Am Ziel angekommen: Ritsem!

Nach drei Übernachtungen am Sehnsuchtsort Ritsem befiel mich eine zunehmende Unruhe, und ich musste weiter, d. h. erst mal die 140 km dieser Sackgasse wieder zuruck. Die Fjällstation bietet zwar eine höhere Aufenthaltsqualität als jeder Campingplatz, doch ist sie auch ein Taubenschlag, die Endhaltestelle des Linienbusses von Gällivare vor der Tür, ein ständig kreisender Hubschrauber, der von Touristen gebucht werden kann... da erinnerte ich mich an den idyllischen Rastplatz, siehe #1, Foto 2. Die 108 km dorthin waren ein passender Wiedereinstieg ins Fahren. Also flugs gepackt, die Wanderschuhe entsorgt
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und los ging's.

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Rückfahrt durch den Nationalpark Stora Sjöfallet auf dem Ritsemvägen, zweifellos einer der Traumstraßen Europas

Am Campingplatz der letzten Übernachtung vor Ritsem erstand ich noch Trockenfutter für den Weg bis Jokkmokk, dem nächsten Ort mit Lebensmittelgeschäft. Die Auswahl war nur wenig größer als in Ritsem, die Preise "nur" um Faktor 2 statt 3 über dem üblichen Niveau.

Wenige Kilometer vor dem Übernachtungsplatz ereilte mich unerwartet das nächste Gewitter. Der Schaumdeckel befand sich hinter allem anderen im Steert des DF, egal, nur noch fünf Kilometer, der Regen war noch mäßig, und war nicht schon wieder ein heller Streifen hinter der dunklen Wolke sichtbar? Bei Ankunft um halb sieben schüttete es wie aus Kübeln; es gibt bessere Bedingungen für den Aufbau eines Zeltes. Nach einer Viertelstunde saß ich im Zelt, umgezogen, warm und trocken, könnte es gemütlicher sein? Der Regen wurde kurz unterbrochen, so dass ich Kocher und Tütensuppen aus dem Velomobil holen konnte. Die Apsis des Zeltes bietet genug Raum, um sich eine warme Mahlzeit zuzubereiten, egal wie stark es regnet. Unter den erschwerten Bedingungen schmeckte alles noch mal so gut. Erst nach drei Stunden hörte es auf zu regnen, so dass ich mich umsehen und einige Fotos machen konnte:

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Während am nächsten Vormittag alles trocknete, ergaben sich Gespräche mit anderen Reisenden, die ausnahmslos aus Deutschland kamen, darunter eine fahrradbegeisterte Familie mit zwei Töchtern, die jüngere fuhr auf dem Trailerbike mit.

Nach den restlichen 32 Kilometern Ritsemvägen bog ich auf die E45 in südlicher Richtung ein. Vor meinem geistigen Auge stellten sich Bilder von köstlichen Früchten ein, Äpfeln, Weintrauben, Bananen (richtige, aus Ecuador, nicht nur diese allgegenwärtige Inlandsbanan ;))! Dazu von Blåbärsoppa und diesem unnachahmlichen Fruchtjoghurt aus dem Ein-Liter-Tetrapak, den ich bisher nur in Skandinavien fand. In Jokkmokk angekommen, erreichte ich nach 376 Kilometern endlich wieder ein richtiges Lebensmittelgeschäft. Natürlich kaufte ich mehr als üblich - es war gerade noch möglich, alles im DF unterzubringen. Ein bisschen wollte ich noch weiterfahren, dann fand ich 55 Kilometer hinter Jokkmokk diesen wunderschönen Naturzeltplatz, mit See für eine Schwimmrunde kurz nach Mitternacht:

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Am nächsten Tag ging es weiter auf der E45 Richtung Süden. Die Landschaft wurde zunehmend unspektakulär, man könnte auch sagen: eintönig. Immerhin gab es einen schönen Rastplatz am Piteålv mit der Möglichkeit, den Wasservorrat am Hahn aufzufüllen. Am Fluss wies ein Schild darauf hin, dass dessen Wasser nicht trinkbar sei.

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Piteålven

Die nächsten Übernachtungen dann wieder auf Campingplätzen, in Arvidsjaur und (letzte Nacht) in Storuman. Die Anstiege wurden seit gestern geringer, entsprechend erhöhte sich die Durchschnittsgeschwindigkeit. Es hatte noch die Überlegung bestanden, in Sorsele Richtung Norwegen abzubiegen, wovon ich Abstand genommen habe. So ist mein Fernziel nun Göteborg. Die Fähre nach Kiel ist bereits für den 4. August gebucht.
 
Storuman wollte auf Initiative eines Björn sowieso und einer Heidi soundso in einer tvdoku letztes Jahr Vorreiter in Sachen CO2 Einsparung werden. Hast du davon was bemerkt? Oder war das alles nur eine Show?
 
Also die Heidi hab ich nicht gesehen, ;)
dafür aber diese überdimensionierten Pickups, wie überall in Schweden...
 
Auf der Weiterfahrt von Storuman Richtung Süden bestätigte sich der Eindruck der Eintönigkeit. Von der E45 aus sah man immer den gleichen Wald aus Kiefern, Birken und Fichten in veränderlichen Anteilen. Eigentlich waren es mehr die Lichtstimmungen des nordischen Himmels, die die Landschaft dennoch manchmal fotogen machten.

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Hier war der Preis dafür der anschließende Regenschauer

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Manchmal ergab sich bereits aus dem Velomobil heraus eine ansprechende Aufnahmeperspektive, so dass ich nicht auszusteigen brauchte

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So auch hier, als ich in Vilhelmina auf der E45 in einen Stau geriet

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Strömsund

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Dörfliche Idylle an der E45

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Doch manches Geschäft lohnt sich nicht mehr
 
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'ne Herde auf der Straße sieht man schon von Weitem. Bei einem Rentier mitten in einem unbeleuchteten Tunnel in Norwegen wird's interessant :whistle:. Auch schön die Reaktion meines Bruders bei seinem ersten Rentier irgendwo zwischen Mora und Östersund: "Ein Elch, ein Elch!" :rolleyes:
 
So ein Stau kann ziemlich besch¡•••n enden;).

Die Losung des Rentiers ist ungewöhnlich klein und kugelig, kaum größer als die des Kaninchens. Sie würde wahrscheinlich nicht anhaften. ;)

Die Hupe im DF, sonst zu nichts nutze, hat sich überraschenderweise als geeignet erwiesen, allzu neugierige Rentiere auf Distanz zu halten.
 
80 km hinter Östersund, bei Åsarna, verließ ich die E45 in südwestlicher Richtung, weil ich die Einheitslandschaft nicht mehr sehen mochte und auch, weil dadurch wieder einige Nationalparks an der Route lagen. Der Preis dafür waren zwei langgezogene Anstiege auf 670 und 710 moh. mit anschließenden Gefällstrecken bis 10 %, bei denen ich leider eine Menge mühsam erarbeiteter potentieller Energie in nutzlose Wärmeenergie umwandeln musste, um nicht schneller als ca. 85 km/h zu werden. Das war auf der E45 so gut wie nie erforderlich gewesen. Nach dem ersten Gefälle erschien ein Dorf an einem See, Klövsjö, das nicht nur wegen der Silhouette seiner Kirche vor dem Abendhimmel eine beinahe oberbayerische Anmutung hatte. Es war vielmehr der Abendhimmel selbst, der hier weniger klar als sonst in Nordeuropa, eher in einem noch tieferen Orange als bei uns erschien. Dazu mischte sich ein kräftiger Geruch nach Holzfeuer. Ich hatte somit eine der von Waldbränden betroffenen Regionen erreicht. Nach der zweiten Gefällstrecke baute ich mein Zelt auf dem Campingplatz in Hedeviken am Rande des Sonfjället Nationalparks auf.

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See am Campingplatz Hedeviken. Der Rauch gibt dem Abendhimmel seine ungewöhnliche Farbe.

Am folgenden Tag (dem vergangenen Samstag) kam ich nur bis Lofsdalen, da ich beim Verlassen des örtlichen Lebensmittelladens von einem heftigen Gewitter mit in nächster Nähe einschlagenden Blitzen und wolkenbruchartigem Regen überrascht wurde. Der geplagten Region sei es gegönnt! Nachdem ich eine Stunde im überdachten Eingangsbereich des Ladens gewartet und der Regen nachgelassen hatte, fiel mein Blick auf das gegenüberliegende Gebäude, bei dem es sich offenbar um die Rezeption eines Campingplatzes handelte. Glück muss der Mensch haben! Da es zu weiteren Regengüssen kam, verzichtete ich darauf, das Zelt aufzubauen, und rollte meine Luftmatratze im Speisesaal des Campingplatzes aus.

Am Sonntag wollte ich weiter in Richtung Fulufjällets Nationalpark und musste als erstes den höchsten Pass der gesamten Reise überwinden.

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Immer höher windet sich die schmale Straße hinauf

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Auf über 800 m Höhe zeigt sich eine andere Vegetation

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Geschafft! Die Passhöhe mit 854 m ist erreicht (siehe das kleine Schild links).
Manchmal ist die tiefe Sitzposition im Velomobil von Nachteil.

Bei Sörvattnet gab es die Wahlmöglichkeit zwischen der direkten Strecke zum Tagesziel Idre (44 km, davon 24 km "wassergebundene Decke", wie es bei uns heißt) und einer durchgehend asphaltierten Verbindung (12 km länger). Ich habe nicht bereut, die landschaftlich schöne erste Variante genommen zu haben. Der Schotter war fein, die Schlaglöcher hielten sich in Grenzen, nur auf einigen Abschnitten führten Traktorspuren dazu, dass der gesamte Inhalt des Velomobils kräftig durchgerüttelt wurde.

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Im wilden Westen Schwedens

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Kurz vor Idre
 
Bereits vor Idre war mir der überproportionale Anteil niederländischer Autokennzeichen aufgefallen, wie überall in Europa ein untrügliches Zeichen dafür, nun in eine Gegend mit schönen Bergen zu gelangen. ;)

Von Idre aus steuerte ich das Besucherzentrum des Nationalparks Fulufjället an. Auf der kleinen Straße, die zum nächstgelegenen Ort Mörkret führt, arbeitete ich mich hinauf. An einem Parkplatz wies eine Tafel auf einen 1,2 km langen Rundweg durch einen nicht bewirtschafteten Wald mit dreihundertjährigen Kiefern hin. Ich ließ es mir nicht nehmen, diesen zu erwandern, obwohl ich nach der Entsorgung der Wanderschuhe nur noch ein Paar Schaumclogs hatte.

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Kein anderer Mensch war während der gesamten Exkursion zu sehen. Ich entschied mich, mir die Zeit für den Urwald zu nehmen und das bekannte touristische Ziel, den Njupeskär Wasserfall, auf den Abend zu verschieben. Zudem musste eine größere Menge der köstlichen Blaubeeren zum sofortigen Verzehr geerntet werden.

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Blaubeeren hatte ich erst südlich von Arvidsjaur gefunden, nördlich davon trugen die Büsche keine Früchte

Auf den letzten Kilometern vor Mörkret verlor ich leider wieder die meisten der auf dem ersten Teil der Straße gesammelten Höhenmeter. Dafür ging es auf der kurzen Straße zum Besucherzentrum so steil bergauf wie sonst nirgends auf der gesamten Reise. "10 %" sagten die Schilder, was für mich "4 km/h" hieß. So kam ich erst kurz nach 20 Uhr beim Besucherzentrum an. Von der interessanten Vegetation entlang der gut zwei Kilometer Fußweg zum Wasserfall gibt es leider kein Bild, denn das Tageslicht schwand zusehends.

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Der Njupeskär ist mit 125 m Gesamt- und 90 m freier Fallhöhe der höchste Wasserfall in Schweden

Zum Glück gibt es in Mörkret einen unbemannten Campingplatz am Fluss, den ich wenige Minuten nach dem Einsteigen ins Velomobil mit heißen Bremstrommeln erreichte.
 
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Mensch, Joosten, wär ich nur weitergefahren... ;)
Du holst mich mit Deinen Einträgen und den zauberhaften Bildern immer wieder Richtung Norden. Dann muss ich wohl schon nächstes Jahr wieder hoch :)
Gute Weiterreise,
Gruß Krischan
 
Die Weiterfahrt von Mörkret hatte ich zunächst in westlicher Richtung geplant, weiter durch den Nationalpark Fulufjället und dann ein kurzes Stück durch Norwegen. Nachdem ein Blick auf die Höhenlinien ergeben hatte, dass ich erneut auf ca. 850 m hätte hochkurbeln müssen, entschied ich mich, über Särna nach Malung weiterzufahren. Bereits nach wenigen Kilometern gab es die fünfte Elchsichtung seit Erreichen der schwedischen Grenze, diesmal wechselte ein kapitaler Bursche mit recht ordentlichen Geweihschaufeln vor mir die Straßenseite.

Ab Sälen fuhr ich auf der 71, immer am Fluss Västerdalälven entlang, was wegen geringer Höhenunterschiede ein zügigeres Vorankommen ermöglichen sollte - leider waren auf den ersten 22 km die Spurrillen mit Grobschotter, der mit Bitumen zusammengekleistert worden war, instandgesetzt worden, was eine raue Fahrbahnoberfläche ergibt. Während man mit einem Einspurer einfach daneben fahren kann, rollen beim Dreirad immer ein oder zwei Räder auf diesem Belag, was Kraft kostet. Zum Glück konnte ich abschnittsweise auf eine kleine asphaltierte Straße auf der anderen Flussseite ausweichen.

Am nächsten Tag, hinter Malung, befuhr ich wieder den Inlandsvägen (E45). Dort dasselbe: geflickte Spurrillen auf ca. 30 Kilometern Länge, dazu kamen immer wieder Steigungen und eine zunehmende Verkehrsbelastung. Der Versuch, eine Alternativstrecke zu befahren, endete nach gut einem Kilometer im Schotter - also fuhr ich weiter auf der E45 und wechselte bei Stöllet auf den Klarälvsvägen (62), der parallel zum Fluss Klarälv verläuft und daher kaum Steigungen aufweist.

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E45 südwestlich von Malung mit instandgesetzten Spurrillen

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Auch der Klarälv führt aufgrund der anhaltenden Trockenheit wenig Wasser

Kurz vor Munkfors sah ich von einer Brücke in der Tiefe einen asphaltierten Bahntrassenradweg, auf meiner Karte als "Sverigeleden" bezeichnet. Obwohl ich auf der 62 gut vorankam, wollte ich diesen ausprobieren und wechselte bei nächster Gelegenheit auf die Trasse der ehemaligen Klarälvsbanan. Nach wenigen Kilometern brach ich den Versuch ab: trotz einer Breite von ca. 4 Metern und großer Kurvenradien war das Vorankommen mühsam aufgrund des unebenen Asphalts, nachrangiger Vohrfahrtregelungen und etlicher Umlaufsperren.

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Links der Bahntrassenradweg, rechts eine deutlich besser asphaltierte Straße mit geringem Verkehrsaufkommen

Nach einer Übernachtung auf einem Campingplatz direkt am Ufer des Klarälv ging es weiter am Nordwestufer des Vänern (größter See Europas außerhalb Russlands) bis Bengtsfors und am folgenden Tag (gestern) dann weiter nach Stenungsund. Über diesen Abschnitt gibt es einiges zu berichten, hauptsächlich Verkehrstechnisches, wozu ich aber erst komme, wenn ich wieder zu Hause bin, denn gleich muss ich aufbrechen, um heute Nachmittag die Fähre in Göteborg zu erreichen.

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Ankunft in Stenungsund, im Hintergrund die Brücken zur Insel Tjörn
 
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Hallo,

@Joosten
Die Bahntrasse bin ich auch lang gefahren, fand die aber sehr gut. Vielleicht habe ich auch nur das gute Stück erwischt. Viel Spass bei deiner weitern fahrt.
 
Hallo,
@Joosten
Ich wusste gar nicht, das so eine Straße aussieht, wo die Spurrillen geflickt worden sind. So was gibt es auch auf der E14 nach Sundsvall.
 
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