"In den 80ern mit dem Fahrrad durch die Stadt"

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Im Deutschlandfunk Kultur erinnert sich der Literaturwissenschaftler Johannes Ullmaier ans Fahrradfahren in den 80ern in der Stadt. Er schildert - sicherlich hier und da mit einer gewissen Dramatik - wie Radfahren in der Stadt damals noch mehr als heute eigentlich nicht vorgesehen war. Ich fand es mindestens amüsant, aber auch erschreckend, wie sehr einige Schilderungen bis heute nichts an ihrer Gültigkeit eingebüßt haben. Nachzuhören ist das in der Dlf Audiothek:

Gruß,
Martin
 
Hallo,

ich fuhr Anfang der 80er z.B. 4 km mit dem Fahrrad in Wesel zur Schule und Mitte der 80er 4 km durch Köln zur Uni. Den Stau auf der Luxemburger mit dem Hollandradnachbau mit Dreigangnabe zu überholen hatte was. Wenn ich Lust hatte mitzuzählen, überholte ich rund 120 Autos.
Verglichen mit meinem Erleben ist der Beitrag heillos übertrieben, aber vielleicht war es in Mainz schlimmer? Damals war einfach weniger Verkehr und der war weniger aggressiv. Ich kann mich nicht erinnern, angehupt oder angebrüllt worden zu sein oder gar absichtlich geschnitten.

Gruß, Klaus
 
Ich bin in den 80ern mit > 40 km/h im Windschatten vom Müllauto in die Schule gedüst.
Spät dran war ich immer und manchmal hat dieser Windschatten gereicht um für 1-2- km high Speed zu fahren...
 
In den 80ern hab ich in FFM gerne mal personal park and ride gemacht: mit der Karre nach Sachsenhauen, rennrad aus dem Kofferraum geholt und dann weiter ins Institut . Später bin ich dann mit der größten Selbstverständlichkeit mit dem Rennrad durch Mainz gedüst - Saarstr. runter, am Bahnhof vorbei durch die Kaiserstr. Da fand ich eigentlich nicht viel bei (ok, ich konnte damals ja mit den Autos mitschwimmen)
 
früher, als ich noch rennrad gefahren bin, war es möglich stundenlang über eine bundesstrasse zu fahren, ohne lebensgefährlich von heranrasenden autos ständig überholt zu werden...es gab schlichtweg einfach weniger autos...heutzutage muss jeder 18 jährige sein brumbrumm haben, die neuzulassungen steigen jährlich...überhaupt besteht die heutige jugend nur aus weicheiern, die können noch nicht mal tretroller ohne motor...wenn die dann mal radfahren (ganz selten ohne motor) hat es denen der arzt empfohlen...früher war der platz im strassenraum gleich, aber trotzdem ist heute weniger platz für radfahrer...auch das rücksichtlose im halteverbot und auch im kreuzungsbereich parken verringert den platz und macht kreuzungen durch fehlende sicht nur auf der mittellinie passierbar...
 
es gab schlichtweg einfach weniger autos...heutzutage muss jeder 18 jährige sein brumbrumm haben

Ach das weiß ich nicht... als ich 1989 meine Lehre bei Opel angefangen habe, gab es praktisch keine jungen Leute ohne Führerschein.
Jetzt hat sich das geändert. Im Ruhrgebiet wird viel mehr Rad gefahren. Aus der Abiklasse meines Sohnes hat so ungefähr ein Drittel ganz bewusst keinen Lappen gemacht - weniger aus Umweltgründen, sondern, um sich ganz bewusst gegenüber den Autofetischisten abzugrenzen. (Interessanterweise findet aber von den auf diese Art sozial Ausgegrenzten keine Selbsteingliederung durch Nachahmung des autofreien Lebensstils statt, obwohl es ja nichts kostet, sondern im Gegenteil eine Menge Geldes sparen würde. Da müssen mal die Soziologen `ran)
 
trotz der steigenden anzahl an radfahrern, die ihr rad nicht nur zum sport sondern im alltag nutzen, ist auch die anzahl der jedes jahr neu zugelassenen suv fahrzeuge gestiegen, das stoßstange an stoßstange fahren von kfzs auf bundestrassen war früher aufgrund der fehlenden verkehrsdichte nicht vorhanden
 
Angesehen davon, daß ich in den 80ern - zumindest in der Stadt - als wesentlich normaler erlebt habe als heute, war die Rücksichtnahme der Schreiber auch deutlich größer gegenüber den Lesern als heute.

So lange Texte ohne Großbuchstaben in einem Forum, in dem übrigens auch Nichtmuttersprachler unterwegs sind, wurden damals nur von einigen Bauhaus-Fetischisten verfasst, denen egal war, daß das schnelle Erfassen des Inhalts dadurch erschwert ist. Sie meinten das wohl als Statement ihrer Modernität.

Heute ist es wohl eher Egoismus, genauso wie das Zuparken von "fremden" Verkehrsflächen und das knappe Überholen ... /OffTopic

Wobei ich heutzutage auch sehr viele rücksichtsvolle, mich beachtende und mir Vorrang gewährende Autler erlebe.
 
früher, als ich noch rennrad gefahren bin, war es möglich stundenlang über eine bundesstrasse zu fahren, ohne lebensgefährlich von heranrasenden autos ständig überholt zu werden...
Früher, als alles noch besser war, wurde ich mehrfach auf dem Rennrad fahrend vom Gegenverkehr aufs Korn genommen, der dabei war, Radfahrer oder Mofas mit ordentlichem Sicherheitsabstand zu überholen. Besonders "lustig" auf der Okrifteler Straße in Höhe des Fluchhafens - da blieben mir bei lausigem Straßenbelag bestenfalls 30cm.

Früher, als alles noch besser war, war es ein Abenteuer, auf der A3 einen LKW zu überholen, weil die Fahrer oft so übermüdet waren, dass sie einnickten und nach links "trudelten".

hat sich gegenüber früher wirklich so viel verändert (außer, dass die Opeler damals tatsächlich noch mit dem Bus oder dem Fahrrad zur Arbeit gefahren sind und eher nicht mit dem Auto).
 
Was ich ja mal interessant fände:
Einen BRD-DDR (bzw. Ost-West allgemein) Vergleich in der Hinsicht. Nach meinem Kenntnisstand (als Nachgeborener) war das Rad in der DDR als Alltagsfahrzeug relativ üblich, Rennräder und der entsprechende Fahrstil dagegen eher weniger. Siehe auch den weiterhin nicht unbeträchtlichen Bestand an unverwüstlichen DDR-Blechanhängern.

In der DDR standen aber auch deutlich weniger Blech- bzw. Duroplastkisten auf den Straßen herum.
 
Und so groß ist keine Stadt im deutschsprachigen, dass man in ihr stundenlang über eine Bundestraße fahren kann
Ich finde die 36 km der B96 durch Berlin bei stadttypischen Durchschnittsgeschwindigkeiten durchaus für zwei Stunden ausreichend... :sneaky:
Davon ab habe auch ich mich Anfang der 2000er auf Bundesstraßen noch mehr akzeptiert gefühlt - hierbei meine ich jetzt aber vor allem außerörtliche. Als Themenstarter würde ich derartige Berichte hier zulassen, auch wenn der ein oder andere (hallo @Klaus d.L. ;)) gerne sehr nahe am Thema bleiben möchte.

Nach meinem Kenntnisstand (als Nachgeborener) war das Rad in der DDR als Alltagsfahrzeug relativ üblich
Da ich für umfangreiche Aussagen dazu zu jung bin, habe ich mal das Netz durchsucht und diesen ganz interessanten Faden auf der.rec.fahrrad gefunden.
Berichten kann ich allerdings davon, dass ich im Alltagsverkehr in einer der östlichsten Kleinstädte ca. Ende der 80er so gut wie immer per Rad gefahren wurde - schön mit Schutzbrille, weil man dank Kohleheizung und Co. immer ausreichend Partikel in der Luft hatte, mit denen Kinderaugen nicht so gut zurecht kamen.
Anfangs gab es dafür einen Kindersitz aus Korbmaterial rückwärts vorm Lenker, später dann den obligatorischen Sattel auf dem Oberrohr, auf dem man zwischen Mamas oder Papas Armen mit freier Sicht auf die Straße mitfahren konnte, festgehalten am Lenker und die Füße auf Fußrasten an der Gabel. So fährt man in Dresden auch heute noch umher und wir sind im Urlaub immer wieder überrascht, wenn wir in dem Setup andernorts angeschaut werden, als wären wir gerade mit den Liegerädern unterwegs...
Keine Ahnung, ab wann meine Eltern ihren Trabbi hatten, aber im Alltag spielte der jedenfalls kaum eine Rolle.

In Städten wie Dresden gab es in den 80ern aus der Umweltbewegung heraus auch schon Vorläufer des heutigen ADFC. In Dresden war das die Interessengemeinschaft (IG) Radverkehr, die dann auch mal ein Stück Elberadweg selbst asphaltiert hat (das heute, also gut 30 Jahre später, als holprige Umleitung einer Baustelle dient...). Von meinen wenigen Besuchen in Dresden zu der Zeit kann ich mir kaum vorstellen, wie man da gut Radfahren konnte, weil wir als Kinder nach einem Tag in der Stadt üblicherweise Kopfschmerzen vom Zweitakt-Gestank hatten...

Gruß,
Martin
 
später dann den obligatorischen Sattel auf dem Oberrohr, auf dem man zwischen Mamas oder Papas Armen mit freier Sicht auf die Straße mitfahren konnte, festgehalten am Lenker und die Füße auf Fußrasten an der Gabel.

Am Niederrhein hatten meine Eltern den in den 70ern auch, ein zweiter Kindersitz wurde auf dem Gepäckträger befestigt.

Vorläufer des heutigen ADFC

Da der ADFC in den 70ern in Bremen gegründet wurde, war die Dresdener IG wohl nur regional der Vorläufer. In Hilden gab es Ende der 80er / Anfang der 90er auch eine regionale Radgruppe, die dann dem ADFC beitrat.
 
Radfahren in der Stadt in den 80-ern ist für mich verbunden mit dem Gefühl, fast von den Dieselabgasen der Stadtbusse zu ersticken, wenn ich mal wieder fast zu spät dran war für die Vorlesung, es auf den letzten Drücker in den Hörsaal geschafft hatte und dann einige Minuten brauchte, bis das Kohlenmonoxid in der Blutbahn durch Sauerstoff ersetzt war. Ich bin nicht traurig über die Oxykats.
 
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