Brevet Berichte 2024

Brevet 400 km «Angel Ride Odyssey» (oder: Traue keinem Automaten)

Zusammen mit den anstrengenden Runden «Peaks of Helldorado» und «Dr. Doom’s Schlachtfest» führte audax-suisse.ch letztes Wochenende auch das 400er-Brevet mit nicht übertrieben vielen Höhenmetern durch. Meine Tochter wollte es nach der 300er-Erfahrung wieder wissen (mit dem Rennrad aka "Schwarzer Blitz"). Sie startete Samstagabend in Olten zu ihrer ersten Nachtfahrt, zum ersten 300er innerhalb des BRM-Zeitlimits und zu ihrer längsten Strecke überhaupt, die sie bisher am Stück fuhr.

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Die Gewitterregie beachtete uns zwei unbedeutende Radlinge nicht und wir konnten, gleich nach der farbenreichen Dämmerung, das Schauspiel der Blitze über den in tiefer Schwärze liegenden Emmentaler Hügeln bewundern. Gut so, bis wir dort sein werden, hat das Wetter Zeit zum Weiterziehen. Während der ganzen Nacht wurden die Hügel vor uns und im Süden immer wieder dramatisch von Blitz und Wetterleuchten inszeniert.

Automatenepisode #1: Tochter wollte eigentlich eine kleine Cola mitbringen, hatte die aber vergessen. Kurz vor Mitternacht kamen wir in einem kleinen Ort mit Bahnhof vorbei. Ich fuhr direkt auf Gleis 1, um aus dem Automaten die kalte Cola zu holen. Aber war ja klar – nach Abschluss des Bezahlvorgangs zeigte das Display «Produkt wird ausgegeben» und … es passierte gar nichts. So gemein aber auch! Wir standen andächtig, jedoch ohne Hoffnung noch eine Minute davor, bevor wir wieder auf die Räder stiegen. Im Ort hatte eine Pizzeria knapp noch offen, die uns gerne eine (billigere) Cola verkaufte.

Die Nacht war dunkel, warm und feucht. Die kleinen Strassen waren ab und zu noch nass oder sehr lokal auch mit abgeschlagenen Blättern bedeckt. In den tiefen Gräben geisterten uns die Nebelfetzen im Scheinwerferlicht entgegen. Als es dämmerte, wirkte das vernebelte Sihltal fast amazonisch an.

Bis auf die längere Abfahrt zum Zürichsee hinunter fuhren wir kurz/kurz am angenehmsten. Warme Kleider hatte ich mehr als genug dabei, da ich nicht wusste, ob Tochter nicht plötzlich schlafen möchte (wollte sie nicht). Wir genossen die Sommernacht in vollen Zügen und hofften, dass die verheissungsvolle Zwischenverpflegung oben beim Hirzelpass vielleicht durch Frühaufsteher bereitgestellt wurde. In der Tat, als wir um die Kurve bogen, flammte gegen den Morgenhimmel ein Feuer und zwei menschliche Silhouetten waren daneben emsig am wirken. Wir wurden – als erste Gäste – freudig begrüsst und erhielten Kaffee und Kekse, derweil ging tiefrot die Sonne auf. Was für ein Timing, oder etwa nicht?

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Nach kurzer Plauderei und Begrüssung der nächsten zwei Teilnehmenden, die uns hier eingeholt hatten, fuhren wir zwei im frühen Sonnenschein hinunter nach Pfäffikon und Rapperswil, und zwar mit der festen Absicht, bei der ersten offenen Bäckerei noch richtig zu frühstücken. Die gelang uns ausgezeichnet im mir bis dahin völlig unbekannten Ermenswil.

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Automatenepisode #2: Die Krise kam dann doch noch, ungefähr bei Kilometer 240. Es war echt heiss und schwül, und Tochter hätte ein Pause nötig gehabt, gerne mit einem kalten Softdrink. Den letzten Laden hatten wir verpasst, für die nächste Stunde war keiner in Aussicht, aber hey, dafür gibts ja Automaten! Beim nächsten Bauernhof stand ein altmodisches Teil mit Trockenwürsten usw. (kein Interesse unsererseits), aber zuunterst lag eine Reihe Flaschen, mit dem Boden zum dunklen, verstaubten Fensterchen. Ich zahlte, wählte die dunkelste der Flaschen (wird wohl schon Cola sein), und was kam raus? Stilles Wasser, wie wir es an jedem Brunnen umsonst bekamen. Na ja, immerhin war es gut kalt und diente als Coldpack, bevor es ausgetrunken wurde. Der Jungbauer auf dem Motorrad sorgte sich um uns, da es wohl arg nach Unfall aussah, wie zwei Räder neben dem Weg im Gras lagen und wir halb auf der Strasse sassen lagen.

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Etwas gestärkt und erholt fuhren wir wieder schwungvoller zum offiziellen Startort (für uns Km 280), wo wir wussten, es gibt dort Speis und Trank bis genug. Falafel und Salate, dazu Kaltgetränke, stärkten uns ausreichend, um bald wieder loszufahren. Wir wollten ja im Zeitlimit bleiben …

Nun ja, es kamen noch zwei fiese Hügel, die ihren Tribut forderten, Kieswege, kleineres Aufundab, etwas Regen. Aber am meisten einschränkend war das Rückenweh, dass Tochter sich die Woche zuvor beim Möbelschleppen zugezogen hatte, dazu noch Sitzbeschwerden. Ich war etwas hin- und hergerissen: Einerseits wollte ich Motivator sein, weil wir schon so nahe am Ziel waren. Jetzt aufgeben, wo wir es gleich geschafft haben? In zwei, drei Stunden zum ersten Mal 400 km am Stück gefahren sind? Brevetfahren ist Kopfsache usw., bla bla bla. Aber nein, am Kopf lag es bei Tochter wirklich nicht. Andererseits war ich besorgt, dass sie durchbeisst ohne Rücksicht auf Verluste. Ich malte mir aus, der Wolf würde zu einer wüsten, langwierigen Infektion ausarten. Das wollte ich auch nicht.

Die Entscheidung konnte ich aber nicht für sie treffen. Also gingen wir die Optionen durch: a) die Strecke gemütlich zu Ende fahren und dabei aufs Zeitlimit pfeifen, b) die Strecke ohne Umwege und Schotterpassagen, also abgekürzt und geglättet zu Ende fahren oder c), das Brevet abzubrechen.

Die Entscheidfindung lief über einige Streckenkilometer … Heraus kam erst a), etwas später dann b) und schliesslich, 40 flache Kilometer vor Schluss, doch noch c). Also scharf links in Brugg, zehn Minuten später schon im Zug.

War Tochter wohl sehr enttäuscht? Mir schien es nicht. Wir hatten uns erfreut an der tollen Strecke, an den Stimmungen, den Begegnungen unterwegs und auch an der Zuverlässigkeit unserer Räder. Ohne Schlafmangel wegen der Prüfungsphase im Studium und ohne die Rückenschmerzen wäre es besser gelaufen. Nun ja, etwas mehr Bergfahrten zwischen den Brevets würden natürlich auch ein bisschen helfen. Die Teilnahme am 600er nach Frankreich hat Tochter jetzt gestrichen. Aber wir haben bereits vereinbart, entweder auf eigene Faust oder auch offiziell, wieder die 200, 300 oder 400 Kilometer zu fahren. Cool.
 
BRM 400 Boekelo: Varusschlacht
Ich wollte gerne noch einen 400er fahren, nachdem ich die Runde zum Nürburgring ja leider abgebrochen hatte.
Also angemeldet, Abendstart 21.00, da hat man das ganze Wochenende zum Fahren und Erholen. Nicht aber, wenn der Start Samstags Abend um 21.00 ist...
Also musste ich mit dem Auto anreisen. Vor der Abfahrt wollte ich gerne noch ein Stündchen schlafen, daraus wurde nichts, ich musste noch einen Bienenschwarm fangen und versorgen. So bin ich halt schon müde gestartet...
In Boekelo starteten 27 Randonneure, davon ein Liegerad und ein Velomobil.

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Die Runde war neu ausbaldowert und ließ sich sehr gut fahren: lange Strecken an Kanälen oder auf Landstraßen waren extra für Velomobile eingefügt worden.

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Die Steigungen im Teutoburger Wald waren zwar von der Anzahl überschaubar (9), aber zum Teil dann doch schon zweistellig.

Neu für mich war, dass ich morgends um 4.00 schlafen musste: an eine einsame Bushaltestelle herangefahren, Schuhe ausgeklickt und lang gemacht.

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Na ja, wenn ich schon nicht schlafen kann, kann ich ja wenigstens mit geschlossenen Augen den Vögel lau...schnarch. So schlafe ich ca 30min was wirklich Wunder wirkt. Die Kälte danach verschwindet ganz flott an der ersten Steigung. Ansonsten besteige ich noch einen Aussichtsturm und besorge fleißig Stempel für die Karte. Und trotzdem bleiben noch 7h übrig.


Auf den letzten 40km geht mir das Wasser aus und die Sonne brennt ganz ordentlich, da schmecken die Getränke am Ziel doppelt so gut.

Fazit: Alpha 7 hat tadellos funktioniert, und für so einen unsportlichen Typen wie mich bin ich ganz zufrieden. Die Strecke ist super.

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Schöner Bericht. Dein Kaffe ist jetzt leider kalt, aber es gibt frischen, wenn Du wieder mal durch Bramsche fährst ;)
Schickst Du mir den Track? Hab grad Zeit :)
Gruß Krischan
 
Hier ganz runterscrollen. Ist frei verfügbar. Den Kaffee hätte ich genommen, vor allem aber ein Wässerchen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben...

Viel Spaß!
 
Schickst Du mir den Track? Hab grad Zeit
Eins noch: alles gut fahrbar, nur an einer Stelle war es mies.
Nahe der Autobahnabfahrt Rees der A3 gibt es einen Wendehammer (Dekkers Waide). Man kommt auf dem Radweg um eine Kurve und der Übergang zur Straße ist NICHT abgesenkt.
Sagen wir es so: ein VM mit schwerem Fahrer und etwas Gepäck schafft es im Dunkeln nicht geräuscharm da runter zu stürzen, es rumpelt und flucht laut, aber es geht scheinbar auch nix kaputt.
Stark seitlich ist der Bordstein (kaum erkennbar) abgesenkt.Screenshot_20240624_231714_Maps.jpg
 
Brevet 400 km «Angel Ride Odyssey» (oder: Traue keinem Automaten)
Wir haben am gleichen Brevet teilgenommen, wobei ich mich für den "Massenstart" entschieden habe, auch wenn mein Zuhause in der Nähe der Strecke liegt. Dies einerseits, um in die Brevetszene einzutauchen, andererseits [siehe unten]

Angel Ride Odyssey (Start in Buch SH, CH)

Rückwärts häufig auf der bevorstehenden Brevetstrecke fahre ich am Freitagnachmittag bei bestem Wetter zum Start. Und weil es fast auf dem Weg liegt, statte ich dem gutgefüllten Rhein an einer seiner spektakulärsten Passagen einen Besuch ab:

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Rheinfall bei hohem Wasserstand

Der Bauch ist gefüllt, das Velo von etlichen Dingen (Schlafzeug, Haube, Rückfahrt-Kleider) erleichtert und ich lausche dem Briefing des gleichzeitig stattfindenden HELLDORADO-400er-Brevet. Folgendes Satzfragment bleibt im Gedächtnis: "...dann den Skilift hoch...". Nicht erst da weiss ich, dass das ich mich zum richtigen Brevet angemeldet habe, auch an einem oder zwei Skiliften vorbei.

Buch SH, Freitag 20:15. Start!

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Der vordere Teil des Angel-Ride-Felds. Mit leichtem Rückenwind und 40 km/h braust es auf der Velopiste von Thayngen Richtung Schaffhausen

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Klettgau: Schöne Landschaft, schöne Streckenführung, schönes Abendlicht.

Den ähnlichsten Rythmus hat das Paar auf dem Tandem. Für das erste Rückenstreck-Aussteigen eignet sich die Unterführung am Bahnhof Wilchingen.

Dass ich die verwinkelte Strecke Koblenz-Döttingen Stunden vorher befahten habe, erleichtert mir die Navigation.

Durch das AKW Beznau kam ich am Nachmittag problemlos. Jetzt ist zu und mir wird gesagt, ich könne zwar rein, käme auf der anderen Seite aber nicht mehr raus, weil zu. Da ich das massive Tor schon am Nachmittag gesehen habe, schicke ich mich in den Umweg: Aarebrücke beim PSI. Kurioserweise sind die anderen beim AKW durchgekommen. Tja.

Bei Aarau hockt ein Biber am Wegrand. Die Region ist es auch, wo wir die meisten Gravel-Kilometer überholpern.

Die beiden Schranken vor, resp nach der Fussgänger(!)-Brücke vor Olten sind wieder gut gelegen, um auszusteigen. Ich hüpf wieder in die Kiste und durchfahre den Oltner Strassenstrich.

Bis zum nächsten CP nur auf Asphalt kenne ich mich gut aus. Nicht nur weil meinem Handy die Akkuladung fürs Selfie fehlt, biege ich etwas vor dem Checkpoint ab nach Hause.

2×10km Umweg und 4.5h der Brevetzeit für Dusche, Essen, Kaltgetränke, Kleidertausch und ca. 3h Schlaf im eigenen Bett. Die örtliche Kirchenuhr zeigt bei der Weiterfahrt 05:47 an und die Sonne scheint.

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Blick zurück im ersten Anstieg des topografisch fordernsten Abschnitts

Ein paar der steilsten Stücke schiebe ich das Velo die ruhigen Strässchen hoch.

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Mein Highlight des Brevets: Blick über die nebelgefüllte Hügellandschaft Emmental/Oberaargau

Das Wauwiler Moos gehört auch zu meinem erweiterten Heimgebiet. Dass mir die Routenführung nicht bekannt vorkommt, kann eigentlich nur eins heissen: Gravel, kurz und schlecht rollend.

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Blick zurück auf den Sempachersee

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Blick übers Luzerner Seetal. Die zweite Hälfte dieser Abfahrt gurke ich hinter einem Arsch her. Der Arsch ist in einem Anhänger und gehört einem Pferd.

Lieber B. Danke, dass ich mich bei dir zHofdere in unmittelbarer Streckennähe zu Kafi&Gipfeli einladen durfte! @Krischan @tomacino Ihr seht, das mit dem Kaffee hatte ich schon umgesetzt bevor ihr davon gesprochen habt ;) , wenn hier auch nicht bei euch.

Der Weg der Lorze entlang ist gut frequentiert und dementsprechend kraftschonend und zeitbelastend komme ich voran.

Schon lange, also seit ich die Bilder der letztjährigen Austragung gesehen habe, freue ich mich auf den Verpflegungsposten mit Reispfanne, Kaltgetränken, Feuerstelle, Aussicht über den Zürichsee und in die Alpen. Seit Aarau sehe ich hier erstmals wieder andere Brevetteilnehmer.

Liebe N, lieber S. Danke!

Vor Rappi ist Stau und ich bin gar nicht unglücklich, dass wir zwecks Checkpoint auf den linksseitigen Radweg gezwungen werden trotz doofer Ampel in Hurden.

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Ein per Text schwierig zu beschreibendes Problem zum in ein paar Wochen/Monaten anstehenden Service besprechen. Das ist das Ziel meines kurzen Abstechers zu @Jürg Birkenstock Danke für die Spontanität! . Ein paar Minuten später ist dieses Detail analysiert UND auch gleich behoben. Danke!!

Gibswil erreichen wir mit einer Abfahrt, deren Höhenmeter ich mir zuvor etwa zur Hälfte zu Fuss erarbeitet habe. Der Skiclub Bachtel macht auf der Veloroute Rollskitraining, cool!

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Hätte ich vorgängig das Wetter wählen dürfen, so hätte ich genau hier (und entlang der Lorze und am Untersee) Regen gewollt: So ist die schöne Veloroute entlang der Töss zwischen Bauma und Thurbenthal auch am sommerlichen Samstagnachmittag flott fahrbar.

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Vor ein paar Jahrzehnten befuhr ich dieses Strässchen oft bei lokalen und nationalen Radrennen. Auch wenn ich Balterswil-Eschlikon schon lange nicht mehr hier durch gefahren bin: Die Erinnerung an den kleinen Kicker hat sich bis heute gehalten.

Liebe M&P, danke, habe ich mich auch bei euch zum Zvieri einladen dürfen. Ihr habt dazu beigetragen, den "Angel-Ride" himmlisch zu machen, auch wenn ihr angesichts des Regens wahrscheinlich anderer Meinung seid.

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Bussnang-Amlikon ist wegen Erdrutsch gesperrt. Die ad hoc gesuchte Umleitung führt mich auf dieser Brücke über die Thur und gefällt mir besser als die (mir schon bekannte) Brevetstrecke.

Bergauf(!) hole ich M ein und wir fahren immer wieder ein Stück zusammen.

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Der letzte Gravel-Abschnitt für heute

Unten am Napoleonturm ist der letzte Checkpoint. Ich habe genug Zeit und möchte rauf. Als ich zuletzt hier war, war der Zugang wegen Covid gesperrt, heute bin ich zu spät: Geöffnet bis 18h, das Kontroll-Selfie hat 18:18 als Zeitstempel.

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Zu Fuss über den wassergesättigten Boden erreiche ich in der Abfahrt nach Mammern eine "Kachel". Es ist einer von fünf solcher "Irrwege" auf diesem Brevet.

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Untersee am Samstagabend. In Stein am Rhein werden Marktstände zusammengeräumt und ins Ziel rolle ich mit M. Schön wars!

Bouillon, Poulet vom Grill und Salate schaufle ich in den nächsten Stunden in mich rein und freue mich über unzählige Gespräche.

Auf die Zieleinfahrt des Initiators der HELLDORADO-Route möchte ich warten, schaffe es müdigkeitsbedingt aber nicht, schade.

Das Velo bringe ich am Sonntagmorgen nicht nach Hause, sondern kann es plan(-"B"-)mässig unterstellen. In 24h ist ja schon das nächste Abenteuer (von dem ich eben zurückgekehrt bin, Link, ohne Rad)...
 
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Burgundy Adventure Loop, 600 km, audax-suisse.ch

Nach dem werberisch-schöngeredeten Bericht von @veloeler (er hat die Strecke ja auch ausgeheckt), hier nun die nackte, unverfälschte Wahrheit über die Fahrt von einem, der es überstanden hat ;).

Nein, im Ernst, die Strecke ist super eindrucksvoll und mit vielen Highlights gespickt. Das Tolle ist ja, wir können an den gleichen Brevets teilnehmen oder die gleichen Langstrecken fahren und nehmen doch immer wieder ganz eigene besondere Erlebnisse mit. Ich bin selbst nach dem ersten Tag im Büro immer noch im Flow …

Ungefähr 30 Teilnehmer starteten abends um kurz nach acht in Biel, mit @Nemberch (hattest du eine gute Fahrt?) waren wir zu zweit mit Liegerädern dabei. Eine halbe Stunde vorher fielen noch walnussgrosse Hagelstücke («Körner» wäre untertrieben) von oben, aber pünktlich hörte das Unwetter auf.

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Gleich zu Beginn ging es gut bergauf, auf Wegen bzw. Pfaden durch Wald und Wiese, die seit @veloeler’s Rekotour sicher ein gutes Stück mehr zugewachsen waren. Und schon stand auch der Erste zum Flicken am Wegrand (so hatte er das wenigstens bereits abgehakt). Ich wollte eigentlich beim letzten Abendlicht den Col du Chasseral (1502 m) erreichen, was mir aber nicht ganz gelang (ja, @veloeler war noch im Hellen dort, da waren die Tage noch länger). Aber im Westen zeichnete sich ein klarer Himmel ab, was eine schöne Nacht versprach – bei den wilden Wetterprognosen ein willkommenes Zeichen. Für Abwechslung sorgten immer noch die Nebelschwaden, die in der feuchten Nacht in den kühlen, waldigen Tälern in meinen Lichtkegel wallten.

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Audax-Papi T. stand (angekündigt) beim CP2 Kilometer 151, bereits mitten in der zappendusteren französischen Randregion, wo sich Fuchs und Wolf gute Nacht sagen. Er hatte eine Überraschung versprochen und so plante ich seine Snacks fest in meinen Verpflegungsplan ein (ich stellte mir Haribo-Fruchtgummis, Gerstensuppe oder derlei Köstlichkeiten vor), schliesslich erhielten wir Dörrfrüchte, Bananen und Cashews – perfekt. Anderthalb Liter Wasser goss ich auch noch darüber.

Unterwegs musste ich zwei Schreckmomente verkraften: In der lauen Sommernacht lag einer dieser kauzigen Jurassen (= Einwohner des Schweizer Kantons Jura) in völliger Dunkelheit im Gras neben der Strasse, auf freier Strecke, absolut unsichtbar und nicht zu erwarten. Just als ich neben ihm durchrollte, stiess er lautes Steinzeitgebrüll aus, um mich zu erschrecken. Creepy o_O. Als ob das nicht genug wäre, kam kurz darauf aus der Finsternis ein tiefes Hundeknurren sehr schnell von der Seite auf mich zu (es war diesmal wirklich ein Hund); ich hoffte nur, das es reichen möge (ja, es hat gereicht). Gut – hatte ich das also auch schon hinter mir. Ab jetzt war meine weitere Reise ganz entspannt.

Ein toller Abschnitt war die Voie verte auf der alten Bahnlinie hinunter nach Lons-le-Saunier (Ursprung des Weichkäses «Le Président») – nicht nur, weil es lange abwärts ging. Es war eine kurvenreiche Piste mit unzähligen Tunnels, Eisenbrücken und alten Mauern, ausserdem war es schon wieder Tag. Ein schönes Highlight war das Frühstück in der Boulangerie in Doucier, schon um fünf Uhr erhielten wir dort Café au lait und Croissants.

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Wir überquerten hübsche Flüsse: Im Bild der L’Ain noch im Morgennebel, darauf einmal mehr den Doubs, mit schönen Kiesbänken, die zum Baden einladen (keine Zeit heute) und schliesslich die Saône.

Der Tag versprach bleierne Hitze. Die Bresse, tiefste France profonde, habe ich so schon früher erlebt. Noch war der Himmel eher zinnern. Ich tat aber gut daran, meinen 2,5-Liter-Wassersack nicht ganz trocken werden zu lassen. Hier in der Pampa vollbrachte ich einen epochalen Verfahrer, wie ich es seit 20 Jahren nicht mehr zustande gebracht hatte. Das ging so: 1. einen Abzweiger verpasst, 2. den Fehler erst nach ca. 5 km bemerkt, 3. aus unbekanntem Grund die irrige Annahme getroffen, ich wäre rechts/westlich vom Track, dabei war ich links davon, 4. munter in die vermeintliche richtige Richtung weiterfahren, dabei ignorieren, dass die Sonne komischerweise vor mir steht (einfach denken, gleich kommt die Kurve in die richtige Richtung …), 5. erst nach gut 20 km realisieren, dass ich einen Bogen rückwärts gefahren bin. Ich entschloss mich darauf hin, mich nicht darüber zu ärgern. Warum auch, ich war gut in der Zeit und um eine Erfahrung reicher. Dennoch hätte ich mir hier so ein GPS-Gerät mit automatischer Rückführung zum Track gewünscht, bei einer Warnung wäre das so nicht passiert.

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Nach Querung der Saône gings schnurgerade dem Canal de Bourgogne entlang 30 km nach Dijon, kurze Runde durch die Innenstadt, und dann wieder zurück. Inzwischen war Samstagmittag und in Dijon, das ich schon kannte, stieg ich nicht einmal vom Rad. Nett der schnelle Brompton-Fahrer, der mich fragte, wohin ich unterwegs sei und dann anbot, ich könne ihm durch die Stadt bis zum Kanal zurück folgen. Wieder die gleichen 30 km zurück – schön war daran, das wir Teilnehmer uns auf dieser Hin- und Her-Strecke begegneten, so sah man, wer ungefähr in der Nähe noch unterwegs war. Zur Abwechslung eine lange Ringelnatter beobachtet. Deren Haftung ist bei starker Beschleunigung auch auf trockener Fahrbahn nicht ganz optimal :ROFLMAO:.

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Die nächsten 160 km von Dôle bis Montbéliard war dann gemütliches Flussradeln dem Doubs entlang angesagt (keine besonderen Vorkommnisse). An einem Picknickplatz neben dem Eurovelo 6 machte ich ein kurzes Nickerchen, bevor die erwarteten Gewitter loslegen. Ebenso gönnte ich mir noch einen Teller Pâtes im Le Don Camillo in L’Isle-sur-Doubs. Das Lokal ist empfehlenswert. Sie empfingen mich dort sehr nett, obwohl mein Gesicht mit klebengebliebenen Fliegen gespickt war (ich sah das erst nach meiner Bestellung beim Händewaschen :oops:).

Gegen Abend dräuten vor mir, neben mir und hinter mir immer schwärzere Wolken, ich hatte aber Glück und blieb bis Montbéliard verschont. Vor mir war jedoch offensichtlich ein schweres Gewitter durchgezogen, die Feuerwehr räumte aber bereits die Strassen von den umgestürzten Bäumen und hängte die Telefon- und Stromleitungen wieder hoch. Ich überlegte mir, ob ich im Gewitter über den Col des Rangiers fahren möchte (eher nein), aber ich wurde schliesslich nur mit ausgiebig Regen bedacht, die grosse Blitzshow präsentierte sich mir in angenehmer Distanz rundrum.

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Bei Regen und Dunkelheit wurde die Wegfindung etwas kniffliger, da ich immer noch auf den verwinkelten Kanalradwegen unterwegs war. Entsprechend langsam wurde ich, zusätzlich kamen bald noch die Steigungen der zweiten Juraquerung. Eigentlich erwartete ich jederzeit, ein einsames Scheinwerferlicht hinter mir auftauchen zu sehen, aber offenbar hatte sich das Feld inzwischen dermassen in die Länge gezogen, dass mich trotz meines Schneckentempos niemand einholte. Schneller wollte ich auch gar nicht sein, damit ich nicht mitten in der Nacht ans Ziel komme, sondern lieber morgens, wenn schon ein Zug nach Hause fährt.

Die von @veloeler gepriesene Gorges du Pichoux querte ich leider im Finstern, aber diese liegt in gut erreichbarer Distanz von zu Hause und wird von mir demnächst mal bei Tag besichtigt. In Tavannes das letzte Becherchen Reispudding gelöffelt (so Zeugs will ich ja nicht noch nach Hause nehmen) und schon bald war dieser Trip zu Ende. In Biel war das Wochenende das grosse Stadtfest. Die Strassenreinigung fing gerade an aufzuräumen, die Nachtschicht der Polizei machte das Debriefing und unter den Partynudeln, die da aufgebrezelt in der Morgendämmerung noch unterwegs waren, fiel ich gar nicht gross auf, wie ich so im Schritttempo um all das Liegengebliebene auf den Strassen kurvte.
 
Heute war die Fortsetzung der "Breve|n|ts // Greve|n|ts"-Reihe.
Diesmal 300km namens "Himmelswege". In Halle wird im Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte die Himmelsscheibe von Nebra präsentiert. Von dort ausgehend ging es noch zum Ringheiligtum von Pömmelte, der Dolmengöttin bei Langeneichstädt (dort steht nur eine Kopie, das Original ist auch im Landesmuseum), zum Sonnenobservatorium von Goseck und zurück nach Halle.
In der Streckenbeschreibung wurde auf Gravel und Pave sowie die (nicht mehr genutzte) Eisenbahn-Brücke hingewiesen. Bei letzterer wäre ich aufgrund von Umlaufsperren nie über die Elbe gekommen. Die nicht weit entfernte Fähre hätte erst später den Betrieb aufgenommen. Daher bin dort deutlich von der kuratierten Route abgewichen und habe stattdessen die Gierseilfähre in Calbe/Saale-Gottesgnaden genutzt.
Gemeldet waren 5 Rennräder sowie ich im VM. 2 RR waren schon in der Nacht gestartet und hatten den südlichen Teil mit den markanten Steigungen der Runde bereits 7 Uhr hinter sich. Einer hat sich da schon verabschiedet. So waren wir zum offiziellen Start zu fünft. Nach etwa 25 km habe ich mich freundlich verabschiedet: es kamen längere, gerade, flache, VM-freundliche Abschnitte.
Unterwegs dann steter Wechsel zwischen kleinteilig und guter Rollbahn.
235 km
12:40 Stunden Gesamtzeit; 25,7 km/h-Schnitt
11:21 Stunden reine Fahrzeit; 28,7 km/h-Schnitt (Strava)
Mein kabelgebundener Tacho zeigt als Schnitt 30,8 km/h. Als Zeit aber 0:25.18? Kann er das womöglich nicht mit den vielen Stunden.
Temperatur-Schnitt im VM 31°C, max. 40°C

Eindrücke von unterwegs:
Gierseilfähre in Calbe/Saale-Gottesgnaden
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Touri-Panorama von Barby (dort mündet die Saale in die Elbe)
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Ich habe den Radfahrer gedrückt, aber passiert ist nichts...
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Bloß nicht das Steuer verreißen...

Zeit für Quatsch war auch noch (gehört nicht zur Strecke)

Die Dolmengöttin
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Glückliche Fügung: Eismobil! Ansonsten bin ich mit mitgenommenen 4 doppelten Schnitten, 4 Würstchen, 1 Paprika, 3 Bananen und 50g Schoka-Kola ausgekommen.
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Turm auf dem Mittelberg bei Nebra (Fundort der Himmelsscheibe)
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Nachdem ich vom Mittelberg wieder runter zum Besucherzentrum "Arche Nebra" gefahren war, habe ich dort mein Wasser nachgefüllt. 4 Liter waren verbraucht. Die nachgefüllten ca. 3 Liter reichten dann genau bis nach Hause.

Sonnenobservatorium Goseck (die Lücken in den Pallisaden markieren wichtige Sonnenauf-/untergangsrichtungen. Das Ringheiligtum Pömmelte ist ähnlich)
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Vielen Dank an den ausrichtenenden Veloclub Asphaltrauschen und es möge den anderen gut ergangen sein.

LINK zu Strava
 
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