Brevet Brevet-Berichte 2020

Leider ist dieser Thread dieses Jahr noch sehr kurz. Es freut mich, kann ich endlich was reinschreiben. @veloeler hat nämlich gestern bravourös sein erstes Brevet durchgeführt, und das gelang aus meiner Sicht ganz fabelhaft!

Brevet "Tour de Schwiz" von Audax Suisse (410 km, 3200 Hm)
Die gut 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer starteten in zwei Gruppen (4.00, 6.00 Uhr). Ich zottelte als einziger mit Liegerad mit 15 Minuten Verspätung hinterher. Das liess mich schon mal nicht in Versuchung kommen, eher über meinem Idealtempo zu fahren, was mir im Pulk leicht passiert. Die ersten 80 km waren flach, bevor es hinter Neuchâtel hoch zum Creux du Van (1440 m) ging.

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Hier musste ich die steilsten Stellen schieben. Ich wunderte mich und strich in Gedanken den als Abschluss vorgesehenen (optionalen) Pass mit 25% schon mal. Wegen einer Technoparty wurden wir auf dem schönen stillen Waldsträsschen mit motivierender Musik beschallt. Leichter Regen störte wegen der Wärme kein bisschen, bloss das Alpenpanorama fiel halt aus. Die Abfahrt hiess es dann vorsichtig anzugehen, Nässe kombiniert mit Kuhfladen kann sehr rutschig sein.

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Nach St-Croix gings über die Grenze nach Frankreich und via Pontarlier spektakulär hinunter ins Vallée de la Loue. Viel Steinschlag lag auf der Strasse. Hier wurde es richtig warm und der Kontrast zu den hohen Juraweiden mit vielen Kühen war gross. Aus den Höfen der Winzer roch es nach den frisch gepressten Trauben. Nach Ornans gings auf einem hübschen Bahntrassenweg wieder aufs Plateau hinauf und dann steil hinunter zu tiefsten Stelle der Tour am Doubs oberhalb Besançon.

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Der Pizzaautomat sorgte für Belustigung, wurde m.W. aber nicht beansprucht:
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Auf dem Doubsradweg aufwärts bis Baume-les-Dames hatten wir ordentlich Gegenwind. Aber da man hier ja so gedankenverloren vor sich hin fahren kann, ist es trotzdem ein sehr erholsamer Abschnitt.

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Im Val de Cusancin steht das schöne Schloss, wo immer ein Hochzeitgesellschaft im Garten tafelt, wenn ich dort durchfahre - so auch diesmal. Hinter einer Kurve stand plötzlich eine entsetzte Gämse vor mir auf der Strasse. Als ich beim Checkpoint beim Supermarkt oben auf dem Juraplateau einrolle, sass ein Gruppe neben den Einkaufswagen auf dem Parkplatz, bereits waren bei den meisten die Anstrengungen gut sichtbar. Ich nahm ein eher zuckerlastiges Abendessen zu mir (Cola und Milchreis). Kurz darauf kam, noch vor der Dämmerung, die wohl schnellste lange Abfahrt der Runde hinunter nach St-Hippolyte. Hier dem Doubs entlang gings zurück in die Schweiz, zappenduster war es hier: kein Mond, enges waldiges Tal, keine Autos, wenig besiedelt.
Beim letzten grösseren Aufstieg hatte ich etwas Gleichgewichtsprobleme, da ich so langsam war und meine Augen im dunklen Wald keine Fixpunkte fanden. Irgendwie gings dann (einfach schneller fahren half :)). Zum Runterfahren habe ich dann um 22 h zum ersten Mal was langärmliges angezogen - bisher war es einfach schön warm.

Letzter Stopp in Gänsbrunnen vor der letzten Abfahrt (wie gesagt, der Balmberg war schon früh gestrichen) hinunter ins Tiefland, in die wallenden Nebel über der Aare (eine Startnummer lag unterwegs auf der Strasse, da nahm ich sie mal mit, wir wollen ja keinen schlechten Ruf bekommen):

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Auf bekannten Strecken war ich jetzt schon in Gedanken an der Suppe und das Essen im Ziel. Wegen dem Stalldrang fuhr ich das letzte Stück dann doch zu schnell - blöd, denn das verdarb mir den Appetit aufs Essen. So wollte ich mitten in der Nacht auch nicht gleich weiter nach Hause ins eigene Bett, sondern ruhte mich vor Ort noch aufs Ohr. Am nächsten Morgen war dann alles wieder gut.

Beim Gespräch mit den anderen Randonneuren wurde wieder einmal deutlich, dass alle die Tour völlig unterschiedlich erleben, obwohl die Strecke ja die gleich ist - immer wieder faszinierend, finde ich. Völlig einig waren sich aber alle über die Schönheit und Vielseitigkeit der Strecke. Dass es trotz vernachlässigbarem Anteil an ungeteerten Abschnitten manchmal holpern würde, waren alle vorher gewarnt worden. In meinem Fall war es eine völlige ereignislose Tour (im guten Sinne: keine Pannen, Wetterkapriolen, sonstige abenteuerlichen Zwischenfälle). Aber sensationell schön wars!
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für den schönen Bericht, die Fotos und die Lorbeeren, @flx!
Der Pizzaautomat sorgte für Belustigung, wurde m.W. aber nicht beansprucht.
Doch! Mindestens ein Randonneur hat in Ermangelung von Französischkenntnissen auf diesen unkomplizierten Verpflegungsposten zurückgegriffen. Die Pizza sei warm gewesen und er habe sie nicht vollständig gegessen.
 
Hallo Heiner,

wieder mal ein toller Bericht und eine tolle Leistung trotz DNF.
Gruss Norbert
 
BRM 200 - in den Wilden Osten (Sauerlandbrevet von Wuppertal nach Sanssouci - 2500 hm)

Eigentlich kam es überraschend. Ich hatte mich Anfang des Jahres noch ganz optimistisch für alles mögliche angemeldet, dann das DNF kurz vor Ende meines 300ers, dann die ganzen Absagen und plötzlich flattert die Mail von @Andreas in den Postkorb. Schnell noch bezahlt (danke Andreas, das hatte ich total übersehen...) und gestern zum Start gefahren.

Das Wilde-Osten-Brevet war immer spannend. Auftakt und erstes Liegerad-Brevet mit meinem Pyhton vor zwei Jahren, letztes Jahr das Fast-DNF mit meinem losen Masttrichter am DF. Da wollte ich diesmal "richtig" fahren. So mit zügig und ankommen. Und auch mit Haube (wegen nass).

Der Start war ein "fliegender". Fenster von 7:30 bis 8:30 - generalstabsmäßig und "mit Abstand" perfekt vorbereitet stand Andreas mit geöffneter Heckklappe auf dem Schotterparkplatz der sonst als Ziel dienenden Sportstätte und hatte die Kontrollkarten auf seiner Hutablage ausgebreitet, einen Karton für die Haftungszettel darunter und eine große LCD-Uhr für die Startzeit.
Schon um 07:25 ging es für mich los, ein RRler noch an der Ampelkreuzung unterhalb des Starts, dann wurde es erst mal einsam.
Kein Pulk von UPs, die mich an der ersten Steigung nach Remlingrade gelassen überholen - und teilweise danach auf den geraden Stücken wieder zurücküberholt werden. Morgenglühen am Horizont, die einsame Staumauer Ennepetalsperre, die erste Kontrolle hinter Breckerfeld.
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Dann der erste, deftige Anstieg von Dahl hoch zum Hagener Gipfelkreuz und da sind die ersten Gruppen, die mich spielend überholen.
Noch im Wald ein herrliches Panorama mit aufgehender Sonne im Gegenlicht.
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Kurzer Stop für Foto mit Aussicht wie letztes Jahr (da hatte ich bis hier noch geschoben)
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Wir sind uns später noch öfters begegnet und eigentlich waren sie schneller, denn ich habe durch kürzere Pausen immer etwas Zeit gewinnen können.
Auch das zähe Stück von der Lenne nach Iserlohn hoch haben mich wieder kleine Gruppen überholt. Mit 140 kg Systemgewicht hätte ich da gerne mal tauschen wollen...

Vor dem Wendepunkt Menden rumpelte mein rechter Vorderreifen. Der vom Bremsplatten gezeichnete Reifen zeigte schon Gewebe und fing an zu beulen. Hatte ich zwar schon Freitags gesehen, aber wollte es noch probieren. Doch das war mir nicht geheuer, also kurz gewechselt und weiter.
Das eigentlich schöne Hönnetal mit seinen schroffen Felsen (die ich mit Haube natürlich weniger genießen konnte) zog sich wieder wie Gummi. Eine kaum wahrzunehmende Steigung zieht einem den letzten Saft aus den Knochen und die Schlange der Autos hinter mir wurde immer länger. Nach Sanssouci dann ein kleiner Überhol-Stop (oh mann - das waren richtig viele) und weiter kraxeln zur Kontrolle nach Neuenrade.

In Neuenrade dann kurz ein Hefeweizen alkoholfrei (soll ja gut sein) und kein Essen, dafür wieder das kleinere Kettenblatt aktiviert, denn der Kohlberg grüßte. Oben angekommen kurz eine Pferde-Situation (die Reiterinnen haben sich am Ende vielfach bedankt, dass ich stehen geblieben bin - dabei waren die Pferde auf der anderen Seite der vielbefahrenen Landstraße) und dann die rauschende Abfahrt nach Dahle und Altena (am Ende mit Schlagloch-Slalom).
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Kurz hinter Altena setzte dann Niesel ein und machte den an sich schon zermürbenden Anstieg durchs Tal der Rahmede noch einen Tick surrealer als sonst. Vormals Blüte der Industrie zieren etliche verlassene Backsteinhallen und Häuser die Straße, immer mal gespickt mit Abriss und Neuansiedlungen, die ein wenig Hoffnung bringen.
Der Regen nahm weiter zu und pünktlich zum Steilstück am Abzweig unter der Autobahnbrücke habe ich den Deckel aufgesetzt, um den fiesen, kalten Tropfen zu entgehen und mich ganz meiner dampfenden Sauna hinzugeben.
Weitere Überholer passierten mich - manche vielleicht neidvoll, aber sie sind sicher noch nicht VM mit Haube gefahren...

Am Kopf angekommen sollte eine wohlbekannte, rasante Abfahrt folgen - doch was war das? Die zahlreichen Umleitungs- und Baustellenschilder, die ich vor Monaten beim PKW-Ausflug in der Gegend schon gesehen hatte, waren ja noch da. Genau so wie die Großbaustelle der L561 nach Rummenohl, wo ich nach kurzer Überwindung am Sperrschild vorbeirollte und mich nach der nächsten Kehre dann schon auf dem grob geschotterten Unterbau der künftigen neuen Fahrbahndecke fand.
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Die ehemals rasante Abfahrt war damit ein holperiger Höllenritt über eine Schottertrasse, die meine Rappelkiste zum Resonanzkörper der Superlative machten. Wie schön wäre es jetzt @Cars10 s breite Reifen zu haben? Hätte das geholfen? Egal. Augen auf und durch! Irgendwann war es zu Ende und auch die dort wartende kleine 3er Gruppe RRler war sichtlich angetan von der Offroad-Einlage.
Unten dann die nächste Fragen-Kontrolle mit einem kleinen Mädchen, das mein DF fotografieren wollte. Nach Rückfrage lieber ohne Fahrer. Ähem. Alles klar. Dankeschön.

Auf der letzten Etappe wurde es zäh.
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Der Regen blieb fast bis zum Ende, nach längeren Anstiegen kamen noch fiese kleine Hügel dazu und noch ein Straßensperrungs-Fahrbahnerneuerungs-Stück wo "nur" der Asphalt abgehobelt war und man ein Stück übelst rauen Unterbau fahren musste. Nicht so grob wie der Schotter, aber genau so laut - zwei fette Fräskanten an Beginn und Ende inklusive. Danach schliff dann irgendwas. Also Stop. Blatt? Nein. Lose Gleitfolie unten? Nein. Bremse? Könnte sein. Weitegefahren. Schleift immer noch. Mal on - mal off. Angehalten. Nix gefunden. Dann noch mal in Anschlag, Rad abgebaut. Bremse was geöffnet - Schleifen weg. Keine Ahnung, was das war, aber ich muss mir das die Tage noch mal genauer anschauen. Das macht einen dann noch zusätzlich verrückt. Auf offener Strecke in strömendem Regen aussteigen, Jacke drüber (die genau so nass von innen ist, wie dann außen) und am Fahrwerk rummachen.
Dann letzte Steigung nach Remscheid, Balkantrasse - man fühlt sich wieder heimisch. Der Regen hört auf, letzte Abfahrt runter nach Wuppertal. Imbiss gefunden, Karte abgegeben, dann noch die gut 20 km zurück nach Solingen (inklusive der letzten Steigung aus dem Wupper-Tal heraus).
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Bilanz:
Regenfahrt mit Haube sind alles andere als trocken, meine Knie fühlen sich an wie durch die Mangel gedreht. Ich fahre nie wieder Brevet (sage ich immer kurz danach und tue es dann doch wieder). Mit Haube sieht man nix (bei Regen aber auch manchmal gut so).
Ich habe leider keinen anderen Liegeradler gesehen - schon aufgrund des fliegenden Starts auch schwer zu sagen.
War aber auch nicht das beste Wetter, sich den Bauch nass regnen zu lassen oder in einer Rappelkiste zu schwitzen.

Was perfekt geklappt hat, war das neue, provisorische Haubenfixierungssystem mit Magneten wie bei @Guzzi gesehen.
Die Magnete werden jetzt permanent verklebt (war noch etwas provisorisch mit Klebeband, hat sich einmal gelöst), aber die Haube hielt auch bei 30-40 km/h bergab tadellos und wird auch noch mehr halten. Ob ich das bei der Gefahr von Schlaglöchern noch riskieren möchte, ist eine andere Frage...

PS: Hier noch der Track bei Strava.
 
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