Eigentlich sollte man es als Radfahrer besser wissen.
Die reine Existenz an einer falschen Stelle löst noch keine Schuld an einem Unfall aus, der Fehler muss schon direkt mit dem Unfall zusammenhängen.
Klassiker: Radfahrer ignoriert den Radweg und stößt auf der Fahrbahn mit einem Auto zusammen.
Wäre der Unfall auch passiert, wenn der Radler mit einem S-Pedelec dort gefahren (erlaubt) oder Mofa etc., ist die Nichtnutzung des Radwegs nicht unfallursächlich, sondern zieht maximal eine Owi mit paar Euro nach sich, aber der Radler sollte, wenn alles mit rechten Dingen zugeht, nicht nur deswegen dem blinden Autofahrer seine Beulen zahlen müssen ...
Unter beachtung dieses rechtlichen Prinzips sieht die Bewertung des Unfalls schon ganz anders aus:
Leider ist das so. Urteil aus Berlin: Deutlich zu schnell und verboten über die Busspur und dabei ein Kind totfahren kostet 200€ (bzw. korrekter und weniger populistisch 40 Tagessätze). Der Staatsanwalt
"hatte eine Strafe von 350 Euro (70 Tagessätze) gefordert.":
https://www.tagesspiegel.de/berlin/...rjaehrigen-endet-mit-geldstrafe/24449036.html
Es ist
vermutlich diese Stelle gewesen, jedenfalls die einzige Insel mit Busspur zu der Zeit dieser Mapillaryspur in der Straße.
Die Busspur dort hat das Zusatzzeichen "Krankenfahrzeuge, Taxis und Radfahrer frei"
Wäre der Student gerade mit Taxischild auf dem Dach im Dienst unterwegs gewesen, wäre er dort völlig legal gefahren ... Der Unfall wäre aber genauso passiert. Damit ist die rechtswidrige Nutzung der Busspur nur noch eine Owi und somit weg als abwägungsrelevante Unfallursache ...
Bei einem angemessenen Tempo von 30 km/h wäre der Zusammenprall mit dem Jungen vermeidbar gewesen, hieß es.
Jetzt wird's etwas spannender ... Zum Zeitpunkt der Mapillary-Aufnahme war dort, wenn man etwas zurückspult, ein Limit von 30 "wegen Spurrillen", wenn das zum Unfallzeitpunkt auch so war, ist das wahrscheinlich der Grund, warum der Gurachter die 30 als Referenz genommen hat. Die Spurrillen sind aber nur auf der Fahrspur, nicht auf der Busspur, eigentlich gibt es für die Busspur keinen Grund für dieses Limit, und wären die Spurrillen repariert, würden da sicher auch wieder 50 gelten. Bei der Frage, ob der Unfall unvermeidbar war, wäre der Sollzustand dieser Stelle eigentlich die bessere Referenz für die Frage, ob's dort sicher ist oder nicht (ob man das Limit bspw. auch ohne Spurrillen bräuchte dort). Der Zufall, ob der Bautrupp zur Ausbesserung der Rillen der Nachbarspur schon da war (und das Schild abgeschraubt hat) oder nicht, sollte eigentlich nicht unbedingt über das Strafmaß entscheiden, solange die Spurrille selbst keine Rolle beim Unfall spielt.
Bleiben also als mögliche relevante Unfallursache eigentlich nur 24 km/h zu schnell bei einer Unfallart (rausspringen eines Menschen hinter einem Hindernis), der allgemein als normalerweise schwer vermeidbar gilt.
Da das ein typischer Innerortsunfall ist, gilt aus gutem Grund innerorts ja nur 50, in Wohngebieten idR 30. So wird der Bremsweg deutlich kürzer, als wenn man mit 74 oder gar 100 rast (was ja auch mal erlaubt war ...) und es besteht evtl. noch der Hauch einer Chance. Deswegen ist es richtig, dass das angekreidet wird. Trotzdem bleibt es ein Unfall der schwer vermeidbaren Art, was auch in die Abwägung eingehen muss ... Zur Vermeidung gibt es ja auch die Halteverbote in Kreuzungsbereichen oder vor Zebrastreifen etc., damit genug Sicht bleibt. Hier ist Sicht eigentlich obsolet, weil es ja eine Ampel gibt, die vermutlich rot war für die Fußgänger. Der Verkehrsverstoß des Kindes bzw. die verletzte Aufsichtspflicht der Mutter kommen ja auch noch hinzu bei der Abwägung. Wegen der ganzen Abwägungen war vermutlich auch schon der Ansatz des Staatsanwalts so niedrig.