Und das bringt uns ... was? Unfälle passieren doch nicht aus Absicht, sondern sind ein Versehen.
Das bringt uns Aufmerksamkeit durch die Vermeidung von Nothalten und den damit verbundenen "Unannehmlichkeiten". Auf mich macht es nach der Berichterstattung aus Deutschland bezüglich Unfällen mit LKW den Eindruck, dass die Aussicht, einen Radfahrer nicht zu verletzen oder gar zu töten, eine nicht ausreichend große Motivation ist, nicht innerhalb geschlossener Ortschaften "auf gut Glück" rechts ab zu biegen und den Toten Winkel zu beschwören, wenn es schief gegangen ist.
Ich möchte ganz klar betonen, dass ich keinem LKW-Fahrer unterstelle, dass er absichtlich unser Leben aufs Spiel setzt!
Allerdings ist es so, dass ein einhellige Meinung auf der Straße zu sein scheint, dass das Recht des Stärkeren gilt bzw. das Recht dessen mit der größeren Betriebsgefahr. Wenn man entsprechende Kommentare von Seiten der LKW-Fahrer unter entsprechenden Artikeln auf Facebook oder in einhelligen Foren liest, wird einem schlecht. Dort ist viel die Rede von "selber Schuld, ich habe doch geblinkt" und "kann nichts sehen, Toter Winkel" und davon, dass der Radfahrer mit gesundem Menschenverstand doch besser auf seine Vorfahrt verzichtet, um am Leben zu bleiben. Verschärft hat sich die Diskussion noch einmal durch die Änderung der Norm ECE R 48 Absatz 6.18.7. Diese besagt, dass in der EU Seitenmarkierungs-Leuchten an LKW und deren Anhängern mit den Fahrtrichtungsanzeigern mitblinken dürfen, um ein Abbiegen deutlicher zu signalisieren.
Hier ist das folgende (perfide) Zitat zu finden:
Schmitz CargobullAG schrieb:
So können etwa neben dem Trailer fahrende Radfahrer den Abbiegevorgang durch die blinkenden Seitenmarkierungsleuchten früher erkennen.
Für mich ist das ein weiterer Schritt in Richtung Victim Blaming: "Wie kann ein Radfahrer nur so blöd sein, trotzdem auf seiner Vorfahrt zu beharren, wenn jetzt der ganze LKW-Zug blinkt...selber Schuld"
Diese Unfälle sind kein Versehen. Sie sind das Resultat einer bescheidenen Verkehrsplanung, weil der geradeaus fahrende Radverkehr auf Hochbordradwegen rechts vom Rechsabbieger geführt wird und Konflikte damit vorprogrammiert sind. Sie sind das Resultat einer nicht ausreichenden Ausbildung von LKW-Fahrern bzw. der mangelnden Überprüfung der charakterlichen Eignung zum Führen eines Fahrzeuges mit dieser Betriebsgefahr. Sie sind das Resultat des Zeitdrucks und des Erfolgsdrucks, unter dem die LKW-Fahrer stehen und sie sind das Resultat einer jahrzehntelangen Verkehrspolitik knallhart pro KFZ. Mobilität ist Fortschritt, alles andere wird dieser Prämisse untergeordnet. Wer vermeindlich der Mobilität im Wege steht, ist gegen den Fortschritt, ist der Feind. So wird der Radfahrer für viele mot. Verkehrsteilnehmer zum "Feind".
Ein Versehen ist, wenn ich meine Schlüssel zu Hause vergesse. Ein Rechtabbiegerunfall mit einem LKW ist von Seite des Verursachers immer mindestens Fahrlässigkeit, denn er muss sich der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges zu jeder Zeit bewusst sein. Wäre er das, dürfte es diese Unfälle nicht geben.
"Versehen" ist in meinen Augen eine unangemessene Verharmlosung.
Anekdote: Im Jahre 2016 sind in Münster drei Radfahrer durch rechtsabbiegende LKW getötet worden. Zwei Menschen davon auf der Wolbecker Straße. Die Ordnungspartnerschaft Münster, zu der auch die Polizei Münster gehört, hat im Zuge dessen einen Kino-Clip drehen lassen.
Dieser spricht für sich selber. Dieser Clip wurde eben an der Straße gedreht, an der zwei Menschen zuvor durch genau einen solchen Unfall getötet worden sind, wenn auch an anderer Stelle. Ich habe mich damals gefragt, die wohl Freunde und Angehörige im Kino fühlen müssen, wenn sie diesen Mist sehen....