Also ich muss mich zwar mittlerweile auch zu den alten Herren zählen, käme aber nie auf die Idee, meine Zeit auf dem Liegerad unter "Hobby" zu verbuchen, höchstens im Sinne von "Liebhaberei", weil ich wirklich gern mit dem Liegerad fahre.
In Wahrheit dient das Liegerad dazu - direkt oder indirekt- viele meiner Grundbedürfnisse zu erfüllen. Zunächst mal ist es ganz pragmatisch mein Verkehrsmittel, mit dem ich alle meine Ziele ansteuere, privat wie beruflich. Wenn es also gelegentlich bei einem Zimmerer einen Balken zu beschnitzen gilt, fahre ich natürlich auch mit dem Liegerad hin, also nicht das, was man gemeinhin unter Freizeitbeschäftigung versteht.
Würde ich jetzt nicht noch diesen Beitrag tippen, wäre ich auch schon längst unterwegs, um weitere wichtige Bedürfnisse zu befriedigen, nämlich die Ernährung. Wenn ich für mich oder meine Katze etwas zu essen kaufe, dann natürlich auch mit einem meiner Liegeräder, alle sind mit Taschen oder Koffern ausgerüstet. Außerdem werde ich mir heute noch an der Traun frischen Bärlauch und diverse andere Kräuter für den Salat holen, das deckt dann zusätzlich auch noch das Bedürfnis nach Bewegung in der Natur ab, spart nebenbei Geld und ist gesünder als Salat aus dem Supermarkt zu essen.
Das Geniale gerade am Liegerad ist nun, dass ich in geradezu optimaler Weise die Bedürfnisse meines Körpers nach Bewegung mit den Bedürfnissen meines Geistes kombinieren kann. Ich gehöre zu den Menschen mit sehr aktivem Geist. Wenn ich meinen Gedanken nicht mindestens einige Stunden am Tag freien Lauf lassen kann, dann drehe ich durch, ich brauche dieses Denken einfach zur Erhaltung meines geistigen Gesundheit. Mittlerweile ist mir klar, dass dies nicht allen so geht und ich damit eher eine Ausnahme darstelle, aber vielleicht kann der eine oder die andere ja nachvollziehen, was ich meine.
Und dieses Strömenlassen der Gedanken klappt bei mir nirgends so gut wie auf dem Liegerad, vermutlich durch die Kombination von entspannter Haltung und gleichmäßiger Bewegung. Ich weiß auch dass ich nicht der einzige bin, der auf dem Liegerad die besten und kreativsten Ideen hat.
Liegeradfahren hat also in der Tat etwas wahrhaft Meditatives für mich, das kann mir kein anderes Rad oder Fahrzeug allgemein bieten. Und bevor jetzt wieder einige wohlmeinende Hinweise kommen, dass Meditieren im Verkehrsgewühl gefährlich sein könne: Ich bin jetzt seit fast 30 Jahren und über 586Tkm unfallfrei unterwegs, ihr könnt also davon ausgehen, dass ich weiß, man ich aufpassen muss und wann ich es lockerer angehen kann.
Ein etwas abstrakteres Bedürfnis, das auch Troubadix angesprochen hat, möchte ich auch noch erwähnen: Das Bedürfnis etwas zu tun, das nicht nur für einen selbst, sondern auch für die Allgemeinheit sinnvoll und nützlich ist. Also etwa die Umwelt zu schützen, möglichst wenig Lärm zu erzeugen, die Luft rein zu halten oder dergleichen. Ich kenne wirklich kein anderes Gerät, mit dem ich sowohl mir selbst wie auch den anderen so genussvoll etwas Gutes tun kann. Also geht mir bloß weg mit dem Argument, als Umweltschützer müsse man ein Asket oder gar ein Masochist sein. Zumindest ich selbst bin der reinste Genussmensch und werde diesem Genuss jetzt gleich, wenn auch mit etwas Verspätung frönen. Aber anderen seine Gedanken mitzuteilen, kann ja auch ein Bedürfnis sein.