Professur für Radverkehrsmanagment

Würde ich irgendwo auf dem Lande wohnen sähe die Sache vermutlich anders aus. Der Schnitt in Berlin liegt übrigens bei 380 KFZ je 1000 Einwohner, in Kreuzberg ist er mit 284 KFZ je 1000 Einwohner am niedrigsten - da reden wir also ganz klar nicht vom Promille Bereich derer, die kein Auto haben. Anderswo ist es anders.

Richtig, das ist Großstadt und daher was völlig anderes. Auf ganz Deutschland liegen wir bei knapp 570 Autos/1.000 Einwohner.
 
in ganz ländlichen Gegenden Deutschlands kann die Berliner Zahl (KFZ zu EInwohner) vermutlich beinahe umgedreht werden...
 
Ich würde neue und geänderte Streckenführung nicht ausschliessen, aber natürlich ist es sinnvoll und einfacher mit dem Existierenden anzufangen - genau das passiert ja auch. Z.B. schreibt hier die Kandidatin für das Amt der Verkehrsstadträtin in Berlin Tempelhof/Schöneberg:


Seit längerem geplant ist z.B. die Infrastruktur für den Tempelhofer Damm - das ist genau so eine vierspurige (plus Parkstreifen) Haupt- und Einfallstrasse, südlich des S-Bahnrings mit ohne Radinfrastruktur und eine ziemliche Radfahrerhölle. So soll das aussehen:
1-format1012.jpg

Also eine der bösen protected Bikelanes. Im Detail:

Die Parkplätze entfallen dafür ersatzlos - der Widerstand der Autofahrerfraktion und der CDU und AfD ist heftig. Dennoch: In meinen Augen eine absolut sinnvolle Maßnahme und angemessen in der Ausführung noch dazu. Wie man an dieser Stelle anders und besser Radverkehr fördern können sollte ist mir unklar - ich hätte da keine Idee. Mischverkehr existiert da heute und ist da beim besten Willen keine geeignete Alternative, ich kenne absolut niemanden, der das da bevorzugen würde oder gar fordern - im Gegenteil.

Für so was Konzepte zu entwickeln, Wirksamkeit systematisch und umfänglich zu untersuchen, Modellrechnungen zu machen und qua Strahlkraft zu bewirken, dass gute und nachgewiesen funktionierende Lösungen sich verbreiten halte ich eine Radprofessur für absolut sinnvoll. Und bin weiterhin absolut bei dem Wissenschaftler aus der Untersuchung zur Wirksamkeit von Pop-Up-Bikelanes mit seinem Zitat:
Ich bin gestern am T-Damm langgefahren und habe verwundert festgestellt, dass dort jetzt eine Busspur installiert wurde. Die Busspur weist auch Fahrradpiktogramme auf. Es war gestern Abend schon sehr dunkel, so dass ich keine Fotos gemacht habe. Leider konnte ich sie noch nicht fahren, da sie zugeparkt war. Ich werde demnächst nochmal hinfahren um Fotos zu machen.
 
Die Prof-Stelle in Wildau ist nun besetzt- Dr. Ing. Christian Rudolph:

Die Hochschulen haben sich anscheinend entschlossen zusammen zu arbeiten: Es gibt eine Seminarreihe:
 
Ich bin gestern am T-Damm langgefahren und habe verwundert festgestellt, dass dort jetzt eine Busspur installiert wurde. Die Busspur weist auch Fahrradpiktogramme auf. Es war gestern Abend schon sehr dunkel, so dass ich keine Fotos gemacht habe. Leider konnte ich sie noch nicht fahren, da sie zugeparkt war. Ich werde demnächst nochmal hinfahren um Fotos zu machen.
Der Grund ist so einfach wie peinlich: Die BVG renoviert die U6 und deswegen gibt es hochfrequenten Schienenersatzverkehr mit Bussen. Das ist nicht mit dem Bezirk abgesprochen gewesen - da hat offenbar die Senatsverwaltung für Verkehr mal wieder geschicktes Kommunikationsversagen hinbekommen. Dadurch verzögert sich die Umsetzung der Bikelane:
 
Der Grund ist so einfach wie peinlich: Die BVG renoviert die U6 und deswegen gibt es hochfrequenten Schienenersatzverkehr mit Bussen. Das ist nicht mit dem Bezirk abgesprochen gewesen - da hat offenbar die Senatsverwaltung für Verkehr mal wieder geschicktes Kommunikationsversagen hinbekommen. Dadurch verzögert sich die Umsetzung der Bikelane:
Der ÖPNV kann einfach schneller Verkehrswege durchsetzen. Ich finde die Busspur für mich eine gute Strecke (y). Mit meinem Kinder fahre ich den Weg natürlich nicht (n).
 
Der ÖPNV kann einfach schneller Verkehrswege durchsetzen. Ich finde die Busspur für mich eine gute Strecke (y).
Ja, ich kann mit den kombinierten Bus-/Radspuren idR auch sehr gut leben - wären da nicht die regelmässigen renitenten Busspurparker und die viel zu häufigen rasenden verbotenerweise-auf-der-Busspur-am-Stau-Vorbeifahrer ohne Rücksicht auf Verluste und schon gar nicht auf Radfahrer. Erstere sind deutlich seltener geworden seit tatsächlich auch mal abgeschleppt wird und zumindest halbwegs regelmässig Strafzettel verteilt, zweiteres ist seltener aber hässlicher und hat in der Frequenz eher zugenommen meinem Eindruck nach, zumindest auf meinen Standardstrecken.

Was den T-Damm angeht: Ursprünglich sollte die temporären Busspuren dort nicht für Radler freigegeben werden um den hochfrequenten Busverkehr als Schienenersatzverkehr nicht zu behindern. Erfreulicherweise hat man sich zuletzt doch anders entschieden.
 
Was den T-Damm angeht: Ursprünglich sollte die temporären Busspuren dort nicht für Radler freigegeben werden um den hochfrequenten Busverkehr als Schienenersatzverkehr nicht zu behindern. Erfreulicherweise hat man sich zuletzt doch anders entschieden.
Ich habe mir den T-Damm jetzt mal genauer angesehen. Im nördlichen Teil ist noch ein Radweg, dort ist die Busspur nicht für den Radverkehr freigegeben. Etwas südlicher ist ein Radweg beschildert auf dem der ÖPNV fahren darf. Die Geschwindigkeit ist auf der ganzen Strecke auf 30 km/h beschränkt.
 
Frühe Anfänge was zu ändern gab es damals zumindest auch in England. Der Erfolg in den Niederlanden verdankt sich eher der speziellen Vorgeschichte dort. Siehe das 30-seitige Kapitel "How the Dutch Really Got Their Cycleways" in Carlton Reid "Bike Boom".

Das Buch "Bike Boom" mit dem 30-seitigen Kapitel "How the Dutch Really Got Their Cycleways" gibt es als E-Book für kurze Zeit für 5 Dollar:

Auch andere E-Books des Verlages gibt es billiger, auch von Carlton Reid: "Roads Were Not Built for Cars"

 
Dieser geplante Radschnellweg in Dortmund (hinweis darauf in diesem Posting von @Selbermacher) zeigt das Potential auf, das eine Radprofessur entfalten könnte:


Wenn ich mir das Filmchen ansehe bekomme ich den Eindruck, dass die Planer dieser Route weder selbst Alltagsradfahrer sind noch Erfahrung mit der Planung brauchbarer morderner Radinfrastruktur haben noch sich bereits bestehende solche Infrastruktur angesehen oder gar ausprobiert haben oder regelmässig genutzt (oder zumindest nichts draus gelernt). Entsprechend liegt bei dieser Planung allen zweifellos guten Absichten zum Trotz Einiges im Argen:

Sowas kann auf Dekaden unzureichende Infrastruktur zementieren. Eine Beratungsstelle für geplante Infrastruktur im Rahmen einer Radprofessur könnte hier z.B. sehr segensreich wirken. Mal ganz ab von der Wirkung von Forschungsergebnissen und sonstigen Statements in dem Bereich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die aktuell wieder anlaufende Fahrradförderungskampagne vom Verkehrsministerium (zielgenau 5 Monate vor der Wahl) frustriert mich. Selbst wenn die Kohle bereitgestellt wird, fehlt es den Kommunen an Planern.
Beispiel: das Umsetzungsdebakel RS1. Der sollte mal 2020 fertig sein.

An die Experten hier: muss man nicht radikal die bestehenden Verkehrsflächen jetzt und ohne große bauliche Eingriffe umverteilen, wenn wir zu Lebzeiten was bewegen wollen? Also Pop-Up und co?

Die jetzt beschworene Fahrradinfrastrukturplanerei kommt doch viel zu spät für die Klimakrise.

Bin mal gespannt, ob ich den RS1 noch befahren werde...
 
Hallo @benna, es erstaunt mich etwas, dass Du in Zusammenhang mit meinem Post zu diesem SZ-Artikel von einem "bequemen Pfad des generischen Pöbelns" sprichst. Meine Bemerkung zu Konventionalität und mangelnden Mut bezog sich nicht nur auf "die junge Professorin", sondern auch auf die Fragen der SZ.

Mutiger hätte ich eine etwas weniger weichgespülte Diskussion der Kernfrage gefunden, wie der eng begrenzte städtische Raum zu verteilen ist. Und eher konventionell als kreativ finde ich eine Verlagerung der Verkehrsführung für Radfahrer auf - zweifellos landschaftlich schöne - Radwege entlang von Flüssen oder auf ehemaligen Bahntrassen - für Pendler vielleicht nicht immer die optimale Lösung.

Viele Grüße, Luise
 
Und eher konventionell als kreativ finde ich eine Verlagerung der Verkehrsführung für Radfahrer auf - zweifellos landschaftlich schöne - Radwege entlang von Flüssen oder auf ehemaligen Bahntrassen - für Pendler vielleicht nicht immer die optimale Lösung.
Das ist nicht nur für Pendler eine völlig realitätsferne Lösung: Die allermeisten Ziele kann ich bezogen auf das erste und letzte Teilstück über einen Radwanderweg erreichen: Weder meine Wohnung noch die allermeisten bis alle meiner Ziele liegen ein einem solchen. Die Verlagerung der Radverkehrsführung auf irgendwelche für den Kraftverkehr unattraktive oder gesperrte Strecken ist also alles andere als Radverkehrsförderung.
 
Die jetzt beschworene Fahrradinfrastrukturplanerei kommt doch viel zu spät für die Klimakrise.
Ach! ©Loriot

Schon in den 70ern des letzten Jahrhunderts war klar, daß wir was ändern sollten an unserem Lebensstil.
Was ist seitdem passiert?
Außer Lippenbekenntnissen und Wirtschaftsförderung, von der die Kfz-Zulieferbranche kaum was abbekommen hat, dafür der Beton- und Tiefbau, nicht viel.
war wohl zu vielen Wählys nicht wichtig genug ...
 
war wohl zu vielen Wählys nicht wichtig genug ..
"Wichtig" ist es den Wählern durchaus, die Ansprüche an Bequemlichkeit, etablierten Komfort und Abhebung von der Masse (durch Komfort u.A.) sind als egozentrischer Ausduruck des Seins allerdings präferiert im Fokus.

Die Kategorie von "wichtig", welche bürgerseitig in ökologischer und nachhaltiger Hinsicht abgebildet wird, erinnert mich an "Oh, ein Obdachloser, mir ist es wichtig, diesen zu helfen!" => 2,00 € in die Tasse, einmal im halben Jahr und sich als großer Gönner, nachhaltiger Verfechter der benachteiligten Allgemeinheit (= auch eines Selbst, bspw. durch Klimawandel) fühlen.

Rechtfertigung des Egos vor sich selbst durch kleine, nachteilbezogen kaum wahrnehmbare Abgaben und Selbsteinschränkungen. Etablierung einer gefühlten Realität des Aktivismus. Dass dies nicht ausreicht, wird unterbewusst bekannt sein, der etablierte Status Quo dadurch nicht beeinträchtigt, also spielt dies keine Rolle => akzeptabler Pseudokompromiss.

Solange keine direkte, tiefgreifende Rückkopplung der Negativeffekte auf den etablierten Lebensstil stattfindet - alternativ "Zwangsvorgaben" durch Gesetze des Entscheidungsträger, bleiben etablierte Lebensstandards nahezu gleich und Änderungen (hier folgt die Rückkehr zum OnTopic-Bereich) in Form von adäquater Akzeptanz, Förderung und Integration, bspw. Fahrradfahrer in den Straßenverkehr mittels gönnerhaft fahrbahnbreit designten, reale Sicherheit einräumenden Radwegkonzepten liegen auf einem niedrigen "Wir tun doch was!"-Niveau ohne tiefgreifende Limitierung und Wandelung des Standards "etablierter KFZ-Verkehr".

Dass dies nicht ewig gut geht - geschenkt.. solange es gut geht, akzeptabler Pseudokompromiss und nach Kippen in Richtung physisch omnipräsenter Nachteile wird es m.M.n. delegiert mit "aber wir taten doch.. sooo viel!".
 
Brächte eine grüne Kanzlerin denn Schwung in die Verkehrspolitik? Hat sich jemand mal mit deren Konzepten auseinandergesetzt?
 
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