Vergleichbar vielleicht mit den Signalwimpeln heutiger Liegeradfahrer, die ja auch gerne das Alltägliche zum Individuellen verkomplizieren.
Ich bin jetzt aber noch einmal dran: Wenn ich mir eine gesellschaftliche Aufgabe wie die Suche nach einem individuellen Beitrag gegen den Klimawandel entgegenzuwirken zu eigen mache, dann muss ich Fragen zur Umsetzung definieren, mir erst das nötige Wissen erarbeiten und individuelle Lösungen suchen. Diese Aktivität kann mangels Übung als kompliziert erlebt werden, ein Prozess gemäß dem alten Spruch "Technische Entwicklung geht vom Primitiven zum Komplizierten zum durchdacht Einfachen" und die Vermutung liegt nahe, dass sich mangelnde Eigenerfahrung dieser Prozesse schriftlich manifestieren kann.- Je nach Position auch in einem öffentlichkeitswirksamen Medium.
Ein weiterer Grund, Phänomene wie Liegeräder oder VM als "kompliziert" und vermutlich auch befremdlich zu erleben, mag im mangelnden Verständnis dessen liegen, was ihnen als Zielsetzung und Umsetzungsgedanken zugrunde liegt (meine Vermutungen zu den Gründen der genannten Äußerung des Kolumnisten der SZ gehen genau in diese Richtung): Logisch, dass ein Liegetrike mit Ackermannsteuerung samt Lenkgestänge, drei statt zwei Rädern, Schalensitz statt Sattel etc. "komplizierter" wirkt als ein klassisches Upright mit Diamantrahmen. Wenn allerdings die dahinterstehende Überlegung, ein komfortables, schnelles Sportgerät mit schneller Nachrüstungsmöglichkeit zum Witterungsschutz bis hin zum Ausbau als ganzjahrestaugliches VM zu schaffen, begriffen wird, dann ist ein Trike oder verwandt Einspurlieger oder VM die ganz klare, unkomplizierte Lösung.
Dann sollte man sich aber auch über Carbonfullies etc. als "kompliziert" mokieren.
Wenn ich unter meinen persönlichen Antworten auf Fragen zur Sichtbarkeit alternativer Fahrzeuge bereits existente Lösungen wie Signalwimpel als sinnvoll erachte und das durch mein Handeln vertrete, ist das keine "Verkomplizierung des Alltäglichen zum Individuellen", sondern Pragmatismus als Ergebnis eigener Aktivität. Wenn ich das in meinen verbalen Äußerungen wie diesen hier verfechte, mag das je nach Empathie des Wahrnehmenden kompliziert und aufgebauscht wirken, ist aber auf jeden Fall besser als sich mokierende Tatenlosigkeit.
Die gelassene Selbstverständlichkeit tritt mit dem Alltag ein und dann ist auch die "Verkomplizierung" weg.
Klassische Beispiele sind ist in meinen Augen die VM-Pioniere wie Carl-Georg Rasmussen (Leitra) und Bart Verhees samt seinen Nachfolgern von Flevobike / Velomobiel.nl, die in großer Natürlichkeit und Bescheidenheit auftreten: Ein Velomobil mag zuerst als komplizierte und spektakulär unorthodoxe Lösung für ein alltägliches Problem (witterungsunabhängige Fortbewegung ohne Fremdenergie) wirken, führt aber auf lange Sicht zu einem Technologiesprung, deren Anstöße als Pionierleistungen irgendwann selbstverständlich in den Alltag eingeflossen sein werden.