Aus dem Leben eines EVO-R

Die Italiener und ihre Schlaglöcher. Ich glaube die werden hier kultiviert. Wenn die Strasse von den Lastern mal zerrissen ist, wird einfach eine neue Lage Bitumen draufgewalzt und das ist es dann. Dass sich darnach einzelne Belagsteile lösen und ganz gefährliche Löcher entstehen, das interessiert niemanden. Ich glaube für die nächste Italien-Rundreise wird Dynamik MTB-Reifen montieren.

Cosenza, 8.11.17

Nächtlich am Busento lispeln bei Cosenza dumpfe Lieder ...

Es ist unglaublich, wie ein Gedicht, das man in jungen Jahren gelernt hat, plötzlich eine solch starke Bedeutung bekommt. Man hat Bilder im Kopf von kämpfenden Helden, die für irgend etwas Edles eingestanden sind. Doch die Realität sieht doch etwas banaler aus.

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Sonnenaufgang in Trebisacce

Dass ich heute nach Cosenza gefahren bin, war nicht ganz zufällig. Der Tag begann mit einem traumhaften Sonnenaufgang. Schon bald flog ich auf der SS106 südwärts. Aber dann sah ich den Wegweiser nach Cosenza. Cosenza, Busento, Alerich, Westgoten? Da war doch was ganz wichtiges passiert. Ich verlass die SS106 und steure den Tarsia Staudamm an. Eine wunderschöne Fahrt durch ein wildes Gebirge ohne allzuviel Steigungen. Das Mittagessen am Strassenrand wurde mir noch von einem Früchteverkäufer mit drei Mandarinen versüsst, die er mir einfach so schenkte.

Kurz vor Cosenza verzog sich die Sonne und es schüttete wie aus Kübeln. Und just in einem Tunnel am Stadtrand von Cosenza passiert es. Ich übersehe in der Dunkelheit ein riesiges Schlagloch, es knallt und das linke Rad hat keine Luft mehr. Im Tunnel flicken ist nicht lustig. Also schieb ich mein verletztes EVO-R aus dem Tunnel an ein trockenes Plätzchen direkt vor einen Blumenladen. Der Schaden ist rasch behoben denn ich habe noch einen Ersatzschlauch. Während ich zusammenpacke kommt der Besitzer und lädt mich zu Kaffee und Kuchen ein. Nach so einem Zwischenfall tut das wirklich gut. Wir suchen noch zusammen im Internet ein hübsches Hotel und schon ist der Abend gerettet.

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Blumenladen in Cosenza

Die Altstadt von Cosenza ist quasi zwischen dem Zusammenfluss von Busento und Crati an den Berg geklebt. Die Geschichte von Alerich hat auch hier grosse Bedeutung. In einem Caffé inmitten der Altstadt hängt eingerahmt die deutsche und die italienische Version des Gedichtes von August Graf von Platen "Das Grab im Busento". Ganz so heldenhaft darf man sich diese Geschichte nicht vorstellen. Alarich war ein ausgezeichneter Heerführer und hatte eine gute und kriegserfahrene Truppe beisammen. Seine Kriege waren allerdings "Auftragsarbeit". Einmal kämpfte er für Ost-Rom und dann wieder für West-Rom und dann wieder für Ost-Rom, je nach Bedürfniss und Zahlungsfähigkeit des Auftraggebers. Und da ihm die Römer Geld schuldig blieben (und zwar viel Geld, denn so ein Heer kostet was) hat er sich das Geld in Rom selbst geholt, bzw. Rom geplündert.

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Das Gedicht "Das Grab im Busento" hängt auch im Gran Caffé Renzelli in Cosenza

In Cosenza gabs übrigens nie eine Schlacht. Alerich ist wohl an Malaria gestorben und sein Geld wurde höchstwahrscheinlich dringend gebraucht, um die Soldaten zu bezahlen und nicht um es im Busento zu versenken. Das Umleiten des Flusses wäre an sich keine grosse Sache gewesen, denn der Busento ist nur knapp 2 m breit.

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Altstadt von Cosenza
 
Dynamik scheint doch etwas gelernt zu haben. Heute ging's von 800 m runter ans Meer. Super Strasse und guter Belag aber etwas gefährliche Kurven. Und dazu etwas Regen. Und wir sind kein einziges Mal aus der Kure geflogen. Es besteht Hoffnung, dass wir die Heimat doch noch ganz erreichen.

Vibo Valentia, 9.11.17

Ueber den Appenin ans Tyrhenische Meer

Heute gabs wieder einmal haufenweise Berge. Von Cosenza auf ca. 200 m gings hinauf auf 800 m. Wunderschön aber anstrengend. Beim Anstieg wollte mir die ANAS (verantwortlich für den Strassenunterhalt) weismachen, dass ich hier nicht fahren dürfe. Ich erklärte ihnen, dass ich dies mit der Polizei abgesprochen hätte. Dann sei es schon in Ordnung, meinten sie. Gut lügen muss man auch können.

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Ans tyrhenische Meer hinunter nach Paola

Und dann nach 4 Stunden sass ich am Strand des Tyrhenischen Meers. Die Wellen brausten und es war sonnig und warm. Eine Seeligkeit, die man nur dann so richtig geniessen kann, wenn man sich vorher drei Stnden bei Nieselregen den Berg hochgequält hat. Noch nie schmeckte ein Mittagessen, bestehend aus Orangen, Birnen und Bananen so gut.

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Sonne und Meer, was will man mehr

Nun ging's in flottem Tempo südwärts der Küste entlang mit wunderschönen Ausblicken aufs tiefblaue Meer. Alles schön eben für mindestens 70 km. Lastwagen und Cars überholen mich. Das ist ja auch richtig so, denn so schnell bin ich ja auch wieder nicht. Ärgerlich ist es nur, wenn die Schulkinder in den Cars versuchen, mich mit Eiswürfeln zu bombardieren. Das könnte gefährlich werden.

Etappenziel von heute ist Vibo Valentia. Auch eine Hellenische Gründung. Aber warum auf 500 m. So eine Steigung am Schluss des Tages kann recht zehren. Am Schluss waren meine Batterien und auch die für das Licht am Ende, sodass das Hotel Vecchia Vibo und das Abendessen in der ehemaligen Scuderia äusserst willkommen waren.

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Wohlverdientes Abendessen in der ehemaligen Scuderia (Pferdestallung)
 

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wurdest zu zum Meer an den Stran hin getragen ? ich meine mit deinen schmalen DAckelschneidern wird mit Fahren im Sand ja eher nix ;)
 
Einen schönen Gruß an Dynamik und dem der drin sitzt:
Euer Thread ist spannend, spannend und toll geschrieben, spannend gefahren usw............
Ich freue mich immer wieder auf die Fortsetzungen.
Ich hoffe, dass Ihr noch bis Sizilien und wieder zurück fahrt.
Sonst ist es ja viel zu kurz.
Ich habe extra in einem Tab die Karte von Italien geladen und Dank Eurer Ortsangaben verfolge ich den Weg von Euch beiden.
Nicht ohne Eigennutz, denn die Gegend habe ich auch schon mal befahren, aber leider nur mit dem Auto.
So kommen mir manche Erinnerungen wieder.
 
Gerade in Süditalien kenne ich mich auch einigermaßen aus! Mein Milvus carbonaris siedenburgensis :);) darf von dieser Tour nichts erfahren, liebes EVO-R, sonst dreht der durch und fliegt mir am Ende noch ohne mich fort, hoffentlich nicht so wie beim Freyfahrer aus Freyersen :cry:! Bis jetzt hat wohl noch niemand seinen Vogel einfangen und zurückbringen können :(!
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja diese berühmten Frauen, Scilla, Charybdis, Circe. Offensichtlich muss man recht bösartig sein, um Berühmtheit zu erlangen. Da nützt es wohl nicht viel, dass ich Dynamik nun schon dreimal das Leben gerettet habe.

Messina, 10.11.17

Zwischen Scilla und Charybdis

Jetzt geht's nur noch bergab bis Scilla, dachte ich mir heute Morgen. Schliesslich bin ich ja gestern vor dem Eindunkeln noch schnell auf 500 m ü M hinauf gekurbelt. Weit gefehlt. Es ging zwar zuerst bergab auf Meereshöhe in eine Tiefebene voll von Olivenbäumen. Wer wohl alle diese Oliven essen mag? Nacher klettert die Strasse aber nochmals hinauf auf 500 m, um dann in engen Kehren nach Scilla hinunter zu fallen.

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Olivenbäume soweit das Auge reicht

Scilla ist ein wunderschönes, an den Felsen gebautes Städtchen. Mit dem Velomobil sollte man unbedingt durch das alte Städtchen fahren. Es holpert zwar, ist aber viel schöner als die Umfahrung. Der Felsen der Scilla ist wirklich imposant. Für mich waren die Steigungen jedoch viel furchterregender als der Felsen. Wahrscheinlich sieht das vom Schiffe etwas anders aus.

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Der Felsen der Scilla

Ursprünglich war nämlich die Meerenge von Messina ganz harmlos. Wenn da nicht die Charybdis, die liebenswürdige Tochter des Poseidon gewesen wäre. Sie verehrte ihren Vater so sehr, dass sie mit allen Mitteln versuchte sein Reich zu vergrössern. Tja, und das bedeutete, dass sie immer wieder Küstengebiete unter Wasser setzte. Das gefiel Zeus jedoch gar nicht. Kurzerhand verwandelte er die schöne Charybdis in ein Monster, das Wasser schluckte und in den dabei auftretenden Wirbeln verschwand so manches Schiffchen.

Bei Scilla ging es - wie so oft - um eine etwas verzwickte Liebesgeschichte. Ein Fischer hatte sich in die wunderschöne Nymphe Scilla verguckt, doch diese wollte nichts von ihm wissen. So ging der betrübte Fischer zur Circe (etwas nördlicher zwischen Rom und Neapel) und bat um einen Zaubertrank. Der Fischer muss sehr hübsch gewesen sein, denn nun verguckte sich die Circe in den Fischer. Der wiederum wollte nichts davon wissen, denn er konnte die schöne Scilla unmöglich vergessen. Circe war dermassen beleidigt, dass sie dem Fischer einen Zaubertrank gab, der aber die Scilla in ein Meeresungeheuer verwandelte. Und seitdem muss man höllisch aufpassen, dass man weder Scilla noch Charybdis zu nahe kommt, z.B. mit dem Velomobil beim Durchfahren eines Kreisels.

Die Einschiffung auf die Fähre war ein echtes Highlight. Mein Velomobil wurde von einer riesigen Menschenmenge umringt und alle wollten wissen, woher ich komme und wohin es geht. Und vor allem wollten sie wissen, ob da ein Motor drin ist. Die Bewunderung war grenzenlos, als ich erklärte, dass ich es ohne Motor von der Schweiz bis zum untersten Zipfel von Italien geschafft habe. Am Schluss wurde ich noch auf dem Schiff zu Kaffee und Kuchen eingeladen.

Es dunkelte bereits als wir in Messina landeten. Diese Stadt ist zauberhaft. Vielleicht liegt es daran, dass ich erst bei Dunkelheit angekommen bin. Städte sollte man eigentlich nur nachts besuchen. Sie wirken viel besser.
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Dom von Messina
 
Meine Löffelliste hat einen weiteren Punkt zwengs Erledigung erhalten und ich habe ihn nicht ans Ende der Liste gesetzt. Hmm, ich sollte mir eine Pre-Löffel-Liste anlegen.
 
Dynamik scheint eine spezielle Zuneigung zur Polizei zu haben. Oder ist es eher umgekehrt? Dank meinem Charme konnte ich Dynamik stets vor ernsteren Konsequenzen bewahren. So auch in Patti mit seiner unmöglichen Strassensignalisation. Die direkte Strasse ist natürlich Einbahn. Gilt nicht für Fahrräder, meint Dynamik. Und schon kommt ein Alfa mit Blaulicht entgegen und stoppt uns. Nach einer ernsten Belehrung (questo segnale esiste anche in Svizzera) wollen die beiden Polizisten alles über mich und unsere Reise wissen. Ganz begeistert sind sie von mir. Am Schluss fahren sie voraus und führen Dynamik auf den richtigen Weg nach Palermo.

Capo d'Orlando, 11.11.17

Nordküste Siziliens

Die Wetterprognose für heute war pessimistisch. Nur Regen. Damit muss man sich anfreunden, auch wenn's schwer fällt. In meinem Lamburgini war ich einigermassen geschützt. Man muss nur schnell genug fahren. Und wenn man die Scheibe innen mit einem nassen Lumpen reinigt, bleibt sie recht lange frei von Beschlag.

Ich wählte die Route über Mortelle und Sparta d.h. immer schön der Küste entlang. So hatte ich praktisch keine Berge zu überwinden dafür war sie 20 km länger als die direkte Route. Die direkte Route über Gesso hatte auf der Karte enorm viele Haarnadelkurven und das verspricht in der Regel Bergstrecken. Gegen zehn gabs die erste heisse Schockolade und dann gings weiter westwärts in Richtung Palermo. Im Westen sah der Himmel auch etwas heller aus und plötzlich kam ganz unerwartet die Sonne. Das Mittagessen - bestehend aus 4 Orangen und 2 Bananen - konnte ich schon bei strahlendem Sonnenschein geniessen.

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Traumhafte Küstenstrasse Nordsiziliens

Die Nordküste Siziliens ist recht wild mit vielen kurzen Steigungen und Gefällsstrecken. Nicht gerade ideal für ein Velomobil. Dafür war die Aussicht übers Meer umso schöner. Die grösste Steigung führte nach Tindari, wo ein griechisches Theater und ein berühmte Kirche hoch oben auf dem Berg thronen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mir beide Sehenswürdigkeiten geschenkt habe. Es wären nochmals 100 Höhenmeter zusätzliche Steigung gewesen.

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Kirche der schwarzen Madonna, Tindari

Gegen 4 Uhr erreichte ich Capo d'Orlando, ein typischer Ferienort, der jetzt im November etwas überdimensioniert wirkt. Hier fand ich ein hübsches Hotel und hier wirds demnächst etwas zu Essen geben.

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Capo d'Orlando
 
bei Deinen Berichten und dem anschließenden Blick aus dem Fenster gibt es eigentlich kein Halten mehr.

Eigentlich... :(
 
Heute waren wir wieder einmal sportlich. Ganze 160 km und 1100 Höhenmeter haben wir geschafft. Wäre ja auch peinlich gewesen, so kurz vor dem Ziel noch schlapp zu machen. Die letzte halbe Stunde war aber doch etwas riskant. Die Sonne war schon längst verschwunden und das bisschen Licht, das bei mir installiert ist. Ich weiss nicht so recht. Wenn die Autos mich bei Tag schon übersehen, wie soll das nachts gut gehen. Dynamik meint auch, vor der nächsten Langfahrt gibts eine anständige Beleuchtung.

Palermo, 12.11.17

Palermo

Heute ist der letzte Reisetag der langen Reise von der Schweiz nach Palermo. Und irgendwie war es auch der allerschönste Reisetag. Die Nordküste Siziliens ist traumhaft schön. Dazu kommt, dass es auf diesem Abschnitt trotz Steilküste nicht allzuviel Berg- und Tal-Abschnitte hatte.

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Bizarre Felsformationen bei Cefalu

Bei schönstem Wetter ging's kurz nach zehn Uhr los von Capo d'Orlando nach Cefalu. In Cefalu sollte man unbedingt länger verweilen können. Das Städtchen am Fusse eines Felsen, mit seinen engen Gässchen und den bizarren Felsformationen im Meer ist ein Juvel.

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Cefalu ( = Kopf in Altgriechisch)

Die letzten 40 km waren dann noch ziemlich harte Arbeit. Denn vor Palermo steigt die Strasse noch einige Male ganz kräftig. Und da es langsam dunkelte, musste ich recht vorsichtig fahren. Punkt 18 Uhr erreichte ich Palermo, suchte mir ein hübsches Hotel und machte noch einen kleinen Rundgang durch die Altstadt.

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Nachts in der Altstadt von Palermo

Nachts hat diese Stadt etwas Surreales. Man fühlt sich irgendwie wie in einem Gespensterfilm. Allzulange bin ich dann nicht rumgestreift, sondern hab mir - auch in der Altstadt - ein hübsches Restaurant gesucht. Hier gabs keine Menu-Karte, denn es gab nur ein Menu, das mir der Kellner in seinem rasanten italienisch runterrasselte. Verstanden hab ich nur, dass Couscous dabei ist und das mag ich. Also hab ich dieses einzige Menu bestellt. Und es hat sich gelohnt. Es war sicher das beste Essen, das ich in diesen zwei Wochen in Italien genossen habe.
 
Tolle Bilder, tolles Wetter und Erinnerungen die bleiben, trotzdem fehlte irgendwie das "Mitgefiebere". Für mich weiterhin unerreicht die 2 Veganer auf dem Weg nach Spanien. Das war das Abendteuer schlechthin :rolleyes:
 
Wie bringst du den VM denn sicher unter wenn du in ein Hotel absteigst? Ich kann mit nicht gut vorstellen, dass das in Sizilien gut geht wenn man so ein Ding auf der Straße herumstehen läßt.
 
Wie bringst du den VM denn sicher unter wenn du in ein Hotel absteigst?
Draussen lassen musste ich mein EVO nie. Dreimal durfte es in der Hotellobby schlafen sonst zumeist im Aufbewahrungsraum für Koffer. In Taranto war's eher eine Katakombe aber allemal trocken.
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Wie kommt ihr eigentlich heim?

Das ist eine gute Frage. Müssen wir morgen angehen.
 
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