Ich bin ein bekennender Freund von Egon Bahr.
Der sagte kurz vor seinem Ableben in einer Diskussion mit Schülern, daß man höchste Vorsicht walten lassen solle, wenn Politiker sich auf Solidarität, Ethik und Menschenrechte berufen würden. Es ginge immer nur um knallharte Machtinteressen. Verstöße gegen Solidarprinzipien würden höchstens mal für ein paar Wochen für Verstimmung bei den anderen Ländern sorgen - für langfristige politische Entscheidungen spiele so etwas nie auch nur die geringste Rolle.
Und da drängt sich mir seit Monaten immer die gleiche Frage auf:
a.) Wir sind bei der pro-Kopf-Wirtschaftsleistung und beim Privatvermögen und erst recht bei Sozialversicherungsreserven, Kreditwürdigkeit etc. immer ziemlich weit vorn (Platz 17). Wenn man Banken- und und Öl-Zwergstaaten wie Luxembourg oder Macau abzieht, erst recht.
b.) Angeblich liegen die summierten Kosten bzw. Einnahmeausfälle der Pandemie für Bund, Länder, Kommunen, Konzerne und Bürger im Billionenbereich.
c.) Selbst wenn man 1000 Euro pro Einzeldosis bieten würde, wären das gerade mal 2x84000000x1000=168 Milliarden Euro.
c.) Beim Impfstoff- Bestell- und Bezahldebakel wurde immer der Kosten- und Solidaraspekt betont ("gemeinsame europäische Strategie", "kein gegenseitiges Ausstechen gewollt", "kein Kauf vor Zulassung", "keine Bezahlung vor Wirksamkeitsnachweis" etc.)
Problemlos hätte Deutschland doch ohne Rücksicht auf Verluste den Herstellern einfach solche Unsummen bieten können, daß kaum noch andere Länder mithalten gekonnt hätten, und von allen verfügbaren Herstellern ungeachtet späterer Wirkungsnachweise oder Zulassungen zum Wucherpreis auf Verdacht bestellen können. Die zuviel oder vergeblich gekauften Dosen wegschmeißen oder verschenken oder weiterverkaufen hätte man ja immer noch gekonnt. Die Rechnung wäre einfach gewesen:
Wenn Impfstoffkosten > Coronaverluste, dann gar nicht kaufen
Wenn Impfstoffkosten < Coronaverluste, dann auf Deibel komm' 'raus kaufen.
Angeblich liegen die Coronaverluste aller Gebietskörperschaften, Bürger, Unternehmen usw. zusammengerechnet ja bei einigen tausend Milliarden Euro, was Grenzimpfstoffkosten von einigen zehntausend Euro pro Dosis entspricht.
Da aber um nur einige Dutzend Euro pro Dosis so erbittert und lange gerungen wurde, daß die Hersteller lieber zuerst wo anders hin lieferten, gibt es ja nur wenige Möglichkeiten, warum das gemacht wurde. Alle diese Möglichkeiten sind sehr unwahrscheinlich oder höchst unappetitlich:
a.) Unsere Regierung ist entgegen der Unterstellung Egon Bahrs total ethisch und loyal.
b.) Die Weltgemeinschaft würde sich uns gegenüber auf immer versperren und auf Jahrzehnte nichts mehr bei uns kaufen (obwohl sie England gegenüber bis jetzt nicht ernsthaft grollt).
c.) Die Epidemiekosten sind in Wirklichkeit viel, viel geringer als die jetzigen Impfstoffkosten, d.h. sind nur im einstelligen Milliardenbereich.
d.) Den Epidemiekosten stehen wegen der vielen sterbenden Vorerkrankten und Alten höhere Entlastungen, etwa bei zukünftigen Renten- und Krankenversicherungsausgaben, gegenüber.
e.) Die Entscheidungsträger und deren gesamter Stab können nicht rechnen.
f.) Die Entscheidungsträger stehen nicht im Dienst ihres eigenen Landes.
g.) Andere Nationen bedienen sich ubekannter Druckmittel, um Deutschland vom Preispoker abzuhalten.
h.) Den Herstellern sind die Einnahmen schnuppe, ihre Auslieferungsreihenfolge ist von Menschenliebe und Gerechtigkeitssinn getrieben.
i.) Eine Regierung, die uns rasch durchgeimpft hätte, wäre gestürzt worden, weil die meisten Leute gerne weiter Coronabeschränkungen wollen oder gerne ein Sterberisiko in Kauf nehmen.
j.) Ich bin kognitiv beeinträchtigt und kann nicht denken, geschweige denn rechnen.
Unter allen Möglichkeiten erscheint mir j.) im Moment die wahrscheinlichste zu sein.
Das Argument, bei ausschließlicher Impf-Konzentration auf das Inland würden wir wenig gewinnen, weil dann irgendwann eine importierte Neumutations-Welle nach der anderen über uns schwappe, ist auch nicht stichhaltig. Erstens stirbt ja keiner gerne als erster, und zweitens hätte man nach einer Blitz-Durchimpfung zum Preis von sagen wir mal zweihundert Milliarden ja wegen der dann wegfallenden Pandemie-bedingten Ausfälle noch mühelos mehrere tausend Milliarden in die Impfaktionen anderer Länder pumpen können, die nun wegen Wirtschaftsrettungsmaßnahmen und Einnahmeausfällen nicht mehr dafür zur Verfügung stehen.
Ich würde mich freuen, wenn mir jemand ein erbauliches und plausibles k.) als Antwort vorschlagen würde. Dann könnte ich wieder grübelfrei schlafen.