Dann will ich noch etwas zum 600er schreiben.
Ich bin in der letzten Gruppe als Letzter ganz langsam gestartet, um nicht gleich bei den ersten kleinen Hügeln zu versuchen, an Leuten dran zu bleiben, an denen ich nicht dran bleiben kann. Trotzdem habe ich gleich auf den ersten Kilometern einige Teilnehmer überholt.
Wie bei den vorherigen Brevets habe ich anfangs auf Geraden oder Gefällestrecken
@speedmanager überholt, was er an Steigungen dann wieder rückgängig machte.
Hinter Weferlingen gab es dann erstmal keine Hügel mehr und ich holte mehrere RR-Gruppen ein. Als ich dann an
@MEX vorbei war und auf die RR-Gruppe um Fritz Geers auflief, verschlechterte sich die Straßenzustand so stark, daß ich die vorgenannten aus den Augen verlor und erst an K1 in Arendsee wieder traf.
Zwischen Arendsee und Schnackenburg war die Straße so schlecht, daß ich ans Aufgeben gedacht habe. Da hat man gemerkt, daß die Strecke nicht von einem Milan-SL-Fahrer ausgesucht wurde. Es war absolut kein Vorwärtskommen. Ich bin mehr auf den Fußhubbeln gerutscht als auf den Vorderrädern gefahren.
Eigentlich hätte ich da die Vorderräder gar nicht gebraucht, die waren nur unnützer Ballast. Mein Akku ist aus der Halterung geflogen, mit den Hohlsteckern voran direkt in eine Käseschnitte, die Stecker mußte ich zu Hause mühsam reinigen. Zum Glück hatte ich noch mehr Akkus dabei.
Hätte ich das gewußt, wäre ich liebend gern die 17km Umweg über Seehausen und Wittenberge auf Bundesstraßen gefahren, der zuerst als Umleitung für die gesperrte Elbfähre in ? angedacht war.
Die Fähre in Schnackenburg hatte bereits abgelegt, aber der freundliche Fährmann fuhr zurück und legte nochmal an, um mich mit zu nehmen.
Hier traf ich auch wieder die Gruppe um Fritz Geers, die ich an einer Baustellenampel wieder verlor und dann wieder traf als sie sich Regensachen anzogen.
Nach mehreren km Alleinfahrt holte mich die Gruppe an einer Steigung wieder ein, fiel aber wieder zurück als es leicht bergab ging. Das wiederholte sich mehrfach, bis einer aus der Gruppe ausscherte und an mir vorbei spurtete. Durch meine regennassen Scheiben habe ich das nicht richtig mitbekommen, habe aber auch die Geschwindigkeit angezogen und war vor dieser Gruppe an der K2 in Neustadt-Glewe. Das war natürlich eine sinnlose Energieverschwendung, so was sollte man bei einem 600er lieber nicht machen. Aber manchmal kann ich es eben nicht lassen.
In Neustadt-Glewe habe ich zum letzten mal ein VM gesehen, es war
@Sturmvogel .
Da ich auf den letzten Kilometern öfters ein Schleifgeräusch gehört hatte und schon vermutete, daß sich ein Schutz für die Fußhubbel gelöst haben könnte, habe ich mir meinen Milan mal von unten angesehen und festgestellt, daß der re. Voderreifen zu wenig Luft hatte. Also den Schlauch gewechselt. Bis ich fertig war, waren auch alle, die nach mir kamen, u.a. auch
@speedmanager , weg.
Bis nach Kühlungsborn habe ich dann außer einem RRadler, der bei einer Pi....pause an mir vorbei fuhr, keinen Brevetteilnehmer mehr getroffen.
Bei dieser Pause habe ich mir einige Mückenstiche zugezogen, die dann auch die einzigen Nachwirkungen des Brevets waren.
Das Stück auf der B105 war so ziemlich das am besten fahrbare des ganzen Brevets. Der Straßenzustand war gut, der Verkehr war erträglich und es gab fast keine Steigungen. Da konnte ich ohne großen Energieeinsatz einige km mit gut 50km/h fahren.
Kaum hatte ich die B105 verlassen wurde es wieder hügeliger. Was mich aber mehr bremste war der einsetzende Starkregen. Es war fast so dunkel wie in der Nacht und die Sicht war durch Regen und beschlagene Scheiben sehr stark eingeschränkt.
Um 19:30Uhr nach knapp elf Stunden war ich in Kühlungsborn. Dort traf ich zum letzten Mal vorm Ziel
@speedmanager, der aber bald wieder losfuhr.
In der Tankstelle saßen drei RRfahrer beim Essen. Ich wartete noch etwas, in der Hoffnung, der Regen würde nachlassen, was er leider nicht tat.
Auf den ersten Kilometern hinter Kühlungsborn holten mich an Bergen immer wieder mal drei RRfahrer ein, bis ich mir in einem Bushaltehäuschen trockene Sachen anzog, dann sah ich sie nicht wieder.
Etwas später verabschiedete sich mein Edge 800, den ich bis heute nicht wiederbeleben konnte. Jetzt mußte mein GPSMap 60 die Navigation übernehmen.
Damit war ich ohne Puls- und Geschwindigkeitsanzeige.
Kurz nach Mitternacht kam ich an der K4 in Parchim an, als
@MEX gerade im Aufbruch war. Die von
@speedmanager erwähnte Gruppe betrunkener Jugendlicher war noch da. Zum Glück waren sie friedlich und freundlich. Sie kannten sich bestens mit Velomobilen aus und wußten auch über Brevets bescheid und gaben ihr Wissen auch freudig an ihre Freunde weiter, die mit Autos ankamen. Als ich wieder startete kam noch eine Gruppe RRadler an.
In der Nacht bremste mich öfters Nebel.
Einmal flog etwas sehr großes direkt vor mir über die Straße, es muß ein Hirsch gewesen sein. Trotz meiner geringen Geschwindigkeit hätte ich nichts tun können, um eine Kollision zu verhindern, also nur großes Glück gehabt!
An Steigungen tauchten gelegentlich Lichter in meinen Rückspiegeln auf, die mich dann in Form von RRfahrern überholten, allerdings am Ende der Steigungen auch wieder in meinen Spiegeln immer kleiner wurden bis sie verschwanden.
Gegen 3:00 Uhr beschloß ich bei einer Pause, daß sich diese Stelle für ein Nickerchen eignen würde. Ich habe eine halbe Stunde lang versucht, im VM zu schlafen, was aber nur sehr kurz gelang. Danach war ich dennoch munterer.
Auf der Fahrt in die Dämmerung holte mich zum letzten Mal eine RR-Gruppe ein. Ich war gerade wieder an ihnen vorbei, da kam ein Ortseingang mit schrecklichem Plaster, da überholten sie mich wieder, bis nach dem Ort die Straße wieder besser wurde. Danach traf ich erst wieder in Havelberg jemanden.
Es war
@MEX, der etwas von einem Karkassenschaden berichtete und die Hoffnung hatte, dennoch bis nach Warberg zu kommen.
Die Fahrt in den Morgen war wunderschön, herrlicher Sonnenschein unterbrochen von Dunstfeldern. Und unter diesen Beleuchtungsverhältnissen fand ich auch die Landschaft nicht langweilig.
Dieser schöne Morgen hielt an, bis ich meinen Pullover auszog und meine Sonnenbrille und mein Sonnenschild aufsetzte. Kurz danach zog sich der Himmel zu und kalter Wind kam auf. Bei der letzten Kontrolle in Wolmirstedt war es sehr ungemütlich.
Zuvor saß noch
@MEX in einer Bushaltestelle ,mit ausgebautem Rad. Ich dachte: Der Arme, das wird dann schon der zweite Brevet, wo er sich abholen lassen muß.
Die Hügel hinter Wolmirstedt zogen sich wie Kaugummi. Aber da endlich ein Lichtblick: Der Hinweis auf die B1, also fast zu Hause.
Falsch, ich stand vor meinem einzigen psychischen Tiefpunkt auf dieser Tour: Die B1 war auf mehrere Kilometer so stark aufgerauht, daß ich nicht besser vorwärts kam als auf den schlimmsten Kopfsteinpflasterpassagen. Aber hier sind mir der Krach und das Gerappel im VM besonders stark auf die Nerven gegangen.
Kurz danach kam dann mein Leistungstiefpunkt am Berg hinter Morsleben über den Lappwald, dort bin ich wirklich nur noch hoch geschlichen, und auch die Müdigkeit war sehr stark.
Am Ende des Berges mußte ich nochmal in die Büsche, da kam doch tatsächlich Fritz Geers vorbei, der beim 400er der schnellste RRfahrer war.
Da ich den Streckenverlauf bis Warberg kannte, wußte ich, daß ich eine reelle Chance hatte, vor Fritz in Warberg anzukommen. Ich war schlagartig hell wach und hatte ungeahnte Leistungsreserven. Viel schneller hätte ich das Stück auch ohne die letzten 600km in den Beinen nicht fahren können.
Und ich habe es vor Fritz ins Ziel geschafft, wahrscheinlich aber nur, weil starker Gegenwind war und Fritz nichts von meinem Vorhaben wußte und nicht aktiv etwas dagegen unternommen hat.
Nach knapp 28 Stunden war ich als Zehnter im Ziel. Dabei ging es mir wie Fritz, wir hatten beide gehofft, den Brevet in 24 Stunden zu schaffen.
Ich bin dennoch mit meiner Leistung zufrieden, wobei mein gutes Abschneiden im Vergleich zu den anderen nicht auf meine Leistungsfähigkeit sondern auf mein Fahrzeug zurück zu führen ist. Die anderen VM-Fahrer waren deutlich schneller als ich. Ein VM ist auf so einer Strecke unverkleideten Fahrrädern deutlich überlegen.
Daher habe ich vor allen unverkleidet Fahrenden, die solche Strecken schaffen, besonders großen Respekt.
Als ich bei Hartmut zur Heimfahrt aufbrach, kam
@MEX doch noch auf eigenen Rädern in Warberg an, weil ihm jemand einen Reifen leihen konnte.
Fazit: 600km sind auch für Menschen meines Alters und meiner Kondition machbar. Es wäre aber sicher gesünder, nach der Hälfte der Strecke eine richtige Übernachtung einzuplanen, dann schafft man die zweite Hälfte wahrscheinlich entspannter und kommt trotzdem noch im vorgeschriebenen Zeitfenster an.
Aber ich wollte es ja wissen, wie es ist, wenn man durchfährt.
Zu Hause angekommen, nur schnell etwas gegessen, Zähne geputzt, geduscht und ab ins Bett, sofort eingeschlafen, nach fünf Stunden wieder aufgewacht.
Abgesehen von juckenden Mückenstichen keine Nachwirkungen.
Proviant: 15l Wasser, davon 3l mit isotonischen Tabletten, 2 kleine Büchsen Red Bull, 1kg Studentenfutter, 8 Schnitten mit Käse und vegetarischem Aufschnitt, 1 großes Käsebrötchen, 1 Packung TUC, ca. 10 Radieschen.
Trotzdem keine Probleme mit Magen oder anderen Verdauungsorganen.
So jetzt ist der Bericht länger geworden als der Brevet.
Grüße
Dietmar