Meine BevoBikes -1.Teil-

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Moin moin!
Es war an einem Sonntag im Sommer des Jahres 1998 als ich bei einer Fahrradtour am Ikea-Parkplatz in Hamburg-Schnelsen vorbeiradelte. Es standen dort viele Menschen und ich sah von weitem auch Fahrräder. Dies machte mich neugierig. Ich radelte auf den Parkplatz und schaute mir das Ganze einmal an. Nun erst bemerkte ich viele Liegeräder.

Schon länger hatten mich Liegeräder fasziniert, da es mir als langjährig im Flugzeugbau und in der Verkehrsluftfahrt Beschäftigten, sowie auch als Modellflieger einleuchtete, daß die Stirnfläche eines Liegeradlers naturgemäß deutlich kleiner ist als die eines Radfahrers auf einem traditionellen Aufrechtfahrrad...

Wie auch immer, ich entdeckte ein Parcour* auf dem man verschiedene Liegeräder selbst ausprobieren konnte. Plötzlich sah ich einen großgewachsenen Mann, der mir bekannt vorkam. Bei näherem Hinschauen sah ich, daß es Klaus Beck war, der Klassenlehrer meiner Tochter in der Gesamtschule Hamburg-Langenhorn. Ich kam mit ihm ins Gespräch über Liegeräder und er ermunterte mich, eines der Liegeräder auszuprobieren. Dies wirkte im Gegensatz zu den anderen ausgesprochen hochbeinig, auch der Vorderradantrieb war für mich ungewöhnlich.
Es war das BevoBike. Ich setzte mich auf den breiten Sattel, lehnte mich nach hinten und konnte damit sofort taumelfrei losradeln. Auch die ersten Kurven meisterte ich völlig problemlos und... dieses Fahrrad war komfortabel wie eine Sänfte.

Der Liegeradvirus setzte sich nun in meinem Hirn fest und ich begann mich näher mit diesem Fahrrad an zu beschäftigen.
Es stellte sich heraus, daß Klaus Beck, übrigens ein Multitalent, er schafft z.B. auch große Skulpturen und spielt in einer Jazzband ein Blasinstrument, der Konstrukteur des BevoBikes war und Heinrich Voss in Itzehoe in seiner Firma Voss, Hersteller von Installateurartikeln (Fittinge etc.) den Prototypenbau und später den Serienbau übernommen hatte. Der Name Bevo beinhaltet Be(ck) + Vo(ss)...

Inzwischen hatte sich auch einer meiner Betriebsratskollegen (der Lufthansa Technik Hamburg) mit dem Bevo-Virus infiziert und Klaus Beck vermittelte uns je einen nackten Rahmen, welcher kleine Fehler, z.B. in der Lackierung aufwies. Als erfahrene Flugzeugtechniker mit Fahrradtechnik-Vorerfahrungen war es für uns natürlich kein Problem, uns je ein BevoBike komplett selbst aufzubauen. Als Schaltung wählte ich die kombinierte Naben-/Kettenschaltung Sachs 3x7, wobei das kleinste Ritzel nicht schaltbar war und entzahnt wurde.

Prototyp_KlausBeck_4.jpg Mein1BevoBike_3.jpg Mein1BevoBike_6.jpg

Aufgrund des Vorderradantriebs ist ein Lastentransport unterhalb des Rahmenrohres möglich. Den dazu erforderlichen
Die Unterflur-Gepäckträger baute ich aus Aluminium selbst, die Konstruktion bewährte sich bis zum Verkauf meines ersten Bevos 2007.
Ich setzte mein Bevo für die werktägliche Fahrt zur Arbeit in jeder Jahreszeit, als Einkaufsfahrrad sowie als Touren- und Reiserad ein.
Probleme mit dem Schlupf des angetriebenen Vorderrads hatte ich kaum: Mit zunehmender Erfahrung steuert das Hirn mittels Rückkoppelung mit den Beinmuskeln die in die Pedale eingebrachte Kraft z.B. an steilen Bergen immer so, daß das Vorderrad kurz vor der Schlupfgrenze gehalten wird. Und ja, wenn ich Grobmotoriker wäre, hätte ich diesbezüglich vielleicht etwas Probleme. Die auf dem 3.Foto sichtbare Steigung von der Weser hoch in Richtung Porta Westfalica beispielsweise bewältigte ich, im Gegensatz zu meiner Partnerin auf ihrem Flux V200 (1x8 Kettenschaltung) ohne Schiebepassagen.

Mein1BevoBike_4.jpg Mein1BevoBike_5.jpg Mein1BevoBike_11.jpg Mein1BevoBike_9 (2).jpg

Diese vier Fotos entstanden 2002 im Verlauf unserer Fahrradreise von Mittenwald nach Passau. Dort mußten wir am Abend im Hotel unsere Fahrräder wegen eines Hochwassers, -siehe Foto des jungen Bundeswehr-Pioniers mit Sandsack-, unsere Liegeräder eine Ebene höher als normalerweise abstellen... (Foto 1 Mittenwald, Foto 2 Braunau, Fotos 3 + 4 Passau) Unterwegs begegnete uns....

US_Reiseradler_RansLiegeräder_1.jpg US_Reiseradler_RansLiegeräder_2.jpg

...dieses Journalistenpaar aus Arizona, welches sich mit RANS-Liegerädern auf einer Reportagereise durch alle Länder Europas befand.

Mit3Bevos_unterwegs3.jpg

Nachdem ein sich ein drittes Betriebsratsmitglied infiziert hatte, unternahmen wir eine Tour von HH-Wilhemsburg zu Grubes Fischerhütte. Es dürfte eine Seltenheit sein, das gleichzeitig drei BevoBike-Radler auf Tour sind. Ende Teil 1
Gruß aus Münster,
HeinzH.

*Es war ein weiterer, etwas größerer Parcour abmarkiert, auf dem offenbar Liegeradrennen ausgetragen wurden. Genauer weiß ich das leider nicht mehr.
 
Meine BevoBikes -2.Teil-

Moin moin!
Nach, meines Wissens, ungefähr 150 ausgelieferten BevoBikes endete dessen Produktion und mein BR-Kollege und ich konnten zwei weitere BevoBike-Rahmen erwerben. Ich besaß neben meinem BevoBike inzwischen auch ein Flevobike und ein Optima Dolphin, trotzdem hatte ich Lust, ein neues BevoBike aufzubauen und dabei alle gemachten Erfahrungen zu berücksichtigen.

Bevo2Montage1.jpg Bevo2Montage5.JPG Bevo2Montage8.JPG
Für den Antrieb verwendete ich eine vorhandene gebrauchte 3-fach-Kurbelgarnitur, anstelle des äußeren und inneren Kettenblattes baute ich je eine Kettenblattschutzscheibe, welche bei Vollausschlag der Lenkung auch die Kette führt. Die weiße Führungsrolle ließ ich aus Teflon drehen. Schaltung: SRAM DualDrive 3x9, die Zähne des äußeren Ritzels wurden entfernt.

Bevo2Montage4.JPG Bevo2Montage3.JPG Bevo2Montage6.JPG
Die Magura Bremsen erhielten je zwei Versteifungsbügel, den hinteren Bügel der vorderen Bremse fertigte ich selbst an.

Mein2BevoBike_8.jpg Bevo2Montage10.JPG Bevo2Montage11.JPG

Nachdem die LHT-HAM erneut "Fahrradfreundlicher Betrieb" wurde, schenkte man mir ein entsprechendes Schutzblechwappen. Hinter den Sitz montierte ich einen Lowriderbügel, so das insgesamt drei Ortliebtaschen sowie unterflur eine Ortlieb Reisetasche befestigt werden können.

Mein2BevoBike_1.jpg

Der Unterflur-Gepäckträger eignet sich auch zum Transport von Kartons und ähnlich volumigen Transportgut. Sogar einen Tannenbaum gurtete ich einmal diagonal fest und radelte mit ihm nach Hause. Ende Teil 2
Gruß aus Münster,
HeinzH.
 
Meine BevoBikes -3.Teil-

Mein2BevoBike_3.jpg Mein2BevoBike_6.JPG Mein2BevoBike_2.jpg


Nach Fertigstellung meines neuen BevoBikes verkauft ich mein bisheriges Bevo (3.Foto links) in Hamburg

Mein2BevoBike_7.jpg

Mein hier auf dem Hase TretsTrike fahrende Sohn ist inzwischen siebzehn Jahre alt und fährt seit Jahren im Alltag, auf
Touren
sowie auf Fahrradreisen ein HP Velotechnik Scorpion und hin und wieder auch mein Optima Stinger.

Weitere Entwicklungen auf Basis des BevoBikes-Konzeptes

BevoBike_KlausBeck_1.jpg
In Gerätehäuschen von Klaus Beck (oben) findet man eine ganze Reihe seiner Konstruktionen und Prototypen. Unter anderem hat er auch einen...

Prototyp_KlausBeck_1.jpg Prototyp_KlausBeck_2 (2).jpg Prototyp_KlausBeck_5.jpg

...gefederten Vorderradantrieb entwickelt und an einem Prototyp erprobt

Prototyp_KlausBeck_3 (2).jpg

Auf den Fotos kann man das Funktionsprinzip gut erkennen. Mit diesem Antrieb wurde später das nur in zehn Vorserientypen gebaute HanseBike ausgestattet, dazu in einem späteren Beitrag mehr.


Vom BevoBike zum Silk Road

Silk Road_1.JPG
Das Silk Road ist die Eigenkonstruktion eines Flugzeugtechnik-Ingenieurs, das Foto und die Beschreibung dieses Liegerads sandte er mir vor etwa fünfzehn Jahren per eMail:

Liegerad mit Vollfederung und Frontantrieb
Liegeradfahren begann für mich mit dem BEVO von Voss, ein frontgetriebenes Rad mit gefederter Heckschwinge. EVO, mein erster Eigenbau, war eine stark an diese Konstruktion angelehnte Variante mit Vollfederung. Silk Road ist nun die Weiterentwicklung mit Untenlenkung und verbessertem Antrieb. Die nachfolgende Beschreibung bezieht sich ausschließlich auf technische Aspekte dieses Liegerades.

Wenn man sich auf den Wegen bewegt, die mir zur Verfügung stehen, ist Liegeradfahren mit einem gewissen Aufwand zur Erzielung von Komfort verbunden: Eine Vollfederung ist hier unabdingbar. EVO, mein erster Eigenbau, hat neben der Hinterradfederung zwar ein gefedertes (angetriebenes) Vorderrad, das Fahrverhalten war aber unbefriedigend. Eine Verbesserung der Frontfederung war deshalb der Ausgangspunkt für die Konstruktion des neuen Rades, das außerdem kompakter faltbar sein sollte.
Ursache für das mangelhafte Ansprechverhalten der Frontfederung von EVO war die als Gleitführung aufgebaute Linearführung. Silk Road bekam deshalb an dieser Stelle eine Kugelführung, deren innere Reibung vernachlässigbar ist. Um den Komfort weiter zu verbessern, wurde der Federweg vergrößert und das Verhältnis von gefederten zu ungefederten Massen optimiert. Die naheliegende Lösung bestand in der Verlagerung der Getriebenabe aus der Radnabe in den Rahmen. Das ergab gleichzeitig die Möglichkeit, eine Monogabel und -schwinge zu verwenden. Damit stand das Konzept des Rades fest.
Zur Führung der Vorderradachse in Federrichtung kommt die Linearführung eines japanischen Herstellers zum Einsatz, deren Katalogdaten den geforderten Werten von Tragzahl und Beschleunigung recht gut entsprechen. Diese Linearführung ist in einer Aufnahme verschraubt, welche ihrerseits in einem 1,5-Zoll-Steuersatz im Steuerrohr montiert ist. Für Federung und Dämpfung sind zwei Federzylinder zuständig, welche vor und hinter dem Steuerrohr und parallel zu diesem in das Rahmenrohr eingeschweißt sind. Eine gefräste Brücke verbindet die beiden Zuganker der Federn miteinander. In der Mitte nimmt die Brücke koaxial mit der Steuerachse ein Wälzlager auf, welches den Federhub der Linearführung über die Brücke auf die Federn überträgt, die Lenkbewegung jedoch davon entkoppelt. An dieser Brücke ist außerdem die obere Umlenkrolle und die Spannrolle für die Kette des Sekundärtriebs montiert. Wie auch der Primärkettentrieb steckt diese Einrichtung unter einer GFK-Verkleidung, um die Verletzungsgefahr zu verringern.
Als Basis für den Antrieb dient eine 7-Gangnabe, an die mittels Adapter ein zweites Zahnrad geschraubt wurde. Die Achse wurde gekürzt, um die Nabe zwischen den Pedalarmen unterzubringen. Gefräste Aluhalterungen nehmen die Nabe auf, sie erlauben auch die Einstellung des Abstands zur Pedalachse. Für die einseitig aufgehängten Räder kommen Ersatzteile eines US-Herstellers zum Einsatz, dessen Produkte mir einigermaßen vertrauenserweckend erschienen.
Für die Hinterradfederung verwendete ich zunächst eine Gummitorsionsfeder, ein Industrieteil, das in abgestuften Größen angeboten wird. Die Eigendämpfung erwies sich jedoch als erstaunlich hoch, deshalb stieg ich auf die konventionelle Lösung auf Basis eines hydraulischen Dämpfers um. Als rahmenseitige Halterung für diesen Dämpfer fertigte ich eine Aluminiumkonstruktion, die sich um das Schwingengelenk des Rahmens dreht und an der Sitzschiene abstützt. Die weiteren technischen Details des Liegerades entsprechen dem Standard, für den Sitz habe ich eine GFK-Schale mit Gurtbespannung gewählt, eine Lösung, die sich bereits beim EVO bewährt hat.
Inzwischen habe ich mit Silk Road einige Testkilometer zurückgelegt und kann insoweit feststellen, dass die technischen Ziele erreicht wurden. Das Ansprechverhalten der Federung vorn entspricht den Erwartungen; Antrieb, Bremse, Lenkung und der Faltvorgang funktionieren einwandfrei. Dafür wird zunächst der Sitz abgenommen, dann werden die Lenker nach vorn gefaltet. Nach Ziehen eines Rastbolzens kann nun die Hinterradschwinge nach vorn geklappt werden.
Der Bau von Silk Road wurde erheblich durch einen persönlichen Umstand beeinträchtigt, der zur Folge hatte, dass das Rad schneller fertiggestellt werden musste als ursprünglich geplant. Damit einher ging zwangsläufig der Verzicht auf verschiedene technische Merkmale, zum Beispiel die im ursprünglichen Entwurf geplanten mittels Schnellverschluss demontierbaren Räder. Aus diesem Umstand erklärt sich der Eindruck, den Silk Road vielleicht auf den weniger geneigten Beobachter macht: In Teilen entspricht das Rad nicht dem Ingenieurideal vom balanced design.
Berufliche Verpflichtungen lassen mir leider wenig Zeit, weitere interessante Ideen für Liegeräder zu erproben. Aber einen neuen Rahmen werde ich für Silk Road noch bauen. Die Stahlrohre wie immer Luftfahrtqualität aus den USA - sind bereits bestellt.
Jan van Melle


Soweit die Folge 3 des "Meine BevoBikes" Threads

Zu einem späteren Zeitpunkt im kommenden Jahr werde ich noch Fotos und Text zum oben erwähnten HanseBike nachliefern.
Gruß aus Münster,
HeinzH.
 
Zum Abschluss meiner BevoBike Serie möchte ich, ganz im Zeichen unserer großen Errungenschaft Europäische Gemeinschaft ein Foto meines ersten BevoBikes vor dem Gebäude des...

Image 8.jpg

...Europäischen Parlaments in Strasbourg zeigen.

Ich machte dieses Foto im Sommer 2001 im Verlauf meiner Allein-Fahrradreise Kehl - Rhein-Marne-Kanal - Saar-Kohle-Kanal - Saarbrücken - Mosel - Koblenz -Bad Breisig -Köln am frühen Morgen.
Gruß aus Münster,
HeinzH.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Heinz!
Wir haben uns vor ca. 15 Jahren mal auf der Cyclevision in Lelysatdt getroffen. Schön, dass das Bevo mal die Würdigung bekommt, die es verdient. Es war auch 1998 mein erstes Liegerad und ich fahr es immer noch als Alltags-, Einkaufs- und Lastenrad. Es ist schon eine besondere Konstruktion. Schade, dass es nicht weiter gebaut und weiter entwickelt wurde!

Gruß Thomas
 
Nachtrag zur BevoBike Weiterentwicklung Silk Road / 1

Zwischenzeitlich habe ich elf weitere Fotos dieser innovativen Liegeradkonstruktion gefunden:

SilkRoad1.jpg

SilkRoad2.jpg SilkRoad3.jpg SilkRoad4.jpg SilkRoad5.jpg

SilkRoad6.jpg

SilkRoad7.jpg SilkRoad8.jpg SilkRoad9.jpg SilkRoad10.jpg
 
Nachtrag zur BevoBike Weiterentwicklung Silk Road / 2

SilkRoad11.jpg

SilkRoad12.jpg SilkRoad13.jpg


Soweit der Nachtrag zum Silk Road,
Gruß aus Münster,
HeinzH.
 
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