AW: Mosquito Velomobiles auf der Spezi
Moin!
Das Mosquito hätte ich mir sehr gern angeschaut: erzählt doch mal von Euren Eindrücken!
Ich hatte die Gelegenheit, mich eine Weile mit einem der Erbauer zu unterhalten (auf Englisch).
Er kommt aus der Luftfahrtindustrie, hatte zuvor nur mit modernen Werkstoffen gearbeitet und bezeichnete sein altes Selbst (vor der Beschäftigung mit dem Mosquito) als "Petrolhead", also so in etwa als Auto-/Motorverrückten.
Durch das Velomobil ist er zur Holzbauweise gekommen, die früher in Frankreich im Flugzeugbau sehr viel eingesetzt wurde, und hat festgestellt, daß das Know-how der alten Holzbauer verlorengeht. Es hat ihn viel Mühe gekostet, genug über den Holzbau zu lernen, um den Mosquito zu bauen, und auch das Auftreiben von Holz in der nötigen Qualität war nicht einfach. Sie haben die letzten Restbestände von Holz in Flugzeugqualität bei dem Anbieter, der früher in Frankreich auf diesem Gebiet führend war, gekauft - und waren enttäuscht von der Qualität. Obwohl in Frankreich noch viel Holz angebaut wird, handelt es sich meist um schnellwachsende Bäume, die kein im Flugzeug- oder natürlich Velomobilbau verwendbares Holz liefern, und wo es noch alte Bäume eigentlich verwendbarer Arten gibt, fehlt das Wissen, um sie so zu schlagen, daß das Holz auch verwendet werden kann. Wenn ich mich richtig erinnere, mußten sie nachher auf einen englischen Anbieter zurückgreifen, weil in England aufgrund der Oldtimerbegeisterung auch (oder gerade) bei Flugzeugen noch genug Holz in Luftfahrtqualität gehandelt wird.
Der Bomber de Havilland Mosquito aus dem zweiten Weltkrieg war eine wichtige Inspiration für die Erbauer, und der junge Mann, mit dem ich sprach, war tatsächlich nach Hatfield, wo de Havilland früher das Hauptwerk und heute offensichtlich noch das Archiv hat, gereist, um im Archiv mehr über die Holzbauweise zu erfahren.
Als ich erwähnte, daß mich die Verkleidung an das englische Luftschiff R.100 erinnert, hat er mir rechtgegeben - das sei tatsächlich eines der Vorbilder gewesen. Die besondere Geometrie der R.100-Konstruktion (deutlich anders als die der Zeppeline) ließ sich auf die Sperrholzstreifenkonstruktion übertragen. (Hier im Thread wurde ja bereits die Vickers Wellington erwähnt, die vom gleichen Konstrukteur nach den gleichen Prinzipien entworfen worden war.)
Die Sperrholzstreifen der Verkleidung enthalten allerdings auch 3 einzelne Schichten Carbongewebe, die mit dem Sperrholz, aber nicht untereinander verklebt sind. Eines der Entwicklungsziele war auch Nachhaltigkeit und Recyclebarkeit, und die einzelnen Schichten lassen sich nach Meinung des Erbauers wieder aus dem Verbund lösen und wiederverwenden, was bei Voll-Carbon-Konstruktionen aus vielen Schichten nicht möglich sei. (Wenn ich ihn richtig verstanden habe, waren die verwendeten Schichten sogar schon aus einem vorhergehenden Prototypen recycelt.)
Die Berechnungen für den Mosquito seien anhand eines Lehrbuches über den Holzflugzeugbau aus den 1950ern durchgeführt, einschließlich derer für die carbonverstärkte Verkleidung, die sich trotz des modernen Werkstoffs nach denselben Prinzipien berechnen ließ. Die Erbauer suchen immer noch nach weiterführendem Know-how zum Thema Holzbau.
"Aus Prinzip" haben sie auch Komponenten, die man bequemer aus Metall hätte herstellen können, in Holz ausgeführt. Mein Gesprächspartner merkte an, daß sich derzeit der hintere Haltebolzen für die Verkleidung nur sehr schwer einsetzen ließe, weil das Holz arbeite und die Passung unter den augenblicklichen Bedingungen nicht sehr gut sei - Holz sei vielleicht ein etwas unzeitgemäßer Werkstoff, wer hätte schon Zeit, auf so etwas Rücksicht zu nehmen?
Insgesamt war ich sehr beeindruckt davon, wie sich die Konstrukteure in ein für sie neues und eigentlich anachronistisches Thema eingearbeitet hatten, und durch die begeisterte und gleichzeitig humorvolle und etwas selbstironische Art, in der mein Gesprächspartner mir von seinen Ideen und Erfahrungen berichtete, war es eine echte Freude, ihm zuzuhören.
Er ist begeisterter Leser des Aerodrome-Forums (wo der Flugzeugbau der Periode um den 1. Weltkrieg herum diskutiert wird und auch die Erbauer von Repliken der Flugzeuge der Ära über ihre Erfahrungen berichten) und kannte auch das Velomobilforum, das er aufgrund der Sprachbarriere aber nicht so oft besucht. Ich habe ihm zumindest versichert, daß es auch hier viele Holzbau-Enthusiasten gibt!
Probefahren war leider nicht möglich (nehme ich an - jedenfalls habe ich den Mosquito nirgendwo rumfahren sehen), aber vielleicht ein bißchen Hintergrund ja auch von Interesse
Tschüs!
Hein