Bericht
Prologue
Vor 8 Tagen ist das Velo in Rambouillet angekommen, vor 6 Tagen ich. Die Zeit habe ich genutzt, um zu arbeiten, mit anderen Frühankömmlingen Zeit zu verbringen und beim Coiffeur war ich auch .
Gestern Abend habe ich ein paar Starts mitverfolgt - als Highlight auch den "Funny Bikes"-Start.
Jour 1: Rambouillet-Launeuc
"V" ist die mit Abstand kleinste Startgruppe. Ich lasse die ca. 17 anderen schon mal fahren und verabschiede mich kurz nach der Startlinie von den zwei
Bénévoles an meiner Seite. Die ca. drei Minuten zwischen Start und Überfahren der Zeitmessung werden zur Finisherzeit knapp unter 79 Stunden beitragen. Das kleine Fahrerfeld vom nicht zu überholenden Führungsfahrzeug ist bald wieder eingeholt.
Es wird hell. A im DF wird gleich ranfahren, um im Aufstieg ein paar Worte zu wechseln. Das "Tor" in den oberen Ecken ist die vorne abgelegte Haube - die Magnethalterung ist genial!
Genau im richtigen Moment vor den Teich überholt
@mulb .
Bei Km 60 überholt die Spitze von Gruppe W mit E, den ich danach nicht mehr sehen werde. Bis ins Ziel werde ich fast zu jedem Zeitpunkt mindestens einen Randonneur vor und/oder hinter mir sehen.
Die Durchfahrt von Alençon ist mühsam. Zumindest wenn man sich an die Verkehrsregeln hält.
Viel los ist allgemein nicht am Montagvormittag.
Es wird wärmer. Während der ganz heissen Tageszeit öffne ich die Haube nur bergauf und unten handbreit(=bequem) und schmore im Schatten.
P auf dem Liegerad ist aus Villaines, welches nur wenige Km entfernt ist. Gerne würde ich seine Ankunft miterleben, doch dafür bin ich zu langsam. In Villaines Pasta, 0%-Bier mit Amerikanern und der Motorradcrew.
Nach gerade mal 230 km hole ich erstmals jemanden der 90h-Gruppe ein, der am Vorabend gestartet ist. Der muss schon sehr weit hinter dem Zeitlimit sein.
So viel, wie ich schwitze, kann ich doch gar nicht trinken. Allen anderen gönne ich den Rückenwind von Herzen, ich hätte soo gern etwas Kühlwind bergauf.
X kenne ich vom
Superbrevet Scandinavia (SBS 2022) und ist im wahren Regenbogentrikot von weitem zu erkennen. Ohne Gruppe seinerseits können wir etwas Erinnerungen und Erwartungen austauschen.
Mehrfaches gegenseitiges Überholen mit einer Gruppe mit ca. 15 Italientrikots.
Mit der rechten Hand fotografiere ich diese vorbeifahrende Gruppe. Die Linke befördert Brombeeren vom Strauch in den Mund.
Langsam füllt sich die Strasse mit Teilnehmern des 90h-Limits. Es ist noch nicht die "Bulge", also das auf mehrere Stunden verteilte
Hauptfeld. Bergauf ein paar Wortfetzen wechseln, ist jeweils drin.
Die Association Française de Vélocouché hat auf dem Camping 3km vor Tinténiac gleich eine ganze Wiese gemietet und ich darf etwas fachsimpeln und eine Portion Pasta essen. Im Gegensatz zur Geheimkontrolle beim
Pitchoun 200 hat es hier auch ein Spendenkässeli. Im Ziel sehen wir uns wieder!
Das Ende der Bulge habe ich erreicht und die ersten Teilnehmer kommen auch schon entgegen.
Im Frühstücksraum des Hotels stehen diverse Velos mit 90h-Nummern. Der Teller Fisch mit Reis entspricht den hohen Ansprüchen des Restaurants - ich hätte Geschmack/Anrichtung/Portionengrösse lieber etwas anders gewichtet gehabt - fürs Gemüt ist das Bettmümpfeli super!
Jour 2: Launeuc-Brest-Pontivy
Die anderen Velos sind längst weg. Auf dem Hotelparkplatz schläft ein Randonneur. Mein Name wird in den anbrechenden Tag gerufen.
Bald habe ich
@Olo97 (SBS 2022) und C eingeholt und freue mich über ein paar wachmachende Worte.
In Loudéac sind die meisten schon auf dem Rückweg, insgesamt ist aber wenig los.
Geheimkontrolle 7km vor St. Nicolas. Dort fülle ich die Vorräte auf und fahre bei St. Nicolas ohne anzuhalten durch. Auch bei allen folgenden
Sites d'accueil werde ich ohne anhalten durchfahren.
F (SBS 2022) treffe ich in Carhaix wieder. Dort gebe ich auch spontan ein kurzes Interview, das mit Foto im Télégramme erscheinen wird. Zu einem Russen setze ich mich den Tisch. Wie das Radfahren im Allgemeinen oder die Randonneurs-Szene im Speziellen in Russland ist, erfahre ich ebensowenig wie die Umstände seiner Anreise: Unser gemeinsamer Wortschatz: Brest, Paris. Immerhin lachen wir etwas.
Ich habe zwei glückliche Abnehmerinnen der zu verschenkenden AudaxSuisse-Caps gefunden. Am nächsten Morgen werde ich sie nochmal vor einer Bäckerei stehen sehen, da werden sie aus dem Zeitlimit gefallen sein.
Der höchste Punkt des Brevets (mein Wohnort ist deutlich höher

) mit spannendem "Wolken"spiel bei perfektem Velowetter. Die ersten 4km Abfahrt sind super, dann habe ich den Lastwagen eingeholt, der seinerseits von Randonneuren ausgebremst wird.
Brest! Da wollen wir alle hin und kaum sind wir da, fällt uns wieder ein, dass so eine Stadt ausser dieser Brücke doch vor allem mühsam zu durchfahren ist.
Die nächste Etappe ist nicht nur auf dem Papier anstrengend. Für einmal sind die Ortschaften unten - nix Schwung mitnehmen.
Geheimkontrolle! Auf dieser hügeligen Etappe kommt die mir sehr gelegen. Eine Portion zwecks Kaubarkeit mit Wasser gepimpte Portion Pasta essend, darf ich dieses sehr spezielle MBB von
@Nemberch bestaunen. Später werde ich ihn darauf mit hinter dem Kopf verschränkten Armen bergauffahren sehen; Neid!
Nachtvorbereitungen in Carhaix. Mein Licht hat nach 2.5h Dunkelheit und zwei Tagen mit Tagfahrlicht noch 20% Akku - das sollte reichen bis zum Hotel in Pontivy.
Mittlerweile bin ich wieder in der Bulge angekommen. Es würde sich stets Windschatten finden lassen, gleichzeitig ist das Überholen erschwert und bei Kontrollen ist mit Wartezeiten zu rechnen.
Schiebend überhole ich einen fahrenden Randonneur.
Bei der Ausfahrt aus einem stockfinsteren Kreisel erlischt das Licht ohne Vorwarnung. Im Kopf habe ich das Szenario schon oft durchgespielt, jetzt folgt der Ernstfall: Vollbremsung (uff, nix touchiert!), umgehängte Stirnlampe an, aufs Gras fahren, aussteigen, Leuchtgilet an, Sitz raus, Haube rein, Sitz rein, Handylicht an, Stirnlampe auf rot, Stirnlampe durch Rangierloch fixieren, Handy 90° gedreht an Magnethalterung, Gilet aus, einsteigen, mich einem anderen Randonneur anhängen. 1-2km später erreichen wir den Ort und ich biege für 2.5 beleuchtete km ab zum Hotel.
Ich bin heiser und werte das als Zeichen von genügend Rumgequatsche heute.