Aerodynamik bei Seitenwind für Vortrieb

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In der letzten Zeit gab es etliche Diskussionen dazu - z.B. im Quest-Starkwind-Thread und bei Alphaseven.
Ich denke es ist an der Zeit dies in einem eigenen Thread grundsätzlich zu diskutieren.

Es ist klar, dass wir bei Luftströmung direkt von vorn einen möglichst niedrigen Luftwiderstand haben wollen; sei es auf Grund der Eigengeschwindigkeit oder bei Gegenwind.

Was ist aber wenn der wahre Wind von der Seite kommt? Bei Windstärke 3 sind dies schon bis zu 20 km/h und bei 40km/h Eigengeschwindigkeit ist die Luftströmung bereits aus 30° schräg von vorn. Muss man hierfür die Aerodynamik nicht völlig überdenken um die Energie, welche unzweifelhaft im Wind steckt mit zu nutzen?

Ich weiß, die meisten werden sagen, dass man so konstruieren muss, dass diese Windkräfte möglichst gering bleiben und damit wenig Einfluss auf die Lenkung haben oder gar das Fahrzeug zum Kippen bringen.
Aber für beide Fälle könnte es konstruktive Gegenmaßnahmen geben - das 4-rädrige VM könnte eine davon sein.

Diese Luftströmung aus 30° kommt ja immer noch von vorn und somit kommt es möglicherweise nur darauf an, dass es zu keinem Strömungsabriss mit Unruhe auf Grund der Kármánschen Wirbel kommt.
Der höhere CwA-Wert von der Seite durch die gegenüber der Stirnfläche um Faktoren größere Seitenfläche A könnte also neben dieser auch durch den Cw erhöht werden, wenn es nicht zu diesen Wirbeln kommt.

Von vorne soll der CwA-Wert natürlich weiterhin gering sein. Von der Seite bleibt neben der Größe der Seitenfläche nur noch die Oberfläche, um den seitlichen Cw-Wert zu beeinflussen.

Die Strömung soll trotzdem möglichst gut der Fahrzeugkontur folgen. Eventuell kann man auch über eine Abrisskante nachdenken. Wie wäre es, wenn man die Oberfläche nicht glatt macht, sondern mit Rillen in Längsrichtung versieht?

So als wenn man gedanklich einen Strohhalm in Längsrichtung halbiert und auf der ganzen Oberfläche die konkave? Seite nach außen schauen lässt. :sneaky:
 
Also am Besten Velomobile mit einem Seitenruder für die windigen Flachlandabschnitte?

;), Harald
 
Kurzzeitig habe ich da auch schon drüber nachgedacht. Aufgrund der interessanten Technik im RC-Flugmodellsport kann man

-Drehzahl des E-Mot passend zur Windgeschwindigkeit regeln via Pitot-Rohr.
-Lenkwinkel gyroskopisch der Wind- oder Schrägweg-Abdrift ausgleichen lassen. Geht sicher auch über eine Art Seitenruder.
-Spoiler-Auslenkwinkel passend zur Fahrgeschwindigkeit einstellen.
-Belüftungsöffnungen je nach Innenraumtemperatur weiter auf- oder zufahren.
und Vieles mehr.

Ein drehbares Leuchtschwert ist eine Idee, bringt aber durch den hohen Angriffspunkt ein höheres Kippmoment mit.
Ich bin ein Fan des guten alten Seitenruders.

Wenn das in z.B. Rechtskurven noch nach links auslenkt, kann man damit die gefährtliche Heckdrift etwas weiter herausschieben (siehe negatives Wendemoment).

Andererseits: wie sieht es mit der Verkehrssicherheit aus? Oder mit der Gesetzeskonformität?

Kurz: Möglichkeiten habe ich viele, allein am Mute hapert es.:rolleyes:

Habe gerade gemerkt, daß ich mich habe hinreißen lassen. Sorry für Fast-OT.
 
Wäre da nicht vlt mal ein Segeltest bei starkem Seitenwind mit verschiedenen Velomobilen angebracht? Ich bin nun mal kein Theoretiker sondern möchte das Ergebnis mit eigenen Augen sehen.
 
In erster Näherung entsteht Vortrieb wenn die seitlich auftreffende Luftströmung mehr zum Heck abgelenkt wird als zum Bug.
Das sollte eigentlich dann der Fall sein, wenn der breiteste Punkt des Fahrzeugs möglichst weit vorne liegt und es dahinter gleichmäßig Spitz zuläuft. Das ist bei den meisten VMs gegeben.
Je weiter weiter dieser Punkt vorne liegt und je flacher das Profil nach hinten zuläuft, desto höher die maximale Geschwindigkeit mit der noch Vortrieb erzeugt wird. Dafür wird mit flacherem Winkel der Vortrieb bei kleinen Geschwindigkeiten geringer.
Eine Leitra müsste also aus dem Stand mit Halbwind segeln können, ein Milan kann vielleicht auch am Wind noch segeln, aber ob es zum anfahren reicht?
Für wenig Einfluss auf die Lenkung muss der Druckpunkt möglichst nah der ungelenkten Achse sein. Das lässt sich erreichen, indem man das Fahrzeug hinter die Hinterachse verlängert und erhöht (Milan gut, Mango schlecht).
Soweit die Meinung eines Seglers und Surfers. Der keine formelle Ahnung von Aerodynamik hat.
Kennt jemand die oben genannten Fahrzeuge und kann die Eigenschaften bestätigen oder verneinen? Daß das Mango wesentlich seitenwindanfälliger als der Milan ist, durfte ich schon selbst feststellen.
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Segeltest bei starkem Seitenwind mit verschiedenen Velomobilen angebracht?
VM-Treffen auf Fehmarn zu Himmelfahrt?
 
Anfang/Mitte Mai? Da kann ich nicht... Trotzdem ist es notwendig, daß alle VM im Vergleich gleich gut rollen. Und selbst daran beißen sich viele Spezis hier die Zähne aus.
Eine Art schräger Windkanal würde es besser bringen. Und dann AoA und TAS messen. Bis das VM (fast) umkippt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Physik_des_Segelns : Netter Ansatz. Auch zum Problem der "echten" Windrichtung. Die ja gerade bei VM auch dank der Eigengeschwindigkeit viel verfälschen kann.
 
Unterschiedliche Profile liefern bei gleichem Angriffswinkel erstaunlich ähnliche Cl-Werte (Auftrieb) allerdings bei unterschiedlichem Cw . Bei alpha > 20° ist meist Feierabend mit gutem Cw und der Cl stagniert- zum Glück !==> Segeln möglich aber nur bei < 20°. Dies dürfte bei höheren Geschwindigkeiten der Fall sein, weil dann der "Seitenwindvektor" entgegen der Fahrtrichtung dreht und man "hart am Wind" fährt.
Die Seitenwindempfindlichkeit lässt sich durch kurze, tiefe Nasen und lange Schwänze positiv beeinflussen (wie Daniel auch schon beim Alpha7 festgestellt hat).

Carbono
 
Ich meine mich an ein kurzes Video zu erinnern, bei dem eine Leitra (?) auf einem Asphalt-Weg bei starkem Seitenwind aus dem Stand langsam anrollt.
Es sah echt aus. Ich denke daß ich's hier im Forum gesehen habe.

Grüße,
Christian
 
Man könnte durch "Trimmung" des Hinterrades nachhelfen. Also eine arretierbare Hinterradlenkung mit kleinem Einschlagwinkel. Das führt zu einem Hundegang wie man es von südamerikanischen Lastwagen mit versehentlich schräg montierter Hinterachse kennt. Das "Segel", also die Karosse, bekommt dadurch einen besseren Anstellwinkel.

Dasselbe würde man durch das Eigenlenkverhalten einer nachgiebigen Schwinge erreichen.
 
Man könnte durch "Trimmung" des Hinterrades nachhelfen. Also eine arretierbare Hinterradlenkung mit kleinem Einschlagwinkel.
Das "Segel", also die Karosse, bekommt dadurch einen besseren Anstellwinkel.
Dasselbe würde man durch das Eigenlenkverhalten einer nachgiebigen Schwinge erreichen.
Wieviel Grad kannst du denn damit erreichen?
Allein einmal kräftiges Reintreten bei Seitenwind 3bft (20km/h) und beschleunigen von 40 auf 45km/h lässt die Anströmung von weiter vorne kommen und verbessert damit den "Anstellwinkel" bereits um 3,6° - und schon geht's mit der niedrigeren Anstrengung von zuvor weiter.
Bei ständig sich verändernder Richtung beim Fahren halte ich ein zusätzliches Steuerelement für nicht hantierbar. Es würde schon genügen, wenn die Unterstützung nur dann erfolgt, wenn die Richtung zufällig passt. Wie die Wikipedia-Simulation zeigt wäre dies bei 8 von 12 Windrichtungen der Fall.

Wieso geht eigentlich niemand auf meine Überlegung zu einer richtungsabhängigen Oberflächenstruktur ein - bei den Golfball-Dimples hat die Oberfläche ja auch einen Einfluss.
 
Bei der Entwicklung des Birk Butterfly war ein Ziel, Seitenwinde nutzbar zu machen.

Die tiefe Nase und das hohe Heck sollten den Druckausgleich von Links nach Rechts bei schräger Anströmung erschweren, so dass der profilförmige Grundriss eine resultierende Kraft schräg nach vorne zur Fahrtrichtung erzeugt. Das seitliche Ausweichen wird durch die Spurtreue des Dreirads aufgefangen, den Rest erlebt man als Vortrieb oder Reduktion der Fahrtwiderstände.

In der Praxis wurde von @Jürg Birkenstock bei ~90 Grad Anströmung zur Teststrecke bei starkem Wind nach Antreten auf ca. 20 km/h im maximum 47 km/h erreicht, in beide Fahrtrichtungen. Die Windstärke ist leider nicht bekannt (Zitat J.B: "aber war schon heftig").

Dazu ein Ausschnitt der Diplomarbeit Jan Diener, "Bicycle fairing aerodynamics: Experimental study using an adapted surface mesh" EPFL 1998/99
 

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Ein Evo beschleunigt aus dem Stand ü 50
Und trotzdem ist es sehr schwierig diesen Vortrieb gut auszunutzen. Erstens ist der Wind selten schön konstant querab und zweitens ist die Fahrrichtung - im Gegensatz zum Segeln - durch die Strasse vorgeschrieben. Hingegen sind die wechselnden Querwinde durch LKW oder durch eine Lücke in einer Häuserzeile fast immer vorhanden. Und diese wechselnden Querwinde hatten beim EVO-R vor der Montage des "Stormstrips" massiv gestört und mich bei 70 km umgeworfen.
 
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