hope you are well and that your trip went well. I like all the different bikes on the site, the kids will love it.

Philip
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
eine Suche hier im Forum nach "Queen-Elisabeth" (so heißt die Brücke, um die es mir geht) ist noch erfolgloser als die nach "Dartford Crossing"...
Die Dartford Crossing, ca. 20mls weiter westlich (der „größte Parkplatz Englands“), besteht aus einem zweispurigen Tunnel, durch den man mich auf keinen Fall fahren lassen würde.
Gibt es da inzwischen jemanden, der die offizielle Variante auf dem Anhänger hinter dem abgerockten Landy durchgezogen hat?
http://realcycling.blogspot.com/2009/05/thames-crossings-21-and-32-dartford.html
.... ganz unten auf der Seite als Gastkommentar ist die einzige Quelle, die ich finden konnte.
In London sind doch einige VM-Fahrer unterwegs. Weiß hier jemand mehr? Ich möchte gerne wissen, wie das Verzurren läuft und wie lange vorher man da anrufen sollte (Nummer findet sich im obigen Link)

TIA :)

Grüße

Urs
 
Zurück
Oben Unten