Betreiben wir ein Altherrenhobby?

Noch einmal zum "Altherrenhobby": Das ist für mich eher, wenn Menschen in resignierte innere Reglosigkeit verfallen und sich in bedeutungsloser Verbürgerlichung bescheiden, samt Hobbies wie Briefmarkensammeln, Karnickelzüchten o.ä.
Na, ich gblaube die Zeiten sind schon lange vorbei. Heute werden die Menschen häufig in ihrer Rentenzeit aktiver. Reisen, politische Aktivitäten, Sport (Darunter latürnich auch das Liegeradfahren), Kunst und sogar Studium. Das Liegeradfahren bietet halt für Menschen die gerne Radfahren aber nach Jahren keinen Bock mehr auf Schmerzen an den unaussprechlichen Stellen haben durchaus eine Alternative um weiter Radfahren zu können.

Warum ist der Altersdurchschnitt beim liegen so hoch? Ganz einfach: Siehe oben. Und natürlich die Preisklasse in der die Geräte gehandelt werden.
 
Frage mal den normalen Radfahrer, welche Reparaturen er selber durchführt. Nicht alle Radfahrer können einen Reifen flicken...
Ich habe da keinerlei Illusionen diesbezüglich - meine täglichen Beobachtungen im Fahrradverkehr lassen dafür keinen Raum. Mein Bezug war die Aussage von @eisenherz, dass er ebenfalls mit einer "Baustelle" angefangen hat - und das geht immer noch, genau wie vor 20-30 Jahren.
 
Also ich muss mich zwar mittlerweile auch zu den alten Herren zählen, käme aber nie auf die Idee, meine Zeit auf dem Liegerad unter "Hobby" zu verbuchen, höchstens im Sinne von "Liebhaberei", weil ich wirklich gern mit dem Liegerad fahre.

In Wahrheit dient das Liegerad dazu - direkt oder indirekt- viele meiner Grundbedürfnisse zu erfüllen. Zunächst mal ist es ganz pragmatisch mein Verkehrsmittel, mit dem ich alle meine Ziele ansteuere, privat wie beruflich. Wenn es also gelegentlich bei einem Zimmerer einen Balken zu beschnitzen gilt, fahre ich natürlich auch mit dem Liegerad hin, also nicht das, was man gemeinhin unter Freizeitbeschäftigung versteht.

Würde ich jetzt nicht noch diesen Beitrag tippen, wäre ich auch schon längst unterwegs, um weitere wichtige Bedürfnisse zu befriedigen, nämlich die Ernährung. Wenn ich für mich oder meine Katze etwas zu essen kaufe, dann natürlich auch mit einem meiner Liegeräder, alle sind mit Taschen oder Koffern ausgerüstet. Außerdem werde ich mir heute noch an der Traun frischen Bärlauch und diverse andere Kräuter für den Salat holen, das deckt dann zusätzlich auch noch das Bedürfnis nach Bewegung in der Natur ab, spart nebenbei Geld und ist gesünder als Salat aus dem Supermarkt zu essen.

Das Geniale gerade am Liegerad ist nun, dass ich in geradezu optimaler Weise die Bedürfnisse meines Körpers nach Bewegung mit den Bedürfnissen meines Geistes kombinieren kann. Ich gehöre zu den Menschen mit sehr aktivem Geist. Wenn ich meinen Gedanken nicht mindestens einige Stunden am Tag freien Lauf lassen kann, dann drehe ich durch, ich brauche dieses Denken einfach zur Erhaltung meines geistigen Gesundheit. Mittlerweile ist mir klar, dass dies nicht allen so geht und ich damit eher eine Ausnahme darstelle, aber vielleicht kann der eine oder die andere ja nachvollziehen, was ich meine.
Und dieses Strömenlassen der Gedanken klappt bei mir nirgends so gut wie auf dem Liegerad, vermutlich durch die Kombination von entspannter Haltung und gleichmäßiger Bewegung. Ich weiß auch dass ich nicht der einzige bin, der auf dem Liegerad die besten und kreativsten Ideen hat.

Liegeradfahren hat also in der Tat etwas wahrhaft Meditatives für mich, das kann mir kein anderes Rad oder Fahrzeug allgemein bieten. Und bevor jetzt wieder einige wohlmeinende Hinweise kommen, dass Meditieren im Verkehrsgewühl gefährlich sein könne: Ich bin jetzt seit fast 30 Jahren und über 586Tkm unfallfrei unterwegs, ihr könnt also davon ausgehen, dass ich weiß, man ich aufpassen muss und wann ich es lockerer angehen kann.

Ein etwas abstrakteres Bedürfnis, das auch Troubadix angesprochen hat, möchte ich auch noch erwähnen: Das Bedürfnis etwas zu tun, das nicht nur für einen selbst, sondern auch für die Allgemeinheit sinnvoll und nützlich ist. Also etwa die Umwelt zu schützen, möglichst wenig Lärm zu erzeugen, die Luft rein zu halten oder dergleichen. Ich kenne wirklich kein anderes Gerät, mit dem ich sowohl mir selbst wie auch den anderen so genussvoll etwas Gutes tun kann. Also geht mir bloß weg mit dem Argument, als Umweltschützer müsse man ein Asket oder gar ein Masochist sein. Zumindest ich selbst bin der reinste Genussmensch und werde diesem Genuss jetzt gleich, wenn auch mit etwas Verspätung frönen. Aber anderen seine Gedanken mitzuteilen, kann ja auch ein Bedürfnis sein. :)
 
Frage mal den normalen Radfahrer, welche Reparaturen er selber durchführt. Nicht alle Radfahrer können einen Reifen flicken...
Für manche Radfahrer hat Luftpumpen schon den Stellenwert kurz unter Raketenwissenschaft. Sind meine täglichen Herausforderungen.
 
Luftpumpen schon den Stellenwert kurz unter Raketenwissenschaft
Wenn 98% der am Markt erhältlichen Teile nicht funktionieren ist das auch kein Wunder.
Ein Auto an der Tankstelle kann jeder Aufpumpen, aber ein Rennventil, mit einer Fahrradpumpe, womöglich noch mehr als 2bar?
 
Wenn 98% der am Markt erhältlichen Teile nicht funktionieren ist das auch kein Wunder.
Ein Auto an der Tankstelle kann jeder Aufpumpen, aber ein Rennventil, mit einer Fahrradpumpe, womöglich noch mehr als 2bar?
Außer Fatbikereifen muß Alles über 2 bar aufgepumpt werden. Steht alles auf dem Reifen. Die Rückfrage an den Käufer des Ersatz-/Reserveschlauches nach dem gewünschten Ventil treibt die Leute meist ins Grübeln. Selbst der Blick aufs Ventildisplay hilft nicht immer. Mit viel Glück wurde vorher die richtige Größe er(raten)mittelt. Mal von den Angeboten aus der Grabbelkiste oder den mitgelieferten Zubehörluftpumpen abgesehen funktionieren die meisten Pumpen recht gut. Vorausgesetzt die Pumpe oder der entsprechende Einsatz paßt zum Ventil oder ist richtig montiert. Eine 6 bar Pumpe schafft natürlich keine10 bar oder mehr für den Schlauchreifen eine Bahnrenners.
 
Die breite Masse [...] überlässt daher den radikalen Umstieg auf Liegen lieber den "speziellen Typen"

Man hört immer öfter den Ausdruck "Psychopathenfahrrad"
Ich nehm das mit Humor, vielleicht liegt ja wie so oft auch ein kleines Fünkchen Wahrheit in dem Begriff.
Denn ganz ehrlich, so ein kleines bisschen spinnert speziell sind die meisten einige von uns ja schon, oder?
 
Altherrenhobby oder Altherrenleidenschaft? Ich vermute die Altersgruppe 50+ ist überproportional vertreten.
1. Man kann trotz Alter schnell und weit und ohne Schmerzen damit fahren.
2. Weitere Gründe sind die finanzielle Hürde bei den Velomobilen, aber auch die gewisse Freiheit (3.) nicht mehr auf so viele andere Belange in der Familie Rücksicht nehmen zu müssen. Deshalb sind wohl auch einige jüngere männliche Singles oder zumindest ohne Nachwuchs dabei. Mit Familie wird es oft schwieriger. Es sei denn man denkt den Autoersatz konsequent. Deshalb beschert Jobrad u.a. einen gewissen Zuwachs.
Für die Altherren bleibt neben vielen Effekten auch der Triumph dem Alterungsprozess zumindest scheinbar die Stirn zu bieten. Früher fand ich Sportwagen reizvoll. Jetzt fahre ich ein Sportfahrzeug, welches sich zu Recht auch so nennen darf.
4. Wir schaffen es wesentlich fittere Knaben und Jungmännern auf ihren Carbon-RR Paroli zu bieten oder sie gar hinter uns im Rückspiegel kleiner werden zu lassen. Für mich immer wieder einer der schönen Momenten in meiner Rappelkiste. Leider treffen ich in meinem Landstrich so selten auf Rennradler. Getunte Mofas sind manchmal noch ein Jagdobjekt. Pedelecs sind nicht der Rede wert.
5. Und ich finde viele VM´s auch sehr formschön.

Das andere es peinlich finden, pubertierende Hühner bekommen Kreischanfälle, ist mir ziemlich egal.
Leute von den Vorzügen zu überzeugen finde ich mittlerweile müssig. Sollen sie über Benzinpreise, Steuern, Staus, ihre Gesundheit, den Alterungsprozess jammern - ist mir ziemlich egal.
Verkehrswende. Räder wären gut. Aber die hiesige Bevölkerung wird immer fauler. Pedelecs entwickeln sich zum Statussymbol. Mehr fahren tun die meisten deshalb nach anfänglicher Euphorie auch nicht. Deshalb werden VM´s und LM´s, noch peinlicher, vorerst kein Massenphänomen. Die Leute haben genug Geld für Auto usw.

Eigentlich ist es doch ganz schön, dass wir eine spezielle Randgruppe bleiben. Sehr exklusiv. :)
 
Ich habe eigentlich noch keine negative Rückmeldung zu meinen Dreirädern bekommen. Eher Interesse und gerade die Jüngeren finden die Dinger klasse. Wer mal ein paar Meter damit gefahren ist, ist dann eh fasziniert.
Die einzigen dummen Kommentare (wenn auch nicht viele) kamen bisher eigentlich nur von anderen Radfahrern, die sich für den Nabel der Welt halten, sich offensichtlich zu sehr über ihr Rad identifizieren und die dann mal hin und wieder abfällige Bemerkungen über den Pedelec-Antrieb fallen lassen. Armselige Wichte.
 
Zu Flevo-Bikes, 2 Räder in einer Gegend in der es sosnst keine Liegeradfahrer gibt aus Gesprächen mit anderen Verkehrsteilnehmern: ca 2/3 glauben da fährt ein körperlich Behinderter (und weichen großräumig aus) und der Rest erkennt worum es ich bei dem Gefährt handelt und tippt auf geistig... herausgefordert; im besten Falle, Zitat:"Rückenprobleme oder weshalb so was uncooles?"
 
Ein weiterer Aspekt, warum so viele Liegeradler, Triker und Velomobilisten ü50 sind: die geburtenstarken Jahrgänge sind es auch. Der Peak in D war 1964, d. h. die sind jetzt 55 und teilweise 56.
Selbst wenn in jeder Altersgruppe der selbe Prozentsatz LR oder VM fahren würde, wäre diese Altersgruppe also am stärksten vertreten.
Allerdings kommt das m. E. nur zu den schon zuvor genannten Gründen wie finanzielle Situation, weniger Abhängigkeit von der Meinung anderer usw. hinzu.

Aber egal, ich fahr gerne LR, und war (wie wohl sehr viele hier) auch schon früher ziemlich unabhängig von der Meinung anderer (auch wenn ich erst mit Ende 30 zu LR kam).

Viele Grüße,
wolf
 
Ich denke dass die Art, wie wir aufwachsen, einen starken Einfluss darauf hat, wie wir Mobilität leben. Im Kindesalter ist nach "Mama" und "Papa" das Wort "Auto" doch so ziemlich als nächstes Wort an der Reihe.
Also wenn ich mich recht erinnere war das Erste Wort meiner ältesten Tochter nicht unter diesen:
"Nein":oops:
 
Ich war tatsächlich der erste in unserer Familie, der einen Führerschein hatte und das auch nur, weil meine Mutter als Kunsthandwerkerin einen Fahrer für ihre Ausstellungen brauchte. Dementsprechend war bei uns "Auto" sicher nicht das erste Wort nach Mama und Papa.
Mich stört gerade der Begriff "Hobby": Ein Hobby ist für mich eine Oase der entspannten, genussvollen Bedeutungslosigkeit und bei manchen Leuten nimmt das dann überhand, bis die Bedeutunglosigkeit alles überwuchert. Ebensowenig ist für mich die aktiv betriebene Musik ein Hobby, weil ich Musik als eines der höchsten menschheitlichen Kulturgüter betrachte und ihr einen hohen Eigenwert zuschreibe.
Wenn ich versuche, Alternativen zu als Fehlentwicklungen erlebten anderen Verkehrsformen zu praktizieren und damit auch mitzuentwickeln bzw. durch sichtbare Nutzung zu ihrer Verbreitung beizutragen, dann ist das für mich kein "Hobby", sondern ein außerberufliches, aber trotzdem wichtiges Wirkungsfeld. Das ginge bzw. geht buchstäblich natürlich auch auf dem Upright oder zu Fuß, aber ich bin nun einmal vor -x Jahren aus voller Überlegung in der Ecke Liegerad & Co. gelandet und sie macht mir inzwischen richtig Spaß.
Vielleicht bin ich auf dem direkten Weg zum renitenten Senioren, der starrköpfig an seinen Idealen festhält. Kein Problem damit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei mir hat das Liegeradfahren auch u.a. mit der Gesundheit zu tun und der Möglichkeit, gesund zu bleiben und die Mobilität zu genießen. In meiner Gegend trifft man selten auf Liegeräder/VMs; mehrheitlich entscheiden sich Leute für Pedelecs, weil das weniger schweißtreibend ist. Mit meinen 66 Jahren gehöre ich zu den Älteren - wenn ich um mich sehe und unterwegs bin mit dem Trike bin ich jünger als die meisten Jungen .
Es ist mir immer eine Freude, mit dem Trike zu fahren und wenn ich das tue, dann trete ich auch ordentlich in die Pedale. Ich werde dann von Rennradfahrern und Pedelecfahrern verfolgt, manchmal auch überholt. Meistens fahre ich den Leuten aber irgendwann auf Langstrecke davon.
Das ist aber nicht meine Zielsetzung, sondern dieses vorher nie gekannte Gefühl von Fahrkomfort und ( so nahe am Boden ) der ganz intensiven Wahrnehmung von Geschwindigkeit gepaart mit der Bewegung der empfindlichen Steuerung . Abseits der Straße hat das auch mit der komfortablen Geländegängigkeit und dem lauteren Reifen/ Fahrgeräusch zu tun, da ich nahe am Reifen bin. Dieses Abrollen und Überrollen von Gelände ist auf dem Trike sehr intensiv zu erfassen und mit herkömmlichem Radfahren unvergleichbar.
Triken/ Liegeradfahren ist ein All-Generationensport! Manchmal jauchze ich einfach beim Fahren, weil die Freude raus muss.
Kein Altherrensport, aber auch noch im höheren Alter möglich !
 
dieses vorher nie gekannte Gefühl von Fahrkomfort und ( so nahe am Boden ) der ganz intensiven Wahrnehmung von Geschwindigkeit gepaart mit der Bewegung der empfindlichen Steuerung . Abseits der Straße hat das auch mit der komfortablen Geländegängigkeit und dem lauteren Reifen/ Fahrgeräusch zu tun, da ich nahe am Reifen bin. Dieses Abrollen und Überrollen von Gelände ist auf dem Trike sehr intensiv zu erfassen und mit herkömmlichem Radfahren unvergleichbar.
Ich will gar nicht erst versuchen da inhaltlich noch was hinzuzufügen ... @Liegetüm(y) ... dieser Post schien wohl nicht nur mir so absolut perfekt. Ich glaube viele, vllt. sehr viele Noch-Nicht-Lieger liessen sich durch solch einen Text / eine solche Ansprache auf einer Website / im Kundengespräch tatsächlich spontan überzeugen. Laufkundschaft wird so Stammkundschaft ... Die Kasse würde mancherorts viel öfter klingeln ...
Mannomann, @Liegetüm, echt WOW ...

Beste Grüße
Frox

editPS: Rational erfassbares Erlebnis-Marketing ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht bin ich auf dem direkten Weg zum renitenten Senioren, der starrköpfig an seinen Idealen festhält. Kein Problem damit.
Ach daher kommt Dein Nickname. Zuerst verbinde ich ja mit Troubadix die schräge Musik und Du spielst ja eigentlich ganz gut - aber eine gewisse Starrsinnigkeit... :ROFLMAO:
C.
 
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