Hallo liebe Liegeradgemeinde!
Ich möchte euch von meiner ersten langen Tour mit meiner Liege berichten. Bin diese Route im Mai letzten Jahres schon einmal gefahren, da allerdings mit einem "normalen" Trekkingrad und einer Etappe mehr.
Es ging von Wiesbaden entlang des Rheins nach Konstanz am Bodensee. Geplant habe ich die Route den ganzen Winter über mithilfe von GPSies, Google Streetview, dem Brouter und meinen Erfahrungen aus dem letzten Jahr.
Aufgeteilt habe ich das Ganze in 4 Etappen.
Etappe 1: Wiesbaden-Biebrich - Karlsruhe -> 147 km
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=ilgsxkntupihuazr&authkey=278F7BE43047A24605EEAC1334FF7646B56021EBFDCC792F
Etappe 2: Karlsruhe - Marckolsheim -> 130 km
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=mjkvzdbawoeueoil&authkey=A5DD21B19CFA427C82160328F0DB2FB3430510C9E8930610
Etappe 3: Marckolsheim - Waldshut-Tiengen -> 145 km
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=hoxgelsdhwznwhzn&authkey=8F406890B30DC24B1ADF0AEB5F638781177E10F5896C2108
Etappe 4: Waldshut-Tiengen - Konstanz -> 92 km
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=wocfkffyjrxtmeve&authkey=9BE136CDDA88D10F35DB9A1BEA3548B28F746E5C7361F26C
Während meiner Trainingseinheiten an trockenen Tagen im Winter, hatte ich meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf meiner "Teststrecke" über 60 km, mit komplettem Gepäck, kontinuierlich auf über 22 km/h erhöht, so dass ich dachte, total entspannt mit einem 19er Schnitt rechnen zu können. Das war der Plan.
Fürs Gepäck nutze ich zwei Ortlieb Backroller und eine Radical Design Toptasche M. Für meine Bedürfnisse ausreichend Stauraum.
Übernachten wollte ich in zuvor ausgewählten Hotels / Pensionen.
So ging es also mit dem Auto zum Biebricher Schloss, um dann bei leichtem Schneefall und erfrischenden -1°C loszuradeln.
Entlang des rechtsrheinischen Rheinradweges ging es bis zur Rheinfähre in Kornsand.
Der leichte Schneefall hatte inzwischen aufgehört und der kalte Wind kam aus der richtigen Richtung. Auf der linksrheinischen Seite ging es dann, auf zum Teil extrem verschmutzen Wirtschafts- und Radwegen, Richtung Worms. Zeitweise hatte ich den Eindruck, ich radel über einen Truppenübungsplatz.
Weiter gen Süden durch Frankenthal, Mutter- und Schifferstadt, auf gut ausgebauten Radwegen nach Speyer. In Frankenthal kamen mir dann zum ersten Mal Bedenken, ob ich mit meiner Etappenlänge und dem zu fahrenden Durchschnitt nicht doch ein wenig zu optimistisch gewesen bin.
"Glücklicherweise" erlöste mich der kurz vor Speyer einsetzende dichte Schneefall von den Grübeleien. Ich hatte, gelinde gesagt, den Kaffee auf und radelte auf direktem Weg vom Dom zum Bahnhof. Löste jeweils eine Fahrkarte für mich und meine Liege und genoss die Fahrt Richtung Karlsruhe.
Im zuvor gebuchten Hotel konnte ich mein Rad in der Tiefgarage diebstahlsicher parken. Ich hatte zwar den ganzen Tag über nicht den Eindruck gefroren zu haben, die warme Dusche brachte jedoch einige Lebensgeister zurück, welche ich auf dem Weg verloren haben musste.
Nach gutem Schlaf, einem guten Frühstück und der Freude über blauen Himmel und positive Temperaturen machte ich mich auf den Weg.
Durch die südlichen Vororte gelangte ich etwas nördlich der Messe an die B36 und den parallel zu ihr verlaufenden Radweg.
Letztes Jahr im Mai erlebte ich hier einen Nieselregen wie ich noch keinen Nieselregen erlebt hatte. Wasserschlacht!!! Heute war es zum Glück ein perfekter Tag zum Liegen. Sonnenschein, blauer Himmel, 5°C, die sich wie 10°C anfühlten und ein leicht böiger "Schiebewind".
Entlang der B36 führte die Strecke nach Rastatt zum Schloss durch den im Frühling bestimmt farbenfrohen Schlosspark.
Weiter Richtung Süden, immer der B36 folgend, radelte ich entlang des Flughafens Karlsruhe/Baden.
Während der Planung stelle ich fest, dass in Söllingen, einem kleinen Dorf westlich des Flughafens, ein Relikt aus den militärischen Tagen des Flughafens zu finden ist. Früher war es die Söllingen-Baden Air Base und der Stationierungsort der kanadischen Luftwaffe. Auf einem Pfeiler thront also eine von Canadair in Lizenz gebaute CF-104 Starfighter mit der Kennung 104785 und dem Serial C/N 683A-1085.
Die Gelegenheit ein Foto mit zwei Überschalltransportmitteln zu machen.
Immer entlang der Bundesstraße mit einer zum Teil "atemberaubenden" Geschwindigkeit von über 26 km/h (dem Wind sei Dank) näherte ich mich Straßburg. Die Stadt hat ein sehr gut ausgebautes Radwegenetz, wobei es für Liegeradfahrer doch die ein oder andere Herausforderung parat hat.
Im Vorfeld bin ich mit Unterstüzung von Google Maps Streetview die möglichen Routen durch die Stadt bereits schon einmal "abgefahren". Das war eine extrem große Hilfe. Aufgrund der Zeitnot (dem überschwenglichen Optimismus während der Planung mit illusorischen "Traumgeschwindigkeiten) musste ich die Sightseeing Tour durch Straßburg und den fest eingeplanten heißen Kakao am Place Kléber jedoch ersatzlos streichen.
Ab der "Pont de Heyritz" ging es von nun an über 52 km entlang des "Canal du Rhône au Rhin" meinem Etappenziel in Elsenheim entgegen. Meine Wunschpension in Marckolsheim war leider bereits ausgebucht.
Zu Beginn der Abenddämmerung kamen mir immer mal wieder freundlich grüßende Radfahrer und Jogger entgegen, was aber mit zunehmender Entfernung von Starßburg abnahm, bis ich schließlich den Radweg, die wunderbare Natur und den Sonnenuntergang am Kanal für mich alleine hatte. Ein Phänomen, welches mir während der letzten Tour schon auffiel. Es wird durchweg freundlich gegrüßt / zurück gegrüßt. Wenn man in Deutschland grüßt, wird man entweder entsetzt angeschaut oder man blickt nur in, von der Anstrengung verzerrte Gesichter.
Egal!
Schwäne, Enten, Gänse, Blesshühner und mehrere dicke fette Bisamratten kreuzten meinen Weg. An unkonzentriertes Dahinradeln war irgendwie nicht zu denken, ohne einen "Wildunfall" mit potenziellem Bad im Kanal zu riskieren.
Im Stockdunkeln und nach 133 km erreichte ich schließlich die im Voraus gebuchte Pension. Mit Entsetzen vernahm ich die Erklärung der Gastgeberin, dass es in Elsenheim kein Restaurant mehr gäbe.
Schock! Hatte ich mich doch so auf einen großen Berg Spaghetti gefreut.
Da waren sie wieder.... die 6 Ps: Proper Preplanning Prevents Piss Poor Performance!
Da ich nach dieser großen Enttäuschung offensichtlich ziemlich bemitleidenswert aussah, bot sie mir eine extra große Tasse Kaffee an. Zum Niederknien!
Das Abendessen bestand in der Folge aus drei Müsliriegeln und einer Banane.
9 Stunden erholsamen Schlafs später genoss ich das französische Frühstück mit leckerem Gebäck, Marmelade und Kaffee.
Die heutige Etappe sollte im Hinterland des Rheins durchs Elsass über Basel und weiter entlang des Rheins nach Waldshut-Tiengen gehen. Eine Gesamtsrecke von 147km.
Im ersten Teil malte ich mir gutes Vorankommen entlang wenig befahrener Kreisstrassen und abgelegenen Radwegen aus.
Die Ernüchterung kam mit dem Verlassen Marckolsheims und dem Einbiegen auf die Straße nach Süden. Ein kurzer Fluch in Richtung aller Wetterfrösche und schon löste sich der Traum vom zügigen Dahinrollen in Rauch auf. Der Wind passte zwar in der Stärke, die Richtung war leider um 180° verdreht.
Quälend langsam kreuzte ich also gegen den Wind Richtung Neuf Brisach, wo ich plante mich in einem Supermarkt mal so richtig auszutoben.
Nach enttäuschenden 90 Minuten und 21 gefahrenen Kilometern erreichte ich also die Festung Neuf Brisach.
Direkt im Stadtzentrum befindet sich ein Superkmarkt. Bananen, Kekse, Apfelsaft und Mineralwasser bunkern.
Frisch versorgt rollte es sich ein wenig besser gen Süden entlang der D468 durch die, um die Mittagszeit, wie ausgestorbenen Dörfer Heiteren, Fessenheim (mit Blick auf das gleichnamige AKW am Rhein), Blödelsheim, Rumersheim-le-Haut Richtung der großen Wasserkraftwerke der efd bei Kembs.
Ein Blick in den nördlichen Himmel sagte mir, dass der vorhergesagte Sonnenschein am Nachmittag wohl heute in flüssiger, bzw. kristalliner Form verabreicht werden würde. Da ich keine Lust auf eine erneute Dusche hatte, wich ich von der geplanten linksrheinischen Route durch Basel ab und entschied mich, auf der deutschen Seite mein Glück zu suchen. Auch in Anbetracht der möglichen Zugverbindungen in Richtung Waldshut.
Am Stauwehr Kembs überquerte ich die Grenze nach Deutschland und radelte, immer ein Auge auf die dunklen Wolken hinter mir gerichtet, ins Stadtzentrum von Weil am Rhein. Beruhigt jetzt erstmal wieder alle Optionen zu haben, checkte ich das Wetterradar und die Vorhersagen für den Flughafen Basel-Mulhouse, um dann mit einem geschulten Blick auf die Berge des Schwarzwaldes zu erkennen - Stimmt! Nix wie weg hier. Ich entschied mich noch mit dem Rad zum badischen Bahnhof in Basel zu rollen. Sehr entspannt.... fast nur bergab, erreichte ich, kurz bevor es anfing zu regnen, die Bahnhofshalle. Eine Fahrkarte für mich und meine Liege und auf zum Gleis.
Barrierefreiheit? Fehlanzeige! Also Rad mit Taschen auf den Bahnsteig schleppen und feststellen, dass die Deutsche Bahn immer genau dann wenn man es nicht gebrauchen kann, pünktlich ist. Mein Zug war gerade weg. Halb so wild, in 30 Minuten fuhr der nächste.
Regen hatte inzwischen wieder aufgehört und ich überlegte kurz doch einfach weiterzuradeln. Meine Route führte ja mehr oder weniger entlang der Bahnstrecke, so dass ich jederzeit "aufspringen" könnte.
Über kurz oder lang obsiegte die Bequemlichkeit. Das Rad wieder runterschleppen, Route zum geplanten Track suchen.... Nö!
Bahnfahren!!!
Die Enttäuschung über diese Entscheidung ließ nich lange auf sich warten und wuchs dann schnell an. Ich sah all die gut ausgebauten Radwege, die schönen Städtchen Bad Säckingen und Laufenburg und den aus der richtigen Richtung wehenden Wind. Wäre ich weiter geradelt, hätte ich aufgrund der Etappenlänge spätestens in Bad Säckingen eh den Zug nehmen müssen um noch vor Tagesanbruch im Hotel anzukommen.
Zum "Glück " durfte ich dann no
ch 3 km vom Bhf zum Hotel fahren, bevor mich der Schneeregen dann doch noch einholte.
Abends dann, zur Abwechselung, mal ein gutes Abendessen beim Chinesen. Welch ein Luxus. Morgen waren ja "nur" noch 92 km bis Konstanz zurückzulegen.
Frühstücksbuffet, Rad satteln und auf geht´s. Zuerst noch schnell an einem Getränkemarkt Vorräte auffüllen.
Entlang des Radweges parallel zur B34 verliess ich die Bundesrepublik am Grenzübergang Trasadingen. Auf gut ausgebauten Radwegen in der Schweiz ging es nun weiter entlang der Bahntrasse von Waldshut nach Schaffhausen.
Den Rheinfall hatte ich beim letzten mal bereits gesehen und verzichtete dieses Mal auf einen Besuch. In Schaffhausen wechselte ich dann erneut die Rheinseite und setzte die Tour linksrheinisch fort. Über die Bundesstrasse 13 ging es vorbei am "Paradies" bis ich bei Kilometer 50 die Bundesstrasse 13 verließ und den Rhein in Richtung Ramsen querte. Auch hier breite Radwege mit einem glatten Belag. Perfekt.
Ab Ramsen führte mich die Route über kleinere Strassen über die grüne Grenze nach Bohlingen und über Bankholzen und Moos zu den ersten Ausläufern des Untersees.
Einmal quer durch Radolfzell um dann bei Markelfingen dem Bodenseeradweg folgend, parallel zur Bahntrasse, nach Konstanz zu fahren.
Da mich die Navigationsfunktion von Google drei mal am Hotel vorbei führte, hatte ich anschliessend keine Lust mehr extra für das Beweisfoto zum Hafen zu radeln.
Das mache ich dann beim nächsten Mal.
Was habe ich gelernt?
Meine Etappenplanungen waren vielzu ambitioniert. Alles über 130 km ist für mich illusorisch. Die 130 km von Karlsruhe nach Elsenheim haben nur aufgrund des Windes funktioniert. In Zukunft werde ich wohl nichts mehr jenseits der 110 km planen. Das gibt mir dann auch Luft an schönen Orten zu verweilen und einen Kaffee oder Kakao zu trinken und ein Stück Kuchen zu essen. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit aller 4 Etappen betrug 17 km/h, 2 km/h weniger als in der Planung.
Gepäckmässig habe ich die für mich richtige Wahl getroffen. Es hat alles entspannt in die Taschen gepasst ohne mich drauf setzen zu müssen.
Im Vorfeld hatte ich mir lange Gedanken über die Navigation und die Anbringung des Handys gemacht. Meine Lösung ist es, das Handy mit einem Fitnessarmgurt am Unterarm zu befestigen und von dort die Kopfhörerkabel zu den Ohren zu führen. Die Navigation entlang der mit GPSies geplanten Tracks hat mit OSMAND einwandfrei funktionert. Die Ansagen über Kopfhörer, zusammen mit der für 15 Sekunden aktivierten Kartendarstellung auf dem Handy liessen mich nie ratlos anhalten um nach der Position zu suchen.
Das Rad hat gut durchgehalten. In ruhigeren Momenten hat es zwar hier und dort gequietscht und geklötert, was sich allerdings mit einem Tröpfchen Öl und etwas Zuwendung beheben ließ.
Der Radler hat auch durchgehalten. Keine Rücken-, Gesäß-, Handgelenks-, Schulter- oder Nackenschmerzen. Das einzige was ich abends gespürt habe waren die Beine. So soll es sein.
Meine erste lange Tour mit der Liege hat mir wahnsinnigen Spass gemacht, obwohl ich für mein Gefühl (und dem meiner Mädels daheim) zu viel Bahn gefahren bin. Es wird nicht die letzte Tour dieser Art bleiben.
Ich hoffe der Reisebericht dient zur Unterhaltung
Viele Grüße
Markus