Ich wollte auch nicht eigentlich den Artikel verlinken, sondern nur eine Quelle angeben. Auch will ich nicht sage, ob der Artikel gut oder richtig war, aber es war die einzige Antwort auf meine und
@Fripon s Frage.
Zusammengefasst: Lockdowns sind extrem teuer, in vieler Hinsicht. Erst hiess es, die Kurve abzuflachen sei das Ziel, jetzt die Inzidenz von 50, 300 europäische Wissenschaftler fordern sogar 10, Taiwan und Südkorea haben mit moderner Datentechnik nie 10 überschritten, in Taiwan seit Monaten keine lokale Übertragung. Für jeden Infizierten 20-30 in Karantäne (in D = 3). Auch in der Geschwindigkeit ist D technisch hinterher: Faxe schicken, Schneckenpost etc. kostet Zeit und ermöglicht dadurch Infektionen.
Hier stellt sich eben die Frage: War die "moderne Datentechnik" ursächlich dafür, daß die Inzidenz in Südkorea und Taiwan nicht so hoch ist?
Und wenn ja, läßt sich das auf hiesige Verhältnisse (Nutzungsgrad in der Bevölkerung, z.B. bargeldloses Bezahlen mit dem Smartphone etc.) übertragen?
Die App hat kaum eine Chance, daher weitere Rechte von Seiten der App nötig: Speicherung der Kontakte (Löschen nach 2 Wochen), Die Hälfte aller Nutzer löst den Alarm auf der App erst gar nicht aus, ausserdem brauchen sie erst einen Code.
Bei der App wurde ja so gut es geht versucht, sie so zu gestalten, daß man die Hinweise ernstnehmen kann. Insofern ist es schon wichtig, da zu verhindern, daß einfach aus Schabernack oder zur gezielten Wirtschaftsschädigung falsche Daten erzeugt und ins System gelangen können. Zugegeben: Ein zentralistischer Lösungsansatz würde da natürlich helfen, die Nutzung der App ist aber immer auf die Kooperation der Bevölkerung angewiesen; wenn man mal nach Frankreich schaut, die ja eine zentralistische Lösung verfolgt haben, so sieht man, daß dort (trotz meiner Auffassung nach höherem Vertrauen in die zentralistische Regierung als in Deutschland und keiner historischen Datenschutz-Präzedenzen wie in Deutschland) die Akzeptanz nicht besonders hoch war (
Link).
Gesundheits- und Bewegungsdaten sind unglaublich sensible Daten, über die man--so gut es geht--gerne die Kontrolle haben will. Die hiesige Corona-App setzt das hervorragend um.
Daß die Koordination zwischen Labor und Gesundheitsämtern nicht sinnvoll funktioniert, ist natürlich ein riesiges Problem: Das kann man aber beileibe nicht dem Datenschutz anlasten. Verschlüsselte E-Mails gibt's ja auch nicht erst seit gestern und wir haben sogar eine staatlich für sicher erklärte E-Mail-Kommunikations-Infrastruktur (De-Mail). Wenn man es also nicht hinkriegt, ein paar Softwarefirmen zu beauftragen, um die Meldeprozesse in eine einfach zu bedienende Anwendung zu packen, die entsprechende E-Mails verschickt, dann ist das zwar traurig, aber eben dezidiert kein Datenschutzproblem. Natürlich ist es extrem leicht, ganz viel Versagen auf das abstrakte Konzept des Datenschutzes zu schieben, der ja sowieso schnellen Lösungen oft im Weg steht (weil dieser erfordert, sich mal die Implikationen einer Technologie zu überlegen, bevor man sie einfach so einsetzt). Durch weniger Datenschutz verbessert sich nicht die Qualität, es kommen nur mehr ziemlich heikle Informationen über Leute abhanden.
Guter Punkt: Sehr viele Mobiltelefonnutzer geben Google, Apple oder Facebook Zugriff auf die Standortdaten, aber die App darf das nicht.
Facit: " Zur Bewältigung der Pandemie sollten wir unserem Staat für eine gewisse Zeit wenigstens so viel Vertrauen entgegenbringen wie amerikanischen Konzernen."
Ich weiß, daß es sehr polemisch ist: Der Staat (in diversen Ausführungen) hat in den letzten 100 Jahren recht gut demonstriert, daß er mit Daten arbeiten kann und diese repressiv einzusetzen vermag. Amerikanische Konzerne schneiden historisch gesehen natürlich auch nicht gut ab, aber dort geht es vorwiegend um kommerzielle und nicht um politische Interessen. Ich kann also durchaus verstehen, daß man einem Konzern eher traut als dem Staat.
Allerdings ist es übrigens auch gut möglich, möglichst wenig bis keine sinnvollen Standortdaten an Google weiterzugeben, auch mit vertretbarem Aufwand (und nein, damit meine ich nicht das Aufspielen eines anderen Android-ROMs, sondern einfach nur das konsequente Abschalten von Google-Features, das Verwenden von reinem GNSS zur Standortbestimmung und Nichtbenutzung eines Google-Accounts).
Es ist nun nicht so, daß ich dem Staat nicht traue, aber wofür werden denn Standortdaten benötigt? Die BLE-Lösung ist meiner Auffassung nach so gut, besser geht's für diesen Einsatzzweck mit GPS auch nicht. Es wird schon schwierig, mit handelsüblichem GPS im Handy bei normalen Bedingungen zweifelsfrei festzustellen, auf welcher Straßenseite man sich bewegt, wie bitte soll das dann so viel besser helfen, um Kontakte nachzuverfolgen, daß es die Kosten wert ist? Nahbereichsfunk halte ich da auch prinzipiell für sinnvoller. Außerdem gibt es sowieso schon genügend Beschwerden über den Akkuverbrauch der Anwendung, wenn da dann den ganzen Tag GPS mitläuft, ist das Handy nach ein paar Stunden leer. Das ist besonders toll, weil dann die Kontaktnachverfolgung nämlich überhaupt nicht mehr funktioniert.
Das stimmt, ist aber für mich die einzige Legitimation der App.
Legitimation ist schwierig. Bei Maßnahmen jeder Art will ich natürlich schon gerne eine wissenschaftlich fundierte oder zumindest plausible Erklärung haben, warum diese bei der Eindämmung der Pandemie helfen. Meines Erachtens nach ist das bisher auch einigermaßen erfolgt, mal mehr, mal weniger zufriedenstellend. Die Nutzung der App ist aber freiwillig, insofern stelle ich da keine so hohen Ansprüche. Die App ist hauptsächlich zum Schutz anderer Menschen gedacht und die Idee, wie das funktionieren kann, halte ich für einleuchtend. Durch Warnung der Nutzer kann das eigene Verhalten entsprechend angepaßt werden, um bei einem Infektionsverdacht noch vor Beginn und Erkennen von Symptomen, Gang zum Arzt, Durchführung eines Tests und Mitteilung des Testergebnisses das eigene Verhalten anzupassen: Weitestmögliche Reduktion von Kontakten, Abklären mit einem Arzt auch ohne Symptome etc. Für mich klingt das nach einer plausiblen Möglichkeit, Infektionen zu reduzieren. Daß das nicht die alleinige Möglichkeit sein kann, um eine solche Pandemie unter Kontrolle zu bringen, versteht sich glaube ich von selbst.