Belastbarkeit gängiger Rahmenmaterialien

Jack-Lee

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Servus,

da mir immerwieder auffällt, dass viele noch keine großen Erfahrungen mit der Belastbarkeit/Steifigkeit div. Rahmenmaterialien gemacht haben und somit gern auf falsche Vermutungen Entscheidungen fällen, habe ich mir die Mühe gemacht, mal eine kleine Übersichtstabelle zu erstellen.
Ein grundsätzlicher und einfacher Vergleich als Biegebalken mit 1200mm Spannweite (recht typischer Radstand bei Liegerädern) und mittiger Auflast.
Beim CrMo-Stahl bin ich von den pessimistischsten Werten (600MPa) ausgegangen. Die im Fahrradbau verwendeten, mirkolegierten, Legierungen liegen in der Regel um ca. 20-80% (750MPa - 1100MPa) darüber in Sachen Dehngrenze (Dementsprechend kann die Wandstärke verringert, oder die Auflast erhöht werden).

Für das 9kg Trike wurde beispielsweise 45x0,8er Rohr genutzt. Wie man sieht liegt dessen Festigkeit noch nennswert über dem vom allseits beliebten 40x40x1,5er Vierkantstahl, das gern auch für eher höher belastete Räder hergenommen wird. Man sieht auch hervorragend wie es zu der Annahme kommt, Stahlrahmen seien weicher bzw. weißen eine gewisse Eigenfederung auf. Je nach Auslegung kann dies wirklich erreicht werden, ohne abstriche bei der Belastbarkeit zu machen. Bei den Leichtmetallen (Titan und Alu) ist zu bedenken, das diese sehr Kerbrissempfindlich sind. Das heist das Dickensprünge und "Kerben", z.B. Schweißnähte, Bohrungen, usw. die ertragbare Festigkeit extrem herabsetzen. Bei AW6060 wird zudem, ohne nachträgliche Wärmebehandlung, nur ca. 40% der ursprünglichen Festigkeit in Nahtnähe erreicht.
Bei Titan sieht man, das man extrem leicht und stabil werden kann (wenn man Materialgerecht konstruiert), aber es schnell probleme mit der Steifigkeit bekommt. Dies kann man nur teilweise mit größeren Rohrdurchmessern begegnen, da sonst die Wandstärke zu stark absinkt.
Materialwahl und Dimensionierung machen immense Unterschiede aus.

Materialvergleich.jpg

Gruß,
Patrick
 
Wo bekommt man sinnvollerweise die Materialien her?
Ich tu mir immer sehr schwer damit Lieferanten zu finden.

Danke für die Arbeit.
Ich würde "Edelstahl" auch noch in die Liste aufnehmen, obwohl Festigkeitsmäßig nicht ideal, aber in extrem vielen Dimensionen und leicht zu bekommen.

Was mir noch einfällt,
dass die Dehngrenzen dann auch noch erheblich von der letzlichen Zeitfestigkeit abweichen kann. Das Rad wird ja dynamisch belastet.
Leider findet man nur wenig Infos zur Zeitfestigkeit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo @Jack-Lee ,
stell doch deine excel-Tabelle einfach nochmal dazu rein. Es macht sehr viel Spaß, damit rumzuspielen...
Wegen
auf falsche Vermutungen Entscheidungen fällen
fände ich es wichtig, und darauf spielt ja auch @lotharko an, mal über die Hooksche Gerade und den E-Modul zu reden. Dazu wäre in der Tabelle z. B. ein Vergleich der Durchbiegung von 25CroMo4 und St37 bei gleicher Materialform und gleicher Wandstärke und gleicher Biegekraft interessant. Die Zahlen wären ja dann erst mal gleich.
Eine bestimmte Federwirkung des Stahlrahmens ist ja schon schön und ggfs auch als Konstruktionsmerkmal beabsichtigt.
Aber letztlich geht es doch um die Steifigkeit des Antriebs. Ich möchte meine spärliche Energie ja nicht dafür nutzen, das Rahmenrohr durch Verbiegen zu erhitzen sondern um vorwärts zu kommen.
D.h. das ganze cromosuperstahl-blabla lässt dich als Hersteller vielleicht nachts ruhiger schlafen weil du weißt, der cromo-Stahl kann sich stärker verformen bis es zur bleibenden Verformung und dann zum crash kommt.
Für mich als Fahrer ist das aber erst mal uninteresssant bis unerwünscht (wenn der Konstrukteur diese Materialeigenschaft nutzt). Ich möchte einen Ausleger, der sich bitteschön gar nicht verformt, wenn ich in die Pedale trete. Insofern ist es mir auch egal, ob die bleibende Verformung bei 3% oder 5% Biegung eintritt.
Wenn man die Werte in deiner Tabelle oben anschaut, würde ich klar das 60x1 Cromorohr bevorzugen. Es hat die geringste Verformung bei 1000N Belastung und ist immer noch deutlich leichter als mein ZOX-Rohr. Die hätte es in dem Belastungsbereich aber genauso, wenn es ein ST37 bzw S235 Baustahlrohr wäre, das ist also unabhängig von der Sathlsorte. Nur, und da kommt dann noch die reale Marktsituation dazu, gibt es das in Baustahl halt nirgends zu kaufen.
Wenn man mal dein Trikerohr mit meinem ZOX- Rohr vergleicht, hast du eher die Gummikuh:p (Biegung 3 zu 6,3 mm), dafür wiegt sie nur halb so viel. Wie intelligent diese Materialeigenschaften dann zu einem (steifen) Gesamtrahmen verkonstruiert werden, ist noch einmal eine andere Sache.
Was am Ende aber auch klar ist, dein Sub-9 Rahmenrohr hält letztlich absolut gesehen mehr aus (bleibende Verformung kommt später), als z. B. das ZOX Rohr oder beim Trike das Mambo-Rohr. Und bei den beiden ist der Kritikpunkt ja auch nicht "nur für Leichtgewichte gemacht". Und darauf wolltest du ja mit deiner Betrachtung hinaus.
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Wo bekommt man sinnvollerweise die Materialien her?
Ich tu mir immer sehr schwer damit Lieferanten zu finden.
z. B. beim TO,
bei novosport
oder bei wolf&Wolf. Die sind sehr nett und vergleichsweise günstig (trotz Franken), nur der Versand von außerhalb der EU:whistle: ist vergleichsweise teuer.
 
Hallo Micha,

Ich möchte einen Ausleger, der sich bitteschön gar nicht verformt, wenn ich in die Pedale trete.

das dürfte nicht zu realisieren sein, ich würde die Formulierung auf "nicht bemerkbare" oder "nicht störende" flexible federnde Verformung legen.

Dennoch ein prima Beitrag! (y) Wichtig zu erwähnen ist u.A. noch, dass der Sitz sowie die Kurbeln auch nicht 100% steif sind (sich demnach auch federnd verformen) und gesetzt der Fall, dass der Rahmen der "Gummikuh" noch deutlich steifer ist, als der Rest, die Rahmen(un)steifigkeit vermutlich nicht auffallen oder in Betracht fallen sollte.

Viele Grüße
Wolf
 
@lotharko : Ja, bis zur Streckgrenze. Bruch ist ja eher uninteressant, denn ein bis auf den Boden durchgebogenen Rahmen kann man auch nicht sinnvoll nutzen ;)

@Gasi : "Hundsnormaler" Edelstahl (V2A und V4A) weist ca. die Festigkeit von St37/S235 auf. Neigt aber extrem zum kaltverfestigen. Bei gebogenen Rohren ohne nachträgliches schweißen/löten werden dann schnell Streckgrenzen im Bereich von ST52 und mehr erreicht. Die "Zeitfestigkeit", also eigentlich die Wechsel/Schwellfestigkeit der fertigen Konstruktion hängt extrem von der Ausführung ab.
Ein durchgehendes Rohr weist eine erheblich höhere Belastbarkeit auf, als eines mit einem Loch oder einer Schweißnaht (aka Kerbe).
Was aber definitiv nennenswert ist: Leichtmetalle (Titan und Alu) weißen eine stetig fallende Wöhlerkurve auf. Das heist das es keinen Bereich gibt, im dem diese Legierungen wirklich dauerfest sind.
Man muss somit oft heftig überdimensionieren um Kerbrissanfälligkeit und eben jene Zeitfestigkeit soweit zu kompensieren, das die Rahmen lang genug halten.

Anbei mal ein Vergleich von AW2024 , einer AlMgCu-Legierung, für hochbelastete Teile(höhere Festigkeit als AW6060) , einem einfachen Kohlenstoffstahl und Titan Grade5.
Man kann sehr gut erkennen, das Stahl eine sehr hohe Wechselfestigkeit im Verhältnis zur Streckgrenze aufweist, Aluminium extrem abfällt (ohne Platau am Ende) und Titan eine "Mischung" aus beidem darstellt.
Wöhlerkurve-AW2024 .jpg Wöhlerkurve-legierter Stahl .jpg Wöhlerkurve-TitanGrade5 .jpg

@Reinhard : Bitte setz noch folgende Links für die Materialbeschaffung mit in den 1. Post (Und noch die letzten 2 sätze zum Vergleich der Legierungen mit den Bildern wenn möglich):
www.ceeway.com (Rahmenbaumaterial für "Normale" Räder hauptsächlich Columbus)
www.totembikes.de (Wie Ceeway, aber mit mehr Auswahl im Bereich BMX/MTB)
www.reset-racing.de (Wie Ceeway, etwas andere Auswahl an Rohrdimensionen)
www.25crmo4.de (Dickwandigere CrMo-Rohre in div. größen + Anschlweißteile sowie gute Geräte zum bearbeiten. Speziell der "Notch-Master")
www.novosport.de (Kann Rohre von "VanRaam" aus Holland besorgen)
www.tennant-metall.de (Große Auswahl an CrMo und CrV Rohren. Leider zu gesalzenen Preisen)
www.gemmel-metalle.de (Riesige Auswahl an allen möglichen Materialien (hauptsächlich nichteisen). Gute Quelle für Alu)

@Micha13 : CrMo hat seine Vorteile, keine Angst ;)
Denn du kannst viel dünnere Wandstärken fahren, ohne Angst haben zu müssen das es bei der kleinsten Last verbeult. So kann man größere Rohrdurchmesser in Kombi mit dünneren Wandstärken nutzen was leichter UND steifer wird.
Kann man im Rahmenbau bei den UPs gut sehen. Mein Stahlrahmen mit riesigen 42er Stahlrohren aber nur 0,4mm Wandstärke ist brutal steif und stabil und kommt auch auf "nur" 1600g.Ähnlich haltbare Alurahmen sind schwerer.
Und man sieht ja an der Tabelle gut das das bleischwere 40x40 Vierkantrohr kaum steifer als das gut halb so schwere 50er CrMo Rundrohr ist (welches fast doppelt so viel Last verträgt). Bei Torsion sowieso. Vierkant gegen Rundrohr stinkt da ab.
Wegen der Elastizität.. schau dir mal meine Alben und Räder an.. die ersten HiFlys waren aus 60x1. Steif ohne Ende. Zu steif. Denn es war nicht nötig. Es hat sich bei Tests dann doch gezeigt das auch einige % Verformung ohne jeglichen Wirkungsgradverlust verkraftbar sind, das Rad aber viel leichter und komfortabler wird. Ich bin über die Jahre von 40x40x1,5 über 60x1 auf 50,8x1,2 und mittlerweile bei 50,8x0,9 angekommen. Selbst das "dürre" 45x0,8er Rohr ist am Trike durch die Kettenlinie und Konstruktion mehr als ausreichend steif, selbst auf dem kleinen Kettenblatt.
Wie sagt man so schön: Festigkeit kommt durchs Material, Steifigkeit durch die Konstruktion ;)

@independent mechanic : Ganz einfach: Richtige Zusatzmaterial nutzen, Material nicht überhitzen, fertig. Keine Nachbehandlung erforderlich, da weder starke Erweichung noch Versprödung. Ist n feines Material. Sehr unkritisch. Besser zu verarbeiten als Baustahl.
 
Man möge mich berichtigen, aber für mich ließt sich der Text so als wäre CrMo das einzig wahre Material für den Leichtbau.

Dem ist ganz gewiss nicht so, wie ich am vergangenen Samstag live am Stand von AVD ( Windcheetah ) betrachten konnte,
ein guter Mix aus verschiedenen Materialien ist im Leichtbau ziehlführender.

Keine Nachbehandlung erforderlich, da weder starke Erweichung noch Versprödung. Ist n feines Material. Sehr unkritisch. Besser zu verarbeiten als Baustahl.

Hier vermute ich einmal den Hauptgrund für die Bevorzugung von CrMo.
Materialien wie Aluminium oder Titan benötigen einen viel höheren Aufwand in der Bearbeitung wie auch der Nachbehandlung und sind weitaus Kostenintensiver.
Da viele kleine Firmen und erst recht der Privatanwender nicht die Fähigkeiten und/oder Möglichkeiten haben diese Materialien zu be- und verarbeiten, bleibt ihnen nichts anderes übrig
als auf Baustahl ( CrMo gehört auch zu den Baustählen ) zurück zu greifen.

Sicherlich lässt sich auch damit leicht bauen wie zu sehen ist, aber es ist eben nicht die erste Wahl für ambitionierten Leichtbau und sollte aus diesem
Grund auch nicht als solches dargestellt werden.

Anbei noch ein Link für Aluminiumhalbzeuge für diejenigen die es bearbeiten können.
http://ess-metallhalbzeug.de/lagerliste/
Hierbei ist AW 7020 in großer Auswahl als Rahmenmaterial und AW 7075 für Fräs und Drehteile interessant.
Die Firma liefert auch in Kleinmengen, allerdings nur an Gewerbetreibende doch da findet man sicher immer jemanden im Bekanntenkreis
der dort bestellen kann.
 
wenn man 20ig jahre Erfahrung hat weiß man das alu nicht das Mittel der wahl ist, es gibt kein größeren rücklaufer Reklamationen wie alu, große Firmen sind damit deswegen schon pleite gegangen.
ich finde Franz hat zwar wieder etwas geschrieben aber nix gesagt.
stahlrahmen sollte man mal richtig zu ende entwickeln, da geht noch einiges mehr mit dem Material, Stahl kann eine so ziemlich das beste sein, ach ja baustahl
 
Franz hat lediglich 2 Themen "gemixt", die Quelle für die Alu-Halbzeuge ist lediglich eine Ergänzung von Patricks Liste für Materialbeschaffung. Sonst nix ...
 
es gibt kein größeren rücklaufer Reklamationen wie alu, große Firmen sind damit deswegen schon pleite gegangen.

Das stimmt leider nur bedingt, seinerzeit waren selbst die großen Firmen noch zu unerfahren im Umgang mit dem Werkstoff ( richtiger Schweißzusatz, Lösungsglühen, Kleben.... ) und
einige Aluminiumlegierungen noch nicht ausgereift.

Heute haben aber die Firmen, die nicht in den Konkurs gegangen sind, aus Ihren langjährigen Erfahrungen gelernt.
Darum schrieb ich auch das es für den Laien unmöglich und für den Erfahrenen schwierig ist Materialien wie Aluminium und Titan sachgerecht und sicher zu verarbeiten.
Aber es ist nicht, wie dargestellt unmöglich, damit sichere und sehr leichte Rahmen zu bauen, sonst gäbe es diese nicht.

Edit:

Hier noch ein Link für den interessierten Laien in dem nicht nur die Materialeigenschaften für den Rahmenbau erörtert werden
sondern auch allgemeinverständlich die wichtigsten Fachbegriffe ( ohne deren Verständnis man keine Zahlen deuten kann ) erklärt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
@independent mechanic : Ganz einfach: Richtige Zusatzmaterial nutzen, Material nicht überhitzen, fertig. Keine Nachbehandlung erforderlich, da weder starke Erweichung noch Versprödung. Ist n feines Material. Sehr unkritisch. Besser zu verarbeiten als Baustahl.

Mich verwundert und verwirrt dieser Widerspruch immer wieder. Im Motorsport ist CroMo für sogenannte Selbstbaukäfige verboten, bzw dürfen das nur speziell von der FIA zertifizierte Firmen verwenden (die Käfige werden dadurch immerhin ca. 25% leichter). Eben wegen Versprödung und Rißanfälligkeit durch das Schweißen. Diese Firmen verwenden spezielle Glühkissen, um die Schweißzonen langsam abzukühlen. Für Selbstbauer erlaubt ist nur St 37/52 Nahtlos.
 
Mich verwundert und verwirrt dieser Widerspruch immer wieder. Im Motorsport ist CroMo für sogenannte Selbstbaukäfige verboten,
Moment, das sind aber zwei paar Stiefel. Das eine Werkstück soll weit unter der Dehngrenze betrieben werden, während das andere darauf ausgelegt wird, deutlich plastisch verformt zu werden, ohne daß Schweißnähte aufreißen dürfen.
Da würde ich mich auch auf keine Diskussion einlassen, wenn ein Hobbyrennsportler mit seinem selbstgeschweißten Überrollkäfig kommt.

Gruß,

Tim
 
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