Nun doch 2x20 Zoll...Allight Kruiser

Ich möchte Euch auf dem Laufenden halten, was die "Evolution" meines Alligt Kruizers angeht. Nach dem Desaster auf der geplanten langen Tour (Abbruch wegen beidseitigen Knieschmerzen) habe ich Ursachenforschung betrieben - und viele interessante Dinge gelesen. Mein Eindruck war immer, dass ich zu viel Treteinfluss in der Lenkung habe. Natürlich kann man sich auch daran gewöhnen, und ich bin recht problemlos und mehrmals knapp 130 km am Stück gefahren. Aber gemütlich ist anders!
Also habe ich recherchiert, was die Ursachen sein könnten und bin fündig geworden. Kurz und knapp: es kamen viele ungünstige Dinge zusammen. Flacher Lenkwinkel, großer Nachlauf, schweres Tretlager (und alles, was da so dranhängt) und zusätzlich war der Sitz etwas zu weit hinten positioniert.

Ergebnis war wie gesagt ein großer Einfluss der Tretkräfte auf die Lenkung und ein gewöhnungsbedürftigen Fahrverhalten mit starker Abkippneigung des Antriebs in Kurven. Schieben ging auch nur am Lenker, weil der gesamte Vorderbau sofort umschlug - das sollte besser gehen!

Da ich den Antrieb nur ungern ändern wollte, blieb eigentlich nur eine Änderung hin zu steilerem Lenkwinkel und damit kürzerem Nachlauf übrig, um den schweren Antrieb zu beruhigen.
Beim Anheben des Hinterbaus kam ich irgendwann in einen Bereich, wo ich den "Vorderwagen" mit Verlagerung des Schwerpunkts lenken konnte...das schien also der Weg zu sein.
Dabei geht natürlich logischerweise Tretlagerüberhöhung verloren, was durch den etwas tiefer liegenden Originalsitz etwas abgemildert wird.

Das vorläufige Ergebnis der neuerlichen Bastelei seht Ihr hier:

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Nun ist von 2x20" nix mehr übrig...
Ich warte noch auf die Igidur-Buchsen für das Schwingenlager. Provisorisch zusammengeschraubt kann ich folgendes Zwischenfazit ziehen:
Das Rad ist trotz Eigenbau-Schwinge und 26" HR ein halbes Kilo leichter geworden. Das wird aber von noch zu installierenden Kleinigkeiten wie Kopfstütze und Schutzblech aufgefressen. Also werden am Ende wieder etwa 24 Kilo herauskommen.

Schieben und dabei lenken geht jetzt am Sitz. Und ich bin tatsächlich im Keller ein paar Meter gefahren! Das Fahrverhalten hat sich zumindest bei niedrigen Geschwindigkeiten und beim Anfahren drastisch verbessert.

Hier noch ein paar Eckdaten:
Radstand 129 cm (vorher mit 20"HR 127!)
Lenkwinkel lt. Kreuzotter knapp unter 70°
Nachlauf 8,5 cm
Sitzhöhe 59 cm
Tretlagerhöhe 73 cm

Ich hoffe, dass ich damit etwas Ruhe in die Fuhre bekomme und nicht mehr so viel Energie in die Stabilisierung derselben investieren muss. Bei der langen Strecke habe ich nämlich realisiert, dass genau das zusätzliche Belastungen für die lädierten Knie bedeutet. Es entwickelt sich...

Ich hoffe, dass ich das Rad am Freitag fertig machen kann und vielleicht kann ich über's WE bissl fahren.

LG Holger
 
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Ja, das ist sicher auch für @bienebello interessant, wobei er schon ein "steiles" Steuerrohr hat.
Gute Fahrt und gesunde Kniee wünscht
Krischan
 
Welchen Lenkwinkel hatte das Rad denn davor?
Das ist nicht so einfach zu sagen, ich kann nur schätzen. Belastet und in Fahrt 5° flacher, vielleicht auch mehr, weil ja das Heck durch die Federung noch absank.
Original war jedenfalls ein Lenkwinkel, bei dem der Gepäckträger im unbelasteten Zustand waagerecht war...davon ist es momentan ja weit entfernt.
Die erste Evolutionsstufe bekam ja eine bessere Federgabel (26 Zoll) unter Beibehaltung des 20er VR. Mit stärkerer Feder hinten ging sich das unter Belastung einigermaßen aus, weil die Gabel mehr, die Schwinge weniger einsank.

Der nächste Schritt war der entscheidende - mit den wesentlichen Fehlern:
Ich hab' einfach per Schablone die Geometrie im unbelasteten Zustand - also den Lenkwinkel, die Lage des Tretlagers, die Gabelvorbiegung etc.pp. übernommen, weil es ja ganz gut funktioniert hat.
Nicht auf der Rechnung hatte ich die Absenkung des Rahmens durch die Federgabel und die doch etwas anderen Anforderungen, die ein MBB an die Geometrie stellt. Es war ja auch als Versuch gedacht, um Schritt für Schritt zu lernen - und vielleicht irgendwann das für mich "perfekte" MBB zusammengebrutzelt zu haben.
Wenn ich heute bei Schritt 2 wäre, würde ich entweder gleich eine "französische" Geometrie abkupfern, oder zumindest den Sitz weiter nach vorne setzen und von den damals 12 cm Nachlauf weitere drei der Vorbiegung opfern... Vielleicht hätte ich dann nicht umbauen müssen. Wer weiß. Grau ist alle Theorie und bestimmte Sachen muss man am eigenen Leibe "erfahren", meine ich.

LG Holger
 
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Stichwort "erfahren":

Ich bin eben von der ersten Testrunde zurück - das fühlt sich deutlich besser an. Schon das Anfahren funktioniert einfacher in dem Sinne, dass schon bei deutlich niedrigerer Geschwindigkeit Stabilität im System ist, so wie ich das ja bei meinen Versuchen im Keller schon empfunden habe.
Die Federung arbeitet gut, trotz der provisorischen Befestigung ohne passgenaue Buchsen.
Sehr interessant war mein Abstecher "ins Feld": der Schotterweg, der mich mit der vorigen Version an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, war heute deutlich einfacher zu befahren, obwohl ja der komplette Hinterbau mit deutlichem Spiel behaftet war. Das schiebe ich auf die Geometrieänderungen und vielleicht auch auf die höhere Belastung des Antriebsrades durch die leicht nach vorn verschobene Sitzposition und den ebenfalls minimal verlängerten Radstand. Das sollte ja mit einem ordentlich eingebuchsten Hinterbau nicht schlechter werden, hoffe ich...

Freihändig rollen ging auch schon ein paar Meter - mit treten nicht. Aber der Treteinfluss auf die Lenkung scheint auch kleiner geworden zu sein. Vielleicht ist das aber auch nur der Euphorie geschuldete Autosuggestion. Fakt ist aber, dass ich nun ohne das typische "Vendetta-Schlängeln" mit Druck auf den Pedalen geradeaus fahren kann.

Nachtrag zum Lenkwinkel: das Vorderrad sitzt in der hintersten möglichen Position, was einer Vorbiegung von nur noch reichlich 20 mm entspricht.
Laut Kreuzotter macht das um die 71° Steuerkopfwinkel.

LG Holger
 
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Fahrräder sind feinfühlige Gefährte.
Ich habe das damals gut bei meinem Guylaine Reiserad beobachten können:
ich bin von etwa 28 mm breiten Panaracer Tourguard auf Vredestein M+S (ca. 35 mm) gewechselt,
weil ich verschiedentlich Felgenaufsetzer hatte, und die kalte und nasse Jahreszeit kam.
Obwohl den Unterschied nur ein 7 mm größerer Abstand zum Boden und ein größeres Reifengewicht machten,
fuhr sich das Rad vermutlich durch den leicht vergrößerten Nachlauf bedeutend ruhiger.
 
habe durch knapp 2cm längeren Radstand...
Bei mir sind es auch 2 cm mehr Radstand plus ein Verschoben des Sitzes um ca. 3 cm nach vorn. Da wird dann wohl doch nicht alles Einbildung sein.

Die Hinterbremse ist jetzt auch dran - durch die Verwendung der alten MTB-Gabel kann ich einfach die alten V-Brakes weiter nutzen.
Bei der Planung hatte ich "Manschetten" wegen der Dauerhaltbarkeit der Schwinge, habe mich aber nach dem Schweißen gemeinsam mit meinem Sohn auf das an den Enden aufgelegte Bauteil gestellt und auch bissl gewippt - alles ruhig. Sollte den auftretenden Belastungen also gewachsen sein.

LG Holger
 
Heute Vormittag habe ich noch schnell eine Sitzauflage improvisiert - nach den Empfehlungen hier aus dem Forum. Vielen Dank an alle, die sich damals zum Thema "Fakir-Matte" geäußert haben. Bei mir sind es im ersten Versuch drei Lagen einer Böschungs-/Krallmatte geworden.
Funktioniert erstmal recht ordentlich.

IMG_20200919_171751.jpg

Das Schwitzen hält sich etwa im Rahmen der Ventisit-Matten. Die Dämpfung ist auch gut. Sicher wird sie sich eher zusammendrücken und dann nicht mehr so gut funktionieren, aber dafür hat sie ja auch viel weniger gekostet.

Im Nachmittag bin ich dann mit einem etwas flauen Gefühl gestartet - das Knieschmerz-Erlebnis bei der letzten großen Tour sitzt tief...

Aber glücklicherweise haben sich die vorgenommenen Änderungen am Rad bezahlt gemacht. Der Kruizer ist nicht wieder zu erkennen. Heute ist mir so richtig klar geworden, was für eine "Zicke" ich mir da vorher zurecht gebastelt hatte!
Schon das Anfahren ist viel einfacher. Das 26er HR läuft auch besser. Überhaupt war ich heute trotz bewusster Schonung recht schnell unterwegs - für meine Verhältnisse jedenfalls. Ich könnte doch recht lange mit 30+ fahren!
Auf dem Elberadweg war viel los aber bei Nünchritz wurde es weniger. Da konnte ich so schön losbrettern. Von hinten kam ein sehr schnelles Boot auf der Elbe gefahren, ich hatte es nur gehört, nicht hingesehen. Irgendwann realisierte ich, dass der Bootsführer an der Reling stand und mich filmte, während er in ähnlichem Tempo neben mir her schipperte. Das macht doch Spaß...rächte sich allerdings später! Der Trainingszustand lässt nach fast vier Wochen Pause einfach sehr zu wünschen übrig.

Hier schon wieder auf dem Heimweg bei Lampertswalde.

IMG_20200919_185951.jpg

Die Treteinflüsse auf die Lenkung sind auch deutlich geringer geworden. Überhaupt neigt der schwere Antrieb nicht mehr so zum "Abkippen", auch beim Abstellen des Rades schlägt der Lenker nicht mehr so vehement um.
Die Federung schlägt mit der momentan verbauten 650er Feder leider ab und an durch. Da werde ich wohl eine stärkere einbauen müssen - besonders im Hinblick auf die Sommertour, die ich mir nach der heutigen Ausfahrt sehr gut mit dem Kruizer vorstellen kann. Die Sitzhöhe gefällt mir auf alle Fälle besser als bei der SPM.

Ich spiele mit dem Gedanken, die DualDrive wegzulassen und stattdessen eine 3x10fach (wegen Schräglauf auf 3x9 reduziert - ich brauch' kein 11er Ritzel) einzubauen. Mal sehen.

Unter Belastung sind es jetzt 59cm Sitzhöhe, Tretlagerüberhöhung "nur" noch 12cm. Die Anhebung des Hinterbaus führt dazu, dass ich nun endlich wieder richtig "über den Lenker" sehen kann.
Außerdem sollte der steile Lenkwinkel dafür sorgen, dass der 1Zoll Steuersatz länger hält von

Ich danke allen, die mit ihren Beiträgen zu MBBs, Lenkgeometrien und Erfahrungen dazu beigetragen haben, dass ich die "vermurkste" Geometrie auf einen fahrtauglichen Stand bringen konnte.
Die Entspannung hilft offenbar tatsächlich, länger schmerzfrei fahren zu können.

LG Holger
 
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Die Evolution schreitet voran - der Kruiser ist jetzt mit der Rohloff (aus der SPM) verheiratet. Passt mit 44/21 und je nach Bereifung 2,06-2,08m Radumfang perfekt. Die zusätzlichen Versteifungen im Vorderbau habe ich entfernt. Zu viel Gewicht bei wenig Nutzen. Ich hatte beim Aufbau einen Besenstiel durchs Tretlagerrohr geschoben und daran in alle Richtungen gehebelt - nix. Nun dasselbe ohne die Extrarohre - immer noch (fast) nix. Man kann sich einbilden, dass da etwas mehr Torsion vorhanden ist, aber wirklich sicher war ich mir nicht. Deshalb fand der erste Fahrversuch so statt.
Und verlief - wie man hier sehen kann: https://www.velomobilforum.de/forum...-von-ausfahrten-und-touren.44758/post-1257118 - recht erfolgreich. Bleibt also erstmal so.

Hier nun noch ein paar Bilder und Erklärungen zum derzeitigen Stand der Bauarbeiten, zuerst der vordere Teil des Dreiecks...
Ins ehemalige Umwerferrohr des Fully-Hinterbaus habe ich ein Flacheisen 4x35 eingeschweißt. Das ist zwar schwer, entspricht aber meinen bescheidenen Fähigkeiten als Schweißer und sollte halten. An den Kettenstreben sieht man, wo ich die zusätzliche, sehr massive Brücke abgeschnitten habe. Die diente zur Aufnahme des unteren Federbeingelenks und dort hatte ich auch die zusätzlichen Verstrebungen angeschweißt.

IMG_20210227_123820.JPG

Dann die vorbauseitige Anbindung des Konstrukts von unten... Zuerst eine Hülse aus einem Stück Gabelschaft auf den Vorbauschaft aufgeschoben. Das Flacheisen mit dem vom Tretlager kommenden Gegenstück verschraubt und an die Hülse geheftet. Lenker und Vorbau seitlich und in der Höhe endgültig ausgerichtet und dann die Hülse mit dem Vorbauschaft verschweißt. Passt.

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Und hier noch die zum Ausbau des Steuersatzes nötige Trennstelle von oben:

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Nun werde ich erstmal noch ein paar hundert Kilometer mit dem Teil abreißen und, wo nötig optimieren. Dann wird fein entrostet und lackiert. Vielleicht schweiße ich noch einen Gegenhalter für die Rohloff-Züge an die Kettenstrebe - da sitzt momentan noch die provisorische (aber perfekt funktionierende) Schlauchschellen-Variante die ich für die SPM gebastelt hatte. Vielleicht bleibt es aber auch bei dem einen oder anderen "haltbaren" Provisorium...

Die Reifen (quasi neue Schwalbe Range Cruiser) fliegen aber definitiv 'raus. Die sind nicht wirklich schlecht, aber machen auf glattem Untergrund ein nerviges Vibrieren, oder hochfrequentes Brummen. Nicht katastrophal, aber mich stört es. Und rollen tun sie bestenfalls durchschnittlich, was kein Wunder ist, wenn man sich die dick gummierten Flanken anschaut. Stattdessen kommen Michelin Energy in 1.85 Breite drauf. Mit denen habe ich letztes Jahr an der SPM gute Erfahrungen gesammelt. Die bieten einen guten Kompromiss aus Leichtlauf, Komfort und Haltbarkeit. Der 20Zöller aus dem hoch belasteten Vorderrad der SPM sieht nach weit über 2000km noch aus wie neu. Er haftet bei trockenem Belag sehr gut, bei Nässe geht es auch und ist damit im Vergleich zu den alten Proteks deutlich besser. Und Panne gab es trotz mehrfachen Durchfahrens von Scherben auf Radwegen auch keine.

Sobald das Rad richtig fertig - das heißt, so perfektionert, dass ich damit auf mehrwöchige Radreisen gehen kann - ist, zeige ich es im wahrscheinlich Vorstellungsthread nochmal. Hat ja mit dem "2x20 Zoll Allight-Kruiser" außer Rahmen, Sitz und Federbein (jetzt mit 750er Feder) nix mehr zu tun... ;)


LG Holger
 
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