Aerodynamik bei Seitenwind für Vortrieb

Um hier nochmal am Thema Schräganströmung und Luftkräfte am umströmten Körper anzuknüpfen...

Der vordere Staupunkt, der bei gerader Anströmung schön mittig auf der VM-Nase liegt, wird bei Schräganströmung zur Luvseite wandern. Am Staupunkt ist der größte Druck, den wir an der Oberfläche des Körpers finden können, und zwar genau der dynamische Druck ("Staudruck") und damit Druckbeiwert cp=1.
Überall woanders an der Oberfläche ist der Druck geringer, also cp < 1. Insbesondere finden wir Stellen mit cp = 0, also Druck an der Oberfläche ist gleich dem Atmosphärendruck und große Bereiche mit cp < 0, also einem Druck an der Oberfläche, der kleiner ist als der atmosphärische Druck.

Bei Seitenwind bekommt man vorne an der Nase des VMs viel kleinere Druckbeiwerte, als bei Anströmung genau von vorne. That's were the magic happens.
Ich gehe davon aus, dass weiter hinten auch ein Stromstrip der Segelwirkung bei Seitenwind nicht viel schadet.

Hinten am VM kann man nur Versuchen Strömungsablösung zu vermeiden, soweit wie irgendmöglich. Es darf sich dafür nicht zu sprunghaft verjüngen. Wenn man das schafft, dann steigt der Druck zu Ende hin wieder bis möglichst dicht an cp = 1 an, es saugt also hoffentlich nicht zu stark am Heck.
 
Es darf sich dafür nicht zu sprunghaft verjüngen. Wenn man das schafft, dann steigt der Druck zu Ende hin wieder bis möglichst dicht an cp = 1 an, es saugt also hoffentlich nicht zu stark am Heck.
Ist nicht gerade am Alpha 7 die Besonderheit die, dass es sich nach der breiteren Front stärker als bei allen anderen sogar konkav verjüngt? Dort müsste es dann doch verstärkt zur Strömungsablösung kommen.
 
Nee, das geht schon, wenn man es nicht übertreibt. Konkav ist nicht grundsätzlich ein Problem.

Ganz schlimm ist das Heck vom Go-One 3 und am Heck vom Go-one Evo ist es so, wie es sein soll.
 
Genau bei den beiden anscheinend besten VMs bezüglich Seitenwind, nämlich Milan-SL und Alpha 7 liest man nichts von Stormstrips und Abrisskanten vermag ich da auch nicht zu entdecken.
Die sind offensichtlich so gut ausbalanciert dass die Kräfte weniger auf die Lenkung übertragen werden.

Wenn es passt kommt ein Vortrieb von mehr als einem Kilo zustande.
Dann hätte ich gern so ein Kilo Vortrieb! Kannst du verschicken?
 
Ein Kilo Vortrieb klingt halt ein bisschen wie der berümte Eimer Spannungsabfall, den der Lehrling holen soll. Seis eben ein daN. Das würde ich auch gerne nehmen, sind immerhin schon bei 36 km/h Fahrgeschwindigkeit 10 m/s * 10 N = 100 Nm/s = 100 W geschenkt!
 
Von den Begriffen her: wäre bei Anströmungskomponente quer zur Fahrtrichtung, also von der Seite, nicht besser statt von Quertrieb von Abtrieb zu sprechen - also das, was man eventuell per Lenkung ausgleichen muss, falls man hoffentlich nicht kippt. Und die dabei entstehende Kraft senkrecht dazu wäre dann der Vortrieb.

Ist aber nicht auch die Strömung über das Velomobil hinweg unerwünscht, da diese die Auflast auf die Räder verringert (in diesem Sinne wäre das dann beim VM der Auftrieb).
Der Begriff "Abtrieb" ist halt schon sehr fest mit dem Abtrieb verbunden, der den Anpressdruck auf die Straße erhöht.

Ich denke das mit der unerwünschten Strömung oben seitwärts übers VM wegen der verringerten Auflast der Räder ist eine Sache der Balance mit der seitlich wirkenden Luftkraft, die das VM von der Spur schieben oder umkippen will. Da wird man nix erreichen, ohne viele Versuchsfahrten, wie DaDü sie macht. Man findet dann mit etwas Glück und Gespür den Sweet Spot (wenn es einen gibt).

Zum einen wird man bei einer gewissen Seitwärtskomponente der Anströmung sicher gerne eine Ablösung haben, denn Umpippen, oder seitwärts in den Straßengraben gedrückt werden ist schlimmer, als zusätzlicher Widerstand. Ein Stormstrip wird durch Ablösung ab einem gewissen Winkel der Schräganströmung sowohl Seitwärtsluftkraft als auch Luftkraft nach oben veringern.

Zum anderen wird man erreichen wollen, dass der aerodynamische Neutralpunkt, an dem man sich die seitwärts wirkende Luftkraft angreifend denken kann, möglichst nah am fahrdynamischen Neutralpunkt (den ich als Nicht-Fahrzeugbau-Ingenieur hier mal so postuliere) angreift, an dem man seitwärts am fahrenden VM drücken kann, ohne, dass es in oder aus dem Wind giert. Noch ein bisschen besser ist vllt sogar, dass es ganz leicht in den Wind giert, so dass es weniger stark seitwärts in der Spur versetzt wird.

Die theoretischen Überlegungen können jedenfalls hilfreich sein, weil man nicht einfach alles wild probieren kann. Man kann sich viele sinnlose Versuche ersparen, wenn man eine halbwegs realistische Vorstellung von den relevanten Strömungsvorgängen hat. (Leider kann ich auch nicht behaupten, dass ich in der Hinsicht "das Licht gesehen" habe.) Einiges Wissen ist von der Luftfahrt auf Fahrzeuge übertragbar, vieles aber auch nicht.
Zum Beispiel das Zusammenspiel zwischen Fahrbahn und Fahrzeugunterseite, da passiert eine Menge, viel schreckliches vor allem. (Das ist ein Riesenthema bei Fahrzeugen, das es beim Flugzeug schlichtweg nicht gibt.)

Es ist für mich auch eine offene Frage, welche Rolle bei der Reaktion auf Seitenwind(-böen) die VM-Unterseite spielt.

Andere Sache: Ich denke schon die Ganze zeit darüber nach, wie man es hinbekommt, dass die Öffnung der Verkleidung (Hose), die sich dicht ans Vorderrad anschmiegt sich mit dem Lenkeinschlag des Rades mitbewegen lässt.
Oder, ob man eine Außenverkleidung ans eigentlich offene Radhaus so anbringen kann, dass es bei größeren Lenkeinschlägen nach außen gestellt werden kann und dafür dann enger anliegen darf, als eine fest montierte, ohne Verlust eines akzeptabel kleinen Wendekreises. .
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Ich hatte das nicht so formuliert und kenne auch noch Pond. Aber eine griffigere Formulierung kam ja auch nicht - oder sollte daN eine solche sein?
Nicht zu ernst nehmen.
Späßle muss auch mal sein. ;)
 
Oder, ob man eine Außenverkleidung ans eigentlich offene Radhaus so anbringen kann, dass es bei größeren Lenkeinschlägen nach außen gestellt werden kann und dafür dann enger anliegen darf, als eine fest montierte, ohne Verlust eines akzeptabel kleinen Wendekreises.
Sowas ähnliches mit flexibler Verbindung zur Karosserie habe ich auch schon mal überlegt.
Nicht zu ernst nehmen.
Die daN musste ich wirklich erstmal recherchieren, obwohl ich die östereichischen Deka kenne.
 
Ja, so in der Richtung. Muss man halt aufpassen, dass man sich nicht einen umständlichen anfälligen Klapperatismus ans Bein bindet (verzeiht den Wortwitz).

Das mit den daN ist auch so eine Sache, früher hat man wohl auch Sollbruchstellen für Segelflugzeugschleppseile in Kilopond angegeben, und da ist schön griffig und vorstellbar. Jetzt schreibt man neben die Seilkupplung halt den Wert in daN, damit klar ist, welche Sollbruchstelle eingehängt werden soll. Man muss wenig umdenken und ist dennoch sauber in SI-Einheiten unterwegs, pragmatische Lösung.
 
o könnten die Hersteller mit kleinen Modellen mit unterschiedlicher (Heck-)formen und unterschiedlichen Windblasrichtungen schnell das Optimum für maximalen Seitenwindvortrieb herausfinden.

Carl-Georg Rasmussen hat nicht nur die Leitra erfunden, er hat auch die europäischen Velomobilseminare ins Leben gerufen. Auf dem 6. Velomobilseminar hat er Untersuchungen im Windkanal vorgestellt:
http://liggecykelforeningen.dk/wp-content/uploads/vmsem6-rasmussen-velomobile-aerodynamics.pdf
Diese Ergebnisse können genutzt werden, um Velomobile zu konstruieren, die in Bezug auf Vortrieb bei Seitenwind optimiert sind.
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Die Strömung soll trotzdem möglichst gut der Fahrzeugkontur folgen. Eventuell kann man auch über eine Abrisskante nachdenken. Wie wäre es, wenn man die Oberfläche nicht glatt macht, sondern mit Rillen in Längsrichtung versieht?
Ich fahre, wie manche vielleicht im Forum wissen, ein Zweiradvelomobil ("Aeolos"). Nach meiner Einschätzung ist das Anliegen der Lee-Strömung ein entscheidender Faktor für das Segeln. Sobald ein gleichmäßiger W-SW-Wind an einer freien Strecke an meiner Tagesstrecke weht, bemerke ich den hier beschriebenen Vortriebseffekt. Die Eigengeschwindigkeit spielt hier eine entscheidende Rolle, den mit ihr kann man den scheinbaren Wind, wie die Segler sagen, variieren. Das heisst, dass man mit der Fahrgeschwindigkeit die Windrichtung am Velomobil beeinflussen kann. Bei mir ist dies ein sensibler Punkt; und bei 25-35 km/h ist der Segeleffekt am größten. Es muss aber mindestens Windstärke 4 wehen, sonst ist der Effekt zu klein. Im Stand oder bei langsamer Fahrt bemerke ich keinen Effekt.
 
Auf dem 6. Velomobilseminar hat er Untersuchungen im Windkanal vorgestellt
Danke! Es ist sehr interessant, dass diese Erkenntnisse bereits vor zehn Jahren existierten!
Nach meiner Einschätzung ist das Anliegen der Lee-Strömung ein entscheidender Faktor für das Segeln.
Vermutlich hast du bei deinem Aeolos eine viel direktere Rückmeldung wenn die Lee-Strömung nicht mehr anliegt. Nimmt hierbei die seitliche Kraft zu oder ab. Das müsste sich doch als unterschiedliche Krängung auswirken.
 
Bei langsamer Fahrt ist der Anströmwinkel (der scheinbare Wind) wahrscheinlich so stark von seitwärts, dass die Strömung nicht anliegt. Fährt man schneller, ist die Anströmrichtung mehr von vorne, so dass die Strömung anliegt. Ob die Strömung anliegt, oder nicht, hängt primär von der Anströmrichtung ab und in gewissen bereichen von der Re-Zahl.

Außerdem steigen die Luftkräfte allgemein mit dem Quadrat der Strömungsgeschwindigkeit. Das lässt auch unverändertem Wind den Windeinfluss zunehmen, je schneller man fährt.

Man kann analytisch herleiten, dass die Seitwärtskraft die eine Böe auf ein VM ausübt etwa proportional zur Fahrgeschwindigkeit ist, sofern die Strömung anliegt. (Das gilt halt erst ab einer gewissen Geschwindigkeit, weil darunter 1. die Strömung nicht anliegt, und 2. weil einige Vereinfachungen dann nicht zutreffen.)
 
Bei langsamer Fahrt ist der Anströmwinkel (der scheinbare Wind) wahrscheinlich so stark von seitwärts, dass die Strömung nicht anliegt.
Und was passiert, wenn im Stand die Anströmung zufällig genau im richtigen Winkel erfolgt - und in diesem Moment somit also der scheinbare gleich dem wahren Wind ist?
 
Und was passiert, wenn im Stand die Anströmung zufällig genau im richtigen Winkel erfolgt - und in diesem Moment somit also der scheinbare gleich dem wahren Wind ist?
Gute Frage.

Aber wahrscheinlich sind da erstmal alle Luftkräfte recht klein, da auch die Strömungsgeschwindigkeit eher klein ist. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass die Luftkraftkomponente entgegen der (nicht-)Fahrtrichtung geringer ist, als bei Anströmung von vorne, dann wäre ja auch schon was gewonnen.
 
die Luftkraftkomponente
Ich habe mir nochmal den Beitrag #165 von @carbono zu Gemüte geführt: dort die letzten Diagramme mit 40km/h Seitenwind. Während von Anfang an 90° also null km/h bis 33° die beschleunigende Kraft Fx immer über 20N ist, nimmt die Querkraft Fy mit steigender Geschwindigkeit rasant zu - bei 21° auf 386N, welche den Milan dann bei 104km/h wohl bereits umwerfen würden. Je schneller er wird, desto mehr Windenergie wirkt.
 
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