Aus dem Leben eines EVO-R

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Anhang anzeigen 126316 Anhang anzeigen 126317 Spieglein, Spieglein an der Wand wer ist die Schönste im ganzen Land? Ich bin es! Ohne jeglichen Zweifel. Beyss hat mich in einer Sternstunde entworfen und gebaut. Er hat die aesthetische Idealform für das Velomobil gefunden und es wird nie etwas Schöneres geben. Ich betone, die aesthetische Idealform, nicht die praktische Idealform. Aber davon später. Bei der Namensgebung war er nicht so begnadet. Was soll EVO-R, warum nicht EVA. Alle haben schönere Namen als ich, MILAN, STRADA usf. Aber ich bin die Schönste! Ich habe, bzw. hatte etwa 50 Schwestern. Alle genau so schön wie ich. Die eine, mit olivem Teint, ist bis zum Nordkapp gefahren. Die anderen sind über den Erdball verteilt und werden behütet ung gepflegt wie kaum ein anderes Velomobil.

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Ich bin als jüngste lange zu Hause bei Beyss geblieben bis entschieden wurde, dass mein Platz in der Schweiz bei Dynamik sein wird. Dynamik wollte mich zuerst selbst abholen. Zum Glück hat ihn Elmar davon abgehalten. Dynamik hätte das sowieso nie geschafft. Elmar hat mich sorgsam südwärts gefahren bis an die Schweizergrenze. Dort wurde ich feierlich meinem neuen Besitzer übergeben. Natürlich nicht ohne die schreckliche Geschichte vom unvorsichtigen Velomobilfahrer, der bereits die erste Kurve verpasste und in einem Waldtobel sein Ende gefinden hatte. Können diese Menschen uns nicht besser Sorge tragen.

Beinahe wäre mir das gleiche Schicksal beschieden gewesen. Mit mehr Glück als Verstand sind wir bei der ersten längeren Gefällsstrecke an einem entgegegkommenden Holztransporter haarscharf vorbeigedüst. Nachher gabs eine längere Pause. Mein Besitzer musste sich wohl bei einem Whisky oder so vom Schreck erholen. Nachher gings dann gemütlich und vernünftig weiter bis zum Haus von Dynamik, wo ich ein warmes und trockenes Plätzchen im Studierzimmer habe.

Mein neuer Besitzer meint, ich sei zwar die Schönste aber nicht unbedingt die Praktischste. Tja, was erwartet ihr von einer Schönheitskönigin? Die machen bei Regen ja auch nicht unbedingt eine gute Falle. Ich sei gefährlich, meint er. Tja dann soll er mir Sorge tragen und schön langsam fahren. Wollte er nicht. So wurde mir eine Hinterradbremse verpasst. Zusätzlich bekam ich neue Vorderräder mit Kühltürmchen, damit man nicht nach jeder Passfahrt auf meinen Naben Spiegeleier braten kann. Dann wurde mein schönes Top halbiert, damit man sich weniger wie in einem Sarg vorkomme. Die Aerodynamik stimmt zwar immer noch recht gut aber jetzt wird man bei Regen ein bisschen nass. Hab's ja gesagt, eine Schönheitskönigin ist nichts für Regenwetter. Ein Schlumpfgetriebe musste auch eingebaut werde, denn dort wo der Dynamik zu Hause ist hats tonnenweise Berge.

Nachdem alle meine vermeintlichen Schwächen ausgebügelt waren ging's los auf so eine Art Mini-Tour-de-Suisse. Dem Rhein entlang den Bergen entgegen, über den Oberalppass, über die Furka und dann das Wallis runter. Und da kurz nach Münster ist das Schreckliche passiert. Mir wird jetzt noch schwindlig wenn ich dran denke. Die Strecke war bolzengerade mit etwa 5% Gefälle. Im Nu hatten wir auf 70 kmh beschleunigt, denn schliesslich bin ich nicht nur wahnsinnig schön sondern auch wahnsinnig schnell. Die Leute sagten später, ich sei ab wie eine Rakete. Nach dem letzten Haus hat es uns dann erwischt. Ein Windstoss von rechts, ich kippe leicht nach links, eine Steuerkorrektur und ich kippe leicht nach rechts, wieder eine Steuerkorrektur und dann ging alles sehr schnell. 200 m sind wir auf dem Asphalt geschlittert. Es war eine Ewigkeit. Auf einem Rasenstück sind wir dann schliesslich zum Stillstand gekommen. Eine nette Frau meinte, Dynamik hätte sicher einen Schock und müsse ins Spital. Der wollte aber nichts davon wissen. Weitergefahren wird! Dass aber meine ganze linke Seite verkratzt war und sogar ein kleines Loch abbekommen hat, darum kümmerte sich niemand.

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War wohl etwas zuviel Freude an der Dynamik.
 
Nette Geschichte, nur das mit dem Bilder einstellen muss @Dynamik noch etwas üben. ;)
Und viele VMs fahren mit Kampfspuren rum, auch meins
 
Oh Schreck!
ist die Schönheit eher Seitenwind sensibel, oder hats Dir eher die Lenkung verrissen, oder hast Du etwa die neue Hinterradbremse betätigt?
Es gibt ja viele Stories von besseren Lenkplatten. Sind die Deiner Schönheit 'bessere' oder 'alte'?
GFK kann man ja gut reparieren. Meine HPDM Kiste müsste ich wegwerfen, bzw. eine neue Karosserie in Australia bestellen. Falls ich noch fahren wollen würde.
 
Lieber Harry, leber fan-dan, bin sehr dankbar für ein paar Tips zum Bilderreinstellen, damit dann die Forzsetzung mit Bildern erscheint. Die Kampfspuren sind dank Elmars Schmink- bzw. Carbonreparaturset fast vollständig vetschwunden. Nur an der ach so schönen Glaskuppel prangen quasi als memento mori ein paar Kratzer.
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Auf welche Weise nutzt du die bergab? (y)

Bei plötzlichem Seitenwind bremse ich lieber hinten. Bei langen Passabfahrten bremse ich abwechselnd hinten und vorne.
 
Hallo Dynamik,

unten rechts auf "Datei hochladen" klicken, entsprechendes Foto hochladen und "Miniaturansicht" oder "Vollbild" anklicken. Das für die weiteren Fotos wiederholen.

Gruß
Rolf
 
Lieber Rolf, danke für die Unterstützung. Vielleicht schaff ich das.


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Von weitem liest sich die Beschriftung wie "no one" statt "go one"
 
200m geschlittert ?

ich bin nur 30-40m geschlittert..
bei 200m wäre bei meinem wohl kein GFK mehr über zum wegschleifen..
 
Da hätte wohl jemand @Dynamik sagen sollen, dass die Schöne recht kapriziös ist vor allem wenn man an ihrer Lenkung hantiert. Ist eben berührungsempfindlich. Nicht so ein Ackergaul wie ein QV das einfach immer geradeaus fährt, und auch nicht so handzahm wie ein DF.
 
  1. ...und hinten Bremsen?? Bei Seitenwind, und bei dem üppigen Heck der schönen EVA? Mit 70? Das sollte wirklich No One. (n guter Name. übrigens)
 
Handzahm waren Schönheiten noch nie. Das ist schon richtig. Aber ein üppiges Heck? Von hinten gesehen sicher nicht. Aber aus dieser Richtung kommt auch kein Wind. Und damit hat Fan-Dan den Nagel auf den Kopf getroffen. Für den Querwind ist das Heck nicht ohne. Aber davon später.
 
Bei einem Dreirad-VM sollte man hinten nicht nennenswert bremsen können. Schnell kann das Hinterrad die Haftung verlieren und beginnt überraschend zu schleudern. Nicht umsonst haben praktisch alle VM keine Hinterradbremse (außer die 45 km/h-zugelassenen, die dies vorgeschrieben bekommen).
 
Spieglein, Spieglein an der Wand ...? Ja das war einmal. Seit dem Zwischenfall am Furkapass wohl nicht mehr. Dabei war es gar nicht meine Schuld. Ein Leben lang hat sich mein Besitzer mit Dynamik befasst, aber von Aerodynamik hat er keine Ahnung. So träume ich halt im Studierzimmer von Dynamik von vergangenen schöneren Zeiten. Draussen ist es kalt und nass und das ist ohnehin nichts für eine Prinzessin.

Heute ist ein Paket von Elmar an mich angekommen. Ich werde vorsichtig auf ein weiches Bett gehievt, Scheinwerfer werden angeknipst und ich werde operiert. Da die Operation nicht länger als 8 Stunden dauern sollte, hat Frau Dynamik kein Veto eingelegt. Sie ist überhaupt sehr grosszügig mit mir. Fährt ja selbst auch so ein dreirädriges Modell, allerdings ohne Draperie. Soll damit das Tal des Todes durchquert und die Anden überwunden haben. Davon kann unsereiner nur träumen.

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Nach 8 Stunden stehe ich wieder auf meinen Rädern. Meine Blessuren sind verheilt und jetzt gehts zur Kosmetik. Und das dauert bei einer Schönheitskönigin halt ein bisschen länger. Schliesslich sind wir das unserem Stande schuldig. Nach zwei Wochen stehe ich wieder in makelloser Schönheit im Studierzimmer von Dynamik und werde von allen bewundert. Sogar Elmar ist kurz vorbeigekommen. Auf die Frage, wer sich im allgemeinen so eine Schönheit wie mich zulege, meinte er lakonisch: "Ja das sind Leute in reiferen Jahren, die sich ein Stück Jugend kaufen".

Es wird Frühling. Die Natur erwacht und auch die Menschen und ihre Pläne. Vielleicht stimmt das mit dem Stück Jugend halt doch ein bisschen. Südwärts, weit südwärts soll es gehen. Aber zuerst müsse noch einiges an mir optimiert werden. Als ob ich nicht schon schön genug wäre. Das ideale Velomobil sei nicht dasjenige, das beim Kauf perfekt sitzt, sondern dasjenige, das nach allen Aenderungen, die man eingeführt hat, perfekt sitzt. Ist ein bisschen wie bei der Partnersuche. Nur dass man hier die Aenderungen an sich selbst vornehmen muss und nicht am Partner.

2000 km sollen es sein, fast bis nach Santiago de Compostela. Ohne Eile werden wir gemütlich der Rhone entlang gleiten, dann das tiefblaue Meer zur Linken bis wir die Türme von Barcelona erblicken und schliesslic über die Hochebene von Nordspanien rauschen. Ein wahrer Traum. Doch bei aller Gemütlichkeit, sowas braucht Kondition. Und anstatt sich selbst vorzubereiten, verwendet Dynamik die ganze verbleibende Zeit, um mich vorzubereiten. Da werden Tubeless-Reifen angeschafft, die Lenkstummel der Panzerlenkung verlängert und gekröpft (soll viel brquemer sein) und eine Scheibe ins Top eingebaut, damit man die Rotlichter besser sehe (als ob sich Dynamik je um Rotlichter gekümmert hätte).

Kurz vor dem grossen Termin hat es dann doch noch für zwei Proberunden gereicht. Einmal um den Neuenburgersee (100 km) und einmal um den Genfersee (300 km). Die zweite Runde sei vor allem für mich gewesen, um zu sehen, wie meine Schönheit in einem Hotel aufgenommen wird. So eine dumme Frage. Hätte ich ihm gleich sagen können. Bei meiner Schönheit und Eleganz finde ich wohl eher ein Hotelzimmer als er.

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Und dann kam der Grosse Tag. Kaiserwetter, wie es sich für eine Prinzessin geziemt. Dem Südfuss des Jura entlang durch Kornfelder und Weinberge. Was gibt es Schöneres. In vorsichtig schnellem Tempo flogen wir der Calvin-Stadt Genf entgegen. Wobei das mit dem Fliegen galt nur wenns bergab ging oder bestenfalls in der Ebene. Bergauf naja, Dynamik hätte vielleicht doch ein wenig trainieren sollen. Auf alle Fälle haben wir Bellgarde recht spät erreicht und gerade noch das letzte Hotelzimmer ergattert. A propos Hotelzimmer: spät abends während ich mich von den Strapazen des Tages erhole, kritzelt Dynamik unverständliche Zeichen in sein Tagebuch. Das machen die Menschen so, wenn sie alleine reisen. Ich habe mir diese Blätter geschnappt und werde sie Stück für Stück da reinstellen. Wer weiss, vielleicht interessiert das jemanden.
 
Hier die erste Tagebuchseite, die ich gefunden habe. War etwas schwierig zu entziffern. Dynamik war wohl ziemlich etschöpft von den etsten 140 km. Und warum es auf Englisch sein muss, weiss ich auch nicht.

Bellegarde, 10.5.17

To start a journey of three weeks all on your own, leaving your beloved wife, the cats and the garden behind, that needs a good excuse. Fortunately my grandson in Lugo (not far from Samtiago de Compostella) provided the excuse. He will have his first communion end of Mai and I promissed him, that I will come to the celebration and that I will make the journey with the velomobile.

Yesterday I have set the velomobile in perfect running condition. I have even mounted extra fast tubeless front tires. The rolling resistance is said to be 15 % lower. This means that from the 2000 km I have only to pedal 1700 km.

Now I'm sitting in a lovely hotel room in Bellegarde. I just got the last available room in whole Bellegarde. I don't like to imagine what would have happened, if the room would have been taken by someone else. It's raining outside.

The first 140 km are behind me but there are still 1860 km waiting. The journey from Montalchez to Bellgarde was wonderful. The sun was bright but not too hot. I followed the the south-eastern fringe of the Jura with all its vineyards and reached the lake Geneva in Nyon. Along the lake my velomobile was almost flying. In Geneva I assumed that I have just to follow the Rhone river and it will be downhill right to the sea shore. That was a mistake. Between Geneva and Bellegarde the Rhone squezzes through several gorges. They are nice to look at but the road climbs several mountain ridges before it reaches Bellgarde. But tomorrow it will be only downhill, I suppose.

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Geneva with it's "Jet d'eau"
 
Uebrigens das mit dem "Fliegen" dem Genfersee entlang (auf der ersten Tagebuchseite) ist glatt übertrieben. Bestenfalls 40 kmh haben wir gehabt und dabei ging es noch 0.5% abwärts. Dynamik sollte sich ein Präzisions-Inklinometer einbauen lassen, dann würde es weniger Legenden über Maximalgeschwindigkeiten beim Velomobil geben. Hier nun die versprochene
zweite Tagebuchseite:

Voiron, 11.5.17

A river always flows downhill. But the road along the Rhone river seems to obey different physical laws. Today I had to climb a total of 1600 m on only 115 km. How unfair. The road went mainly through foresty area and was really romantic. My velomobile seems to excite a lot of interest. In a remote village a car driver stopped me, just to have a chat about my vehicle. In Aix-les-Bains an elderly lady wanted to know everything about my strange contraption. In exchange she showed me the best bakery in the town.

As two pieces of apple tart with hot chocolate were hardly enough for the remainig part of todays journey, I had to add a second course in a "Brasserie", consisting of fried potatoes with two glasses of white wine. They say, you have to drink sufficiently on bicycle tours. And I guess even more, if you have three wheels.

The road from Aix-les-Bains to Voiron leads through the fairylike "Domaine de la Chartreuse". Already the name should have warned me, that there will be a lot of climbing. These Chartreuses have always been built in remote areas with difficult access. Today this area is known for excelent climbing opportunities (site d'escalade).

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Voiron is a very nice town with a medieval center but no hotels. So I'm lodging a bit outside of the town center. The hotel is a bit too modern for my taste but the evening meal was excelent and at a good price. Except that they put the decimal point on the wrong position. There was a lot of confusion about that and the waitress apologized for the big mistake with the excuse, "vous savez, je suis blonde".
 
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