Radialreifen - Fertigung?

Hallo Flowi,
die Sache ist ein bisschen kniffelig, es hat lange gebraucht, bis ich das geschafft habe und ist nicht so einfach zu beschreiben.
Was ich mache, sind Schlauchreifen, ohne Negativform.
Im Prinzip pumpe ich den Schlauch ganz leicht auf, etwa 1 bar. Er soll noch möglichst gleichmäßig sein.
Dann bestreiche ich genau zugeschnittene Stücke von Kevlar Gewebe (180g/m2) mit dem Elastosal. Dann bestreiche ich ein Stück des Schlauchs mit dem Kleber und pappe das Gewebestück drauf, und zwar faltenfrei. Dann wird alles überstrichen, dann kann das nächste Stück geklebt werden. Die Überlappungsfläche der Gewebestücke muss etwa 1 cm breit sein, dann können die Reifen auch 6 Bar ab. Zuletzt kommt die Lauffläche aus unvulkanisiertem Reifengummi darauf. Das sind 1mm dicke Platten, die flexibel wie ein Kaugummi und noch klebrig sind. Die nimmt man zur Reparatur von großen teuren Reifen zum Beispiel von Baumaschinen. Dann das Ganze im Backofen aushärten lassen. Das Elastosil härtet zwar auch bei Raumtemperatur, aber das Reifengummi nicht.

Aber inzwischen bin ich schon einen Level weiter, das Ergebnis sieht etwas besser aus, so dass ich es im Chat zeigen kann.
Man sieht die schon recht gut abgeplattete Lauffläche. Niederquerschnittsreifen, aber ganz wichtig nicht nach der Bauart von Autoreifen.
Ich habe noch nicht eingespeicht und probiert, erwarte aber weniger Rollwiderstand, besseren Fahrkomfort auch bei höheren Drücken (Eindellbarkeit) und mehr Pannensicherheit. Felgenbreite sind 40mm, Reifenbreite 45, Höhe 30mm. 20" Felge

Danke! Sehr schön :cool:
Sie setzen das Ding nicht einmal für die Vulkanisation unter Druck, außer diesem Grunddruck von 1 Bar? Beeinträchtigt das die ordnungsgemäße Bindung während der Vulkanisation?
Ihr Kevlar-Stoff hat einen 90-Grad-Kett- und Schusswinkel?
Funktioniert das Kevlar-Gewebe als Gürtel? Oder gilt das auch für die Seitenwand?
Ist der Reparaturgummi gut für den tatsächlichen Fahrbetrieb? (Verschleiß, Griffigkeit usw)
 
Sie setzen das Ding nicht einmal für die Vulkanisation unter Druck, außer diesem Grunddruck von 1 Bar? Beeinträchtigt das die ordnungsgemäße Bindung während der Vulkanisation?
Bei den LKW-Reparaturflicken wird nur kalt oder eben heiß vulkanisiert, aber immer drucklos. Ich hatte auch schon überlegt, ob man so etwas für den Reifenbau verwenden kann. Hier gibt es die Infos dazu als PDF: TipTop LKW-Reifenreparatur

Bei LKW-Reifen dürften ja auch ganz schöne Lasten auftreten, in der Reparaturanleitung steht allerdings auch, dass die Reparaturmöglichkeit auf gewisse Flächen / Geometrien beschränkt sind. Der Lastvergleich ist vielleicht auch gar nicht so einfach, denn am Velomobil sind die Lasten bei hohen Geschwindigkeiten / Drücken und im Verhältnis kleinen Reifen bzw. auch Mantelstärken wahrscheinlich höher, als man denkt.
 
Bei den LKW-Reparaturflicken wird nur kalt oder eben heiß vulkanisiert, aber immer drucklos. Ich hatte auch schon überlegt, ob man so etwas für den Reifenbau verwenden kann. Hier gibt es die Infos dazu als PDF: TipTop LKW-Reifenreparatur

Bei LKW-Reifen dürften ja auch ganz schöne Lasten auftreten, in der Reparaturanleitung steht allerdings auch, dass die Reparaturmöglichkeit auf gewisse Flächen / Geometrien beschränkt sind. Der Lastvergleich ist vielleicht auch gar nicht so einfach, denn am Velomobil sind die Lasten bei hohen Geschwindigkeiten / Drücken und im Verhältnis kleinen Reifen bzw. auch Mantelstärken wahrscheinlich höher, als man denkt.
Danke, auch für den Link, sehr interessant
 
Hallo Flowi,
die Sache ist ein bisschen kniffelig, es hat lange gebraucht, bis ich das geschafft habe und ist nicht so einfach zu beschreiben.
Was ich mache, sind Schlauchreifen, ohne Negativform.
Im Prinzip pumpe ich den Schlauch ganz leicht auf, etwa 1 bar. Er soll noch möglichst gleichmäßig sein.
Dann bestreiche ich genau zugeschnittene Stücke von Kevlar Gewebe (180g/m2) mit dem Elastosal. Dann bestreiche ich ein Stück des Schlauchs mit dem Kleber und pappe das Gewebestück drauf, und zwar faltenfrei. Dann wird alles überstrichen, dann kann das nächste Stück geklebt werden. Die Überlappungsfläche der Gewebestücke muss etwa 1 cm breit sein, dann können die Reifen auch 6 Bar ab. Zuletzt kommt die Lauffläche aus unvulkanisiertem Reifengummi darauf. Das sind 1mm dicke Platten, die flexibel wie ein Kaugummi und noch klebrig sind. Die nimmt man zur Reparatur von großen teuren Reifen zum Beispiel von Baumaschinen. Dann das Ganze im Backofen aushärten lassen. Das Elastosil härtet zwar auch bei Raumtemperatur, aber das Reifengummi nicht.

Aber inzwischen bin ich schon einen Level weiter, das Ergebnis sieht etwas besser aus, so dass ich es im Chat zeigen kann.
Man sieht die schon recht gut abgeplattete Lauffläche. Niederquerschnittsreifen, aber ganz wichtig nicht nach der Bauart von Autoreifen.
Ich habe noch nicht eingespeicht und probiert, erwarte aber weniger Rollwiderstand, besseren Fahrkomfort auch bei höheren Drücken (Eindellbarkeit) und mehr Pannensicherheit. Felgenbreite sind 40mm, Reifenbreite 45, Höhe 30mm. 20" Felge
Warum ist auf den Fotos ein Schwalbe Kojak?
 
Ich schreibe mal noch ein paar zusätzliche Details zu den legendären Radialreifen.

Beim Shell-Eco-Marathon gibt es zwei Fahrzeugklassen. Michelin hat für beide Fahrzeugklassen Rekordreifen entwickelt.
Das sind für die Prototype-Klasse (Velomobilgröße) die beiden blauen Reifen "Blue Flange" 44-406 und 35-406 und der Radialreifen 45/75R16.
Für die größeren Fahrzeuge der Urban-Concept-Klasse wurde der 95/80R16 Radialreifen entwickelt.

Der große 95/80R16 ist nicht so empfindlich. Der kleine Radialreifen hat, wie schon geschrieben, eine extrem dünne Lauffläche aus sehr weichem Gummi. Schon eine stärkere Bremsung ohne Blockieren des Rades beschädigt den Reifen. Unter der Lauffläche liegen direkt die sehr dünnen Fäden der Gürtellage. Sind diese beschädigt, z.B. durch Steinchen oder Bremsplatten, kann der Reifen platzen. Außerdem steigt dadurch der Rollwiderstand. Auch das Gummi der Seitenwand ist sehr weich.

Zum Bleistift: Sehr geringe Seitenführung und ein erhöhtes Gewicht (n). Die Michelin Radial-Reifen wogen über 700gr. :oops: und hatten eine Lebensdauer für ein bis zwei Rennen :mad:. Für den Straßenalltag nicht zu gebrauchen. Baut man wieder einen entsprechenden Pannenschutz ein, sieht es in Hinblick auf den Rollwiderstand zappenduster aus ;) .
[...]
Von den Michelins gab es zwei Versionen. Die neuere wiegt ca. 600 g. Die ältere wiegt nur ca. 400 g.
Die ältere Version wird von mindestens einem Top-Team beim Eco-Marathon immer noch gefahren. Gerüchteweise soll sie besser rollen.
Die ältere Version stammt aus einer anderen Form. Sie hat keinerlei Beschriftung, nur einen weißen Aufdruck "michelin radial".
Die neuere Version hat umfangreiche eingeprägte Beschriftungen (Marke, Reifendimension, "for competition purpose only", Datumscode), aber keinen Aufdruck.
Die neuere Version enthält allein ca 130 g (berechnet) Stahlseil in den beiden Drahtwülsten. Eventuell ist das wegen des sehr hohen Nenndrucks nötig. Die Stahlseile sind aus verdrilltem Draht (ein zentraler Draht mit Durchmesser 1,5 mm, darum herum sechs dünnere Drähte mit 1,0 mm).

Wir hatten vor einigen Jahren noch die Radial Reifen von Michelin für Rekordfahrten vertrieben. Die waren schon sehr gut, aber mit 38mm auch sehr breit und schwerer als vergleichbar breite Reifen. Zudem waren sie sehr teuer. Die Produktion wurde 2010 eingestellt, glaube ich. Sie waren dann noch bis ca. 2014 verfügbar.
Radialreifen haben auch ihre Nachteile. Es ist sicher keine Weltverschwörung, dass reine Radialreifen fürs Fahrrad bis heute nicht in großen Stückzahlen gefertigt werden.
Die neuere Version des Reifens ist nicht nur mit 45/75 R16 beschriftet, sondern auch tatsächlich ca 45 mm breit. Im Unterschied zu Fahrradreifen ändert sich die Reifenbreite auf unterschiedlichen Felgen kaum. Um ihn auf 38 mm runterzukriegen, müsste man ihn auf eine viel zu schmale Felge zwingen (Rennradfelge?). Dann erhöht sich der Rollwiderstand vermutlich stark. Die Nennfelge ist eine Mopedfelge mit 34mm Innenbreite. Auf der 406x25C Alienation-Felge ("Ginkgo Disc") läuft der Reifen schon messbar schlechter als auf breiten Lastenradfelgen, ist aber kaum schmaler.
Die 38 mm beziehen sich vielleicht auf die ältere Version.


[...] Man muss ja auch sagen, dass der Michelin Radialreifen um 2003/2004 in einer Charge gebaut wurde. [...]
Laut dem Buch "The world's most fuel efficient vehicle" wurde der Reifen 1997 entwickelt und wiegt 400g. Dort wird auch der vielzitierte Rollwiderstandsbeiwert von 0,00081 erwähnt. Er stammt angeblich von Michelin und wurde mit 6 bar (vermutlich tubeless) auf einer Trommel mit 8,5 m Umfang bei 35 km/h und 500 N Auflast gemessen.

Die neuere Version wurde mindestens 2009, 2010, 2011 (zwei Chargen mit unterschiedlichem Datumscode), 2013, 2015, 2016 und 2017 produziert.

Danke für das Foto. Das ist für mich sehr aufschlussreich.
Sieht erst mal aus wie ein Autoreifen.
Das Entscheidende, was ich aus dem Bild ablesen kann, ist dass er einen Gürtel hat, erkennbar an der abgeplatteten Außenseite. Und zwar keinen 0° Gürtel wie beim Formel 1 Wagen, sonst wäre der Reifen außen zylindrisch. Etwa 10-20° im Bezug zur Fahrtrichtung. Also eigentlich einen Ringkowski!
[...]
Die Lauffläche ist aufgepumpt tatsächlich nicht exakt zylindrisch. Im werde nochmal nachschauen, in welchem Winkel die Gürtellage eingebaut ist, ich gehe von 0° aus.
 
Vielen Dank für die detaillierten Ausführungen. Manches war mir tatsächlich auch neu.
Der "neuere" und auch schwerere Gürtelreifen hat einen 0Grad Gürtel. Wir konnten das letztens sehr gut an einem durchgebremsten Exemplar sehen.
 
Danke für die ausführliche Erklärung. Vieles war auch mir neu. Die Gürtellage dürfte 0 Grad sein. Habe einen durchgebremsten Radialreifen hier.
 

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Was genau für ein Gewebe ist es denn und wie sieht dann die Faserrichtung aus? Das kann man sich ja aussuchen und direkt einen Radialreifen machen.
Ist die Felge dann eine Schlauchreifenfelge und der Reifen wie beim klassischen Rennrad aufgeklebt oder liegt der einfach nur in einer normalen Felge?
Grundsätzlich hat das vermutlich auch Rinkowski so gemacht? Hier gab es nämlich eine lange Diskussion wie er das vor 60 Jahren ohne Vulkanisierpresse hinbekommen hat.
Auf jeden Fall voller Respekt, das ist ja jetzt mal was zum echt testen!
Kriegst Du es hin, das der Reifen halbwegs rund läuft? Wenn man da beim kleben etwas zu stark drückt wird es vermutlich Mist.
Könnte man auf diese Weise auf einer teilbaren Form auch einen normalen Fahrradreifen machen?
+- 45°, hat sich bewährt.
+- 51° wäre die Neutrallage, dann wird der Reifen beim aufpumpen weder dicker noch länger. Habe ich probiert, 45° sind für den Zweck bessser, dann wird der Reifen etwas kürzer beim Aufpumpen und liegt auch ohne Kleber schon recht stramm auf der Felge.
Beim Rundlauf hapert es noch ein bisschen, aber das ist ja erstmal nur zum Probieren
 
Danke! Sehr schön :cool:
Sie setzen das Ding nicht einmal für die Vulkanisation unter Druck, außer diesem Grunddruck von 1 Bar? Beeinträchtigt das die ordnungsgemäße Bindung während der Vulkanisation?
Ihr Kevlar-Stoff hat einen 90-Grad-Kett- und Schusswinkel?
Funktioniert das Kevlar-Gewebe als Gürtel? Oder gilt das auch für die Seitenwand?
Ist der Reparaturgummi gut für den tatsächlichen Fahrbetrieb? (Verschleiß, Griffigkeit usw)
Übrigens, beim Vulkanisieren macht es recht viel Sinn, mit Druck zu arbeiten. Sonst bekommt man Luftblasen, die Qualität kann dann in der Serie nicht gewährleistet werden. Ähnlich wie das Vakuum beim Laminieren, die Flugzeugbauer arbeiten nie ohne. Ich arbeite nur mit geringem Druck, dabei treten Bläschen auf. Ist halt Prototypenbau....Wenn ich den richtigen Dreh raus habe, kann ich mir auch eine druckstabile Negativform bauen...
Übrigens, im Schlauchreifen Forum habe ich ein paar Bilder gepostet.....
Grüße von Pete...
 
Danke für die ausführliche Erklärung. Vieles war auch mir neu. Die Gürtellage dürfte 0 Grad sein. Habe einen durchgebremsten Radialreifen hier.
Hallo Joggi,
ist das DER BERÜHMTE Michelin Reifen? also der von dem Solarrennen?
Leider ist die Gürtellage dahin, damit ist der Reifen nicht mehr rund.
Schade, der ist reif für die Tonne.
Wenn nur die Karkasse rausguckt, gebt nächstes mal mir den Reifen, ich kann Euch ne neue Lauffläche raufvulkanisieren. (runderneuern)
Übrigens lausige Gummiqualität, da brechen ja Brocken raus. Und übrigens die Karkasse ist ja gar nicht mit Gummi getränkt, wie sich das nach meiner Ansicht gehört. Die Fäden scheinen Baumwolle oder Rayon (Viskose) zu sein......So ganz klar ist mir nicht, warum man dies für die Karkasse verwendet.....aber im Reifenbereich ist vieles rätselhaft, langsam nur lichtet sich der Nebel...

-Wer keine Lust hat ins Schlauchreifen Forum zu schauen, hier ein Foto von meinem mini 7,5 Zoll reifen, noch ohne Lauffläche. Daneben einen etwas runderen mit Lauffläche, das ist ein Diagonalreifen 45° für meine Wanderausrüstung, der wiegt mit Nabe nur 200gr..
Die Reifen werden in meinem Roller probe gefahren, so bekomme ich ein Gefühl, ob der Reifen gut ist.
Mit diesem Gürtelreifen bin ich noch nicht zufrieden, auch wenn er deutlich leichter rollt als meine anderen Kleinen. Arbeite gerade an einer prinzipiellen Verbesserung.
 

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gib uns doch bitte einen Link dort hin.
Dynamischer Rollwiderstand: Ursache, Seite 6
sorry, nix Schlauchreifen Forum...... :confused:
 
Ich bin gerade über ein Video zur Reifenfertigung bei Schwalbe gestolpert. Hat jetzt nichts direkt mit Radialreifen zu tun, ist aber erstaunlich viel Handarbeit, wie ich finde. Erstmal als flaches Material das Gewebe einvulkanisieren. Das Gewebe wird dann nur als zylinderförmiger Ring zusammengeklebt, mit Drahthalteringen und Pannenschutz. Die Reifenform entsteht indem eine elastische Form von Hand in den Zylinder eingedrückt wird, das finde ich erstaunlich. Ich hatte mal ein anderes Video gesehen (bei der Maus), da wurde das direkt in der Presse gemacht. Am Ende wird nur das Profil aufvulkanisiert, dafür braucht es vermutlich die Presse, ansonsten könnte man das Ganze grundsätzlich auch in der Garage und im Ofen machen (20" bekommt man ja in einen normalen Herd). Das Gewebe könnte man doch prinzipiell auch radial legen, dann einen 0°Gürtel drauf, wobei das wahrscheinlich gar nicht so einfach ist, der hat ja einen größeren Durchmesser (Reifenaussendurchmesser) als der ursprüngliche Zylinder (Felgendurchmesser).
Wenn man die Handfertigung sieht, sollte man entsprechend Respekt für jeden Reifen zeigen und ihn tatsächlich bis zuletzt runterfahren. Da kann man sich nur wundern, wie billig die Dinger hier sind.

Reifenfertigung Schwalbe
 
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