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Ich habe die letzten Abende damit verbracht, mein altes Radius Dino nach über 20 Jahren grundzuüberholen.
Für die etwas jüngeren Forumsteilnehmer: Das Dino ist ein klassischer alter, ungefederter Langlieger, Baujahr ca. 1993, vorne mit 440mm / 20 Zoll-Rad, hinten 28 Zoll. Rahmen aus Mannesmann-Stahlrohr, Gewicht um die 22kg. Ich hatte es ca. 1994 von meinem ersten Honorar als Dozent in einer Bildungsstätte gekauft. Früher bin ich damit weit gereist, aber in den letzten Jahren stand das Rad immer etwas im Schatten meiner beiden VM und bekam nur die Wartung, die es unbedingt brauchte. Ergebnis war u.a. dass die Lichtanlage nicht mehr funktionierte, der Gepäckträger knarrte, der Kettenstrang laut und schwergänging war, die Spannschnüre des Sitzes ausgeleiert, die Decke des Hinterreifens rissig, die Schnellspanner der Räder angerostet usw. Also dringendst Zeit zur Generalüberholung.
Da mein Jahresurlaub meteorologisch bestenfalls Ausfahrten per VM erlaubte, hatte ich Zeit, meine Fahrradwerkstatt gründlich aufzuräumen und fand dabei mancherlei netten Kleinkram, der wunderbar am Dino Platz finden konnte.
Ergebnis waren mehrere lange Abende in der Fahrradwerkstatt und am Ende folgende erledigte Arbeiten:
- Alte Ketten runter, später 2,25 neue drauf;
- Ganzen Antriebsstrang mit Ritzelpaket, Kettenblättern, Kettenleitrolle und Schaltwerk geputzt und Lager neu gefettet.
- Ganze Lichtanlage aus den frühen 90-er Jahren (Seitenläufer, Halogenscheinwerfer, Glühobstrücklicht, Kabelage) runter und durch Ixon IQ Frontscheinwerfer, Bumm Secutec Rücklicht, Doppelkabel und einen in der Grabbelkiste gefundenen alten Walzendynamo etwa aus dem gleichen Baujahr wie das Rad selbst ersetzt. Problematisch waren die kurzen Kabel des Dynamos, von denen eines ursprünglich den Massekontakt zum Rahmen herstellen sollte. Nach langer, von sehr farbenfrohen Kraftausdrücken begleiteter Tüftelei habe ich schließlich die Kabel vom Dynamo in einer Lüsterklemme befestigt, die gerade so zwischen hinterem Schutzblech, dem Brückenblech für den Seitenständer / Dynamo und dem "Sattelrohr" Platz fand. Von der zweigen oben die Kabel nach vorne und hinten ab (Parallelschaltung, nicht Reihe, kein vom Frontscheinwefer durchgeschleiftes Rücklicht!). Um die ganze Sache feuchtigkeitsunempfindlicher zu machen und weil mir die Kabel x-mal aus der Lüsterklemme gerutscht waren, habe ich diese Ecke, als alles funktionierte mit üppiger Anwendung von Heißleim vergossen und fixiert. Obendrüber und darunter zum Schutz noch Gewebeklebeband: Jetzt wirkt die Sache recht vertrauenserweckend. Die Kabel nach vorne und hinten möglichst geschützt und auf direkter Strecke verlegt und in recht kurzen Abständen mit Kabelbindern am Rahmen bzw. den Schutzblechstreben fixiert: Ich mag keinen Kabelsalat! Der Dynamo ist zwar laut, aher ich habe ihn mehr der Vollständigkeit / Legalität halber drauf: Ich möchte das Dino als reines Schönwetterfahrzeug nutzen.
- Sitz: Die alten ausgeleierten Gummischnüre komplett rausgeschnitten und durch Gummischnur mit 6mm Durchmesser aus dem Baumarkt ersetzt: Die kam auf einer Rolle von 10 Metern. Komplett abgewickelt, halbiert und dann immer abwechselnd von beiden Seiten die Sitzfläche im Wortsinne wieder "eingebunden", dabei regelmäßig nachgestrafft. Am Ende blieb auf jeder Seite noch ca. 1 m übrig, nicht eben viel. Eine Probefahrt zeigte, dass die Schnur zu weich war, die Sitzfläche schlug auf jeder Unebenheit in Richtung Oberrohr durch. Lösung: 2 Packgurte aus dem Rucksackladen vorne und in der Mitte vom Sitzrahmen aus unter der Sitzfläche durchgezogen und gestrafft. Stimmt jetzt, fühlt sich gut an.
- Angerostete Stellen am Rahmen mit Hammerit mattschwarz überstrichen, das passt perfekt zur Pulverbeschichtung. Gerade auf den Bildern noch ein paar Roststellen entdeckt.
- Hinterreifen erneuert, jetzt ist dort ein Marathon Plus. Da ein Langlieger auch liebevoll-spöttisch als "Einrad mit Stützrad" bezeichnet wird (Gewichtsverteilung hinten / vorne gefühlt 80%/20%), dürfte das auch sinnvoll sein.
- Lenklager neu justiert.
- Abstand des hinteren Schutzblechs zum Reifen justiert.
- Reste alten Klebebands entfernt und auch den ganzen Rest geputzt.
- Keinen Tacho mehr montiert: Ich fahre das Rad nach Gefühl für meine eigene Belastung. Back to the roots.
- Noch zu tun: Neue Rattrap-Fußkäfige, neue Schrauben, evtl. neue Bremsen, Kleinteile: Alles etwas angerostet. Inzwischen stört mich das.
Das Ergebnis ist jetzt ein für mein Empfinden ausgesprochen edles, puristisch wirkendes Rad, das sich sehr leicht, superleise und angenehm fährt. Die zurückhaltend gestalteten LED-Lichter fügen sich stimmig ein.
Effizienz- und Geschwindigkeitsfanatiker mögen jetzt die Nase rümpfen, aber mit seiner guten Übersicht im Verkehr , der Möglichkeit, ihn ohne besondere Vorkehrungen im Berlingo zu verstauen, sowie ihn mit Straßenschuhen zu nutzen, für Spaßfahrten und Besorgungen bei gutem Wetter und für Touren mit Bekannten aus der Upright-Szene ist der KALLI (Klassischer Alter LangLIeger) richtig gut geeignet. Last but not least ist es irgendwie ein gutes Gefühl, einen Klassiker zu fahren.
Viele Grüße, Martin
Für die etwas jüngeren Forumsteilnehmer: Das Dino ist ein klassischer alter, ungefederter Langlieger, Baujahr ca. 1993, vorne mit 440mm / 20 Zoll-Rad, hinten 28 Zoll. Rahmen aus Mannesmann-Stahlrohr, Gewicht um die 22kg. Ich hatte es ca. 1994 von meinem ersten Honorar als Dozent in einer Bildungsstätte gekauft. Früher bin ich damit weit gereist, aber in den letzten Jahren stand das Rad immer etwas im Schatten meiner beiden VM und bekam nur die Wartung, die es unbedingt brauchte. Ergebnis war u.a. dass die Lichtanlage nicht mehr funktionierte, der Gepäckträger knarrte, der Kettenstrang laut und schwergänging war, die Spannschnüre des Sitzes ausgeleiert, die Decke des Hinterreifens rissig, die Schnellspanner der Räder angerostet usw. Also dringendst Zeit zur Generalüberholung.
Da mein Jahresurlaub meteorologisch bestenfalls Ausfahrten per VM erlaubte, hatte ich Zeit, meine Fahrradwerkstatt gründlich aufzuräumen und fand dabei mancherlei netten Kleinkram, der wunderbar am Dino Platz finden konnte.
Ergebnis waren mehrere lange Abende in der Fahrradwerkstatt und am Ende folgende erledigte Arbeiten:
- Alte Ketten runter, später 2,25 neue drauf;
- Ganzen Antriebsstrang mit Ritzelpaket, Kettenblättern, Kettenleitrolle und Schaltwerk geputzt und Lager neu gefettet.
- Ganze Lichtanlage aus den frühen 90-er Jahren (Seitenläufer, Halogenscheinwerfer, Glühobstrücklicht, Kabelage) runter und durch Ixon IQ Frontscheinwerfer, Bumm Secutec Rücklicht, Doppelkabel und einen in der Grabbelkiste gefundenen alten Walzendynamo etwa aus dem gleichen Baujahr wie das Rad selbst ersetzt. Problematisch waren die kurzen Kabel des Dynamos, von denen eines ursprünglich den Massekontakt zum Rahmen herstellen sollte. Nach langer, von sehr farbenfrohen Kraftausdrücken begleiteter Tüftelei habe ich schließlich die Kabel vom Dynamo in einer Lüsterklemme befestigt, die gerade so zwischen hinterem Schutzblech, dem Brückenblech für den Seitenständer / Dynamo und dem "Sattelrohr" Platz fand. Von der zweigen oben die Kabel nach vorne und hinten ab (Parallelschaltung, nicht Reihe, kein vom Frontscheinwefer durchgeschleiftes Rücklicht!). Um die ganze Sache feuchtigkeitsunempfindlicher zu machen und weil mir die Kabel x-mal aus der Lüsterklemme gerutscht waren, habe ich diese Ecke, als alles funktionierte mit üppiger Anwendung von Heißleim vergossen und fixiert. Obendrüber und darunter zum Schutz noch Gewebeklebeband: Jetzt wirkt die Sache recht vertrauenserweckend. Die Kabel nach vorne und hinten möglichst geschützt und auf direkter Strecke verlegt und in recht kurzen Abständen mit Kabelbindern am Rahmen bzw. den Schutzblechstreben fixiert: Ich mag keinen Kabelsalat! Der Dynamo ist zwar laut, aher ich habe ihn mehr der Vollständigkeit / Legalität halber drauf: Ich möchte das Dino als reines Schönwetterfahrzeug nutzen.
- Sitz: Die alten ausgeleierten Gummischnüre komplett rausgeschnitten und durch Gummischnur mit 6mm Durchmesser aus dem Baumarkt ersetzt: Die kam auf einer Rolle von 10 Metern. Komplett abgewickelt, halbiert und dann immer abwechselnd von beiden Seiten die Sitzfläche im Wortsinne wieder "eingebunden", dabei regelmäßig nachgestrafft. Am Ende blieb auf jeder Seite noch ca. 1 m übrig, nicht eben viel. Eine Probefahrt zeigte, dass die Schnur zu weich war, die Sitzfläche schlug auf jeder Unebenheit in Richtung Oberrohr durch. Lösung: 2 Packgurte aus dem Rucksackladen vorne und in der Mitte vom Sitzrahmen aus unter der Sitzfläche durchgezogen und gestrafft. Stimmt jetzt, fühlt sich gut an.
- Angerostete Stellen am Rahmen mit Hammerit mattschwarz überstrichen, das passt perfekt zur Pulverbeschichtung. Gerade auf den Bildern noch ein paar Roststellen entdeckt.
- Hinterreifen erneuert, jetzt ist dort ein Marathon Plus. Da ein Langlieger auch liebevoll-spöttisch als "Einrad mit Stützrad" bezeichnet wird (Gewichtsverteilung hinten / vorne gefühlt 80%/20%), dürfte das auch sinnvoll sein.
- Lenklager neu justiert.
- Abstand des hinteren Schutzblechs zum Reifen justiert.
- Reste alten Klebebands entfernt und auch den ganzen Rest geputzt.
- Keinen Tacho mehr montiert: Ich fahre das Rad nach Gefühl für meine eigene Belastung. Back to the roots.
- Noch zu tun: Neue Rattrap-Fußkäfige, neue Schrauben, evtl. neue Bremsen, Kleinteile: Alles etwas angerostet. Inzwischen stört mich das.
Das Ergebnis ist jetzt ein für mein Empfinden ausgesprochen edles, puristisch wirkendes Rad, das sich sehr leicht, superleise und angenehm fährt. Die zurückhaltend gestalteten LED-Lichter fügen sich stimmig ein.
Effizienz- und Geschwindigkeitsfanatiker mögen jetzt die Nase rümpfen, aber mit seiner guten Übersicht im Verkehr , der Möglichkeit, ihn ohne besondere Vorkehrungen im Berlingo zu verstauen, sowie ihn mit Straßenschuhen zu nutzen, für Spaßfahrten und Besorgungen bei gutem Wetter und für Touren mit Bekannten aus der Upright-Szene ist der KALLI (Klassischer Alter LangLIeger) richtig gut geeignet. Last but not least ist es irgendwie ein gutes Gefühl, einen Klassiker zu fahren.
Viele Grüße, Martin
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