Challenge Wing - Alter Rahmen, neue Ziele

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Mit der ruhigen Zeit kommt endlich die Gelegenheit euch meinen Hochlieger vorzustellen.
Nachdem ich drei Jahre mit dem Scorpion unterwegs war und ich gelernt hatte was mit diesem Rad geht und was nicht, sehnte ich mich nach einem Einspurer, mit dem ich überall dort fahren kann, wo das Scorpion an seine Grenzen kommt. Diese waren nach dem Umbau auf Nose und Optimierung für meinen Pendelweg über 100% Asphalt recht eng gesteckt.
Mir schwebte vor ein vielseitiges Liegerad für den Offroad-Einsatz aufzubauen und war durch mein begrenztes Budget auf der Suche nach einem gebrauchten Hochliegerrahmen als Grundlage.
Recht schnell kam ich dann über @spreehertie in Besitz eines gut erhaltenen, aber offenbar ziemlich alten Rades, zu dessen Historie es nicht viel im Netz gibt, außer einem verschwommenen Bild und 3 Kommentaren.
Der Tiel sagt es bereits, es handelt sich um ein Challenge Wing!

So sah es aus, als es zu mir kam:

Wing 1.jpgWing 2.jpg

In einem Gespräch mit Christian von Flux Fahrräder stellte er die These auf, dass der Rahmen möglicherweise aus einer Vorserie von Challenge stammt, da er sich nicht an dieses Modell in einer regulären Serie erinnerte. So wie die oben verlinkte Historienseite verorteten wir den Rahmen ans Ende der 80er Jahre, das Alter beträgt also mindestens 30 Jahre. Dafür hat sich der Rahmen gut gehalten, denn bis auf Dreck und Ablösungen des Klarlacks hat er keine größeren Macken, kein Rost o.ä.

Der Vorbesitzer hatte ursprünglich das gleiche vor wie ich, ist aber irgendwo in der Verbastelung stecken geblieben. Fahrtüchtig war das Rad nur behelfsmäßig, der Umwerfer vorne war defekt, der Untenlenker wacklig, die Bremsen solala. Mit einer provisorischen Umlenkrolle und Lenker ausgestattet eierte ich schließlich nach Hause.

Erste Aktion war die Entkernung, dann die Reinigung von Rahmen, Schwinge, Sitz und Kurbel - die Komponenten, die weiter in Verwendung bleiben sollten.

Der Umbau war umfassend.
- Neue Laufräder, Antriebs- und Schaltungkomponenten sowie Bremsen wurden an einem Upright bereits vorgetestet und lagen bereit.
- Als Beleuchtung sollte die vorhandene Akkubeleuchtung des Scorpion dienen
- Der Gepäckträger war angebrochen und wurde ersetzt, die seitlichen Gepäckstreben sind eingelagert.
- Die Gabel durch eine Federgabel ersetzt
- Zunächst wollte ich am Untenlenker festhalten, nach langwierigem Probieren, das irgendwie ohne Schweißarbeiten an der neuen Gabel zu realisieren, bin ich dann doch beim Tiller gelandet - beste Entscheidung des ganzen Aufbaus, wie sich später herausstellte.

Nach langen Bastelstunden dann die ersten Fahrten durch den Wald. Einige Eingewöhnungskilometer waren nötig, dann hatte ich das Rad immer besser im Griff und war erstaunt über die Agilität, Wendigkeit und Kontrollierbarkeit. Das Prinzip ging voll auf und habe erreicht, was mit vorschwebte. Ein Rad für alle Gelegenheiten mit der Fähigkeit noch dort durchzukommen, wo andere Liegeräger aufgeben müssen.

So sah es dann im Sommer aus:

Wing 3.jpg

Wie man sehen kann nichts für kurzbeinige Zeitgenossen, ich komme mit meinen knappen 2 Metern aber noch gut und sicher mit den Füßen auf den Boden. Der kurze Radstand macht es wendig und der hohe Schwerpunkt lässt eine Feinfühlige Steuerung zu.
Einige Details haben sich seit dem Foto geändert, wie die Umlenkrolle, Länge der Kettenrohre und die die Befestigung der Seitenstützen am Gepäckträger.

Die ursprünglichen Komponenten habe ich quasi komplett ausgetauscht. Man mag mir Ignoranz vorwerfen, den alten Rahmen mit dem neuen Kram zu "verhunzen", aber mit ist es ehrlich gesagt lieber, wenn die Dinge für mich funktionieren und da habe ich keine Lust der Optik wegen auf antiquiertes Zeug zu setzen.
Abgesehen davon finde ich, dass das Gesamtbild doch recht stimmig geworden ist, mir gefällt es jedenfalls! ;)

Zur Ausstattung:
- Schaltwerk 1x10 Shimano XT 11-42
- Kurbel Shimano RX, Kombipedale, 44er Kettenblatt
- Laufräder Eigenbau / Altbestand aus Standardteilen mit Schwalbe SmartSam
- RST Gila TNL (Öldämpfer) Federgabel 100mm Federweg
- AZUB Klapptiller
- Shimano XT V-Brakes mit Avid Bremsgriffen
- Umgebauter Racktime Foldit Adjustable Gepäckträger mit Clipit Seitenstützen
- Aluminiumsitz mit Ventisitauflage

Es gibt 2 Punkte, die mich ein wenig stören, bzw. wo ich nochmal ran muss. Zum einen ist die Schwinge oder der Rahmen verzogen. Tausch der Lager und des Gummipuffers haben keine Änderung gebracht. Ich vermute Schweißverzug, da das Laufrad in der Schwinge selbst richtig ausgerichtet und die Achse durch den Rahmen gerade ist. Am Ende nur ein optischer Mangel. Mittlerweile ist das Hintere Schutzblech so versetzt, dass der Dreck nicht hauptsächlich daran vorbeifliegt.

Wing 8.jpg

Zum anderen ist der Ausleger ein paar Zentimeter zu kurz. Bei Gelegenheit muss ich mal hinmessen und mich um Ersatz bemühen. Spätestens wenn der Rahmen dann irgendwann mal neu lackiert wird. Achja, die Farbe ist Punkt Nummer drei. Gelb ist... nicht so mein Fall. Gelinde gesagt.

Der Gepäckträger ist wie gesagt umgebaut worden, damit er mit dem Rahmen verbunden werden kann. Hierzu habe ich die Streben abgelängt und mir eine Montage überlegt, die die vorhandenen Befestigungsmöglichkeiten nutzt und die Kräfte sinnvoll ableitet. Mit schwerem Reisegepäck noch nicht getestet, aber den Alltagskram trägt er ohne Probleme.

Wing 4.jpg

Wie im oben verlinkten Bild zu erahnen war für die Kettenführung eine kleine Umlenkrolle vorgesehen, die nach unten versetzt am Röhrchen hinter dem Steuerlager befestigt wird. Diese war bei Erwerb schon nicht mehr vorhanden. Aufgrund der Federgabel war sowieso eine Anpassung nötig, da Brücke und Gabelrohre sonst im Weg stehen. Das Zugtrum kann in fast perfekter Linie verlaufen, hier war nur ein Stück Rohr nötig, das die Kette über die Gabel führt. Das Leertrum wird über eine große Rolle, die an einer verlängerten Auslegerklemmschraube befestigt ist, über die Gabel geführt.

Wing 5.jpg

Der Klapptiller von AZUB ist wie geschreiben mein Highlight an diesem Aufbau. Er ermöglicht ein unkompliziertes Aufsteigen und die Steuerung macht einfach nur Spaß. Im Prinzip kann ich mit einem Finger lenken. Ganz freihändig ist leider nicht möglich, da das Vorderrad zum flattern neigt.
Ein aufgeräumtes Cockpit ist Pflicht! :whistle:

Wing 6.jpg

Für die Befestigung des Frontlichts habe ich die Bohrungen des Umwerferadapters genutzt, um einen Adapter aus dem Drucker anzubringen. Als wär es dafür gedacht.

Wing 7.jpg

Mal sehen, vielleicht werden mit diesem Rad die Alpen überquert, vielleicht fliegt mir bei Gelegenheit doch noch ein AZUB Rahmen zu und alles wird wieder umgebaut. Jetzt habe ich erstmal sehr viel Spass mit diesem Rad bei "Expeditionen" in der Umgebung.

Kommt gut und gesund ins neue Jahr,
allzeit gute Fahrt!

Jan
 
Hallo Jan!

Ein tolles Rad hast du da wieder auf gebaut! Dass so ein Hochlieger auch im Gelände gut zu fahren ist, erstaunt mich. Grober Schotter klappt mit meinem Challenge (Distance, auch ziemlich antik, aber archäologisch gesehen jünger) recht gut, im richtigen Gelände gerate ich aber schnell an Grenzen, die ich lieber nicht übertrete. Steil bergab wäre so eine, die mit dem kurzen Radstand wahrscheinlich leicht mit einem Ausleger im Dreck enden könnte. Aber ich habe keine Stollenreifen drauf, und meine Beine sind kürzer.

Dass du das Rad upgegraded hast, stört mich nicht. Es ist ja zum Radeln da, nicht nur zum Anschauen!

Ein Vorschlag zum Gepäcksträger: Wenn du ihr ernsthaft beladen willst, könntest du das Hinterende oben auf hängen. Die Hebelarme sind so, wie sie derzeit stehen, nicht ideal für große Lasten. Oder du baust dir einen Träger selbst. Ich habe den Träger meines Distance (aus Nirosta) verstärkt und dabei gleich einen Frontgepäcksträger für das Rad meiner Frau gebaut. Feilen, Sägen, Bohren und Biegen habe ich selbst gemacht, das Schweißen musste ich einem Profi überlassen. Die Sichtweise, dass man das alles dem Profi zu überlassen hat, stimmt nicht. Vielleicht kannst du ja auch den alten, gebrochenen Träger, wenn du ihn noch hast, reparieren und verstärken.

lg!
georg
 
Hallo Georg,

danke für deine Anregungen! Der alte Gepäckträger ist ziemlich schnell in den Schrott gewandert, aber deine Idee, den Träger zusätzlich aufzuhängen behalte ich im Kopf! Die Sitzstrebe bietet sich dazu ja geradezu an.

Der Geländefähigkeit sind Grenzen gesetzt, aber leichte Trails traue ich dem ganzen zu, muss mich da auch erstmal rantasten. S2 würde ich damit nicht mehr fahren ;)
 
Schönes Projekt - viel Spaß damit! Und Vorsicht beim Bremsen bergab....wenn die Mühle vorn ein-und hinten ausfedert, stehst Du davor...

LG Holger
 
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