Brevet-Berichte 2019

600 Km Brevet "AhrGro" des Audax Club Schleswig-Holstein

Nachdem der 600er Brevet unseres Vereins über ein Jahrzehnt lang immer aus einer länglichen Schleife rechts und links entlang der Elbe bis nach Brandenburg/Havel bestanden hatte, war es nun an der Zeit für etwas Neues.
Unser 1. Vorsitzender Jochen hatte bei einer Reise durch die Niederlande im letzten Jahr u.a. Groningen besucht und sich gedacht, dass man dort ja auch mit dem Rad hinfahren könnte. Es wurde eine Strecke ausgetüftelt und Mitte Februar diesen Jahres Abschnitte davon zusammen mit unserer 2. Vorsitzenden Anja abgeradelt:
https://audaxclub-sh.de/2019/02/17/vorfruehling-im-februar/

Am 23.06.'19 hat nun die Premiere des neuen Brevets stattgefunden:
- gegen 06 Uhr machte sich ein kleines Grüppchen von zunächst 6 Randonneuren von Ahrensburg auf den Weg. Zunächst ging es auf kleinen und mittelgrossen Straßen via Volksdorf, Mellingstedt und Glashütte Richtung Westen.
Auf diesem z.T. noch recht dörflichen Abschnitt gab es unterwegs auch die ein oder andere kurze Passage mit Kopfsteinpflaster, aber bei einer Länge von ca. 20-50 m war das kein wirklicher Grund für größere Umwege.
Kurz vor Norderstedt probierte ich einen ersten Ausreißversuch und traf am Stadtrand auf Anja, die dort auf uns gewartet hatte, um uns ein Stück weit zu begleiten. Durch die nun folgendenden zahlreichen Ampeln konnten auch die mir im geringen Abstand folgenden übrigen Teilnehmer wieder aufschliessen.

Über Hasloh und die Wulfsmühle ging der Track auf nun grösseren Straßen nach Kummerfeld und weiter Richtung Elmshorn, wo ich endlich die vorteilhafte Aerodynamik meines VMs ausspielen und die RR sowie meinen Vereinskollegen Björn auf dem Highracer hinter mir zurücklassen konnte. Es folgten erneut kleine Dörfchen wie Kiebitzreihe, Siethwende und Sommerland, bevor wir in Richtung des gerade am Wochenende zuvor zu den Matjestagen von mir besuchten Glückstadt abbogen. Als ich dort am Anleger auf die nächste Fähre wartete, stießen auch meine Vereinskameradin Inge und mein Vereinskamerad Ludger zu mir. Diese waren um die gleiche Zeit von Neumünster aus gestartet und direkt Richtung Glückstadt geradelt. Kurz bevor diese Fähre abgelegte, schafften es auch die übrigen Teilnehmer unseres Brevets noch mit an Bord. Vom Ufer aus winkte uns Anja zum Abschied, die hier wieder Richtung Heimat umgedreht hat. Einige Teilnehmer eines Itzehoer Gesangsvereins, deren Kleinbus sich ebenfalls an Bord der Fähre befand, interessierten sich lebhaft für mein Gefährt und unser Unterfangen.

Von Wischhafen verlief die Route weiter über die B495. Kurz vor Hemmoor querten wir die Oste und einige eiszeitliche
Endmoränen stellten sich uns in den Weg. Diese waren jedoch eher lang und flach, ergo mit dem VM gut zu bewältigen.
Dabei versuchte ich unsere Gruppe mit meinem VM nach hinten abzuschirmen, was aber nicht wirklich vonnöten war, da die uns passierenden Autos entweder geduldig warteten oder uns im grosszügigen Abstand passierten.
Das gefahrene Tempo von über 30 Km/h war unseren beiden auswärtigen Gästen auf die Dauer zu hoch, daher ließen diese einer nach dem anderen abreißen. Irgendwo hinter Lamstedt wollte ich dann den Schwung mitnehmen, um fliessend über ein Hügelchen zu kommen, und setzte mich daher erneut von der Gruppe ab. In Langeln ging es rechts von der B495 ab und die Straße wurde zunehmend kleiner und schlechter. Hier hatte Jochen mittels Wegpunkten einen Gefahrenabschnitt markiert, denn das letzte Stück (ca. 200 m) der Grossenhainer Straße besteht nur aus Schotter.
Ich hatte zunächst ein recht hohes Tempo drauf. Als jedoch mein Heck dazu ansetzte, mich zu überholen, griff ich herzhaft in die Bremse. Noch einen seitlichen Überschlag wollte ich nicht erleben.
Wie ich später auf der Karte gesehen habe, kann man dieses Stück z.B. via Ebersdorf, Heinschenwalde und Köhlen umfahren.

Es folgten Lunestedt und Hagen im Bremischen, bevor wir alle, wieder vereint, in Sandstedt die nächste Fähre über die Weser erreichten. In Brake trennte sich Jochen von der Gruppe, da er von dort mit dem Zug wieder nach Hause zurück fahren wollte. Ich setzte mich bei der Gelegenheit erneut ab. Dennoch überholte mich das Grüppchen Renn- u. Liegeradfahrer unterwegs, da wir verschiedene Ansätze hatten, um nach der Umgehung der Ortsmitte von Brake wieder auf den Track zurückzufinden. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und bin ihnen ein weiteres Mal davongefahren.

In Apen entschied ich mich bei etwa Km 200 an einem Supermarkt zu einer längeren Pause. Kaum war ich vom Einkaufen wieder draussen, rauschten meine Verfolger/in erneut an mir vorbei. Erst in Leer würde ich die Kameraden/in wiedersehen, wo sie in einem Café eine Auszeit nahmen. Ich sagte kurz Hallo und setzte meinen Weg alleine fort. Die langen und geraden Strassen in Ostfriesland sind wie prädestiniert für ein Velomobil und das nutzte ich leidlich aus. Ich passierte Weener und Bunde und überquerte kurz darauf bei Nieuweschans die (unsichtbare) Grenze in die Niederlande. Unsere Strecke führte mich weiter auf kleinen Strassen via Scheemda und Slochteren. Die dortige Führung des Radverkehrs erfolgt meist auf Schutzstreifen, so daß ich die wenigen Abschnitte auf getrennt verlaufenden Radwegen ignorierte und auf der Strasse weiterfuhr. Überraschenderweise wurde das von den Autofahrern toleriert. Die strassenbegleitenden Radwege waren aber auch häufig schmaler als mein VM, und diese wurden selbst in Gegenrichtung von Motorrollern benutzt, was mich in meinem Verhalten bestärkte.

Endlich näherte ich mich unserem Ziel Groningen aus nordöstlicher Richtung und schlug mich auf zunehmend voller werdenden Radwegen Richtung Zentrum und Rathaus durch. Dort war der einzige Stempel gefragt bzw. alternativ ein Foto des Febo-Automatenrestaurants aufzunehmen. Ich drehte auf der Suche danach schiebend eine kleine Runde durch die Fussgängerzone, fand jedoch nichts, wo ich ersteres erlangen konnte. Als ich wieder auf dem grossen Markt gelandet war, trafen auch meine Vereinskameraden/in und der sie begleitende RR Gerrit vom FC St. Pauli an der Touristinformation ein. Ich schilderte ihnen das Dilemma und Inge sprach daraufhin spontan einen dort auf den Stufen sitzenden Touristen an, um ein Foto von uns allen machen zu lassen. Nach einer Viertelstunde begaben wir uns wieder auf den Rückweg, ich verlor das Grüppchen im dichten Fußgängerverkehr jedoch schon nach 100 m erneut, da ich mich im VM nicht so schnell durch selbige schlängeln konnte bzw. wollte.

An etlichen kleinen Schiffswerften vorbei folgte ich der Route via Sappermeer und Scheemda Richtung Deutscher Grenze. Unterwegs begegnete ich unseren beiden Nachzüglern und überholte unser RR-Pärchen Inge&Ludger.
An einem holländischen Aldi-Markt trafen wir Schnellen uns alle wieder, um Vorräte und Wasser für die Nachtfahrt zu bunkern. Es folgte das alte Spiel, mal waren sie vorn, mal ich. Zwischen Westerstede und Oldenburg machte ich bei Km 400 erneut eine größere Pause, um den aus dem Supermarkt auf dem Hinweg besorgten Nudelsalat zu essen.

An der Weser-Fähre in Berne traf ich Björn auf seinem Performer Highracer. Er hatte unterwegs seinen Mitfahrer Gerrit verloren, den die Hitze und das hohe Tempo des Tages wohl stärker geschafft hatten, als gedacht, und welcher sich daher entschieden hatte, fortan alleine und langsamer weiterzufahren.
Björn und ich sind über die Jahre ebenfalls viele Brevets zusammen gefahren, daher ergab es sich von selbst, dass wir nun die restliche Strecke gemeinsam zurücklegen würden. Da auch Björn zwischen 03 und 04 Uhr morgens der Schlaf zu übermannen drohte, legten wir uns kurz hinter Zeven auf einem Parkplatz für eine halbe Stunde aufs Ohr.

Ein letztes Ungemach bedeutete die Sperrung der Kattwyk-Hubbrücke in Moorburg, so daß wir nicht durch den Hafen, sondern über Harburg und Wilhelmsburg unseren Weg nach Hamburg hinein nehmen mussten. Zum Glück waren wir mit unseren Ortskenntnissen hier im Vorteil. Die letzten Km zurück nach Ahrensburg waren meist ruhige Nebenstrassen und selbst der 4-spurige Berner Heerweg war Sonntag morgens entspannt zu fahren. Kurz nach Acht Uhr klingelten wir in Ahrensburg an Jochens Haustür und wurden freundlich zu einem sehr willkommenen Becher Kaffee bzw. Tee eingeladen. Dort am Tisch merkte ich ebenfalls, wie mich zunehmend die Müdigkeit überfiel.
Aus diesem Grund drängte ich nach anderthalb Stunden wieder zum Aufbruch.
Nachdem ich fast 700 Km hinter mich gebracht hatte, stand ich gegen 12 Uhr mittag endlich wieder bei mir zu Hause auf der Matte. Ich war erschöpft, aber begeistert. Diese tolle Strecke kann ich jedem empfehlen, der es mit einem relativ leichten 600er probieren möchte.
Hier finden sich auch noch ein paar Impressionen dazu:
https://audaxclub-sh.de/2019/06/26/premiere-geglueckt/

Viele Grüße,
Morten
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Anhänger des gepflegten Langstreckenfahrens, liebe Freundinnen nächtlicher Landstrassen

Wissend, dass dieser Bericht nicht viel Publikum finden wird, schreibe ich ihn exklusiv*** für euch. Ich lese hier nämlich auch immer gerne eure Berichte von Fahrten, die durch irgendwelche deutschen Mittelgebirgstäler, die ich wohl niemals sehen werde, führen. Daher schliesse ich einmal von mir auf andere und möchte euch ebenfalls teilhaben lassen an diesem 600er-Brevet, das für mich gestern früh um 7.20 Uhr bei einem gut gefüllten Teller mit Huhn-Gemüse-Reis seinen Abschluss fand.

Brevet 600 "Camino del Diablo+ (THB)" von Audax Suisse, 27.-29. Juni

Donnerstagabend um 18 Uhr standen nur 20 Teilnehmer am Start, ausser mir alles Rennradler (hier ist also noch Luft nach oben). Drei Teller Pasta und ein paar Aprikosenschnitten sollten reichen für die Nacht, die übrig gebliebenen Lücken füllte ich mit Flüssigkeiten aus. Da wir auf einen verspäteten Aspirant warteten, verzögerte sich die Abfahrt erst einmal. Aber die schnelle Truppe fing nach zehn Minuten an, unmutig mit den Hufen zu scharren und wollte los. Also gings ab, hinein in den schönen, lauen, gut 35 °C warmen Sommerabend.

Diesmal habe ich mich auf eine Solofahrt eingestellt. Ich wollte unbedingt meinen eigenen Rhythmus fahren, ohne Rücksicht auf andere nehmen zu müssen und ohne selbst zu unangebrachtem Tempo verleitet zu werden. Ausserdem wäre mein langsamer Berggang bei den insgesamt 9500 Höhenmetern mit keinem Rennradler kompatibel gewesen.

Bei leichtem Wind, der uns offensichtlich aus einem Heissluftgebläse entgegenkam, radelten wir dem südlichen Bodenseeufer entlang nach Osten. Kurz vor dem ersten Checkpoint bog ich spontan von der Route ab, da eine Schranke gerade schloss. Na gut, bald kam der nächste Übergang, und ich radelte kurz zurück zur Kontrolle, um die Testfrage zu beantworten.

Auf der flachen Strecke bis Chur traf ich unterwegs immer wieder ein paar andere Teilnehmer. Auf dem Rheindamm sehe ich Rücklichter vor mir, die vielleicht fünf Kilometer oder weiter vor mir sind. Spät abends fange ich einen Bauern ab, der auf seinem 1930er-Damenrad zum Stall fährt und der mir den Wasserhahn zeigt. Dies war kein Ausflug, auf dem man sich eine mögliche Frischwasserquelle entgehen lassen sollte. Irgendwann hörte ich auf zu zählen, wie oft ich meine 1,5-Liter-Flasche füllen musste.

Dennoch freute ich mich auf eine kalte Cola (trinke ich nur, wenn ich krank bin oder auf Brevets) in Landquart - leider kam ich zehn Minuten zu spät zu dem Laden. Aber ich wusste, dass der McDonald in Chur bis Mitternacht auf hat. Das war nicht weit, und kurz vor Schliessung war das kalte Gesöff und ein sog. Macflurry-Eisbecher genau das Richtige für mich. Zwei Kilometer vorher war mir ein grosser Nachtfalter in den Mund geflogen, der so ein staubiges Gefühl im Mund zurückliess, das weggespült sein wollte.

Kurz später beginnt die (im Dunkeln nicht ganz so) malerische Rheinschlucht und anschliessend die lange Steigung zum Oberalppass. Inzwischen war die Temperatur ideal. Bald wurde es hell, und oben, auf 2000 Metern musste ich mir für die Abfahrt nach Andermatt doch tatsächlich ein dünnes Shirt überziehen.

Am Checkpoint in Andermatt erwartete uns Speis und Trank - was für ein Luxus (für mich drei Teller Gerstensuppe)! @veloeler war auch dort (danke für den Support mit Pumpe & Zange, alles hielt danach); er kam extra mit einem kleinen Umweg vorbei. Mich zog es nach einer Stunde Pause aber weiter, damit ich für den folgenden Furkapass (2429 m) noch von der Morgenfrische profitieren konnte. Bei meinem ersten 600er-Brevet vor zwei Jahren hatte ich an diesen langen Rampen meine Krise - daher hatte ich jetzt Respekt und übte mich in Geduld und Zurückhaltung, bis ich schliesslich oben war. Aber hey, das lief gut diesmal!

Gut waren auch meine Bremsen, wobei die hintere so klemmte, dass ich sie als Feststellbremse nutzen konnte. Das war auf Abfahrten beim einhändig Fotografieren sehr praktisch. Die Bremse jeweils wieder zu lösen, wurde schnell zur Routine - ich habe es ja nicht gern extra anstrengend. Jedesmal, wenn ein Schmelzwasserbach über die Fahrbahn floss, gab es eine angenehme Erfrischung von vorne und von unten. Nach dem Furka war der Grimselpass (2164 m) mit seinen sechs Serpentinen eine Kleinigkeit, und wieder rechtzeitig vor der zweistündigen Mittagspause des Dorfladens kam ich unten in Innertkirchen an. Kleiner Raubzug beim Kühlregal, kurze Pause, und frisch gestärkt gings ab in die Nachmittagshitze, die unerbittlich ihrem Höhepunkt zusteuerte.

Beim Rollenlassen vor dem Zwischenstopp überschlug ich im Kopf ein paar Höhenmeter, Kilometer und Uhrzeiten und kam dabei zum Schluss, dass die fakultative Schleife über die Grosse Scheidegg (1962 m) zeitlich eigentlich drinliegen müsste. Also bog ich ab, schaltete zurück und fiel ein weiteres Mal ins Bergschneckentempo. Aber für diesen Pass lohnt sich immer ein Umweg und der Übergang ist sogar autofrei (abgesehen von der touristischen Buslinie und vereinzelten Subarus der Älpler).

An der Kontrolle auf der Passhöhe musste ich erstmal rausfinden, wie man ein Selfie macht. Wie man die Vorderkamera nutzt, hatte ich noch gar nie geübt vorher ... Auf der Abfahrt nach Grindelwald qualmten die Bremsen, zu eng und steil ist das Strässchen. Wieder im Tal auf 500 m ü.M. brütete es inzwischen ordentlich. Es war etwa 17 Uhr, als ich den für mich letzten offenen Laden dieses Brevets passierte. Ich kaufte alle Fertigmilchreisbecher auf (vier Stück, einer davon als Reserve für später nachts), dazu ein Fertigmüesli, nochmals eine Cola und zwei Molkefruchtgetränke. Es gab auch an diesem Brevet Teilnehmer, die u.a. wegen Magenproblemen abbrachen. Ich stehe bei Brevets auf Milchreis ...

Mein Vorteil war, dass ich den folgenden Streckenabschnitt gut kannte, er liegt quasi bei mir im Hinterhof. Einige der anderen meinten, sie hätten mit den grossen Pässen den kräfteraubenden Teil hinter sich - womit sie sich täuschten. Die Voralpenpässe sind auch ganz knackig, über Kilometer nicht asphaltiert und stellenweise gar nicht fahrbar. Ganz zu schweigen von den Viehdrähten und Klappgattern, die zu öffnen sind, wenn die Route über die Kuhweiden führt. Hängt beim Büffel selbst abends noch die Zunge raus, war es wirklich ein heisser Tag (s. Foto). Aber mit der Nacht folgte die angenehme Temperatur. Die beiden Tropennachtfahrten genoss ich sehr. Mit Steffen zusammen verleibte ich mir als letzten Pass den Glaubenbielenpass ein und er führte mich netterweise die 1100-Meter-Abfahrt hinunter.

Jetzt lagen die Berge hinter mir, die restlichen flachen 180 Kilometer versprachen ein gemächliches Ausfahren bis ins Ziel. Gut, es kann einem immer etwas Unerwartetes unterkommen, aber bei mir lief alles glatt. Nur die Stadtdurchfahrten von Luzern und Zürich bringen einen etwas aus dem Rhythmus (Baustellen, unlogische Radwege, Spätheimkehrer, Radler ohne Licht, usw.). Für alle Fälle hatte ich einen Biwaksack dabei, damit ich mich überall komfortabel für ein Nickerchen hinlegen könnte, aber da auch diese Nacht so angenehm zum Fahren war und ich mich schon aufs Frühstück freute, blieb er ungenutzt.

Im Ziel war dann nicht viel los, die ganz Schnellen waren schon weg und die Hälfte hatte unterwegs irgendwo abgebrochen. Auf meinem Weg zurück zum Bahnhof hoffte ich noch, Steffen beim Endspurt zu sehen. Aber erst nachher habe ich gehört, dass er kurz vor Zielschluss noch angekommen ist.

So, auch wenn ihr eure Liegeräder wohl nie über die Büffelweiden im Chüeblisbüelbode schieben werdet, hoffe ich doch, nein, bin ich sicher, dass ihr die Empfindungen, die bei so einer Fahrt ausgelöst werden, nachempfinden könnt. Dann freut euch doch schon auf eure nächste Langstreckenfahrt, sei die in Frankreich oder sonstwo!
 

Anhänge

  • BRM600 - 1.jpg
    BRM600 - 1.jpg
    1,1 MB · Aufrufe: 169
  • BRM600 - 2.jpg
    BRM600 - 2.jpg
    943,3 KB · Aufrufe: 159
  • BRM600 - 3.jpg
    BRM600 - 3.jpg
    1,1 MB · Aufrufe: 171
  • BRM600 - 4.jpg
    BRM600 - 4.jpg
    1 MB · Aufrufe: 176
  • BRM600 - 5.jpg
    BRM600 - 5.jpg
    1,4 MB · Aufrufe: 156
  • BRM600 - 6.jpg
    BRM600 - 6.jpg
    1,3 MB · Aufrufe: 166
  • BRM600 - 7.jpg
    BRM600 - 7.jpg
    924 KB · Aufrufe: 174
  • BRM600 - 8.jpg
    BRM600 - 8.jpg
    1,5 MB · Aufrufe: 170
  • BRM600 - 9.jpg
    BRM600 - 9.jpg
    925,8 KB · Aufrufe: 168
  • BRM600 - 10.jpg
    BRM600 - 10.jpg
    1 MB · Aufrufe: 153
Zuletzt bearbeitet:
Das war ja nicht Absicht - als der Veranstalter eine Woche vorher die Strecke abfuhr, stand der Büffel noch nicht quer auf dem Track. Aber sowieso sind die Tiere friedlicher als Rinder.
 
Ich war schon bei dem Wort schieben raus, von chüe..... und Büffel gar nicht zu reden.
Meine Hochachtung an die Schweizer Randonneure, die über die Pässe radeln und trotzdem noch die mittagliche Versorgungslücke auf dem Schirm haben.
Kommt auf meine Liste mit den Dingen, die ich ausprobieren will !

Grüsse aus den Flachland
Ingo ( der das kleine Kettenblatt seit dem 600 er im Wuppertal nicht mehr genutzt hat ) !
[DOUBLEPOST=1561990123][/DOUBLEPOST]@Christoph S : Ja es gibt die Endmoräne, aber die haben echte Berge !
 
Paris-Brest-Paris 2019

Rambouillet, 18. August 2019, 17:15 Uhr: Start. Ziemlich weit hinten in der Gruppe, nachdem ich mit A (nicht im Forum) angestanden bin.

Hinten in der Spezialvelogruppe zu starten, lohnt sich. So sehe ich die meisten der Spezial-Fahrräder auch: Klappräder, Oldtimer, Tandems, alle Arten von Liegerädern. Fotos davon gibt es keine (beide Hände bleiben in Steuer- und Bremsbereitschaft).

p90818-1853571124764970.jpg

Dekoration nicht nur am Strassenrand, sondern auf dem Helm. Bei Gegenwind.

Gerade als ich mit R einen Halt einlege, überholt uns @jostein , dem ich einmal kurz Hallo sagen will. Hinterher! Nach 10 Minuten mit Vollgas und verkehrstechnisch am Limit muss ich einsehen: Der Abstand nimmt kontinuierlich zu. Wir werden uns zuoberst am höchsten Punkt nochmals begegnen (@jostein bereits auf dem Rückweg). Kein Wunder kann ich da nicht mithalten: @jostein wird die schnellste Zeit aller 6000 Randonneure fahren...

p90818-195504502768192.jpg

Zu viert (siehe die Gefährte von @HoSe und @Guzzi am rechten Bildrand, @bst ist hinter mir) flitzen wir durch den Abend.

p90818-2101521565536910.jpg

Die erste Nacht bricht an.

Wir vier verlieren uns immer mal wieder aus den Augen.

p90818-2211171172611583.jpg

Solche Rennvelofahrerpulks sehe ich etliche.

img-20190819-wa0003103761312.jpg

In Fougères, der zweiten Kontrollstelle, gönne ich mir ca. 2h Schlaf im Schlafsack im Vorraum der Dusche (Foto von C).

Es geschieht selten, dass ich mich an einen Traum erinnere. Hier schon: Ich träume(!), dass ich mir die Sinn-Frage dieses Unterfangens stelle. Antworten gibt es viele, verstehen muss man das aber nicht.

@Guzzi und @HoSe sind gleichzeitig mit mir abfahrbereit und so machen wir uns wieder zu dritt auf den Weg Richtung Brest.

p90819-071841979023727.jpg

Blick über die Schulter zurück: Sonnenaufgang!

Die vermeintlich(?) abgemachte kurze Pause in Tinténiac (CP3) beende ich nach ca. 10 Minuten in der Kälte wartend alleine.

Im Aufstieg nach Bécherel hat es für einmal erstaunlich viel Verkehr. Auf der anderen Seite runter muss ich ein paar Mal bremsen, um mich ans Tempolimit zu halten.

p90819-0912031603153741.jpg


Impressionen von Gesprächen unterwegs: Ein Schwede hat Magenprobleme und sieht gar nicht gut aus. Ein Deutscher mit High-Racer (wer wars?) merkt den teilweise bremsenden Belag auch.

p90819-092421960129135.jpg

Die Entgegenkommenden sind keine PBP-Teilnehmer. Solche Gruppen begegnen uns auf der Strecke öfters.

In Loudéac (CP4) gibt es einen etwas teuren und pampigen Teller Pasta zum Zmittag. Trotzdem werde ich auf der Rückfahrt hier wieder Rast machen. Der Herr, der sich zu mir an den freigewordenen Platz setzt, ist nicht etwa Velofahrer. Er stammt aus dem Nachbardorf, wohnt schon lange ganz woanders und kommt alle vier Jahre hierher, um die Stimmung zu geniessen. Velofahren? Nein, nicht mal zum Beck.

Habe ich schon mal erwähnt, dass die Strecke nicht wirklich flach ist? Habe ich auch schon erwähnt, dass die potentielle Energie im Gegensatz zu Audax-Suisse-Strecken in immerhin gut der Hälfte der Abfahrten nicht weggebremst werden muss? Solche "rolling hills" machen richtig Spass! Das kleine Kettenblatt kommt nur ganz selten zur Verwendung: Auf dem ganzen Brevet zwei Mal.

Merci fürs Gespräch dem Schweizer, welcher mich in der Steigung einholt. Seinen Namen erfahre ich später, als ich 1+1 zusammenzählend beim Auto mit Schweizerfahne nachfrage: Ja, sie sind die Supportcrew des Lausanners mit Startnummer B. Er heisst O.

p90819-1255121464323181.jpg


Die Geheimkontrolle der Hinfahrt erwartet uns in Saint-Nicolas-du-Pélem. Nicht verfehlbar. Auf dem Rückweg wird die Geheimkontrolle ganz unspektakulär wieder hier sein. M berichtet, er fände keine anständig grosse Gruppe, sei mit einem Russen unterwegs, der gerade keine Kraft mehr habe. Es bestätigt, was mir schon länger auffällt: Die meisten Randonneure sind alleine unterwegs, mehr als vier in einer Gruppe sehe ich nur einmal: Die 15er Gruppe wendet gerade weil sie einen Abzweiger verpasst haben. Plötzlich überhole ich also auch bergauf.

Auf dem höchsten Punkt weht uns ein kalter Wind entgegen.

p90819-1644581291227132.jpg

Sightseeing in Sizun

p90819-175121775882135.jpg

Über die Velobrücke von Brest!

p90819-1757481835326478.jpg

Blick zum Atlantik. Halbzeit!
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade als ich in die Kontrolle von Brest einbiege, kommt mir @Ian Perry entgegen. Die Pasta essend werfe ich einen kritischen Blick auf die Uhr: Ja, es sollte noch gerade so bei Tageslicht nach Carhaix zurück reichen, um dort die Nacht durchzuschlafen.

img-20190819-wa0007243036099.jpeg

Abendstimmung auf dem Rückweg.

p90819-205204798787545.jpg

Abendstimmung bei der zweiten Bezwingung des Roc'h Trevezel, dem höchsten Punkt des Brevets.

Wie gewünscht kann ich die Abfahrt noch vor Sonnenuntergang bewältigen.

Carhaix erreiche ich bei fortgeschrittener Dämmerung. Der Plan: Dusche, essen, schlafen. Nur sind dusche und schlafen am gleichen Ort und doch etwas entfernt. Egal. Beim Duschen buche ich auch gleich das Bett, was sich so was von gelohnt hat, denn als ich vom Essen zurückkomme, hat es eine grosse Menschenschlange (Platz hat es genug, der Flaschenhals ist beim Check In). Von diesen Schlafsäälen habe ich schon gelesen, das Erlebnis ist trotzdem einzigartig: Eine ganze Turnhalle voll(!) mit Feldbetten, stockdunkel, müffelnd, schnarchend, ... Zum Glück habe ich den Schlafsack dabei, denn selbst in diesem ist es nicht warm. Die Temperatur könnte auch der Grund sein, weshalb die Halle beim Aufstehen um 0640, nach 8h Schlaf, fast leer zu sein scheint.

Als ich den Veloparkplatz betrete, liegt @bst abfahrbereit in seinem Milan. Er wartet ein paar Minuten auf mich. Die restlichen 540 km und 1.5 Tage werden wir zusammen fahren. Danke!!

Um 0700 ist es frisch. Selbst im Wäschpi mit geschlossenem Belüftungsrohr.

p90820-0720431522576337.jpg

Morgenstimmung. Das Wasser auf dem Velo ist nicht Regen, sondern Tau.

p90820-08580911666841486.jpg

Mit @bst unterwegs. Visier oben, weil komplett beschlagen.

p90820-1349102107153006.jpg

Ich darf auch mal zurückfotografieren.

Im Aufstieg hinauf nach Bécherel treffe ich einen Inder, der noch in der Gegenrichtung unterwegs und somit schon aus dem Zeitfenster ist. Er weiss nicht, ob es besser ist, nach vor oder zurückzufahren. Er sei regelrecht erfroren in der Nacht, das habe er einfach nicht erwartet.

Wenig später möchte ich kurz auf @bst warten und wähle dafür den Ort, wo jemand für die Teilnehmer gerade Handorgel spielt. Die geplanten 10 Sekunden werden zu wahrscheinlich zwei Minuten, weil sich gleich alle in der Nähe stehenden mit Fragen und Glückwünschen zum Wäschpi stürzen. Ja, ich scheine auch bretonisch zu verstehen, zumindest ein bisschen.

Wiederum in Loudéac gibt es je eine grosse Portion Pasta.

img-20190819-wa00052003047885.jpg

Impression aus Loudéac und kurzes Wort zum Support. Es gibt drei Varianten von Support: 1. kein Support (so wie ich), 2. Gruppensupport (eine Tasche in Loudéac bei 1/3 und 2/3 der Strecke wie das abgebildete Lager der Japaner), 3. Support: Ein Begleitfahrzeug, welches in den Orten der Kontrollen (nur dort) angefahren werden darf. Die 1200km müssen trotzdem noch selbst gefahren werden und durch den Support können die Kontrollen etwas entlastet werden. Den grössten Support leisten sowieso die abertausenden Einheimischen am Strassenrand, welche nicht nur akustisch und künstlerisch, sondern uns bei Bedarf auch mit Wasser/Crêpes/etc versorgen und selbst das Velofest geniessen. Ihnen applaudiere ich auch stets, wenn es irgendwie möglich ist, sprich keine Kurve da ist, welche kein freihänigfahren erlaubt.

p90820-1558141312534862.jpg

Der Milan ist etwas aerodynamischer als das Wäschpi - über die seltenen Ebenen fliegen beide.

In Fougères treffe ich R, welcher wie an jeder Kontrolle einen grossen Teller Pasta verschlingt.

Auf dem für heute letzten Abschnitt nach Villaines-la-Juhel überholen wir ein paar Zombie-Fahrer, deren Fahrstil auf einer öffentlichen Strasse nichts zu suchen hat. Ein Tandem mit zwei Franzosen sehen wir immer wieder. Auch sie sind bergab und in der Ebene schneller als Rennvelofahrer. Und bergauf schneller als wir.

Während einer Mini-Pause werden uns Crêpes ins Velo gereicht. In Lassay-les-Châteaux machen wir bei einem alleine am Strassenrand stehenden Jungen Pause. @bst füllt seine Wasserflasche und bricht sich beim Aussteigen den linken Spiegel ab, welchen er am Folgemorgen mit einer von irgendwo sonst abmontierten Schraube wieder fixiert. Hinzukommende Nachbarn haben mich vorletzte Nacht schon vorbeifahren sehen, was eine ungefähre Vorstellung davon gibt, wie viel Zeit SIE für den Event aufwenden.

p90820-193904502838670.jpg

Abendstimmung

p90820-1958291820107191.jpg

Stimmung am Abend

p90820-2044152057912465.jpg

Abendstimmung

Wenig vor Sonnenuntergang erreichen wir die Partystadt Villaines. Stempeln, umparkieren. Im Festbetrieb drängen sich uns persönliche Guides, Schulkinder*, auf, welche dafür sorgen, dass wir keine Umwege gehen und nicht anstehen müssen. Sie tragen uns auch das Tablar. Zum Znacht gibt es auch zwei Paris-Brest. Die Duschen sind angenehmer als in Carhaix, geschlafen wird in einem Schulzimmer* auf einer harten Matte. Meine wäre weicher gewesen. Zum Glück habe ich einen Gehörschutz dabei. Wieder 8h Schlaf.
*die Schule beginnt in zwei Wochen wieder

Wieder starten wir bei Sonnenaufgang in den kalt beginnenden Tag des Brevets, den Letzten. Auf den ersten Metern überholen wir P, welcher sich bei seiner dritten(?) Teilnahme diesmal zweimal ein günstiges Hotel gegönnt hat.

Eigentlich seit Sonntagabend, jetzt ist es aber am offensichtlichsten: Wir sind permanent andere Fahrer am überholen und werden selbst kaum überholt. Etwas Schlaf scheint uns gut zu tun.

Als wir in Mortagne ankommen, werden die beiden Velos gleich von der Gruppe Paris-Brest-Paris des Jeunes in Beschlag genommen. Boah, ein Carbonsitz tönt es von der einen, lasst sie doch ein bisschen atmen von der anderen Seite. Wir treffen P (am Montagmorgen gestartet) und R.

p90821-1223161233166457.jpg

Die letzten 100km ist es schön flach und wir lassen wir es richtig laufen...

p90821-14251521189491.jpg

...Gefühlt mit 35er Nettogeschwindigkeit.

In Dreux erzählt ein Töfffahrer, wie er gestern die Spitze von hier zum Ziel geleitet habe. Das muss ganz schön abgegangen sein.

Video im Blog
C wartet(?) kurz vor dem Ziel und rollt mit mir nochmals zum Bogen statt sich schlafen zu legen. Merci!

p90821-1449441014437232.jpg

Brevetkarte Hinweg

p90821-14504415197178.jpg

Brevetkarte Rückweg

Direkt nach dem letzten Stempel gibt es das Finisheressen.

Verabschiedung von @bst . Hat Spass gemacht mit dir!

R und P kommen auch gerade ins Ziel. Gratulation.

Im Schlafsaal (Steckdose...) gleich neben der Zieleinfahrt plane ich die Weiterfahrt (morgen?), als durch die dünnen Glasscheiben ein bekanntes Rumpeln dringt. Gratulation an @HoSe!

Eines der wenigen Betten einem der Übernächtigten Ankömmlingen wegnehmen möchte ich nicht. Das nächste direkt find- und buchbare Hotel ist gute 50km enfernt. Um noch deutlich im Hellen anzukommen, muss ich leider bald los. Den vor 1200km hier deponierten Sack vergesse ich nicht - bin mental also noch einigermassen OK.

Beim Auto mit GB-Kennzeichen und orangem Velomobil daneben, erlaube ich mir, @Ian Perry zu wecken, was ihn sichtlich freut. Congrats to you too!

Beim Ausgang des Parks biege ich rechts ab. Nach Hause.
 
Alleine das Publikum ist es wert, die Strecke zu fahren. Wahnsinn. Danke für den Bericht!
 
Wir sind permanent andere Fahrer am überholen und werden selbst kaum überholt. Etwas Schlaf scheint uns gut zu tun.
Habe die gleiche Erfahrung gemacht. Auf den Hinweg haben wir schon die meisten überholt, aber bei den schnellen RR-Gruppen aus den Blöcken A-D ging es in den Hügeln von Fourges bis Brest immer hin und her. Nach der langen Pause von 9h in Brest haben wir ab da eigentlich nur noch überholt, auch an den Steigungen.
Wenig vor Sonnenuntergang erreichen wir die Partystadt Villaines. ... Wieder 8h Schlaf.
Aha, da habe ich dich also unbemerkt überholt.
ein paar Zombie-Fahrer
Mit einen hätte ich beim Überholen beinahe näher Bekanntschaft geschlossen, als er beschloß plötzlich 90° nach links Richtung Graben abzubiegen...
 
Gratulation an alle Teilnehmer! Ich war auch in Frankreich, aber im Süden. Unser B&B hatte kein W-LAN, keinen Fernseher und nahezu kein Handynetz. Sehr entspannend, aber ich habe von PBP halt leider nichts mitbekommen. Schön, hier alles nachlesen zu können.
Falls ihr euch mal aus der Vogelperspektive sehen wollt, schaut euch dieses Video von der Abfahrt an.
 
Mein PBP 2019 - Rattern bis zum dicken Ende

Rauschende Anfahrt auf der Schnellstraße N10 nach Paris-Rambouillet, habe grad den Radweg hinter der Leitplanke verpasst und drücke aufs Tempo und komme auf dem gepflasterten Platz vor dem Schlosspark heftig rappelnd mit meinem vollbepackten Velomobil zum halten - happy, dass ich gleich angekommen bin. Es ist der Abschluss der dritten Etappe meiner Anreise aus Köln zu PBP.

Der 2. Anlauf auf Rambouillet ein paar Tage später aus Dreux kommend, ebenfalls mittags, ist verhaltener. Ich wurde von der Routenänderung auf dem letzten Abschnitt überrascht und zweifelte ob der gefühlt lückenhaften Beschilderung am rechten Weg. Die letzten Kopfsteinpflasterpassagen wollte ich lieber schieben, was die PBP-Helfer aber nicht zuließen und mich auf den Hof der Bergerie und dort mit ner riesigen Kuh- oder Schafsglocke(?) bimmelnd auf die Ziellinie pushten. Wegen des hinten angebrachten Transponders musste ich dann an dem auf der Ziellinie drappierten Schaf vorbei nach vorne rollen, dicht an die Front der Fotografen und Kameramänner.

Zielfoto 69238721_10156923829113780_7609978863581396992_n.jpg

Dann registrierte ich es, dass die 3 Rennradler und ich wohl die ersten Rückkehrer waren. Das Kennzeichen meiner Startgruppe F wurde lautstark honnoriert. Ich hatte die Ehre, Marko Baloh, den Franzosen Robert Coquen und den Belgier Ken Tax hier zu treffen und wir drückten uns schweißnasss die gegenseitige Anerkennung aus. Einer der 3 reckt auf der Ziellinie noch sein Rad in die Höhe – ich verzichte drauf, weiß ich doch noch kiloweise Proviant, sowie das Reservematerial für die große Tour sowie 3 Reserveakkus, 2 kl. Powerbanks und Werkzeug im Heck.

@panicmechanic findet im französischen Liegeradforum meine Zeiten aus 2015 und 2019 als 47:43 und 43:47 in einem Zahlenspiel verglichen. Zu den „gespiegelten“ Zeiten passt irgendwie, dass mich 2015 der Plattfuß im letzten Kreisel vorm Ziel ereilt hat – in 2019 durfte ich im ersten Kreisel nach dem Start flicken(n).
Das Zahlenspiel der Endzeiten nimmt sich 2 Minuten künstlerischen Freiheit, der Tracker zeigt nämlich 43:49:47.

2 Minuten, die verstrichen sind,
- als ich nach kaum 10 km platt hatte und den Mantel nicht über die innere Carbonscheibe gehebelt bekam, während ich mit den Augen dem Rest des Startblocks F um den Kreisel folgte,
- oder als ich auf der Retour bei St. Nicolas de Pelem im Lidl nicht direkt den ersehnten Apfelsaft fand
- auf den letzten km an der geänderten Streckenführung zweifelte und auf dem Navi die mögliche Strecke zu finden versuchte
- auf der Brücke nach Brest traditionell noch ein paar extra Fotos machte
IMG_0408.JPG IMG_0409.JPG
- 2 Minuten zur Erfüllung einiger Selfiewünsche mit DFxl 51 und höflichkeitshalber auch seinem Fahrer
Also, 2 Minuten sind nichts bei PBP. Die Zeit messe ich hier in Tageszeiten. Nachts verschwinden die Anzeigen von Uhrzeit, Geschwindigkeit, Leistung, Steigung und gemachter Strecke im Dunkeln. Nur die Karte des Navis glimmt kurz vor Abbiegungen auf. Die Fahrt unter dem Sternenhimmel wird ein bisschen meditativer. Die Zeit springt an Kontrollen oder erleuchteten seltenen Kirchturmuhren vom Abend über Mitternacht in den nächsten Morgen.

Bei dieser 19. PBP-Austragung kann ich die blauen Stunden der Dämmerung abends und morgens bei teils wolkemlosen Himmel mit etwas Morgendunst genießen.
IMG_0382.JPG Ein Verschlafen wäre grob „fahrlässig“ gewesen. Der frische Wind tagsüber war abgeflaut und die Randonneure pedalierten gespannt in den nächsten Tagesabschnitt.
Nächtens erhellte der Mond die Szenerie und erleichterte mir die Nahnavigation über die nächsten 100 m.
Bei dieser Austragung haben mich die Wetter/Landschaft/Lichtverhältnisse sehr beeindruckt. Die Fahrten in die Abenddämmerung mit kräftigen Wolkenformationen und vielen Randonneuren, der nächtliche Sternenhimmel über die nach Brest flatternden Gelbwesten, durch Morgennebelbänke,
MOrgendunst_IMG_0395.jpg
die von den ersten Sonnenstrahlen durchbrochen wurden, vor Brest dann ein paar kräftige bretonische Schauer, die einen intensiven Sommerduft hinterließen, der dann von der salzigen Meeresbrise abgelöst wurde.
In der 2. Nacht nach Tinténiac hatte es wohl auch geschauert. Die entgegenkommenden gleißenden Lichtkanonen machten aus den aufsteigenden Dampfschwaden ein aufgewühltes Meer...

Die Begegnungen mit den anderen Randonneurs mondiaux auf der Strecke waren meist kurzes Winken und Grüßen. Ein PBP ohne von RogerKs Bass meinen Namen durchs Feld salutiert zu bekommen, kenne ich noch nicht. Danke für diese Portion extra Motivation. Bogdan, ein bärenstarker Pole ist der Fahrer, den ich auf der Strecke immer wieder sehe. Mit wechselndem Anhang zieht er an Steigungen am Hinweg öfter vorbei. Sein langes Rücklicht erkenne ich auch bald schon vom weiten und wir grinsen uns an. Er wird mit einer starken 46er Zeit finishen.

Letztendlich am Ende der Startgruppe F der Spezialräder gestartet, waren es neben vielen einzelnen und kleineren Gruppen dann 3 große Pulks, die etwas Mut beim Überholen fordeten. Es waren die gemeinsam dem Gegenwind trotzenden jeweils rund 150 Fahrer umfassenden und fahrbahnbreiten Überbleibsel der Startgruppen D, C und B. 2 Gänge hochschalten und mit ordentlich Druck auf den Pedalen ließen sie sich auf der Gegenfahrbahn überholen. Die Gruppe A hatte sich scheinbar auf dem Hinweg schon in kleinere Grüppchen zerfasert.

Nach meinen Speichenrissen, deren Reparatur in Fougeres und Ersatzbeschaffung in Tinténiac treffe ich an den umliegenden Kontrollen immer wieder Roger und Stefan sowie Rainmar, die da wohl auch schon ihr Päckchen ungeplanter Zusatzzeiten mit sich führen.

Mehr Kommunkation mit den Randonneuren aus aller Welt hatte ich während der 3 Tage vor dem Start und 1 ½ nach meinem Zieleinlauf. Im riesigen Carrefour mit Leonor aus Sao Paulo, die noch zierlicher als @Düsentriebin und noch schneller auf deutsch von ihrem Spezial-Titan-Liegerad erzählte, den vielen Taiwanesen im Hotel, die mit näher rückendem Start immer quirliger, hektischer und lauter wurden, den 3 Kanadiern, die ich auf dem Hinweg schon 150 km vor Paris auf der Landstarße traf, den vielen Bekannten, mit denen man sich die Wartezeit geteilt, bei der Anmeldung im nieseligen Samstag angestanden hat und beim deutschen Treffen den Weisheiten unseres Veterans Claus gelauscht hat und am Tag danach im schattigen Schlosspark mit Roger, Stefan und Björn ein Bier auch auf Rogers Geburtstag (y).

Die Unterstützung der vielen Volunteers an den Kontrollen und in Rambouillet war ausnahmslos liebenswert und freundlich, mit zunehmender Nähe zum Ziel enthusiastischer. Zu meinen Durchgangszeiten hatte ich für meine Bedürfnisse keine Wartezeiten. Im mitternächtlichen Fougeres durfte ich mein DFxl drinnen und unter großem Staunen auf einer weichen Matte leeren und dann dort auf die Seite legen, um das Hinterrad zwecks Ersetzen von 2 gerissenen Speichen auszubauen. Erst als das Rad mit rundum nachgespannten Speichen wieder drin war und sich die unterstützende 3. Hand einer hilfsbereiten Dame wieder winkend entfernte, bemerkte ich, dass sie mit einem künstlichen Bein zurück stakte, Merci beaucoup! Auch dem Rentner, der mir anstelle von Zollstock oder Lineal zum Eindrücken der Sperrklinken eine Dachlatte herbeischleppte.

Da ich nun meine Ersatzspeichenvorräte für das hintere 584er Laufrad aufgebraucht hatte, war nun auf der nächtlichen Weiterfahrt Richtung Tinténiac Zeit für Alternativpläne: Zelegte sich das Hinterrad weiter, könnte ich am Morgen in Loudéac oder Carhaix versuchen, um die DF-Spezialnabe ein neues Laufrad einzuspeichen, dann wohl ein 622er Standard. Oder ich fände jemanden mit ~275 mm Speichen für das 584er Rad und damit meine Helden für PBP 2019. Am kleinen Stand des Mechanikers Jean-Pierre Rescamp in Tinténiac erklärt mir seine Frau, dass ihr Mann ein enthusiastischer Laufradbauer – aber grade im Dorf in seinem Laden sei. Sie zeigt mir Mappen und Kästen voller Speichen in vielen Variationen und Längen, worin ich schnell welche in passender Länge finde. Jean-Pierre gibt mir dann 5 Stück und ein beruhigendes Gefühl, neuen Optimismus und Schwung mit auf den Weg. Ein bisschen kann ich @Nemberchs Gefühle nachvollziehen, die er gehabt haben musste, als er seine PBP-Fahrt mit frisch geschweißtem Rahmen fortsetzen konnte.

Vor diesem erleichterten Hochgefühl und Freude nach dieser überraschenden Wende, war meine Stimmung eher verhalten. Mit dem Näherrücken der Abfahrt zu diesem Abenteuer aus Köln kamen mir leichte Zweifel und der Schweinehund fragte für mich nachvollziehbar, ob ich meine Ferien nicht auch nicht strampelnder Weise genießen könnte. Ein bisschen drückte auch das am folgenden Wochenende mitorganisierte Kölner Liegerad-Rennwochenende, zu dem ich wieder zurück sein wollte. Also spätestens Mittwoch früh wieder in Paris, ein Tag Feiern/Ausruhen/Schlafen, Donnerstag den größten Teil zurück bis Namur vielleicht und Freitag dann direkt zum Abendrennen – so könnte es gehen.
Die fast 3 Tage vorher in Paris zu sein, war schön, viele andre zu treffen – aber ich hatte auch zuviel Zeit, mich allein ein bisschen verrückt zu machen. Der auf der Anreise sich längende Schaltzug, der leicht Druck verlierende tubeless Hinterreifen und das leicht klemmende und ständig lärmende Federbein vorne links nagten an der Zuversicht&Nerven. Angeregt durch die Diskussion im Forum über die Nicht-Funktion des Transponders auf einer Carbonoberfläche montierte ich ihn noch kurz vor dem Start hinten überstehend um. Wie sich später bei Mitfahrern zeigt, wäre ich anders wohl inkognito unterwegs gewesen ;-)) - Waren der Platte am Anfang und danach die Speichenrisse self-fulfilling prophecy? Da ich mir schon einige bangende Gedanken gemacht hatte, wurde ich wenigstens nicht völlig überraschend aus der Fahrt gerissen.
Auf der anderen Seite sorgte das Wetter, die Mitfahrer und begeisterten Zuschauer für Hochstimmungen. Schon Tage vorher versprach die Wetterprognose, dass der samstägliche Dauerregen
IMG_0364.JPG Sonntag Mittag der Sonne weichen würde. Wundersamerweise blieb diese Prognose stabil und zum Start waren Sonnencreme angesagt und Schattenplätze hoch im Kurs.
Startpano_IMG_0338.jpg

Roc u Randonneure_IMG_0428.jpg

Auf dem letzten km durch den Park zum Ziel war die Freude, es heil geschafft zu haben und ein bisschen Verschnupftheit, nicht einfach über das Kopfsteinpflaster schieben zu dürfen. Im Hof der Bergerie unterm Zielbogen mit den 3 Randonneuren vor einer kleinen Wand aus Fotografen und Kameras, Geläut von schweren Glocken und Applaus fiel dann bei mir erst langsam der Groschen, dass wir wohl die ersten Rückkehrer waren. Wir lachen uns an und folgen dem einstudierten Ablauf der Helfer, Räder im Parc fermé abstellen, Konstrollstempel, und dann mühen sich Marko und ich, das herbeigebrachte Mittagessen zu schaffen. Danach dann noch ein Interview beim 2. französischen Fernsehen und richtig Löcher in den Bauch fragt mich dann Stéphane – hier aus dem Ort. Er begleitet mich dann bis zum Hotel, wo ich noch den gröbsten Dreck vom VM wische, bevor ich‘s wieder im Flur parkiere und ich frisch geduscht ins Bett falle. Den Wecker vermeintlich noch auf 20:00 stellen, um noch einzukaufen oder was zu Abend zu essen – er zerrt mich um 20:58 aus dem Schlaf - ich esse etwas aus den nach Brest und zurückgefahrenen Vorräten und schlafe bis zum doppelten Frühstück 11 Stunden später.
Nachdem ich mein Wischkästl während der Tour im Flugmodus nur zum Fotographieren benutzt habe, kriege ich jetzt Eure Anteilnahme und @Cars10 s Analysen&Prognosen mit, vielen Dank!

Vergleiche ich meine PBPs 2015 mit dem Milan SL und 2019 mit dem DFxl, bei denen ich bei beiden Austragungen sehr gutes Wetter hatte, überrascht mich etwas, dass ich mit mit dem DFxl nur 38:52 h in Bewegung war und mit dem SL trotz Schlafpause in der 2. Nacht 40:50 h, also 2 h länger, gefühlt war ich 2015 mehr „geflogen“. Vielleicht hat der lärmende Dämpfer dieses Gefühl etwas unterdrückt. 2015 war meine Strecke 6 km länger.
Die aufgezeichneten GPS-Daten dokumentieren für die anfängliche Flickpause 12 Minuten und für die Hinterradreparaturpause in Fougeres eine knappe Stunde Stillstand.
Die Durchschnittsleistung „mit 0“ von 146 W haut niemanden vom Hocker und ist für mich bei der Topologie (11500 Höhenmeter), teils schmalen Straßen und Vielfalt der Straßenbelege nachvollziehbar. Der vom Edge ausgegebene NP-Leistungswert von 196 W belegt auch, dass es einige Bergabpassagen gab, wo ich nicht unbedingt reintreten musste.

Proviantmäßig hatte ich wieder mal viel zu viel mit. Die gefüllte 0,7l-PBP-Wasserflasche habe ich wie zahlreiche Riegel und eine Packung Waffeln und Nüsse auch nur als Ballast mitgeschleppt. Auf dem Rückweg hatte ich nur noch Appetit auf Bananen und Äpfel und hatte dazu erstmals mehrere Tüten Zucker/Protein-Tütchen mit und noch 4 kleine 2017 abgelaufene Fresubin Flüssignahrungsfläschen mit. Und ins Leitungswasser dann jeweils noch ne Prise Salz – bin ich ganz gut über die Runde gekommen.
Dazu in Tinténiac auf dem Hinweg eine Cola und ein Schokocroissant, in Brest ein Mittagsmenu und irgendwo auf dem Rückweg noch mal eine kleine Cola und 1 l Apfelsaft.

Donnerstag wache ich 3 Stunden vor dem Wecker auf und starte kurz nach 4 Richtung Heimat. So sind die ersten 60 km durchs städtische Pariser Umfeld wenigstens ohne Verkehr und in morgenlicher Kühle bewältigt. 300 km Frankreich mit vielen graden Straßen über die Hügel Grade Straßen_IMG_0553.JPG , 200 holperige und heiße km in Belgien IMG_0558.jpg und 100 nächtliche km in Deutschland und 21 h später zu Hause. Es bleiben eine Portion Schlafmangel, Kohldampf über jetzt schon mehr als eine Woche - aber erfreulicher Weise keine Proteste von den Achillessehnen oder Knien. Und das terrorisierende Rappeln des linken Federbeins ist endlich auf den letzten 100 km etwas zurückgegangen – dafür hat es bei PBP möglicherweise ein Einschlafen und Wildunfälle verhindert ;)

Bis denne - Hajo
 
So schnell sein, dann noch Bilder machen, tollen Bericht mit vielen Erinnerungen schreiben, Reparaturen konnten ihn auch nicht stoppen.....ziehe meinen Hut Hajo....
 
Es liest sich so leicht, PBP 2019 in der schnellsten Zeit zu fahren, auch wenn man weiß dass @jostein nicht zu Übertreibungen neigt ... da steht schon eine besondere Kondition und ein über viele Langstrecken gehärtetes Paar Beine dahinter. Nochmals herzlich Glückwunsch, Hajo. Das war eine herausragende Leistung!
 
Zurück
Oben Unten