Wir sind aber nicht mehr in den 70ern und gerade die Forschung im Bereich Psychologie ist extrem weiter gekommen. Jetzt zu sagen "aber die lagen früher falsch, also wird's jetzt auch nicht stimmen", ist nahe dran an Wiedereinführung des Aderlass oder der drei Säfte Theorie... Wir wissen es jetzt halt nunmal deutlich besser.
 
Wahrscheinlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt.

Natürlich gibt es psychosomatische Beschwerden und Krankheiten, es gibt genauso rein somatische, und es gibt auch genug, bei denen beide Faktoren eine Rolle spielen. Dabei können die beiden letzteren Fälle nie völlig sicher diagnostiziert werden. Was für mich in Ordnung ist, wenn wir das klar kommunizieren. Leider leben die Ärzte immer noch mit der Erwartung gar nicht Weniger des "Gottes in Weiß", der immer eine eindeutige Antwort und möglichst ein Heilungsversprechen bereit hält. Was natürlich unrealistisch ist. Aber diese Erwartung bringt manche zu eher forschen bis kühnen eindeutigen Diagnosen bei uneindeutigen Fällen. Eine sehr einfache und bequeme Möglichkeit, dem Gottesbild nahe zu bleiben, ist, die Psychosomatik als alleinige und klare Ursache zu identifizieren.

Ein entgegengesetzten Beispiel kenne ich in meiner persönlichen Umgebung: Eine Jugendliche hatte schwere Schmerzen in einem Bein, die Ursache war nicht heraus zu finden. Am Schluss schleppte sie sich nur mehr mit Krücken dahin. Irgendwann sagte ihr der behandelnde Arzt etwa Folgendes: "Wir wissen, dass du starke Schmerzen spürst. Wir wissen nicht, warum. Nach so langer Zeit wissen wir nicht einmal, ob der ursprüngliche Grund für deine Schmerzen noch besteht. Denn wir lernen auch Schmerzen und können sie noch fühlen, obwohl es gar keinen körperlichen Grund mehr dafür gibt." Ihr hat diese ehrliche Mitteilung geholfen. Nach einer gewissen Zeit wurden die Schmerzen weniger. Inzwischen lebt sie schon lange schmerzfrei und ohne Einschränkungen, obwohl nach wie vor niemand weiß, warum sie diese Schmerzen hatte.

Diese Zusammenhänge können sehr kompliziert sein. In vielen Fällen ist es wichtig für alle Beteiligten, diese Unsicherheiten zu verstehen. Eine klare Diagnose ist eine solche, eine unsichere Diagnose ist eine Arbeitshypothese und nicht mehr.

Konnte ich so erklären, was ich meine?

Lg!
georg
 
Wir sind aber nicht mehr in den 70ern und gerade die Forschung im Bereich Psychologie ist extrem weiter gekommen.

Psychiatrische Diagnosen werden nicht von Psychologen erfunden und es gibt auch genug Kritik aus dem Bereich der Psychologie daran. Im Vergleich zu anderen wissenschaftlichen und medizinischen Feldern kann ich in der Psychiatrie leider wenig positiven Fortschritt erkennen. Das ist ein bisschen wie das Festhalten an der String-Theorie. Der Durchbruch kommt bestimmt demnächst (oder auch nie). Man muss nur genug Geld und Forschung drauf werfen.

Das einzige was wirklich gut geschafft wurde ist immer Menschen mit psychischen Störungen zu labeln und Psychopharmaka zu pushen.
 
Ja, Behandlungen sind ja nur wieder Geldmacherei der Big Pharma. Früher war alles besser...
Oh, 2,5x so viele Suzide wie heute? In der guten Alten Zeit? Ach das ist aber doof. Sei froh, dass du anscheinend keine Probleme hast. Menschen mit Depressionen, Angststörungen, ADHS und Co. sind sicher 100% bei dir. Nicht.

 
Sei froh, dass du anscheinend keine Probleme hast.
Ich hätte jetzt erwartet, dass du was anderes behauptest. ;)
Naja, mit der Zahl der Diagnoseverfahren wird ganz bestimmt auch die Zahl der Fehldiagnosen steigen. Und es werden mehr Leute diagnosiziert, die auch ohne Diagnose sich hätten Durchschlagen können. Und mit der Zahl der Verschreibungen wird ganz bestimmt auch die Zahl der nicht unbedingt notwendigen Verschreibungen wachsen. Mit steigendem Absatz wird unweigerlich auch der Gewinn steigen. (Abgesehen davon, wenn staatliche Regelungen oder gestiegene Kosten gleichzeitig die Gewinne reduzieren sollten, aber das hätte ja damit nichts zu tun.) Das ist auch bestimmt alles problematisich und Korruption ist da sicherlich ein großes Thema. (Man siehe die unzähligen "Informations"-Plakate mit Markenlogos bei dem Arzt hier im Ort, wo man hingeht, wenn man gerne eine Krankschreibung hätte…)
Wie sich das aber alles Vergleicht mit tatsächlich verbesserter Versorgung der Leidtragenden wird den meisten hier außerhalb der Expertise liegen. Aber ja, ganz vieles Geschimpfe ist eher ein "Warum soll es den Leuten heute besser gehen als uns damals!?"
  • "Mein Vater hat mich auch geschlagen und mir hat es nicht geschadet." (Du sprichst dich dafür aus, Kinder zu schlagen. Das klingt schon nach Schaden.)
  • "Früher gab es kaum Schwule!" (Sie wurden ja auch umgebracht. Oder haben sich als Heten getarnt, um nicht zu sterben.)
  • "Früher gab es viel weniger Scheidungen." (Eine Frau war ja auch von ihrem Mann abhängig und hätte in der Gesellschaft keine Chance gehabt. Und der Mann wäre mit dem Rufschaden auch nicht klargekommen. Also ist eher einer von beiden auf verschiedenste Weisen gestorben.)
  • "Früher gab es keine Depressionen oder Burnout!" [Nicht missverstehen, sind zwei ganz unterschiedliche Krankheiten.] (Damals nannte man das Alkoholismus oder andere Suchterkrankungen.)
  • "Früher gab es kein ADHS und Autismus!" (Damals nannte man das Freaks, Taugenichtse und sonstige entwertende Bezeichnungen.)
  • "Und Zigaretten und Asbest haben uns damals auch noch nicht geschadet!"
  • Ach wenn wir schon dabei sind: "In eurem Alter hatten wir schon zwei Kinder und ein Haus gekauft!" (Ja, damals hat auch das Gehalt eines einzelnen Elternteils als einfacher Angestellter gereicht, um ein Haus in Jahren abzubezahlen. Wir müssen zu zweit schon aufpassen, welche Wohnung wir mieten können.)
Es ist ja auch nicht so, dass mir jemand eine Diagnose und Medikation aufgedrängt hätte. Ich bin zubder Therapeutin gegangen, weil ich ein Problem habe. Und ich habe selbst voeher eine Weile mit dem Zweifel gerungen, ob mein Problem überhaupt als solches ernst zu nehmen sei oder ich mich nur mal mehr anstrengen müsste. Ich habe bei der Arbeit schon den einen oder anderen kleinen Nervenzusammenbruch gehabt und ich stehe ständig mit vier Zehen über der Klippe zum Burnout. Hätte ich weiter versucht, zu erfüllen, was andere Keute von mir erwarten, ginge es mir jetzt sehr wahrscheinlich noch viel schlechter als es das so tut. Je besser ich mich selbst verstehe, desto besser kann ich jetzt aber ehrlich zu mir selbst und zu anderen sein und entscheiden, was ich mit wie viel Aufwand schaffen kann und woran ich kaputt gehen würde. Ich bin froh, dass ich die Richtung jetzt schon mehrere Jahre vor der nächsten großen Gabelung auf meinem Berufsweg mit Sicherheit korrekt bestimmen konnte. Es wäre aber sicherlich schön gewesen, wenn ich schon mit den nötigen Ressourcen aufgewachsen wäre und in der Schule und Sozialisierung schon eine Chance gehabt hätte, zu begreifen, mit was für Problemen ich mich da eigentlich rumgeschlagen habe, die nicht unbedingt charakterliche Verfehlungen waren. In meinem Umfeld gibt es zwei Kinder, deren Wechsel auf die Schule gerade zur totalen Katastrophe wurde, was sich vielleicht hätte verhindern lassen, wenn man sich rechtzeitig angemessen gekümmert und vorbereitet hätte. Das eine Kind wurde sogar äußerer Umstände wegen etwas vorher schon psychologisch begutachtet und für nicht hilfebedürftig befunden. Als ich gehört hatte, dass das Kind als "angepasst" bezeichnet wurde, hatte sich in mir schon was verdreht und ich hatte schlechte Befürchtungen, die sich dann anscheinend bewahrheitet haben. Hier wurde also total "unterdiagnostiziert".
Auch sonst denke ich nicht, dass man sagen kann, dass allgemein zu viele positive Diagnosen gestellt werden, wenn doch gleichzeitig ganz viele Probleme ungeklärt bleiben und viele Menschen nicht die Hilfe bekommen, die sie bräuchten. Damit komme ich also wieder auf die mangelnde Qualität der Versorgung zurück, die einfach allgenein zu Fehlern führt, die vermeidbar scheinen. Allein schon dass man, wenn man durch einen Auslöser in kurzer Zeit quasi komplett handlungsunfähig wird und selbst mit einer Diagnose noch Tagelang damit rumkämpfen muss, auch irgendwo Hilfe zu bekommen. Das ist so ungefähr als müsste man mit gebrochenem Bein erstmal zum Artz im Nachbarort laufen.
 
Bei der Anzahl an Therapieplätzen raus zu hauen, dass die jedem ne Krankheit "andrehen" ist ansich schon absurd.
Und zb bei meiner Frau hat sich eine extreme Verbesserung bzgl. Sozialphobie (und div. Anderen Phobien) eingestellt durch die Behandlung. Hat sie selber gar nicht so wahr genommen, aber nach 14 Jahren Beziehung kennt man sich ein wenig und bekommt eine so schnelle Veränderung deutlich mit. Das hat mich erst dazu bewogen mich mal um meine "Delle am Helm" zu kümmern. Burnout, natürlich unbehandelt, Depressionen und Co ("hab dich mal nicht so, andere habens schwerer!") ebenfalls. Damit komm ich aber mittlerweile klar...

Also her mit den ganzen Ärzten die nur darauf warten noch mehr Patienten zu behandeln. Wie gesagt, ich suche seit über einem Jahr um Umkreis von 100km erfolglos.
 
Es ist alles nicht so einfach, wie es manche gerne hätten. Die Psychosomatik-Keule ist eine der sehr angenehmen und praktischen Möglichkeiten, eigene Unsicherheit und manchmal auch Inkompetenz zu verschleiern: "Was die PatientIn hat ist psychosomatisch, also brauche ich mich als Arzt nicht mehr damit auseinander setzen, weil die PatientIn ist ja selber schuld."
Wenn ein Arzt mit einer Ausbildung für körperliche Krankheiten, einen psychosomatischen Hintergrund vermutet und ausspricht, heißt das nicht mehr als das, das er zum einen seine Kompetenzen realistisch betrachtet kann, und in der Lage ist das auch zuzugeben. Zum anderen gibt er damit den Fall zum Vorteil des Patienten weiter an, in diesem Fall, kompetentere Fachleute.

weil die PatientIn ist ja selber schuld."
Das ist eine für Laien typische Interpretation, die keinen Sinn macht, und deswegen in eine Sackgasse führt.

Unser aller Problem ist, das ein Haus- o. Facharzt kein Psychologe ist, und ein Psychologe kein Fach- o. Hausarzt.

Es ist aber gut das es immer mehr psychosomatische Kliniken und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, die diese beiden Disziplinen wieder in Verbindung bringt.
 
Wie gesagt, ich suche seit über einem Jahr um Umkreis von 100km erfolglos.
Ich habe gar nicht mehr die Energie, um mich auf die Suche zu machen, mich dann noch um die Finanzierung, Zeit und den Therapeuten zu bemühen, der auch zu mir passt. Ich versuche jetzt im Internet Informationen zu finden, die in meinem Fall helfen. Dieser Vortrag von Dr. Miriam Prieß war da schon hilfreich.
 
Ich habe gar nicht mehr die Energie, um mich auf die Suche zu machen, mich dann noch um die Finanzierung, Zeit und den Therapeuten zu bemühen, der auch zu mir passt.
Ja, das kommt mir sehr bekannt vor, ich habe irgendwann zwischendurch eine Verhaltenstherapie gemacht, bei einer frischen Therapeutin, dlbei der ich oft Fragezeichen über dem Kopf wahrgenommen habe, wenn ich was über meine z.B. berufliche Situation erzählt habe. Das war für mich die falsche Therapeutin und wahrscheinlich auch der falsche Therapieansatz, aber ich habe das trotzdem gemacht, weil ich einerseits durch die Gespräche beim Erkennen von Verhaltensmustern besser wurde und schlicht und ergreifend keine Ahnung hatte, wie ich die Energie aufbringen sollte, weiter zu suchen und in der Zwischenzeit nicht in der Statistik als Suizidopfer zu landen.
Zwar hat sich bei mir eine Stabilisierung und eine Tendenz zur Besserung eingestellt, allerdings bin ich noch weit davon entfernt 'normal' zu funktionieren und nicht von Problemen aus der Bahn geworfen zu werden.
In der Rückblende hätte ich natürlich damals schon besser versucht, mir fundierte Hilfe zu holen und hätte mit und meiner Familie damit sicherlich einen Gefallen getan. Ich bin nach Ende 2011 Leistungs und Stimmungsmäßig quasi zusammengeklappt. Tatsächlich habe ich die Veranlagung dazu aber schon in meiner Jugendzeit bemerkt.
Was ich sagen möchte: falls es irgendwie geht, versuch Du (und jeder der das liest und sich angesprochen fühlt) jemanden zu finden, der Dir helfen kann.
 
Zwar hat sich bei mir eine Stabilisierung und eine Tendenz zur Besserung eingestellt, allerdings bin ich noch weit davon entfernt 'normal' zu funktionieren und nicht von Problemen aus der Bahn geworfen zu werden.
Was ich für wesentlich halte um überhaupt, wenigstens auf dem Zahnfleisch oder mit den Brustwarzen vorwärts zu kommen, ist beim Arzt abklären zu lassen ob und welche Vitamine, Hormone und Mineralien fehlen könnten.

Bei mir war das, in weiten Teilen meiner 28 Jährigen (wie ich heute sagen würde), "Erschöpfungsdepressionen", mindestens ein chronischer VitaminD-Mangel und im Laufe dieser Jahre kam, möglicherweise durch einige Traumata noch eine leichte Nebennierenunterfunktion dazu. Das heißt ich bin "abgestumpft" und schütte nicht mehr selbst genug Cortisol aus, um ein ausreichendes Energielevel zu erreichen.

Wenn also der Körper (Soma) alles hat was er braucht, um zu funktionieren, können wir uns um unser Seelenheil kümmern. Einen Biochemischen Mangel, können wir halt nicht durch eine noch so gute Psychotherapie ausgleichen.

Meine Hoffnung ist jetzt, das ich durch notwendige Veränderungen in meinem Leben, die Nebennieren wieder dazu bekomme, morgens wieder genug Cortisol auszuschütten, das Ich genug Energie habe und Entzündungen entsprechend bekämpft werden, so das ich kein Kortison mehr nehmen muss.
 
ist beim Arzt abklären zu lassen ob und welche Vitamine, Hormone und Mineralien fehlen könnten
Das passiert gefühlt leider viel zu selten. Häufig muss man Vitamin- und Mineralienwertbestimmung auch selbst zahlen. Trotzdem muss man erstmal einen Arzt finden, wo man das alles testen lassen kann. Wie ich meinen Hormonhaushalt überprüfen lassen soll, habe ich mittlerweile aufgegeben, da ich weder bei der einen noch der anderen Stelle weiterkam. Die Endokrinologie nimmt ohne Überweisung niemanden. Als letztes wurde mir gesagt, dafür wäre die Gynäkologin zuständig.
 
auch selbst zahlen.
beim VitaminD zahle ich 21,50€ selbst....gemessen an den Einschränkungen, Risiken und Zipperlein die ich sonst auf mich nehmen würde, ist diese Summe ein Witz. Einen Endokrinologen könnte ich jetzt auch gebrauchen, genauso wie einen Rheumatologen, den meine Hausärztin nicht für mich bekommt. Von den Nebennieren weiß ich nur, das sie bei mir flacher sind als normal....das kam nebenbei bei einem der CT's raus, die auf der Suche nach meinem "Entzündungsproblem" gemacht wurden.

Das unser Gesundheitssystem selbst schon lange krank ist und in Teilen vollkommen überlaufen, überlastet oder unterversorgt, damit müssen wir uns abfinden und das Beste für uns selbst, daraus machen. Geht nicht anders. Radikale Akzeptanz und das zu sehen was IST, und nicht, was wir sehen wollen, uns wünschen oder erwarten, dazu rät ja auch Dr. Miriam Prieß in dem Video.
 
Das war schon vor fast 30 Jahren normal. Beim BMW Händler standen auch Felgen-Sätzen für einen Preis, für den ich normalerweise ein ganzes (gebrauchtes) Auto kaufe
Jepp. Und die Kunden sind nicht alle dämlich. Als ich mir vor langer Zeit mein Dalli aufgebaut habe, hatte mein Bruder für ziemlich exakt den selben Preis Alu-Felgen gekauft.
Rate mal, wer in der Familie danach als leicht verschroben galt. (kleiner Tipp: die Fahrrad-Gene sind bei uns recht einseitig verteilt).:rolleyes:
 
Ja, Behandlungen sind ja nur wieder Geldmacherei der Big Pharma. Früher war alles besser...
Oh, 2,5x so viele Suzide wie heute? In der guten Alten Zeit?

Du argumentierst jetzt echt mit Korrelation eines Indikators in einem Land mit einer Statistik bis 2013? Und wieso gerade Suizid? Ist jeder mit psychischen Problemen suizidgefährdet?

Würde Suizidprävention mit Psychopharmaka funktionieren, wären die Suizide in den letzten 20 Jahren dann nicht weniger geworden? Sind sie aber nicht. In einigen Ländern gibt es sogar wieder einen deutlichen Anstieg (z.B. USA).

Ach das ist aber doof. Sei froh, dass du anscheinend keine Probleme hast.

Woher weißt Du welche Probleme ich habe oder nicht habe oder mal hatte? Oder wie viele Leute ich mit entsprechenden Problemen / psychiatrischen Diagnosen kennen oder darüber geredet habe?

Menschen mit Depressionen, Angststörungen, ADHS und Co. sind sicher 100% bei dir. Nicht.

Weder noch. Die Mehrheit glaubt das was in Marketingkampagnen und Multiplikatoren wie social Media und Influencer als scheinbar wissenschaftlich-medizinische Fakten verbreitet wird. Dann gibt es natürlich die, die automatisch an eine zentral organisierte Verschwörung glauben. Und die, die prinzipiell nur Alternativmedizin vertrauen. Es gibt aber auch genug Menschen die schlechte Erfahrungen gemacht haben und durch die psychiatrischen Behandlungen geschädigt wurden (inkl. Tod durch Nebenwirkungen).

Diese ganzen Diagnosen sind auch wissenschaftlich umstritten ganz einfach dadurch schon, dass in dem meisten Fällen die konkreten Ursachen nach Jahrzehnten Forschung immer noch nicht wirklich benannt werden können. Es sind halt nur Cluster von Symptomen, die mit psychoaktiven Substanzen mit mehr oder weniger starken Nebenwirkungen und Langzeit(er)folgen behandelt werden.

Und wie schon geschrieben, ich will nicht verneinen, dass es diese Symptome und Probleme gibt. Ich sag nur, dass eine Menge der psychiatrischen Diagnosen nichts taugen, weil in den wenigsten Fällen nach den Ursachen geschaut wird. Eine Psychose, eine "Depression", Angststörung oder "ADHD" kann verschiedenste Ursachen haben. Von traumatischen Kindheitserfahrungen, über organische, hormonelle oder neurologische Ursachen, Entzündungsprozesse im Körper, Nahrungsmittelunverträglichkeiten ... Es wird dann aber meist so getan, dass die Psychopharmaka in der jeweiligen Wirkstoffgruppe immer geeignet ist und ein Leben lang genommen werden soll. Funktioniert halt im Durchschnitt long-term über alle Patienten mit den gleichen Diagnosen gesehen nicht besonders gut (und dazu gibt es auch seriöse wissenschaftliche Studien).

Ich bin für Selbstbestimmung was psychoaktive Substanzen betrifft (vielleicht mit gewissen Einschränkungen). Wem bestimmten Sache helfen, der soll sie natürlich nehmen. Dummerweise gibt es da nicht mal fundierte Aufklärung, Beratung und Begleitung dazu. Ein gutes Expertensystem (AI nennt man das glaub ich heute) könnte da vielleicht mehr erreichen als die völlig überlasteten niedergelassenen Psychiater, die alle paar Monate 10 min für den Patienten haben.

Das hat jetzt alles nichts mit Psychotherapie oder andere Formen von nicht-medikamentöser Behandlung zu tun. Deren Sinn und Unsinn wäre nochmal ein anderes Thema.
 
Ich bin für Selbstbestimmung was psychoaktive Substanzen betrifft (vielleicht mit gewissen Einschränkungen). Wem bestimmten Sache helfen, der soll sie natürlich nehmen. Dummerweise gibt es da nicht mal fundierte Aufklärung, Beratung und Begleitung dazu.
Aber man ist doch im Normalfall selbstbestimmt. Man geht zum Arzt und wrwartet von ihm etwas. Also gibt er einem ein Rezept. Ob man dieses dann auch einlöst und das Medikament nimmt, bkeibt einem selbst überlassen. Ob man einfach mit einfach nur das erstbeste nimmt, was der Arzt vorschlägt oder sich die Möglichkeiten, Unterschiede und Ungewissheiten erklären lässt, kann man auch beeinflussen. Wenn der erste Arzt, bei dem man gelandet ist, einen nicht wunschgemäß zu beraten scheint, ist es zwar richtig lästig, noch eine Arzt zu suchen, aber es steht einem zumindest frei.
(Dass man nicht einfach ohne ärztliches Rezept beliebige Medikamente kaufen kann, ist schon ziemlich sicher richtig so. So viel Selbstbestimmung wolltest du sicherlich nicht erwarten?)

Ich war mal wegen Erkältung oder Grippe oder irgendwas beim Hausarzt. Der fragte mich, wie lange Krankschreibung ich wohl brauchen würde. Als ich ihm sagte, dass ich keine Ahnung habe und für seine Fachkundige Meinung bei ihm bin, hat sich schlagartig geändert, wie er mich behandelt hat. Da wurde ihm eben erst klar, mit welcher Erwartung ich ihn aufgesucht habe.
Ähnliches mag in anderen Fachbereichen auch passieren, dass üblicherweise eine einfache Lösung erwartet wird und diese geliefert wird; dass man eine ganz andere Behandlung erfährt, wenn man signalisiert, dass man mit einer anderen Erwartung kommt. Meine (damalige) Psychotherapeutin fragte mich ziemlich früh, was ich mir von einer Diagnose denn versprechen würde. Damit hatvsie bei und zwischen uns beiden Klarheit geschaffen. Sienhatte sich aber auch ganz frisch hier niedergelassen. Vielleicht war sie noch neu im Beruf und hatte selbst noch nicht die eingefahrenen Erwartungen an die Patienten.

Ein gutes Expertensystem (AI nennt man das glaub ich heute)
Viele nennen auf maschinellem Lernen basierende Algorithmen fälschlicherweise als Kunstkiche Intelligenz und einige würden auch (erfolgreich) versuchen, es als Expertensystem zu verkaufen, aber nein. Diese Dinge haben (bisher) nichts miteinander zu tun.
Trotzdem ja, mithilfe von maschinellem Lernen und Verarbeitung großer Datennengen mit vielen erfassten Faktoren könnte man wohlmöglich sehr gute Medikationsvorschläge erzeugen, die dann aber noch ein echter Experte auf Sinnhaftigkeit prüfen müsste. Sehr interessanter Ansatz, der sicherlich schon in der Entwicklung ist, für den tatsächlichen Einsatz aber erst noch viele rechtliche Hürden überwunden müssen wird.
Ich stelle mir ein Beratungsgespräch vor: "Klassisch würden wir es erstmal mit XY versuchen. Der Algorithmus schlägt bei Ihnen ABC vor. Ich weiß nicht recht, wie er darauf kommt, klingt aber nicht weiter gefährlich. Welches wollen Sie ausprobieren?" :D (Und in geschlossenen Foren und Erfa-Kreisen tauschen sie sich über die Ergebnisse des Algorithmus aus, besprechen ob sie darin einen Sinn sehen und ob sie es dem Patienten vorschlagen sollten.)
 
Ich hab keine Ahnung wo du deine "Erfahrung" herholst, dass du einfach mal einem kompletten Berufsstand unterstellst, die Patenten stumpf mit Medikamenten ruhig zu stellen... Es wird weder so getan als ob Tabletten immer geeignet sind oder ein Leben lang genommen werden sollen.
Es gibt überall schwarze Schafe, aber du argumentierst auf dem Level von "Nicht alle Ausländer sind kriminell, aber die meisten!".
Und was Suizide mit nicht behandelten Depressionen, Suchterkrankungen und Co. zu tun hat? Ja... was könnte das bloß sein. Jetzt die USA her zu nehmen für Deutschland ist zudem verdammt daneben. Die USA hat einen Anstieg an Suiziden von 40% seit 2000, Deutschland 25% weniger seit 2000.
 
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